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Wie wirkt sich meine Haltung auf mein Gegenüber aus?

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Academic year: 2021

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Bachelorarbeit zur Erlangung des akademischen Grades

Bachelor of Arts

Titel:

Wie wirkt sich meine Haltung auf mein Gegenüber aus?

Vorgelegt von

Anika Paeplow urn:nbn:de:gbv:519-thesis 2017-0132-0 Katharina Rebhuhn

vorgelegt im Studiengang Soziale Arbeit

am 3. Juli 2017 an der Hochschule Neubrandenburg

Erstgutachter: Prof. Dr. Andreas Speck

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Eidesstattliche Versicherung

Hiermit versichere ich an Eides statt und durch meine Unterschrift, dass die vorliegende Bachelorarbeit von mir selbstständig und ohne fremde Hilfe angefertigt worden ist. In-halte, die aus fremden Quellen stammen und direkt oder indirekt übernommen worden sind, wurden als solche gekennzeichnet. Ferner versichere ich, dass ich keine andere, außer der im Literaturverzeichnis angegebenen Literatur verwendet habe. Die Arbeit wurde bisher keiner weiteren Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffent-licht.

Kratzeburg, 03.07.2017

_________________________________ ________________________________ Katharina Rebhuhn Anika Paeplow

Die nachfolgend verwendete männliche Form bezieht selbstverständlich die weibliche Form mit ein. Auf die Verwendung beider Geschlechtsformen wird - entgegen der Denkart des Konzeptes Gender-Mainstreaming - mit Blick auf die leichtere Lesbarkeit des Textes verzichtet.

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ... 1

2 Motivation ... 2

3 Motivation ... 4

4 Was heißt Professionalität in der Sozialen Arbeit? ... 5

4.1 Soziale Arbeit als Profession ... 5

4.2 Fallanalysen als Sinnerkennung ... 6

4.3 Haltung und dessen Auswirkung ... 6

4.4 System als Wirkung auf die Haltung ... 9

4.5 Auswirkung der Eigenreflexion ... 10

4.6 Selbsterfahrung als Ausbildungsbestandteil in der psychotherapeutischen Ausbildung als professionelle Fähigkeit ... 11

4.7 Selbstwahrnehmung ... 12

5 Theoretischer Zugang zur Professionalität anhand ... 15

5.1 Klientenzentrierter Beratung nach Rogers ... 15

5.2 Entwicklung und theoretische Grundlage ... 16

5.3 Einstellung des Beraters... 16

5.4 Beratung auf dem Weg vom Beruf zur Profession ... 17

6 Professionalität in der Transaktionsanalyse ... 19

6.1 Bewusstheit ... 19

6.2 Spontanität ... 20

6.3 Intimität ... 20

6.4 Autonomie gleich Freiheit vom Skript? ... 21

6.4.1 Probleme lösen ... 22

6.5 Fortschritte erzielen - heilen ... 22

6.6 Eigentherapie ... 23

6.7 Ist Therapie von Nöten? ... 23

6.7.1 Für wen ist die Therapie gut? ... 24

6.8 Zusammenfassend Professionalität in der Transaktionsanalyse ... 24

7 Selbstreflexion als Rolle in der Klientenzentrierten Beratung nach Rogers ... 25

7.1 Grenzerfahrungen ... 30

7.2 Grundhaltung des Buddhismus für eine offene Beraterhaltung ... 31

8 Zusammenfassung und Ausblick ... 34

9 Selbstreflexion ... 39

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9.2 Selbstreflexion in der Ausbildung der Sozialen Arbeit ... 42

9.3 Die Herausforderungen ... 42

9.4 Integrität und Identität nach Stierlin ... 43

9.5 Selbstreflexion als Professionelles Handeln ... 44

9.6 Selbstkonzepte ... 45 9.7 Selbstreflexionsmethoden ... 46 9.7.1 Intervision ... 46 9.7.2 Selbstevaluation... 46 9.7.3 Supervision ... 47 9.8 Zusammenfassung Selbstreflexion ... 47 10 Achtsamkeit ... 49 10.1 Ursprung ... 49 10.2 Wirkung ... 49 10.3 Achtsamkeit im Alltag ... 50

10.4 Achtsamkeit in der Sozialen Arbeit ... 51

10.4.1 Die Person des Lehrers ... 51

10.4.2 Die spirituelle Reife ist entscheidend ... 52

10.4.3 Die Kompetenzen des Lehrers ... 53

10.5 Bedeutung der Achtsamkeit in der Sozialen Arbeit ... 54

10.6 Grundsätzliche Gedanken ... 54

10.7 Achtsamkeit als helfendes Instrument für den Sozialpädagogen ... 56

11 Fazit ... 57

12 Quellenverzeichnis: ... 58

12.1 Quellenverzeichnis Anika ... 58

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1 Einleitung

Menschen, die in der Sozialen Arbeit tätig sind, werden mit diversen Handlungsfeldern und Aufgabenbereichen konfrontiert, wobei sie auch stark herausgefordert werden. Ei-nerseits sind Sozialarbeiter als Vermittler zwischen Individuum und Gesellschaft tätig und andererseits muss das „doppelte Mandat“, die Hilfe und Kontrolle zusammenlaufen. Das berufliche Handeln richtet sich demnach nach gesetzlichen Entsprechungen. Diese Rahmenbedingungen können dazu führen, dass die Bedürfnisse und die Vorstellungen eines Menschen, mit dem die Sozialarbeit zu tun hat, nicht abgedeckt werden, weil die-se lediglich gedie-setzlichen Bestimmungen entsprechen. Sozialarbeiter treffen auf unter-schiedliche Adressaten und dementsprechend auf mannigfaltige Interaktions- und Kommunikationsprozesse, welche vielseitige Herausforderungen mitbringen, ergo an den Rand der eigenen Belastbarkeit führen können. Der Kontakt mit Armut, sozialer Ungleichheit, Gewalt, traumatischen Erlebnissen usw. zeigt oft einem selbst die eigenen Grenzen des Verstehens und Handelns auf. Folgend werden diese Erfahrungen als Anteile der eigenen Prägungen, der eigenen Biographie gesehen oder es wird sich gar unbewusst damit auseinandergesetzt.

In der vorliegenden Arbeit werden die Voraussetzungen, die zur Professionalisierung abgeleitet werden können untersucht. Entsprechend wurde in der empirischen Untersu-chung der Frage nachgegangen, welches Professionsverständnis die Transaktionsana-lyse und der Klientenzentrierte-Ansatz nach Rogers haben. Schlussfolgernd dient die Achtsamkeitstheorie als Impuls zur Professionalisierung der Sozialen Arbeit.

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2 Katharina Rebhuhn

2 Motivation

„[…] zu lernen, unsere Prioritäten neu zu setzen, bevor es Zeit wird, eine letzte Partie Golf zu spielen und den Löffel abzugeben.“1 Marcel Proust

Jeder Mensch von uns hat ein Selbstbild. Er glaubt gewisse Dinge über sich und seine Welt und genau diese Dinge treten in sein Leben. Im Laufe unseres Lebens verändern wir unser Selbstbild, weil wir neue Erfahrungen machen. Es ist einfacher, seine Gefühle auf die Ereignisse in der Außenwelt zurückzuführen, als zuzugeben, dass die Bedin-gungen der Welt meine Gefühle widerspiegeln. Ich möchte meine Willenskraft nicht auf irgendetwas außerhalb mir selbst lenken. Hierzu habe ich kein Recht. Es ist Unrecht, andere Menschen mit der Absicht beeinflussen zu wollen, dass diese meinen Wün-schen entsprechen mögen. Wenn das Entwenden durch körperliche Kraftanwendung Diebstahl ist, ist das Entwenden auf geistigem Wege ebenfalls Diebstahl. Ich sehe in mir kein Recht, einem anderen Menschen meinen Willen aufzuzwingen, auch nicht, wenn es zu seinem „Besten“ ist, denn ich kann nicht wissen, was zu seinem Besten ist. Ich verlange auf keiner Weise von mir eine Zwangsausübung auf andere Menschen. Um eine Veränderung zu bewirken, brauche ich Kraft lediglich an mir selbst anzuwen-den. Wenn ich weiß, was ich denke und tue, so muss ich meinen Willen einsetzten, das Rechte zu denken und zu tun. Ich nutze meinen Willen, um folgerichtig und gesetzmä-ßig zu Denken und zu Handeln. Ich versuche nicht, meinen Willen, meine Gedanken oder meinen Geist dazu einzusetzen, dass andere Menschen auf gewisse Weise han-deln. Ich lasse meinen Geist bei mir wirken. Der Fokus liegt bei mir. Es ist eine Ent-scheidung. Jeder entscheidet sich stets. Ich habe mich entschieden, als Sozialarbeiterin ein Vorbild für mein Gegenüber zu sein und dieses zu inspirieren, sodass sich dieser seinem jetzigen Umfeld bewusst wird und eine Entscheidung zur Veränderung trifft. Ei-genständig, ganz ohne äußerlichen Zwang. Mein Ziel ist es, dass mein Gegenüber an-fängt, sich als den wahrzunehmen, der wahrnimmt und fühlt und handelt. Sich nicht als Opfer betrachtet, sondern als Täter, der für sein Tun Verantwortung trägt und seine Ta-ten erlebt. Als jemand, der eingebunden ist in das Geschehen und fähig ist zu handeln. Als jemand, mit ungeahnten Möglichkeiten.

1 De Bottons 2008, S. 15

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3 Katharina Rebhuhn

Mit der vorliegenden Bachelorarbeit möchte ich herausfinden, welche Positionen zur Professionalität in der Sozialen Arbeit vertreten werden und ob diese erprobt sind.

„Neben mir werden Menschen sein, und Mensch unter Menschen zu sein und es im-mer zu bleiben und in keinem Unglück zu verzagen – darin besteht das Leben, darin liegt die Aufgabe des Lebens.“2

2 Bormuth 2000, S. 23

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4 Anika Paeplow

3 Motivation

- „Wer „nicht in die Welt paßt“, der ist immer nahe daran, sich selber zu finden.“ -

Hermann Hesse, Dichter, Schriftsteller und Maler

Dieses Zitat erschließt sich mir mittlerweile immer mehr. Dank des Studiums habe ich verstanden, dass man nie stehen bleiben sollte, denn nur mit einer stetigen Weiterent-wicklung kommt man sich „Selbst" immer näher und lernt Dinge zu verstehen, die man vorher nur hingenommen hat.

Im Verlauf meines Studiums traf ich bei diversen Literaturrecherchen und in den Lehr-veranstaltungen auf Forderungen nach der Herausbildung von selbstreflexiven Kompe-tenzen bei den Studierenden und auf die Forderung nach deren Anwendung im Praxis-semester so wie im weiteren Berufsalltag. Darüber hinaus griff ich in der einschlägigen Literatur den fachlichen Anspruch nach mehr Selbstreflexion im beruflichen Alltag auf. Viele Autoren bezeichnen Selbstreflexion sogar als Schlüsselkompetenz.

Bei Betrachtung meiner Recherchen stellte sich mir u. a. die Frage, welchen Umfang nimmt die Selbstreflexion beim Handeln von Professionellen in der Sozialen Arbeit be-reits heute ein? Ist die Selbstreflexion ein Kernmerkmal professionellen Handelns, ohne das ein Professioneller nicht vom Laien zu unterscheiden ist?

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5 Katharina Rebhuhn

4 Was heißt Professionalität in der Sozialen Arbeit?

4.1 Soziale Arbeit als Profession

Anhand von Fritz Schütze3 lässt sich die Sozialarbeit nicht als Wissenschaft betrachten, vielmehr als eine Profession, welche sich anhand diverser Merkmale auszeichnet. Die Profession ist nicht nur spezifisch tätig, sondern verbindet Wissenschaftsdisziplinen mit Paxisfragestellungen. Anhand dieser Kombination wird mit der Einzelfallanalyse die Be-arbeitung von Problemen untersucht. Ebenso bestimmen Interventionsstrategien die Profession, bei der die Situationsveränderung und die Gestaltung dieser angeschaut werden.4 Neben dem Vorliegen der biografischen Situation des jeweiligen Klienten, liegt der Fokus der Profession auch auf der persönlichen Identität. Der Professionelle hat eine eigene Identität, welche aus biografischer Sicht zur Identifizierung mit dem ge-wählten Beruf einhergeht. Dabei wird darauf verwiesen, dass die eigenen erlebten Er-fahrungen, beziehungsweise die eigene Biografie, als Ressourcenquellen für den Beruf der Sozialarbeit dienen. 5 Allerdings geraten Mitarbeiter der Sozialen Arbeit in einen Konflikt, da einerseits die Tätigkeit einer Logistik gleicht und folglich als eine Erleichte-rung zu sehen ist, andererseits kontrolliert wird.6 Weiterhin äußert sich ein Wechselspiel von Erkenntnisgewinn zwischen diversen Wissenschaftszweigen, obwohl eine solide Wissenschaftsfundierung vorzufinden ist. Das Wechselspiel ergibt sich aber, weil diese keinen systematischen Aufbau vorweisen kann. Wegen der fehlenden Sozialarbeiter-wissenschaft, beziehungsweise der fehlenden GesamtSozialarbeiter-wissenschaft, erfolgt der Input wie oben bereits genannt, anhand von Untersuchungs- und Interventionsstrategien. Demnach ist festzuhalten, dass Fallanalysen als wissenschaftliches Hintergrundgerüst für die Sozialarbeit dienen.

3 Vgl. Schütze 2014, S. 140 4 Ebd. S. 140 5 Ebd. S. 141 6 Ebd. S. 141

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6 Katharina Rebhuhn

4.2 Fallanalysen als Sinnerkennung

Fälle sind Prozesse die sozial ablaufen, d.h., die eine individuelle Geschichte einer Per-son kennzeichnen, auf die sich die Fallanalyse bezieht. Die PerPer-son erlebt nun den Ab-lauf, allerdings ohne diesen gezielt zu reflektieren. Einer geschriebenen Geschichte können bestimmte Mechanismen entnommen werden. Leider werden diese von den jeweiligen Personen, die als Akteure dessen gelten, oftmals ungezielt wahrgenommen. Hier setzt dann die Fallanalyse mit einem analytischen Blick an.7 Bei der Fallanalyse liegt der Fokus auf dem Aspekt der Gestaltung des gesamten Bildes der bisherigen Le-bensgeschichte der jeweiligen Person, wobei die Bewegungsmechanismen, also die Biografie der jeweiligen Person, eine zentrale Rolle einnehmen. Aus der Biographiefor-schung können wir vernehmen, dass man sich fragt, ob die eigenen Fähigkeiten wohl-möglich noch nicht entdeckt wurden und demnach nicht eingesetzt werden und die vor-liegende Situation demnach als eine terminal Kranke angesehen werden kann, die nach der klassischen Theodizee-Fragestellung eben nicht sinnlos ist, sondern das die vorlie-gende Gesamtsituation einem besonderen Sinn folgt.8

Wir können an dieser Stelle festhalten, dass eine Person eine Identität darstellt, die veränderbar ist und weiterentwickelt werden kann, lediglich noch von dieser entdeckt und erfasst werden sollte. Ebenso, dass die eigene Biografie, die eigenen Erfahrungen als Ressource für den Beruf der Sozialen Arbeit dienen. Bei der Problemuntersuchung und Überlegung über eine Neugestaltung nimmt das eigene Menschenbild eine ent-scheidende Rolle ein.

4.3 Haltung und dessen Auswirkung

Ein „Soll-Zustand“, also ein Idealbild, welches jeder Mensch verkörpern sollte, wirft eini-ge Schwierigkeiten auf und verweist auf Ideologien. Ebenso ist es schwierig herauszu-finden, was eine objektive Haltung darstellt, da man in niemanden hineinsehen kann.9 Haltungen lassen sich gemäß Bartels10 aus etwas ableiten und münden in etwas hinein, 7 Vgl. Schütze 2014, S. 142f. 8 Ebd. S. 145 9 Vgl. Bartels 2017, S. 1 10 Ebd. S. 1

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sodass diese nicht für sich betrachtet werden können. Diese werden als Bindeglied zwi-schen Grundlegungen, die kollektiv oder individuell normativ (Entstehen oder Ableiten einer Haltung) sind und einer gelebten Praxis, bezeichnet.11 Demnach bezieht sich die Haltungsfrage auf diese beiden Anschlusspunkte und ermöglicht folglich eine sinnvolle Auseinandersetzung damit. Und genau diese haben eine wichtige Wirkung, denn sie führen zur Veränderung.12 An dieser Stelle möchte ich gerne folgendes Zitat von Albert Schweizer, einem Theologen und Arzt wiedergeben: „Die größte Entscheidung deines Lebens liegt darin, dass du dein Leben ändern kannst, indem du deine Geisteshaltung änderst.“ Entscheidend dabei ist, dass die Haltung Veränderungen bewirken kann.13 Ein Menschenbild baut sich auf diverse Systeme auf und ist abhängig von den jeweili-gen sozialen, kulturellen Situationen.14 Ändert sich nun die Situation, so ändert sich demgemäß das Verständnis des Menschen, also das Menschenbild, weil neue Impulse hinzukommen. Weiterhin ist eine Auseinandersetzung mit dem augenblicklich vorgefer-tigten, geprägten Menschbild entscheidend, um nicht nur lediglich etwas zu beschwö-ren.15 Alle Tätigkeiten, alle Professionen folgen einem bestimmten, besonderen und anerkannten Können.16 Arbeiten beziehen sich auf das Erlernen von Können anhand von Erfahrungen und Übung, um den Prozess, mit welchen sich diese befassen, zu kontrollieren.17 Das Endprodukt kann auch ohne Können zustande kommen. Dabei werden allerdings Mängel wie unter anderem schlechtes Zeitmanagement, Unbeholfen-heit sichtbar.18 Müller19 verweist auf einen lockeren und zielstrebigen Umgang, welchen der Geschickte folgt und rechtzeitig, effizient handelt, sich selbst und seine Energie er-folgreich einbringt. Hierbei wird ersichtlich, dass das Können sich entfaltet, wenn der Tätige und das Material an welchem gearbeitet wird, aus einer Beziehung hervorgehen. Derjenige bringt seine Absicht, seine Idee, sein Plan – also die Kraft zur Veränderung mit und bewirkt eine Prozessentwicklung, die das Material, mit dem gearbeitet wird, versteht und die Fähigkeit mit diesem und nicht gegen es zu arbeiten.20 Folglich wird dessen Wesen genutzt und ein Änderungsprozess in dem vorliegenden Material 11 Vgl. Bartels 2017, S. 1 12 Ebd. S. 1 13 Ebd. S. 1 14 Ebd. S. 1 15 Ebd. S. 1 16 Vgl. Müller 2012, S. 120f. 17 Ebd. S. 120f. 18 Ebd. S. 120f. 19 Ebd. S. 121 20 Ebd. S. 121

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trolliert freigesetzt, sodass das Können darin besteht, die Fähigkeit zu besitzen, Pro-zesse der Änderung im vorliegendem Material freizusetzten und diese höchstmöglich zu nutzen und zu berücksichtigen.21 Verdeutlicht wird, dass der Arbeitende mit den Eigen-heiten des Materials mit dem er arbeitet ringt, als auch ihnen nachgibt.22 Je mehr Erfah-rung im Umgang mit dem Material vorhanden ist, desto mehr wird aus einer Könner-schaft herausgehandelt, die zur eigenen Art wurde, eines natürlichen und spontanen Arbeitens, da Hand, Auge, Selbst und Objekt verschmelzen. Daher zentriert sich das Können im Arbeitenden selbst.23 Im 20. Jahrhundert kann eine Berufswahl einen Men-schen in der Fähigkeitennutzung auf ein Gebiet einer Art von Tätigkeit, eine Materialart beschränken, sodass das Individuum sich innerhalb einer Realität bewegt, wo sich das Können weiter entwickeln kann.24 Hingegen eine Professionswahl das Individuum mit einem lebenslangen Ringen um Wissen und Können befassen lassen kann.25 Die Stär-ke und Intensität des eigenen Motivs verhilft der Entwicklung vom eigenen Können.26 Das Selbst bleibt lediglich oberflächlich und ist partiell involviert, wenn ein Problem leicht zu lösen ist. Allerdings erfordert ein komplexes, schwieriges Problem ein aktives und engagiertes Selbst.27 Das Ziel, den Ratsuchenden nach dem Bild des Sozialarbei-ters und zum Gesellschaftswohl anzupassen, lässt den Willen zur Kontrolle vernehmen und kein Bezug zur Identifikation mit dem Ratsuchenden wird hervorgeholt, um dessen Art zu verstehen.28 Vielmehr bewegt eine solche Zielsetzung des Sozialarbeiters diesen dazu, sich selbst unter Druck zu setzen, weil dieser den Ratsuchenden ändern möchte oder aber die Last verbleibt auf der Schulter des Ratsuchenden.29 Folglich verweist Burkhard Müller30 auf die notwendigste Grundlage, um ein Veränderungsgeschehen in einem Individuum zu bewirken, das Verständnis des menschlichen Widerstands gegen-über Veränderungen. Und auch, die Anerkennung, dass das Individuum das Recht hat, alle Bemühungen, die von außen kommen, zurückzuweisen.31 Es gibt Menschen, die das Anliegen haben, sein Gegenüber ändern zu wollen, diesen unter anderen 21 Vgl. Müller 2012, S. 121 22 Ebd. S. 121 23 Ebd. S. 121 24 Ebd. S. 121 25 Ebd. S. 121 26 Ebd. S. 121f. 27 Ebd. S. 122 28 Ebd. S. 122 29 Ebd. S. 122 30 Ebd. S. 122 31 Ebd. S. 122

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cher zu machen oder diesem das zu geben, was der Sozialarbeiter selbst für diesen gerne möchte, dass er es hätte.32 Nun stellt sich die Frage, was eine verlässliche Hilfe für andere Menschen voraussetzt. Das Wort „Können“, bezugnehmend auf das Tätig-keitswort bedeutet „unterscheiden“, „auseinanderlegen“.33 Um unterscheiden zu kön-nen, muss zwischen Selbst und Objekt differenziert werden, also zwischen des Arbei-tenden Wille, zu ändern und dem Gegenstand, an dem gearbeitet wird.34 In Hinsicht auf Bartels35 ist es entscheidend, wie der Mensch gesehen wird. Ob dieser lediglich als ein biologisches Wesen wahrgenommen wird, der sich nur auf die Außenwelt begrenzt oder als jemand, der überdies in einem Beziehungsgeflecht steht. D.h. Menschen sind ver-woben im Beziehungsgeflecht und nicht vom Umfeld ablösbar und erfahren letztlich dadurch eine Prägung. Bartels36 erwähnt, dass dieses Denken in vielen Wissen-schaftsdisziplinen eine fundamentale Grundlage bildet. Daraus resultiert eine Verwo-benheit des Menschen und Lebensbezüge stellen etwas Erworbenes dar, was anderer-seits als nichts Statisches und Unverwechselbares darzustellen ist.

4.4 System als Wirkung auf die Haltung

Nebenbei spielt das System eine entscheidende Rolle, welches Begrenztheit ausübt, auch ein rollenkonformes Handeln erzwingt. Menschen befinden sich in einem vorge-prägten System, welches u.a. tagtäglich finanzielle Vorgaben macht und einen eine bestimmte Rolle einnehmen lässt.37 Die Konsequenzen eines solchen Systems erwähnt Bartels und spricht an, dass das System, in dem wir alle drinnen stecken einer Überar-beitung bedarf. „Oder wäre es nicht an der Zeit, gedanklich zu realisieren, dass wir selbst (nicht persönlich, aber in der Tradition unserer Expertenkulturen) die betreffen-den Menschen ja erst an das Kreuz genau dieser Dichotomie genagelt haben und ihnen nun glaubhaft machen wollen, dass sie davon absteigen können.“38 Damit geht Bartels auf das Menschenverständnis ein, von dem wir uns leiten lassen. In dem Denkfehler enthalten sind und aus dem sich Haltungen ergeben können, die ein starkes 32 Vgl. Müller 2012, S. 122 33 Ebd. S. 123 34 Ebd. S. 123 35 Ebd. S. 2 36 Ebd. S. 2 37 Ebd. S. 4f. 38 Ebd. S. 5

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rungspotential bedürfen.39 Die Diskussion über das gesellschaftliche Menschenbild ist mehr in die Öffentlichkeit geraten und wird nicht mehr nur auf den privaten, heimlichen Bereich beschränkt. Bock40 erwähnt die Notwendigkeit, Helfen zum öffentlichen Interes-se zu machen, wobei die Art des Handelns zur öffentlichen Diskussion wird. Wenn Be-hinderung als Makel eingestuft wird, löst dies eine vielfältige Stigmatisierung aus.41 An-statt dessen kann ein soziales Verständnis von Behinderung hindeuten, das Behinde-rung ein Ergebnis sozialer Prozesse sei. Das damit noch nicht alle Konflikte gelöst sind, wird nicht abgestritten.42 Aber allenfalls besser, als jemanden als „unheilbar“, „austhe-rapiert“ etc. einzuschätzen und somit einen Grundstein für die Ursache von Stigmatisie-rungen und Pessimismus zu legen.43 Somit möchte ich zusammenfassend betonen, dass es nicht nur darauf ankommt, dem Einzelnen zu verdeutlichen, dass dieser für sich erkennt: Heilwerden ist möglich, sondern dass wir kollektiv realisieren, dass das Sys-tem, in dem wir alle mehr oder weniger drin stecken, einen Neuansatz bedarf. Eine er-gänzende Mischung von Selbst-, Fremd- und Bürgerhilfe würde sich sehr positiv auf die Auseinandersetzung mit dem Bedürfnis zu helfen, ausdrücken.44

4.5 Auswirkung der Eigenreflexion

Wie steht es nun allerdings mit der eigenen Reflexion? Stierlin45 geht der Frage nach, inwiefern die Außenbeziehungen vorangetrieben werden können und verweist auf die eigene Ambivalenz, dessen Spannung ertragen und bewältigt werden sollte, um die innere Konflikt Vorherrschung eliminieren. Dem Erkennen und Bewältigen der inneren Konflikte folgt ein gelingender, erfolgreicher Diskurs mit diversen Systemmitgliedern, unter Einbeschluss einer erfolgreichen Konfliktbewältigung, unter anderem im sozialen Feld.46 Bei der Ambivalenzbewältigung geht es um das konkrete Benennen und Ertra-gen von Bedürfnissen und Antrieben, von VerpflichtunErtra-gen und AufträErtra-gen, die

39 Vgl. Bartels 2017, S. 4 40 Vgl. Bock 2017, S. 48 41 Vgl. Bartels 2017, S. 3 42 Ebd. S. 3 43 Ebd. S. 6 44 Vgl. Bock 2017, S. 48 45 Vgl. Stierlin 1994, S. 68ff. 46 Ebd. S. 68

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erweise mehrgenerational übertragen wurden.47 Die eigene Systemdynamik aufzubre-chen vermag ein deutliches, klares Auftreten in Gespräaufzubre-chen mit Mensaufzubre-chen und gleicht keiner Dissoziation mehr.48

4.6 Selbsterfahrung als Ausbildungsbestandteil in der

psychotherapeuti-schen Ausbildung als professionelle Fähigkeit

Die Selbsterfahrung wird in der psychotherapeutischen Ausbildung als ein unverzichtba-rer Ausbildungsbestandteil angesehen.49 Unter anderen stellen Orlinsky und Kollegen50 fest, dass der einzige Prädikator für bessere Therapieergebnisse das subjektive Erle-ben sei. Im deutschsprachigen Raum berichten Ausbildungskandidaten vermehrt über die Wichtigkeit der Selbsterfahrung.51 Diese, als äußerst wichtig, ebenso als unbedingt notwendig von psychotherapeutischen Orientierungen empfunden, spielt für den Erwerb professioneller Fähigkeiten eine entscheidende Rolle, da aufgrund dieser ein starker Profitierungsbezug der Persönlichkeitsentwicklung gelegt wird.52 Festzuhalten sei, dass Selbsterfahrung hinsichtlich der professionellen und persönlichen Entwicklung wertvoll ist.53 Tatsächlich erfolgt der Selbsterfahrungsanteil aufgrund von einer vertieften, prakti-schen, aktiven Auseinandersetzung und nicht lediglich aufgrund von theoretischem An-teil und ist dienlich für die Beziehung zwischen Therapeuten und Klienten.54 Erlernt wird nicht nur spezifisches Störungswissen, auch Kenntnisse zur individuellen Problem-lage, vielmehr aber den eigenen persönlichen Hintergrund zu berücksichtigen und re-flektieren in der Erstellung einer angemessenen Diagnose.55 Kenntnis über Beziehung, Persönlichkeit etc., vielmehr über jenes Grundwissen, basiert zudem auf einer entspre-chenden Wertehaltung und Menschenbild.56 Inwiefern verhilft ein differenziertes Wissen dieser Grundhaltung sowie Wissen über Beziehungsdynamiken, Wahrnehmungsphä-nomene und der Selbstreflexion? Nach Ansicht der Befragten verhilft es einer 47 Vgl. Stierlin 1994, S. 68 48 Ebd. S. 69 49 Vgl. Liegl/Koschier 2014, S. 91 50 Ebd. S. 93 51 Ebd. S. 94 52 Ebd. S. 95f. 53 Ebd. S. 101 54 Vgl. Hinterwallner/Gerlich/Frank 2014, S. 111 55 Ebd. S. 111 56 Ebd. S. 111

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fung der Fertigkeiten in der Anwendung, ebenso kann anhand des eigenen Erlebens die Authentizität gewährleistet werden, sodass das, was man selber erlebt hat auch relativ authentisch weitergeben kann.57 Weiterhin findet die klare Differenzierung zwischen sich selbst und dem Anderen statt.58 Also, was ich von meinem Gegenüber wahrneh-men kann und inwiefern kann ich dieses von meinem Eigenen unterscheiden. Ziel ist es, das eigene Handeln zu hinterfragen, also eine hohe Sensibilität zu entwickeln und Verantwortung für dieses zu übernehmen.59 An dieser Stelle können wir festhalten, dass in der Psychotherapie dem Therapeut selbst ein wichtiger Faktor zugeschrieben wird, darüber hinaus vertreten unterschiedliche therapeutische Auffassungen differie-rende Ansichten zu der Einstellung und Orientierung des Beraters.

4.7 Selbstwahrnehmung

Begegnungen zu Menschen lösen in mir und im Anderen Gefühle aus. Bock60 erwähnt, dass die Absicht darin liegt, beide Seiten zu verstehen, wodurch über den Anderen nachgedacht und mit ihm in eine Beziehung angetreten wird. Aufgrund dessen, dass der Andere bei mir Gefühle auslöst, denke ich über mich nach, ich versuche den eige-nen subjektiven Anteil wahrzunehmen, der aufgrund meines Gegenübers ausgelöst wird und mich ergo zwangsläufig verändert.61 Der Fokus liegt dementsprechend darauf, was ich im Gegenüber auslöse, wie derjenige damit umgeht beziehungsweise was ich von dieser Person wahrnehme und wie ich damit umgehe. Selbstwahrnehmung voll-zieht sich nicht, indem ich Erlebnisweisen beobachte und kategorisiere, also mich her-aushalte und das Erlebnis als Sache, welches weit weg von mir ist, behandle.62 Viel-mehr sind Fragestellungen, die auf die Gefühlswelt eingehen, wertbringend, um als Möglichkeit zum Handeln gesehen zu werden. Angst, als ein wichtiges Grundgefühl, taucht immer wieder auf. Mit Angst verbindet man die Besorgnis und Erregung in Situa-tionen, welche meistens noch als Bedrohung und undeutlich gesehen wird. Angst, als Energie beziehungsweise als Aufmerksamkeit, als gerichteter Fokus auf etwas, ist 57 Vgl. Hinterwallner/Gerlich/Frank 2014, S. 112 58 Ebd. S. 113 59 Ebd. S. 114 60 Vgl. Bock 2017, S. 53 61 Ebd. S. 53 62 Ebd. S. 54

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schlussfolgernd eine Aufforderung zum Handeln.63 D.h., dass wir lernen sollten die Angst als ein Teil von uns menschlichen Wesen zu akzeptieren und etwas daraus zu machen. Die Aufgabe darin besteht, die Bedeutung der (eigenen) Angst zu erkennen, sie als Impuls zum Nachdenken aufzufassen.64 Also aus der Angst etwas zu machen und nicht gegen sie zu handeln. Hier besteht die Selbstwahrnehmung darin, Gefühle zuzulassen und anzuerkennen, dass man sich unter Umständen auch ohnmächtig und hilflos fühlt, was dazu führt, dass eine Einstellung angenommen wird, von der ausge-gangen wird, dass die Angst mir verhilft, mich selbst besser zu verstehen.65 Innerhalb der Beziehung liegt die Aufgabe darin, für mein Gegenüber da zu sein, damit derjenige oder diejenige selbst darauf kommt, was die Angst sagen möchte. „[…] denn du musst selbst darauf kommen, deine Angst dir aneignen, sie zu einem Teil von dir selbst ma-chen, von da heraus zu einem aktiven Leben kommen.“66 An dieser Stelle können wir festhalten, wie prägnant der Umgang mit Gefühlen für die eigene seelische Gesundheit ist und zu einem angemessenen Anteil beitragen kann. Arbeitende in der Psychiatrie begegnen den gleichen Vorurteilen, wie diejenigen, die dort Hilfe ersuchen. „Da muss man aber sehr gesund sein.“67 Kann ich mit dem, was mir dort begegnet, offen umge-hen oder verschließe ich mich schnell? Bock68 gibt an, dass jedes Einlassen auf eine Beziehung – egal ob nun im klinischen Kontext oder in einer sozialräumlichen Einrich-tung – einen selber etwas verändert und dass Einlassen in eine Beziehung mit einer Person für ihn unkontrolliert erfolgt. Es ist eher, als würde man von etwas berührt, er-griffen, angesprochen werden, es entsteht ein Prozess, welcher nicht immer bewusst ergriffen werden kann und ein Risiko ist nicht auszuschließen.69 Wegen der Unmöglich-keit nicht zu kommunizieren, werden demzufolge Gefühle ausgelöst und man selber riskiert sich, sobald eine große Distanz angestrebt wird, beim Versuch, diese zurückzu-ziehen.70 Diese Distanz wiederum schafft kontraproduktive Bedingungen im Hinblick auf eine hilfreiche Beziehung. Zu einer persönlichen Reife und zu einem größeren Ver-ständnis führt das Wissen um die Gegenseitigkeit des Risikos und der Chancen. Wenn der Gegenüber sich dem Professionellen anvertraut, gibt er diesem einen 63 Vgl. Bock 2017, S. 54 64 Ebd. S. 55 65 Ebd. S. 55 66 Bock 2017, S. 55 67 Ebd. S. 43 68 Vgl. Bock 2017, S. 43 69 Ebd. S. 43 70 Ebd. S. 43

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vorschuss und riskiert sich demnach ebenfalls.71 Nur über die Begegnung mit dem An-deren kann ich zu mir selbst kommen. Was unter krank, abweichend, verrückt und irre verstanden wird, sind Fragen, mit denen sich Personen, die in der Psychiatrie tätig sein wollen, auseinandersetzen sollen.72 Der Krankheitsbegriff beschreibt eine Störung im Ablauf eines Vorgangs im Leben, einhergehend mit einer Herabsetzung der Leistungs-fähigkeit und zeigt sich demzufolge ebenfalls in der Veränderung des Körpers.73 Be-obachtungen der Krankheitsursache – hierzu zählen Befragungen und Untersuchungen – ermöglichen eine einigermaßen sichere Voraussetzung zur Behandlung.74 Diese ge-naueren Beobachtungen führen zu der Sichtweise, dass der einzelne Mensch der Trä-ger einer Krankheit ist und möglicherweise davon geheilt werden kann.75 Ergebnis des-sen ist, dass eine Beziehung zu dem einzelnen Menschen aufgebaut wird, da zwischen Person und Krankheit unterschieden werden kann. Hingewiesen hat Bock76 darauf wie folgt: „[…] dass ein Mensch, der krank, abweichend, irre, verrückt ist, in Beziehung zu Anderen, zu sich selbst, seinen Gefühlen und zu seinem Körper verfehlt und zugleich sinnhaft handelt.“ Prägnant wird, dass es unmöglich ist, sofern der Aspekt einer Bezie-hung berücksichtigt wird, lediglich von Krankheitserregern auszugehen und das Han-deln einer Person unberücksichtigt zu lassen. Denn, die Bedingungen eines gestörten Handelns sind zu erspüren und dann gegebenenfalls zu ändern. Solch eine Sichtweise ermöglicht eine breitere Bedeutung des Begriffes „krank“.77 Hierbei kommt es zu der Suche nach den derzeitigen Anteilen in einem Menschen, die die Möglichkeit aber auch derzeitige Unmöglichkeiten aufweisen und parallel aufzeigen, wie die Beziehung zu sich selbst, zu anderen oder der Umwelt ist.78 Auch Bock79 erwähnt, das andere zu dem Da-sein einer Erkrankung beitragen. D.h., dass andere durch ihr Verhalten zu etwas beitra-gen. Demnach erübrigt sich die Diskussion darüber, wer denn nun krank, irre oder ver-rückt ist, der einzelne Mensch, die Gesellschaft, die Familie.80

71 Vgl. Bock 2017, S. 43 72 Ebd. S. 43 73 Ebd. S. 43 74 Ebd. S. 44 75 Ebd. S. 44 76 Bock 2017, S. 44 77 Vgl. Bock 2017, S. 44 78 Ebd. S. 44 79 Ebd. S. 45 80 Ebd. S. 45

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5 Theoretischer Zugang zur Professionalität anhand

5.1 Klientenzentrierter Beratung nach Rogers

Laut Rogers81 wird die Therapie durch die Auffassung der eigenen Rolle des Therapeu-ten, seiner Einstellung, das, was er tut, in einem gewissen Grad beeinflusst. Der Bera-ter fungiert in der Klientenbezogenen Therapie oder Beratung, die als Methode oder Technik bezeichnet wird, als jemand, der stets seine Einstellungen weiterentwickelt und über ein zusammenhängendes Sortiment an Techniken und Methoden, welche diesem Ansatz dienlich sind, verfügt und diesen ergänzt.82 Die Anwendung dieser Methode soll-te dabei mit den eigenen Grundeinssoll-tellungen übereinstimmen um Misserfolg zu vermei-den.83 Erfahrungen haben aufgezeigt, dass Personen, die bereits jene Bedeutung und den Wert eines Menschen betonen, den Ansatz nach Rogers leichter beziehungsweise ziemlich schnell erlernen als jene, die das Individuum, den Ratsuchenden als ein Objekt betrachten, welches diagnostiziert, manipuliert, zergliedert werden kann.84 Klienten-zentrierte Psychotherapie oder Beratung gehört zu den am häufigsten eingesetzten ver-fahren in Deutschland. Die Akzeptanz dieser führt wohl auf die Bedeutung der Beimes-sung therapeutischer Beziehung für Veränderungsprozesse und die Betonung der Ei-genverantwortlichkeit der Ratsuchenden, die in der amerikanischen Ethik, die den kultu-rellen Hintergrund für die Entwicklung des Klientenzentrierten Konzeptes bildet, eine wesentliche Rolle einnimmt.85 Wenn der Ansatz nach Rogers heute Kritik erfährt, dann ist dies regelmäßig mit der Forderung verbunden, neue Konzeptionen zu entwickeln, die eine differentielle Indikation ermöglichen. Also ein abgestimmtes methodisches Vorge-hen, welches auf unterschiedliche Problemlagen eingeht.86

81 Vgl. Rogers 1991, S. 34 82 Ebd. S. 34 83 Ebd. S. 34 84 Ebd. S. 35 85 Vgl. Rechtien 1998, S. 36 86 Ebd. S. 36

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5.2 Entwicklung und theoretische Grundlage

Die Entwicklung der Klienten- oder personenzentrierten Gesprächsführung als eigen-ständige Beratungs- und Therapieform geht auf Carl Ransom Rogers zurück, der am 8. Januar 1902 in USA geboren wurde.87 Er kam nach längerer praktischer Tätigkeit zu dem Schluss, dass eine bestimmte Form der Gesprächsgestaltung am ehesten Erfolg verspricht. Diese Form entstand im Zeitraum zwischen 1938 und 1950 und hängt sehr stark mit der Person ihres Begründers zusammen, sodass das Klientenzentrierte Kon-zept trotz aller Weiterentwicklungen unauflöslich mit dessen Namen verbunden ist.88 Rogers, der unter anderen Theologie studierte, begann, nicht am Sinn der Religion aber am Sinn spezifischer religiöser Lehren zu zweifeln und wechselte das Studienfach, er studierte klinische Psychologie und schloss dieses Studium ab. Während seiner Assis-tenzzeit als Klinischer Psychologe kam Rogers zu der Auffassung, dass die anerkann-ten psychologischen Lehrmeinungen durchaus Mängel enthalanerkann-ten und dass seine Klien-ten oftmals besser als er selbst wüssKlien-ten, welcher Art ihre Probleme und die Wege zu ihrer Lösung seien.89 Besonderen Einfluss hatte auf Rogers der Analytiker Otto Rank90 mit der Auffassung, dass der „schöpferische Wille“ die eigentliche Lebenskraft des Menschen sei, dass sich später als wesentliches Bestimmungsstück in Rogers´ Men-schenbild wiederfindet.

5.3 Einstellung des Beraters

Primär geht es um die Bedeutung des Individuums bei der Einstellung des Beraters. Wie wird der andere gesehen? Gestehe ich ihm seine Würde zu? Behandle ich diesen wertvoll oder entwerte ich diesen anhand meiner Einstellungen und meinem Verhalten? Achte ich auf seine Befähigung zur Selbstentfaltung oder bin ich als Berater im Glau-ben, dass das Leben des Ratsuchenden am besten von mir selbst geleitet werden soll-te und ich damit über diesen herrsche?91 Unter anderen bedürfen dieser Fragen maß-gebende Antworten. Unsere Ziele sind nichts festgelegtes, unveränderliches, vielmehr 87 Vgl. Rechtien 1998, S. 36f. 88 Ebd. S. 36 89 Ebd. S. 37 90 Ebd. S. 37 91 Vgl. Rogers 1991, S. 35

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eine veränderbare Struktur und eine Durchführung der Klientenbezogenen Beratung erfolgt optimal mit der Eröffnung von Möglichkeiten, sobald sich der Berater für einen großen Respekt vor dem Individuum entschließt.92 Es geht also stets um den eigenen Prozess der persönlichen Entwicklung und Vervollkommnung. Behauptet wird, dass eine Person lediglich respektvoll gegenüber einem anderen Menschen sein kann, inso-fern der Respekt vor anderen ein Bestandteil des eigenen Persönlichkeitsbildes ist.93

5.4 Beratung auf dem Weg vom Beruf zur Profession

Rechtien94 weist daraufhin, dass das Tätigkeitsfeld Beratung ohne zu übertreiben, einen Professionalisierungsschub erhält. Wissenschaftliche Publikationen haben zugenom-men, auch wurden Beratungs- und Interventionskonzepte einer Weiterentwicklung un-terzogen. Allerdings kämpft Beratung noch um eine einigermaßen brauchbare Begriffs-bestimmung, da der Professionalisierungsprozess von Beratung noch ganz am Anfang ist und sich eher durch „Verdoppelte Unübersichtlichkeit“ auszeichnet.95 D.h., dass kei-ne klaren Richtlinien gegeben sind und die Professionalisierung Vielseitigkeit handhab-bar und durchschauhandhab-bar macht. Die Professionalisierung geht über den Erwerb fachli-cher Kompetenzen und ihrer Anwendung hinaus, also über Beruf und Expertise hinaus-gehend.96 Wichtige Kriterien für eine Profession sind unter anderem ein hoher Grad an beruflicher Organisation, eine eigene Berufsethik, die Verpflichtung auf zentrale gesell-schaftliche Werte wie Gesundheit u.a. und nicht zuletzt eine akademische Ausbildung.97 Im Falle der Profession Beratung geht es um empirische Befunde der Beratungswis-senschaft, aber auch um Erkenntnisse angrenzender Disziplinen. Als Berater sind wir also gegenüber dem Ratsuchenden verpflichtet, uns ständig des aktuellen Wissens-standes der Profession zu vergegenwärtigen, also die Fähigkeit und die Bereitschaft, berufliches Handeln zu reflektieren.98 An dieser Stelle lässt sich die Verbindung zur Ethik schließen. Beratung als Profession besitzt eine zweifache Orientierung. Zum ei-nen unter einem wissenschaftlichen Begründungszwang, zum anderen bewegt sich die 92 Vgl. Rogers 1991, S. 35f. 93 Ebd. S. 36 94 Vgl. Rechtien 2009, S. 345 95 Ebd. S. 346 96 Ebd. S. 346 97 Ebd. S. 346 98 Vgl. Rechtien 2009, S. 352

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Beratung an der Klient-Orientierung.99 Dabei besteht die Gefahr vom Ringen um die Gestaltung des konstruktiven Miteinanders von wissenschaftlicher Theorie und klien-tenorientierter Praxis.100 Eine Professionelle Beratung wird durch die Persönlichkeit des Beraters, wissenschaftlich fundiertes Handlungskonzept und eine wissenschaftlich fun-dierte Qualifikation gewährleistet.101 An dieser Stelle sehen wir, dass unter anderem auf die Herausbildung der Beraterpersönlichkeit abgezielt wird. Dies erfordert eine enge Theorie-Praxis-Ausrichtung während der gesamten Berateraus- und –weiterbildung.102 Praxis kann also als Umsetzung der Theorie verstanden werden, insofern die Theorie als handlungsleitendes Wissen aufgefasst wird.103 Die wesentlichen Fragen dabei sind, welches Wissen für die Praxis eine Relevanz hat. Die berufliche Identität als Berater vollzieht sich anhand der engen Verbindung von Theorie und Praxis. Dabei wird das Handeln des Beraters von mehr oder weniger expliziten Beratungstheorien gesteuert, die als Instrumente für den Berater dienen, um die Situation des Klienten zu analysie-ren, Zusammenhänge herauszufinden und entsprechende Handlungsschritte einzulei-ten.104 99 Ebd. S. 352 100 Ebd. S. 353 101 Vgl. Waldhecker 2009, S. 362 102 Ebd. S. 362 103 Ebd. S. 362 104 Ebd. S. 363

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6 Professionalität in der Transaktionsanalyse

Berne: „Vertrag als eine explizite beiderseitige Verpflichtung, sich an ein klar definiertes Vorgehen zu halten.“

James und Jongeward: " Ein Vertrag ist eine Verpflichtung aus dem Erwachsenen-Ich, und zwar sich selbst und/oder einem anderen gegenüber, eine Veränderung vorzuneh-men."105 Praktizierende Transaktionsanalytiker unterscheiden zwischen zwei verschie-denen Verträgen. Zum einen den administrativen Geschäftsvertrag und zum anderen den klinischen Behandlungsvertrag.

Der Geschäftsvertrag ist eine Vereinbarung zwischen dem Klienten und dem Transakti-onsanalytiker über die genauen Einzelheiten der Vergütung und über sämtliche büro-kratischen Vorkehrungen für eine gemeinsame Arbeit.

Im Behandlungsvertrag gibt der Klient klar an, was er verändern möchte und wozu er bereit ist, um dies umzusetzen. Daraufhin, kann der Transaktionsanalytiker sagen, ob er unter diesen Bedingungen/Voraussetzungen bereit ist, mit dem Klienten zusammen an der Erreichung seines Ziels zu arbeiten und gibt dann an, was sein Beitrag an diesem Prozess sein wird.

Nach Berne wäre das Ideal die „Autonomie“. Er sagte hierzu sie „zeige sich durch das Freiwerden oder Wiedergewinnen von drei seelischen Vermögen: Bewusstheit, Sponta-nität und Intimität.“ 106

6.1 Bewusstheit

Wache Bewusstheit heißt, dass wir die Fähigkeit besitzen, die Dinge als reine Sinnes-eindrücke zu sehen, zu hören, zu fühlen, zu schmecken und zu riechen, gleich wie es die Neugeborenen tun. Jemand, der diese wache Bewusstheit hat oder wiedererlernt hat, interpretiert und filtert sein Leben nicht so, dass es den elterlichen Definitionen und Vorstellungen entspricht.

Im „normalen“ Leben werden die meisten Menschen systematisch angehalten, die

105

Vgl. Stewart/Joines, S. 371 106 Ebd. S.380

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wusstheit stumpft ab oder wird gar getötet. Wir setzen unsere Energie lieber dafür ein, Dinge in Begriffe zu fassen, sie zu benennen und uns und unsere eigenen Leistungen oder die von anderen Menschen zu kritisieren.

Ein Beispiel:

Wir sitzen in einem Konzert und während wir uns die Musik anhören, geht uns folgen-des durch den Kopf:

„Wann ist denn wohl endlich Schluss? Ich muss doch früh ins Bett, da morgen wieder so viel zu tun ist….“ Erlange ich wache Bewusstheit, schalte ich diese Stimme in mei-nem Kopf ab und erlebe lediglich nur noch den Klang der Musik.

6.2 Spontanität

Die Fähigkeit, aus einer großen Zahl von Alternativen im Fühlen, Denken und Verhalten frei auszuwählen, bedeutet Spontanität. So wie der bewusste Mensch die Welt erlebt, so reagiert der spontane Mensch direkt auf die Welt, ohne die Realität auszublenden oder Teile aus ihr oder sie so umzuinterpretieren, dass es der elterlichen Definition ge-recht wird.

Spontanität bringt mit sich, dass der Mensch aus allen drei Ich-Zuständen frei heraus agieren und reagieren kann.

Er kann sich als erwachsenes Selbst verhalten, denken, fühlen und dabei seinen Er-wachsenen-Ich-Zustand gebrauchen. Ebenso kann er wieder mit der Kreativität, der Intuition und der Intensität des Fühlens in seinem Kind-Ich in Kontakt kommen.

Er kann aber auch aus dem Eltern-Ich heraus reagieren und Gedanken, Gefühle oder Verhaltensweisen wieder auflegen, die er von seinen Eltern oder anderen Bezugsper-sonen übernommen hat.

Egal welchen Ich-Zustand er gebraucht, er wählt seine Reaktionen der Situation ange-passt und fügt sich nicht alten elterlichen Geboten.

6.3 Intimität

Intimität bedeutet, dass sich zwei Menschen ihre Gefühle und Wünsche offen mitteilen können. Diese Gefühle sind echt, so dass Maschenverhalten und Psychospiel (vgl. Stewart/Joines) bei Intimität ausgeschlossen sind.

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Wenn jemand diese Intimität erlebt, ist er wahrscheinlich in dem freien Kind-Ich. Zuvor hat er allerdings sichergestellt, dass dies ohne Beeinträchtigung möglich ist, nämlich durch Vertragsschluss im Erwachsenen-Ich und dem Schutz aus dem Eltern-Ich.

6.4 Autonomie gleich Freiheit vom Skript?

Autonomie nach Stewart/Joines „Verhalten, Denken oder Fühlen, das eine Reaktion auf die Realität im Hier und Jetzt darstellt und nicht eine Reaktion auf Skriptüberzeugun-gen.“ 107

Ist der Erwachsene-Ich-Zustand nicht der Zustand, der die Gesamtheit der Verhaltens-weisungen, die Gedanken und Gefühle im Hier und Jetzt darstellt, und muss man um autonom zu sein, immer im Erwachsenen-Ich leben?

Natürlich nicht, denn jemand der spontan ist, kann genauso gut aus dem Kind-Ich oder dem Eltern-Ich heraus die Spontanität leben. Sobald jemand autonom ist, trifft er die Entscheidung selbst in Reaktion auf die vorliegende Situation.

Jemand der weiterhin im Skript ist, nimmt diese Zustands-Wechsel auf die eigenen be-schränkten Kindheitsbeschlüsse, als Reaktion vor (Skriptüberzeugung).

Autonomie bedeutet also nicht, dass man ständig im Erwachsenen–Ich-Zustand ist. Al-lerdings werden alle eingehenden Informationen darüber verarbeitet, um dann aus dem höheren Selbst zu entscheiden, in welchen Ich-Zustand man jetzt in der Situation geht. Die Autonomie hat mehr Alternativen zu bieten, als das Skript. Auch die Intimität mag am Anfang unbequemer erscheinen, als Psychospiele zu spielen oder Maschen zu stri-cken, denn die Intimität ist weniger vorhersehbar. 108

Praktiziert man wirklich die Autonomie, fällt die Wahl der Ich-Zustände immer leichter und irgendwann erfolgt diese so rasch und natürlich, dass es so ausschaut, als ob es nur positive Ich-Zustände gäbe - Berne spricht auch vom integrierten Erwachsenen-Ich.

107

Vgl. Stewart/Joines, S. 382 108 Ebd. S. 382

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6.4.1 Probleme lösen

Jemand der autonom ist, löst seine Probleme, anstatt in Passivität zu verfallen. Man muss also nicht nur über die Lösung des Problems nachdenken, sondern auch sinnvoll und wirksam tätig werden, damit man eine Lösung herbeiführen kann.

Man nimmt hierbei die Realität wahr und reagiert dementsprechend - ist also skriptfrei und damit autonom.

In nicht therapeutischen Organisationen kann es angebracht sein, eher ein „effizientes-Probleme-Lösen“ als Ziel zu verfolgen und nicht gleich "Autonomie" oder ein "skriptfrei-es" Leben anzustreben. Ein Transaktionsanalytiker richtet seine Aufmerksamkeit hier nicht unbedingt auf die Skriptarbeit, sondern viel mehr auf einen Informationsaustausch und eine Erarbeitung effektiver Wege. 109

6.5 Fortschritte erzielen - heilen

Berne betont immer wieder, dass die Aufgabe eines Transaktionsanalytikers darin be-steht, „den Patienten zu heilen“ und ihm nicht nur zu helfen und kleine Fortschritte zu erreichen.

Berne versteht unter Heilung, dass „der Klient aus seinem Stück aussteigt und ein neu-es Stück auf die Bühne bringt.“ 110

Heilung = Vertragserfüllung, wie oben schon beschrieben, arbeiten Klient und Transak-tionsanalytiker solange miteinander, bis die vereinbarten Vertragsziele erfüllt sind. Ganz gleich wie man die Heilung auch definieren mag, es geht hierbei meistens darum, das praktizieren neuer Entscheidungsmöglichkeiten zu erlernen. 111

109 Vgl. Stewart/Joines, S. 383 110 Ebd. S. 384 111 Ebd. S. 384

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6.6 Eigentherapie

„Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung.“ Heraklit von Ephesus

„Eine Therapie ist ein Prozess, der Menschen helfen soll, eine persönliche Veränderung zu erreichen.“112

Im gewissen Sinne ist letztendlich jede Therapie auch immer Eigentherapie. Die Trans-aktionsanalyse besagt, dass jeder für sein eigenes Verhalten, Denken und Fühlen ver-antwortlich ist und niemand beeinflussen kann, was man fühlt, so kann auch niemand beeinflussen, dass man sich ändert. Das einzige Wesen, das einen ändern kann, ist man selbst.

6.7 Ist Therapie von Nöten?

Da der Mensch für seine eigenen Veränderungen verantwortlich ist, warum ist dann noch ein Therapeut notwendig?

Jeder neigt mehr oder weniger dazu gewisse Aspekte aus seinem Leben auszublen-den, da diese das eigene Weltbild bedrohen könnten. Somit „discountet“ man jedes Mal, wenn man als Erwachsener ins Skript gehe, um seinen Bezugsrahmen zu verteidi-gen.113

Möchte man diese Probleme lösen und sich effektiv ändern, dann muss man sich die Aspekte der Realität ins Bewusstsein holen.

Hier liegt nun die Schwierigkeit, denn solche Realtiätsaspekte stellen ja einen "blinden Fleck" dar. Man kann selbst durch Anstrengung des Erwachsenen-Ichs diese Fehler aufdecken und korrigieren, hierbei ist die Transaktionsanalyse ein gutes Hilfsmittel.114 Nun gibt es aber Teile aus dem Kindheits-Ich die man für besonders wichtig hält um überleben zu können, man will sie auch nicht aufgeben und verteidigt diese mit beson-derer Energie. Um dort wirklich eine Veränderung herbei zu führen, bedarf es den Input

112 Vgl. Stewart/Joines, S. 386 113 Ebd. S. 387 114 Ebd. S. 387

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von jemand anderen, der nicht die gleichen "blinden Flecken" hat. 115

Freunde und Angehörige sind nicht unbedingt die beste Quelle für diesen Input, da die Familie im Allgemeinen auch "blinde Flecken" aufgrund der Erziehung hat. Ebenso sucht man sich auch seinen Lebenspartner aus, da die „blinden Flecke“ den selbigen entsprechen und man somit nicht aus seiner "Komfortzone" raus muss. 116

Der Sinn und Zweck der Arbeit mit einem Therapeuten liegt darin, dass man eine Quel-le der Rückmeldungen eines Dritten hat, der frei von eigenen blinden FQuel-lecken ist.

Nutzt man nun dieses Feedback und ändert den Bezugsrahmen, werden Situationen im Kind-Ich bedrohlich erscheinen. Deswegen benötigt man eine Stütze, die einen durch diesen Wandel begleitet. 117

Weiterhin kann eine Konfrontation mit dem Thema sehr nützlich sein, denn im Laufe eines Lebens hat man sich eine ganze Reihe von Ablenkungstaktiken angeeignet, um eine Veränderung abzuwehren. Hier ist es hilfreich, wenn man Strokes und Ermutigun-gen von anderen erhält und diese Vorteile in der Zusammenarbeit mit einem Therapeu-ten nutzt.

6.7.1 Für wen ist die Therapie gut?

Transaktionsanalytiker sagen, „Du brauchst nicht erst krank zu sein, damit es dir bes-ser geht.“118 Man muss auch nicht Probleme haben und kann ein gesunder funktionie-render Mensch mit einem erfüllten Leben sein und dennoch in Therapie gehen. Um noch mehr aus seinem Leben zu machen.

Kein Mensch ist hundertprozentig skriptfrei, für die meisten Menschen gibt es Lebens-bereiche, in denen man sich selbst die Probleme geschaffen hat und ins Skript geht.

6.8 Zusammenfassend Professionalität in der Transaktionsanalyse

Abschließend kann man sagen, dass die Transaktionsanalytiker eher darauf bedacht sind, professionell zu agieren. Sie wissen meistens genau, wie sie dem Klienten, in be-stimmten Situationen am besten helfen können. Es erweckt aber den Anschein, dass 115 Ebd. S. 387 116 Vgl. Stewart/Joines, S. 388 117 Ebd. S. 388 118 Ebd. S. 388

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auch die Transaktionsanalytiker oft nur einem Schema F folgen und bei ihrem professi-onellem Handeln das eigene Selbst, die Selbstreflexion ganz außen vorlassen. Jeden-falls gehen Steward und Joints in keinem Fall darauf ein.

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7 Selbstreflexion als Rolle in der Klientenzentrierten Beratung nach

Rogers

Ein Gelingen der Theorie-Praxis-Ausrichtung in der Beraterausbildung o.ä. hängt vor allem davon ab, wie stark sich die Teilnehmer als Person in die Reflexion einbringen. Die Reflexionskompetenz dient zudem der Entwicklung der beruflichen Identität. Selbst- und Fremdwahrnehmung wird weiterentwickelt, die Konsequenzen des eigenen Han-delns können eingeschätzt werden und werden sich ihrer, dem Handeln zugrunde lie-genden Werte und Normen bewusst.119 Besonders die Bewusstwerdung über das eige-ne Werte- und Normsystem ist für eieige-nen empathische-wertschätzenden Umgang mit Ratsuchenden von Bedeutung.120 Da Beratungstheorien nicht 1:1 in der Praxis umge-setzt werden können, greifen Berater zur Handlungsorientierung neben wissenschaftli-chen Inhalten auch auf Berufserfahrung, Alltagswissen und Intuition zurück und bilden mit diesen Theorie- und Wissensbestandteilen ihre eigene handlungsleitende Theorie, die auch subjektive Theorie genannt wird.121 Anhand dieser wird neben der Theorie auch das verbindende Element, die Praxis dargestellt. Mittels subjektiver Theorie wer-den wissenschaftliche Theorien für das Beraterhandeln brauchbar, so dass sie im Bera-tungshandeln verfügbar sind.122 Festzuhalten sei an dieser Stelle, dass die jeweiligen subjektiven Theorien des Beraters in einer Beraterausbildung thematisiert werden soll-ten. Sie können Handlungsstrategien einer bestimmten Situation erfassen und stellen allgemeine Annahmen über Beratung dar.123 Es mag nun vorkommen, dass dieser An-satz anhand einschneidender Überzeugungen oder einer gewählten Glaubensart be-stimmte Resultate erzielt. Ob der Klientenzentrierte Ansatz nach Rogers dies wieder-gibt, findet im Folgenden Erwähnung. Ein Berater erzielt einen mäßigen Erfolg, sobald dieser die Tätigkeit begrenzt und zwiespältig angeht.124 Was bedeutet, dass der Berater sich als eine Außenstehende Person sieht, die die Situation besser überblickt und len-ken kann. Folglich wird damit eine begrenzte Fähigkeit dem Gegenüber eingestanden, sodass dieser vielmehr als jemand wahrgenommen wird, der seine Situationen lediglich 119 Vgl. Waldhecker 2009, S. 367 120 Ebd. S. 367 121 Ebd. S. 367f. 122 Ebd. S. 368 123 Ebd. S. 368 124 Vgl. Rogers 1991, S. 36f.

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bis zu einem bestimmten Grad verstehen und reorganisieren kann.125 Wenn der Berater allerdings die Beratungsergebnisse aufmerksam verfolgt und dem Ratsuchenden Ver-antwortung überlässt, wird eine verVer-antwortungsvolle, konstruktive und offenkundige Person ersichtlich.126 Rogers127 berichtet, dass die einstellungsmäßige Orientierung, die für ihn eine Hypothese über menschliche Beziehungen ist, für diesen Ansatz wichtig zu sein scheint, ergo eine Auffassung ist, die angenommen und getestet werden kann. Er geht sogar davon aus, dass der Glaube oder das Vertrauen in das Können, in die Eig-nung des Individuums, mit der eigenen Konstellation und mit sich selbst fertig zu wer-den, denselben Wert hat wie jede wissenschaftliche Hypothese.128 Das Menschenbild der Klientenzentrierten Beratung sieht jeden Menschen als jemanden, dem ein ausrei-chendes Maß an Kräften, Ressourcen und Energien innewohnt, um alle Verstrickungen zu lösen, aktiv zu sein und Handlungsstrategien zu entwickeln. Sobald der Ratsuchen-de sich selbst in diesem Problemverhalten erkennt, gelingt ihm obendrein die Prob-lemlösung.129 Festzuhalten sei an dieser Stelle, dass Selbstblockaden diese Fähigkeit überlagern. Trotzdem findet diese positive Ausgangsbasis keinen Beweis.130 Laut Ro-gers131 ist das Vertrauen, das der Berater in den Wert und die Würde eines einzelnen Ratsuchenden legt, wenn dieser seine ganze Aufmerksamkeit und Anstrengung darauf richtet, so wahrzunehmen und zu verstehen, wie der Ratsuchende wahrnimmt und ver-steht. Die Schaffung einer interpersonellen Situation durch den Berater ermöglicht dem Ratsuchenden Aspekte seines Lebens in das Bewusstsein kommen zu lassen und zu-dem bringt die Bereitwilligkeit des Beraters, den Gegenüber als eine Person zu betrach-ten, welche vermag, sich selbst zu lenken.132 Ziel der Klientenzentrierten Beratung nach Rogers ist, dass der Ratsuchende erkennen soll, wo dieser in der Problemsituation emotional oder kognitiv blockiert war oder sich verstrickt hatte. Der Berater nutzt die Gesprächstechnik des „Spiegelns“ gegenüber dem Ratsuchenden, womit diesem ei-nerseits vor Augen geführt wird, welcher inneren Logik er zu folgen scheint und zugleich wird deutlich gemacht, dass der Berater aktiv zuhört und die Absicht hat, dem Reden-den in seiner Aussageabsicht zu verstehen. Wenn Gesprächsphasen vom so 125 Vgl. Rogers 1991, S. 36f. 126 Ebd. S. 37 127 Ebd. S. 37 128 Ebd. S. 37 129 Vgl. Ellinger 2010, S.37f. 130 Vgl. Rogers 1991, S. 37 131 Ebd. S. 47 132 Ebd. S. 37f.

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ten Spiegeln geprägt sind, gibt der Berater dem Ratsuchenden die Möglichkeit, seine eigene Schilderung der Erlebnisse, der Gefühle und der Zusammenhänge gewisserma-ßen wie durch einen Spiegel noch einmal „zu betrachten“, indem der Berater in eigenen Worten wiedergibt, was sein Gegenüber sprachlich äußerte.133 Und verhilft diesem so-mit zu entdecken, wie er seine eigenen Ressourcen aktivieren und zur Lösung des Problems einsetzen kann. Idealerweise entwickelt der Ratsuchende dann mit der Zeit Sensibilität für eigene Mechanismen, die Blockaden hervorbringen, welchen er dann begegnen kann, bevor eine Unfähigkeit zum Handeln eingetreten ist. 134 Dabei ist fest-zuhalten, dass der Berater sich selbst schadet obendrein den Ratsuchenden verwirrt, sobald dieser den Versuch unternimmt, einen beträchtlichen Anteil der Verantwortung für den Ratsuchenden zu übernehmen, sobald dieser im Beratungssetting spürt, dass der Ratsuchende möglicherweise nicht das Potenzial hat, sich selbst zu reorganisie-ren.135 Wir können also festhalten, dass die Methode nach Rogers in die Tat umgesetzt werden muss, um die volle Bedeutung, die Wirksamkeit dieser erkennen zu können. In der Klientenzentrierten Gesprächsführung nach Rogers136 wird darauf verwiesen, dass der Ratsuchende imstande ist, zu erkennen, ob und wann der Berater ein intellektuelles Werkzeug nutzt, um zu einem expliziten Ergebnis zu gelangen. Gleichermaßen wird über den Berater geäußert, dass dieser immer bewusst sowie unbewusst Einstellungen durchführt, die er gegenüber dem Ratsuchenden hat.137 Die Fokussierung auf die Grundhaltungen des Beraters im therapeutischen Prozess findet Vertretung. Ein ab-sichtsvolles und zielorientiertes Vorgehen sowie der Einsatz von Techniken ist für den Personenzentrierten Ansatz konträr.138 Einer der Vertreter des Personenzentrierten An-satz ist der Philosoph Bozarth.139 Dieser hat anhand Forschungen, die in Analysen von Filmen und Interviews von Rogers herausstellen, dass die Mehrheit seiner Reaktionen auf Empathie beruht, festgestellt, dass der therapeutische Prozess das Produkt einer einzigartigen Beziehung zwischen Berater und Ratsuchenden ist.140 Folgend müssen die Techniken, also die Theorie, der Ausdruck der Grundhaltung sein und aus der

133 Vgl. Ellinger 2010, S. 134 134 Ebd. S.36 135 Vgl. Rogers 1991, S. 38 136 Ebd. S. 39 137 Ebd. S. 39 138 Vgl. Wolzfeld 2009, S. 15 139 Ebd. S. 16 140 Ebd. S. 16

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Kommunikation mit dem Gegenüber hervorgehen.141 Eine analytische Selbstkontrolle wird erzielt, insofern Interviewmaterial vom Beratungssetting laufend überprüft wird. Dabei kann der Berater sehen, mit welcher Absicht dieser tätig ist, die ihm vielleicht so-gar nicht bewusst war oder das der Ratsuchende die Einstellung ganz anders aufge-fasst hat, als vom Berater erwünscht.142 Anhand dessen kann erahnt werden, welche Folgen sich hinter dem Selbstbild verbergen können. Beim nächsten Interview kann somit der Berater dieses ganz anders anfangen.143 Vorbereitet, geschärft und modifi-ziert. Der Berater bietet dem Ratsuchenden eine besondere Beziehung an, in dem eine offene und vertrauensvolle Art ein positives Klima verschafft und der Ratsuchende dank seiner Aktualisierungstendenz das anstehende Problem eigenverantwortlich bearbeiten und lösen kann.144 Die Aktualisierungstendenz meint die Fähigkeit, die in jedem Men-schen vorhanden ist, aktiv zu sein und Probleme zu lösen. Im Beratungsprozess be-schränkt sich der Berater vollständig auf die Aufgabe, dem Ratsuchenden das Ver-ständnis der eigenen Gefühle, Verstrickungen, Blockaden und Ansichten zu ermögli-chen, sodass dieser einen neuen Zugang zum Lösen der Probleme erhält.145 Die Aktua-lisierung ist nach Rogers der zentrale Moment in der Persönlichkeitsdynamik.146 Der „Knoten“ in der Wahrnehmung des Ratsuchenden soll geplatzt, das Festgefahrensein beendet werden und infolgedessen kann der Ratsuchende alle verfügbaren Kräfte für die eigene Problemlösung bündeln. Die Haltungen oder Verhaltensmerkmale des Bera-ters sind erstmals von Carl Rogers in seinem Konzept der Klientenzentrierten Beratung ausformuliert worden und setzen insbesondere drei Bedingungen voraus: Einfühlendes Verstehen, Unbedingte Wertschätzung, Echtheit.147 Vorläufig können wir also festhal-ten, dass das Ziel dieser Therapieform das Erkennen der mit einem Problem verbunde-nen Gefühle und die Beseitigung der dadurch entstandeverbunde-nen Blockierungen bezeichnet. Einfühlsames Verstehen meint einen Zustand des Beraters, der, der hört und Emotio-nen seines Gegenübers erfasst, versteht, was in diesem vorgeht. Dabei empfindet der Berater, der empathisch zuhört wie sein Gesprächspartner und ist in der Lage, dieses Nachempfinden auch in Worte zu fassen. Der Berater ringt um Verstehen, formuliert das Wahrgenommene und lässt den gedeuteten Sinn vom Ratsuchenden bestätigen. 141 Vgl. Wolzfeld 2009, S. 16 142 Rogers 1991, S. 39 143 Ebd. S. 39f. 144 Vgl. Ellinger 2010, S. 31 145 Ebd. S. 31 146 Vgl. Rechtien 1998, S. 55 147 Vgl. Ellinger 2010, S. 124f.

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Dieser hingegen wird neu mit seinen Gedanken, Gefühlen und Deutungen konfrontiert und kann somit präzisieren, verbessern oder ausweiten.148 Die unbedingte Wertschät-zung meint die Zugewandtheit des Beraters seinem Gegenüber.149 Der Berater bejaht diesen, unabhängig von deren Taten, Wertungen, Überzeugungen der Darstelllungen. Die Bemühung des Beraters liegt darin, keinerlei Argwohn, Skepsis oder Urteil zu he-gen, sondern lässt sich offen auf alle Mitteilungen und Gefühle des Gegenübers ein.150 Eine uneingeschränkte Akzeptanz liegt vor. Mit Echtheit ist gemeint, dass der Berater im Beratungssetting keine Rolle einnimmt oder spielt. Die Kongruenz des Beraters prä-sentiert von Anfang an das Einstehen zu seinen Gefühlen und unterliegt keiner Hierar-chie im Sinne von professionellem Fachmann versus problembehafteten Ratsuchen-den.151 Die Tatsache dabei besteht darin, dass der Berater sich seines Innenlebens bewusst und auch grundsätzlich bereit ist, dieses vor dem Ratsuchenden nicht zu ver-heimlichen. Allerdings besteht keine Pflichtentbindung, die Auswirkungen der Offenheit vorher zu überlegen und zu wissen, dass diese auch ihre Grenzen hat.152 Die Aufmerk-samkeit verschafft das Verstehen der Botschaften, die übermittelt werden von dem, der redet und das Mitdenken und Kombinieren von Einzelinformationen von Seiten des Be-raters.153 Das aktive Zuhören beinhaltet demzufolge den Fokus auf die Aufmerksamkeit zu legen. Ein aktiver Zuhörer ist bemüht, dass Gesagte zu erfassen und in sein Ver-ständnis und seine Rückmeldungen an den Redenden einzubeziehen.154 Zum einen meint das aktive Zuhören, dem der redet mittzuteilen, was der Berater beim Hören ver-standen hat. Der Berater bemüht sich um den Sinn der Mitteilung und gibt dem Ratsu-chenden somit das Gefühl von Ernstgenommen werden. Durch das bewusste und wil-lentliche Einlassen wird dem Berater auch anhand von Mimik und Intonation seines Gegenübers klar, was dieser weitergibt und begibt sich folglich in die Logik des Reden-den.155 Bei vielen mag sich die Frage erheben, weshalb diese besondere Art von Be-ziehung angenommen werden soll. Ziel des Beraters ist es, das gesamte Wahrneh-mungsfeld, wie es vom Ratsuchenden erfahren wird, so lebhaft und genau zu erfassen wie möglich. Darüber hinaus, sobald das Wahrnehmungsfeld erfasst wurde, das 148 Vgl. Ellinger 2010, S. 125 149 Ebd. S. 125 150 Ebd. S. 125 151 Ebd. S. 125 152 Ebd. S. 126 153 Ebd. S. 126 154 Ebd. S. 126 155 Ebd. S. 124f.

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maß anzuzeigen, bis zu dem er, der Berater, durch die Augen des Ratsuchenden sieht.156 Rogers thematisierte erst gegen Ende seines Lebens nur ansatzweise und äu-ßerst zurückhaltend „Ich bin geneigt zu denken, dass ich in meinen Schriften zu viel Gewicht auf die drei Basisbedingungen (Kongruenz, unbedingte positive Aufmerksam-keit und emphatisches Verstehen) gelegt habe. Vielleicht ist es etwas um den Rand dieser Bedingungen herum, das wirklich das wichtigste Element der Therapie darstellt – wenn mein Selbst sehr klar und offensichtlich präsent ist.“157 Die Äußerung lässt sich mit den Worten Präsenz beziehungsweise Gegenwärtigkeit erfassen. Dabei zeigt sich die Präsenz des Beraters als sein eigenes Gegenwärtigsein als Person. D.h., dass wir die Furcht vor unserer eigenen Natur verlieren und das Risiko eingehen, voll und ganz lebendig zu sein.158 Rogers hat wohl einen Punkt in seinem Leben erreicht, wo er sich selbst liebte und vertraute, sodass er in keiner Weise mehr vor seinem eigenen Wesen Angst hatte und von daher mit seinem innerlichen Vorgehen vertraut war.159

7.1 Grenzerfahrungen

Manch einer, der sich voller Elan und Idealismus auf den Personenzentrierten Ansatz einlässt, wird vielleicht an seine ganz persönlichen Grenzen stoßen. Es fällt vielen schwer, den Ratsuchenden in seinem So-Sein bedingungslos zu akzeptieren. Entspre-chende Erfahrungen und die damit verbundene Hilflosigkeit sind dann später beliebtes Thema in Supervisionen.160 Was wäre, wenn es gar nicht so sehr ums Lernen ginge, sondern um persönliche Entwicklung, um diesen Ansatz einzulösen? Für Rogers ist es entscheidend, dass ein Berater, der nach dem Personenzentrierten Ansatz tätig ist, über ein zusammenhängendes und ständig sich weiterentwickelndes Sortiment an Ein-stellungen verfügt, die tief in seiner Persönlichkeitsstruktur verwurzelt sind und mit den Techniken oder Methoden, die mit diesem System übereinstimmen, ergänzt.161 Der Wirkfaktor der sich an der Rolle des Beraters festzumachen scheint, nimmt wieder eine entscheidende Rolle ein. Rogers bringt sehr deutlich auf dem Punkt, indem er erwähnt, 156 Vgl. Rogers 1991, S. 46 157 Vgl. Knoche 2009, S. 62 158 Ebd. S. 63 159 Ebd. S. 64 160 Ebd. S. 55 161 Ebd. S. 55

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dass der personenzentrierte Ansatz vor allem eine Seinsweise ist, die ihren Ausdruck in Verhaltensweisen und Einstellungen findet. Diese sind es, die ein wachstumsförderndes Klima schaffen.162 Um die Frage zu beantworten, ob jemand diesen Ansatz erlernen kann, wird im Folgenden auf die buddhistische Tradition eingegangen, die eine Grund-haltung verkörpert, welche zur Wirklichkeit wird, insofern der lebenslange Übungsweg eingeschlagen wird. Fortfolgend kann man feststellen, wie sehr die dort vertretenen Grundhaltungen den beziehungsrelevanten Merkmalen des Personenzentrierten Ansat-zes entsprechen.163

7.2 Grundhaltung des Buddhismus für eine offene Beraterhaltung

Als ein Schüler seinen Zen-Lehrer beim Bogenschießen mithilfe einer Technik beein-drucken wollte, nahm ihm dieser den Bogen wortlos aus der Hand und wandte ihm den Rücken zu. Mit diesem wortlosen Geschehen kündigte der Lehrer seinem Schüler die Beziehung auf, denn er fühlte sich von ihm getäuscht: „Um wirklich Meister des Bogen-schießens zu sein, genügt technische Kenntnis nicht. Die Technik muss überschritten werden, so dass das Können zu einer nichtgekonnten Kunst wird, die aus dem Unbe-wussten erwächst.“164 Ich habe diese Stelle gewählt, weil sie die Achtsamkeit verdeut-licht. Denn Achtsamkeit kann auf der einen Seite Einsicht in die Entstehungsbedingun-gen des Leidens eröffnen, auf der anderen Seite aber auch die Befreiung aus den leid-vollen Verstrickungen ermöglichen.165 Achtsamkeit kann als eine Eigenschaft des Be-wusstseins verstanden werden, die alles, was in unserer Erfahrungswelt geschieht, di-rekt betrachtet und den Geschehnissen Vorurteilsfrei begegnet. Frei von Vorurteilen meint, ohne Habgier, Abneigung, Täuschung. Wenn wir also, auch in Bezug auf die Be-ratertätigkeit, achtsam sind, wenn wir dem, was geschieht, direkt begegnen können, dann sind wir in der Fülle der Lebendigkeit. Wir können dann bei den Dingen sein, so wie sie sind, anstatt durch den Filter unserer Hoffnungen, Ängste zu schauen.166 Und genau das ist die unverstellte Sichtweise auf Dinge, die sich als lebenslanger Übungs-weg vollzieht. Die Sichtweise des Gewahrseins, der Achtsamkeit, sich nicht im Strom 162 Vgl. Knoche 2009, S. 55 163 Ebd. S. 56 164 Ebd. S. 56f. 165 Ebd. S. 57 166 Ebd. S. 57

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der Gedanken und Gefühle zu vergessen.167 Eine Möglichkeit der Achtsamkeit besteht darin, Denkmuster allmählich aufzulösen und zu verändern. Dies Geschieht anhand der Wahrnehmung, die auf das gerichtet wird, was von Moment zu Moment an Gedanken und Gefühlen im Bewusstsein entsteht und wieder vergeht. Nach und nach entwickelt sich somit eine transformative Einsicht, da das bewertende Ich immer mehr in den Hin-tergrund gerät.168 Hieran wird verdeutlicht, dass jeder einzelne Mensch in seine ganz persönliche Verantwortung gerufen wird, wenn es um die Überwindung des Leidens geht.169 Für den Rogers´ Ansatz könnte dies nun bedeuten, dass der Mensch sein star-res Selbstbild und die damit einhergehende Weltsicht als das entscheidende Hindernis begreift, welches ihn von der in ihm grundlegenden Wirklichkeit trennt. Das Ich versucht stetig seine Position zu wahren und zu sichern, mit der Folge, dass die Aktualisierungs-tendenz mehr oder weniger unterbunden wird. Demnach stagniert der Mensch und ent-wickelt infolge der Inkongruenz von Selbstkonzept und Erfahrungen Gefühle der Span-nung, Angst und Bedrohung. Diese Gefühle zeigen sich schließlich als Störungsdimen-sion des Personenzentrierten Ansatzes.170 Ein Mensch, der sich mehr und mehr ver-wirklichen möchte, der quasi voll funktionieren möchte, ein wandlungsbereiter Mensch, lässt seine Fassaden und Masken immer mehr und mehr fallen, erkennt übernommene Wertmaßstäbe und lebt im Vertrauen auf die Weisheit aus sich selbst heraus authen-tisch.171 Dieser Mensch wird mit der Zeit erfahren, dass er der „Bedeutsamkeit, die in einem selbst liegt“172 vertrauen kann. Kontinuität in der Achtsamkeit stärkt darüber hin-aus die Konzentrationsfähigkeit. Die wertfreie, offene Haltung gegenüber allen Erfah-rungen verhilft der gebündelten, konzentrierten Verweilung in der Gegenwart.173 Ein weiterer Brückenschlag zum Personenzentrierten Ansatz zeichnet sich nach Rogers anhand der Fähigkeit aus, sich ganz und gar im gegenwärtigen Moment zu verankern. Also keinen Bezug auf die Vergangenheitserfahrungen oder die in die Zukunft projizier-ten Vorstellungen und Erwartungen. Dementsprechend bliebe jede Erfahrung wirklich neu, da der Mensch in der Lage wäre, ihr ohne Abwehrhaltung o.ä. zu begegnen. Mit Rogers Worten zusammenzufassend würde dies bedeuten, dass diese einzigartige Konfiguration, die nicht wiederholbar ist „[…] komplexe Konfiguration von innen und 167 Vgl. Knoche 2009, S. 57 168 Ebd. S. 58 169 Ebd. S. 58 170 Ebd. S. 58 171 Ebd. S. 58f. 172 Ebd. S. 59 173 Ebd. S. 59

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