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Für die Beurteilung der von Wildtieren ausgehenden Gefahr von Leptospireninfektionen der Haustiere und Menschen ist die Kenntnis der Verbreitung von Leptospiren in der wildlebenden Fauna von großer Bedeutung. In der Literatur werden die Nagetiere häufig als ein entscheidendes Erregerreservoir insbesondere auch für den Menschen dargestellt (MOCHMANN 1957, SÉBEK et al. 1983, FAINE 1994, LEVETT et al. 2001). Die Feldmaus (Microtus apodemus) und der Feldhamster (Cricetus cricetus) wurden bereits 1957 von MOCHMANN als bedeutungsvolle Überträger des Feldfiebers beschrieben. Er stellte erhöhte Inzidenzen in den Spätsommermonaten heraus. Allerdings gehört der Feldhamster inzwischen in weiten Teilen Deutschlands zu den bedrohten Tierarten (www.iucnredlist.org) und hat daher für die Verbreitung der Leptospirose an Bedeutung verloren. Durch indirekte und direkte Erregernachweise wurde in den letzten Jahren bei unterschiedlichen Tierarten das Vorkommen von Leptospiren ermittelt (2.7). Um die Bedeutung von Nagetieren als Trägertiere zu bestimmen, wurden zahlreiche Studien mit diesen Tieren durchgeführt.

Verschiedene Ratten- und Mausarten wurden in den USA auf Hawaii serologisch und kulturell untersucht (HIGA u. FUJINAKA 1976). Kulturell konnten aus dem Nierengewebe bei 206 (24 %) Individuen (von 845) Leptospiren isoliert werden. Demgegenüber wurde eine geringere Seroprävalenz festgestellt (103/647 = 16 %), welches auf ein Absinken der Antikörpertiter durch die Besiedlung der renalen Tubuli nach der akuten Infektion zurückgeführt wurde. Tschechische Untersuchungen bei unterschiedlichen Kleinsäugern wiesen Seroprävalenzen von 4 %, 9 % und 21 % bei drei Mausarten nach (SÉBEK et al.

1983). Weitere Studien an Ratten und Mäusen stellten ebenfalls eine hohe Verbreitung von unterschiedlichen Leptospirenserovaren (Grippotyphosa, Bratislava) in Ländern wie Iran, Korea und Indien und den USA fest (HOOSHMAND-RAD u. MAGHAMI 1976, RIM et al.

1993, PRIYA et al. 2007). Bei der Testung von Bisamratten, die als seltene Trägertiere galten, wurden positive Nachweise mittels Kultur und MAT erbracht (serologisch: 6/14, Kultur: 2/7) (PAUL et al. 1972). In den USA stellt auch die Familie der Beutelratten ein Reservoir für Leptospiren dar. Eine Isolierung von Leptospiren gelang bei drei Südopossums (DIESCH et al. 1970). In Neuseeland erfolgten kulturelle und serologische Untersuchungen beim Fuchskusu („Commom Brushtail Possum”) (HATHAWAY et al. 1978). Leptospiren der Hebdomadis Serogruppe wurden bei 38 % der untersuchten Tiere isoliert. Bei acht Isolaten erfolgte eine Serovarbestimmung mittels „cross agglutination absorption test“ (CAAT), welcher, die Serovar Balcanica ergab.

Eine besondere Rolle als Überträger von Leptospiren auf den Menschen könnte der Waschbär aufgrund seines häufigen Vorkommens in oder nahe zu städtischen Siedlungen spielen. Dies bestätigen Untersuchungen von DIESCH (1970), der in den USA Leptospiren aus Nierengewebe von Waschbären isolierte (3/5). Ebenso wies eine kanadische Arbeitsgruppe (MIKAELIAN et al. 1997) mikroskopisch interstitielle Nephritiden nach (8/27), bei denen in 2 Fällen zusätzlich Spirochäten-ähnliche Bakterien detektiert wurden. Mit der Serovar-spezifischen Immunfluoreszenz wurden in einer dieser Nieren die Serovaren Bratislava und Pomona und in der zweiten Niere nur die Serovar Bratislava detektiert. Eine zweite Studie dieser Arbeitsgruppe beinhaltete serologische Untersuchungen von 25 Seren von Waschbären. Hier dominierten Reaktionen gegenüber der Serovar Bratislava bei sieben Tieren (28 %), wobei fünf davon gleichzeitig Titer gegen Serovar Pomona aufwiesen.

Ein beträchtliches Risiko einer Leptospireninfektion könnte auch von Igeln ausgehen, insbesondere wenn sie sich in menschlicher Obhut befinden. Eine Seroprävalenz von 92 % ergab eine deutsche Studie bei 26 untersuchten Igeln (HORSCH et al. 1970). In dänischen Untersuchungen wurden ebenfalls hohe Leptospirenprävalenzen festgestellt (22 % mit kulturellem Nachweis) (FENNESTAD u. BORG-PETERSEN 1972).

Bei Untersuchungen des Infektionsgeschehens bei jagdbaren Wildtieren in Deutschland wurden Seroprävalenzen von etwa 3 % bei Rehen und 24 % bei Hasen detektiert (HÜBNER u. HORSCH 1977). Auch beim Rehwild in den USA und Brasilien konnten Antikörper gegen Leptospiren nachgewiesen werden (GOYAL et al. 1992, MATHIAS et al. 1999). Sogar Braunbären in Kroatien zeigten Seroprävalenzen gegen Leptospiren auf. (MODRIĆ u.

HUBER 1993).

Als ein weiteres Wirtstier von Leptospiren wurde in Dänemark die Fledermaus postuliert. Die Vermutung stützte sich auf mikroskopische Untersuchungen im Dunkelfeld, bei denen eine Reihe von Spirochäten-ähnlichen Formen auffielen (FENNESTAD u. BORG-PETERSEN 1972). Bestätigend zeigten sich Seroprävalenzen von 28 % bei australischen Flughunden (SMYTHE et al. 2002). MATTHIAS et al. (2005) führten Untersuchungen an Fledermäusen in Peru durch. Es gelangen Speziesbestimmungen der Leptospiren mittels PCR bei 3 % der Proben (20 von 589), die Entdeckung von zwei putativ neuen Leptospirenarten und auch die kulturelle Isolierung von Leptospiren bei 1 % (3 von 589) der untersuchten Tiere. Außerdem stellte diese Arbeitsgruppe Unterschiede zum Vorkommen von Leptospiren unter den verschiedenen Fledermausarten sowie in der regionalen Verteilung fest.

Fledermäuse aus unberührten Wäldern zeigten ein signifikant erhöhtes Vorkommen von Leptospiren gegenüber Fledermäusen aus Wäldern, in denen menschliche Einflüsse deutlich waren.

Leptospirosen treten auch bei Meeressäugern auf. Für einen Ausbruch von renalen Erkrankungen bei hunderten von gestrandeten Seelöwen in Kalifornien konnte L. interrogans Serovar Pomona verantwortlich gemacht werden. Dies verdeutlichten serologische und kulturelle Untersuchungen der Arbeitsgruppe von GULLAND et al. (1996) und COLAGROSS-SCHOUTEN et al. (2002). Vermehrte Seroprävalenzen zeigten adulte und männliche Tiere. Bestätigende Untersuchungen für die Relevanz der marinen Säuger als

Träger von Leptospiren unternahmen zusätzlich COLEGROVE et al. (2005) an See-Elefanten.

Neben den Säugetieren können auch wechselwarme Tiere Reservoire für Leptospiren darstellen (MINETTE 1983). DIESCH et al. (1979) isolierten Leptospiren aus Nierengewebe von Fröschen. Arbeiten von EVERARD et al. (1988) in Barbados ergaben, dass Kröten ebenfalls ein Wirtstier für Leptospiren sind. Aus 211 kulturell untersuchten Nieren dieser Tiere gelang es der Arbeitsgruppe zweimal Leptospiren der Serovar Bim und zwei vermutlich neue Serovaren der Australis Serogruppe zu isolieren. Mittels MAT detektierten sie 21 % als seropositiv insbesondere gegenüber der Serovaren Australis, Autumnalis und Panama.

Unter den heimischen Wildtierarten finden sich auch beim Wildschwein serologisch positive Reagenten gegenüber Leptospirenserovaren. Dies wird häufig mit der Lebensweise des Schwarzwildes in Verbindung gebracht (HÜBNER u. HORSCH 1977, PARNAS u. WEBER 1989). Wildschweine haben eine Vorliebe für Lebensräume, in denen genügend Wasserstellen und Schlammlöcher zum Trinken und Suhlen vorhanden sind. Bei der Futtersuche durchwühlen sie häufig die Erde nach Larven oder Samen. Da das Wildschwein zu den Allesfressern gehört, beinhaltet ihre Ernährung mitunter auch kleine Säugetiere (z. B. Ratten und Mäuse) (2.1). Da in die Umwelt ausgeschiedene Leptospiren die Fähigkeit besitzen, auch in der Außenwelt infektionsfähig zu bleiben, besteht für das Wildschwein aufgrund der typischen Verhaltensweisen ein hohes Infektionsrisiko.

In Deutschland wurden von HORSCH et al. (1970) Seroprävalenzen von 3 % festgestellt, HÜBNER u. HORSCH (1977) und SCHÖNBERG et al. (1999) bestimmten hingegen 13 % und 24 % serologisch positive Reagenten. In Berlin wurden bei 25 von 141 Wildschweinen (18 %) positive Antikörpertiter ermittelt. Zehn Tiere reagierten mit mehr als einer Serovar (JANSEN et al. 2007). Insgesamt waren die Serovaren Bratislava und Pomona am häufigsten vertreten. Zusätzlich konnte bei dieser Untersuchung eine Assoziation zwischen positiven Antikörpertitern und dem Auftreten einer interstitiellen Nephritis durch histologische Untersuchungen festgestellt werden (p = 0,01). Von 29 histologisch untersuchten Nieren wiesen 15 eine interstitielle Nephritis, verbunden mit positiven Antikörpertitern gegen Leptospiren auf. Zwei Tiere mit interstitieller Nephritis waren allerdings serologisch negativ. In drei von zehn Nieren mit interstitieller Nephritis konnten

mittels Silberfärbung (Warthin-Starry) Leptospiren-verdächtige Formen im Nierengewebe nachgewiesen werden. Von diesen drei Proben wurden zwei mittels lipL32-PCR (LEVETT et al. 2005) als positiv für das Vorkommen von Leptospiren-DNA befunden (JANSEN et al.

2007). Positive Antikörpertiter gegenüber Leptospirenserovaren bei Wildschweinen wurden ebenfalls bei Untersuchungen mittels MAT (nur Serovar Pomona eingesetzt) in Spanien mit 12 % festgestellt (VICENTE et al. 2002). In Italien ergab der MAT eine Seroprävalenz von 6 % mit Bratislava und Icterohaemorrhagiae als häufigste Serovaren (EBANI et al. 2003).

Ähnliche Studien beim Schwarzwild erfolgten in Polen, bei denen zu 25 % positive Antikörpertiter ermittelt wurden, v. a. gegen die Serovaren Sejroe und Poi (KRAWCZYK 2005). Die Leptospirose der Wildschweine beschränkt sich aber nicht nur auf Europa, auch in Australien ergaben serologische Untersuchungen eine Seroprävalenz von 20 % mit überwiegenden Antikörpertitern gegen die Serovar Pomona. Von den ermittelten positiven Reagenten zeigten 26 % Reaktionen mit mindestens einer weiteren Serovar (u. a. Canicola und Grippotyphosa). Es konnten keine Häufungen von positiven Antiköpertitern in Abhängigkeit von Geschlecht, Region oder Niederschlagmenge festgestellt werden (MASON et al. 1998).

Die oben genannten vorwiegend serologischen Untersuchungen zeigen, dass vor allem Nagetiere (insbesondere Mäuse und Ratten), aber auch weitere wildlebende Tiere, wie Igel, Südopossums, Fuchskusus, Waschbären, Fledermäuse bzw. Flughunde, marine Säugetiere und Kröten, sogar der Braunbär, Rehe, Hasen und das Wildschwein, als Wildtierreservoire von Leptospiren einzustufen sind.

Tabelle 4: Häufigkeiten von Nachweisen unterschiedlicher Serovaren bzw.

Serogruppen bei Wildtieren in verschiedenen Ländern Häufigkeiten in %

sylvaticus) Tschechien 9 Grippotyphosa SÉBEK et al.

1983 Hausmaus

(Mus musculus) Tschechien 4 Grippotyphosa SÉBEK et al.

1983

arvalis) Tschechien 21 Grippotyphosa SÉBEK et al.

1983 Waldmaus

(Apodemus

sylvaticus) Iran 1/30b Hebdomadisc

Häufigkeiten in %

(Procyon lotor) Kanada 28 Bratislava,

Pomona MIKAELIAN et al. 1997 Igel

(Erinaceus europaeus)

Deutschland 92 Bratislava HORSCH et al.

1970 Igel

(Erinaceus

europaeus) Dänemark 22 Bratislava

FENNESTAD u.

BORG-PETERSEN 1972 Reh

(Capreolus

capreolus) Deutschland 3 Grippotyphosa HÜBNER u.

HORSCH 1977

Brasilien 43 Hardjo, Wolffi MATHIAS et al.

1999

Hase

(Lepus

europaeus) Deutschland 24

Grippotyphosa,

(Ursus arctos) Kroatien 40 Australis, Sejroe MODRIĆ u.

HUBER 1993 Flughunde

(Pteropus

conspicillatus) Australien 28 Australis SMYTHE et al.

2002

Häufigkeiten in %

(Sus scrofa) Deutschland 3

Grippotyphosa,

(Sus scrofa) Deutschland 13

Grippotyphosa,

(Sus scrofa) Deutschland 18 Bratislava,

Pomona

(Sus scrofa) Italien 6 Bratislava,

Ictero-haemorrhagiae

EBANI et al.

2003 Wildschwein

(Sus scrofa) Polen 25 Sejroe, Poi KRAWCZYK

2005

a A = serologisch, B = kulturell, C = PCR

b keine Prozentangaben aufgrund der geringen Anzahl der Nachweise

c Angabe der Serogruppe

d für den MAT wurde nur die Serovar Pomona eingesetzt

e Gesamtpositive aus Serologie und Kultur

f Serovar ermittelt durch MAT aus Leptospirenisolat

h „gepoolte“ Probe aus insgesamt sechs Froschnieren