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Zum Vorkommen von Tularämie und Brucellose beim Feldhasen in Niedersachsen

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Zum Vorkommen von Tularämie und Brucellose beim Feldhasen in Niedersachsen

INAUGURAL - DISSERTATION Zur Erlangung des Grades einer Doktorin der Veterinärmedizin

- Doctor medicinae veterinariae - (Dr. med. vet.)

Vorgelegt von Martina Wedekind

Hamburg

Hannover 2008

(2)

Wissenschaftliche Betreuung: Prof. Dr. Dr. habil. K. Pohlmeyer Priv. Doz. Dr. M. Runge

(Niedersächsisches Landesamt für

Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit - Veterinärinstitut Hannover)

1. Gutachter: Prof. Dr. Dr. habil. K. Pohlmeyer 2. Gutachter: Prof. Dr. P. Valentin-Weigand

Tag der mündlichen Prüfung: 20.11.2008

Finanziell gefördert wurden die Untersuchungen durch Jagdabgabemittel des Landes

(3)

Meinen Eltern

(4)

Teile dieser Arbeit wurden bereits veröffentlicht:

M. Wedekind, M. von Keyserlingk, A. Grauer, U. Voigt, K. Pohlmeyer, F. Melzer, M. Runge (2007)

Untersuchungen zur Verbreitung von Francisella tularensis und Brucellen in niedersächsischen Hasen- und Kaninchenpopulationen - erste Ergebnisse

Poster, Arbeits- und Fortbildungstagung des Arbeitskreises für veterinärmedizinische Infektionsdiagnostik (AVID), Fachgruppe „Bakteriologie“ der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft,

Bad Staffelstein / Kloster Banz, 24. - 26.10.2007

M. Wedekind, M. von Keyserlingk, A. Grauer, U. Voigt, W. Splettstößer, P. Otto, W. Müller, F. Melzer, K. Pohlmeyer, M. Runge (2008)

Prävalenz von Francisella tularensis und Brucella suis beim Feldhasen in Niedersachsen - aktuelle Ergebnisse

Poster, Jahrestagung der DVG-FG „Bakteriologie und Mykologie“, Braunschweig, 25. - 27.06.2008

(5)

2 LITERATURÜBERSICHT...11

2.1 Tularämie...11

2.1.1 Historischer Überblick...11

2.1.2 Biologie und Taxonomie des Erregers...15

2.1.3 Diagnostik ...18

2.1.4 Tularämie beim Feldhasen ...19

2.1.4.1 Übertragungswege beim Feldhasen ...19

2.1.4.2 Klinik der Tularämie beim Hasen ...19

2.1.4.3 Pathologisch-anatomische Befunde beim Hasen...20

2.1.4.4 Bekämpfung, Impfungen...21

2.1.5 Tularämie beim Menschen...21

2.1.5.1 Übertragungswege der Tularämie auf den Menschen ...21

2.1.5.2 Klinik der Tularämie beim Menschen ...22

2.1.5.3 Prophylaxe, Therapie und Impfung ...24

2.1.6 Epidemiologie/Epizootiologie ...25

2.1.7 F. tularensis als biologische Waffe ...31

2.2 Brucellose ...32

2.2.1 Historischer Überblick...32

2.2.2 Biologie und Taxonomie des Erregers...33

2.2.3 Diagnostik ...35

2.2.4 Brucellose beim Feldhasen...36

2.2.4.1 Übertragungswege beim Feldhasen ...36

2.2.4.2 Klinik der Brucellose beim Feldhasen ...37

2.2.4.3 Pathologisch-anatomische Befunde...38

2.2.4.4 Bekämpfung, Impfungen...39

2.2.5 Brucellose beim Menschen...39

2.2.5.1 Übertragungswege der Brucellose auf den Menschen ...40

2.2.5.2 Klinik der Brucellose beim Menschen ...40

(6)

2.2.5.3 Prophylaxe, Therapie und Impfung ...41

2.2.6 Epidemiologie/Epizootiologie ...42

2.3 Zielsetzung ...47

3 MATERIAL UND METHODEN ...49

3.1 Material ...49

3.1.1 Probenmaterial ...49

3.1.1.1 Fallwild ...49

3.1.1.2 Erlegte Hasen ...50

3.2 Methoden...51

3.2.1 Probengewinnung...51

3.2.2 Bakteriologische Untersuchungsmethoden...52

3.2.2.1 Anlegen der Bakterienkultur...52

3.2.2.2 Stamp-Färbung ...52

3.2.3 Molekularbiologische Untersuchungsverfahren ...53

3.2.3.1 Nukleinsäure-Extraktion...53

3.2.4 Nachweis von F. tularensis...55

3.2.4.1 Auswahl der Primer...55

3.2.4.2 Polymerasekettenreaktion (PCR)...55

3.2.4.3 Ermittlung der Nachweisgrenze ...58

3.2.4.4 Nachweis der PCR-Produkte durch Agarosegelelektrophorese...59

3.2.5 Nachweis von Brucella sp...61

3.2.5.1 PCR ...61

3.2.5.2 Sequenzierung von PCR-Produkten ...63

3.2.5.2.1 Aufreinigung der PCR-Produkte ...63

3.2.5.2.2 DNA-Sequenzierung...64

3.2.6 Statistik ...66

4 ERGEBNISSE ...67

4.1 Validierung der PCR ...67

4.1.1 Ermittlung der Nachweisgrenze von F. tularensis...67

(7)

4.2.2 Nachweis von Brucella sp...77

4.2.2.1 Prävalenzratio ...78

4.3 Sequenzierung von Amplifikationsprodukten ...79

4.4 Typisierung von Brucella sp...79

4.5 Bakteriologische Untersuchung zum Nachweis von Brucella sp...80

4.6 Pathologisch-anatomische Untersuchungen...81

4.6.1 Hasen mit Nachweis von F. tularensis...81

4.6.2 Hase mit Nachweis von Brucella sp...84

5 DISKUSSION ...85

6 ZUSAMMENFASSUNG...98

7 SUMMARY ...99

8 LITERATURVERZEICHNIS ...100

9 ANHANG ...111

9.1 Laborgeräte, Verbrauchsmaterialien, Chemikalien und Reagenzien, Nährmedien, Puffer und Lösungen ...111

9.2 Tabellen ...117

9.3 Basensequenzen ...121

(8)

Abkürzungsverzeichnis

AMOS Abortus Melitensis Ovis Suis

ATCC American Type Culture Collection

bp engl.: base pair(s) (Basenpaare)

dATP Desoxyadenosintriphosphat

dCTP Desoxycytosintriphosphat

dGTP Desoxyguanintriphosphat

dNTP Desoxynukleosidtriphosphat

DNase Desoxyribonuklease

DNA engl.: Deoxyribonucleic acid (Desoxyribonukleinsäure)

dTTP Desoxythymidintriphosphat

EDTA Ethylendiamintetraessigsäure

°C Grad Celsius

g Erdbeschleunigung

HPLC-Wasser engl.: High Performance Liquid Chromatography (Hochleistungsflüssigkeitschromatographie-Wasser)

IfSG Infektionsschutzgesetz

IPC engl.: Internal Positiv Control (interne Positivkontrolle)

k.A. keine Angaben

KBE Kolonie bildende Einheit(en)

kDa Kilodalton

Kap. Kapitel

mM Millimolar

mol. biol. H2O molekular-biologisch aufgereinigtes Wasser

PCR engl.: polymerase chain reaktion

(Polymerasekettenreaktion)

Rnase Ribonuklease

sp. Spezies

ssp. Subspezies

TAE Tris-Acetat-EDTA

Tris Tri- (Hydroxymethyl-) Aminomethan

(9)
(10)
(11)

1 Einleitung

Tularämie und Brucellose sind in Deutschland selten vorkommende, hochkontagiöse, melde- bzw. anzeigepflichtige bakterielle Infektionskrankheiten bei Tieren, die auf den Menschen übertragbar sind (ANONYMUS 2007a, GRUNOW & PRIEBE 2007). In der Gefährdung des Menschen liegt die besondere Bedeutung dieser Erreger.

Die Tularämie wird durch Francisella tularensis (F. tularensis) verursacht. Sie kommt weltweit auf der nördlichen Hemisphäre im Wesentlichen bei Feldhasen, Wildkaninchen, verschiedenen Mäusearten sowie Ratten vor. Eine große Zahl weiterer Säugetiere, aber auch Vögel und Amphibien, können den Erreger ebenfalls beherbergen. Für die Tularämie als Naturherderkrankung in Europa existieren seit Jahrzehnten bekannte enzootische Regionen in Österreich, Deutschland, der Slowakei und Tschechien, im Kosovo sowie in Italien, Spanien und Teilen Skandinaviens (HOFER 1997, HÖFLECHNER-PÖLTL 1999, ANONYMUS 2001, ELLIS et al.

2002, HOFER 2002, REINTJES et al. 2002).

Der Erreger der Hasen- und Schweinebrucellose in Europa ist Brucella suis Biovar 2 (B. suis Biovar 2). Er ist in fast allen europäischen Ländern nachgewiesen (BENDTSEN et al. 1954, ENGLERT et al. 1964, VALENTINCIC 1964, DEDEK

1983, BOCH & SCHNEIDAWIND 1988). Zwischen der Schweinebrucellose und der Hasenbrucellose bestehen epizootiologische Wechselbeziehungen, in die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch das europäische Wildschwein eingeschlossen ist (HELLMANN 1982, HÖFLECHNER-PÖLTL 1999, SELBITZ 2007). Die Hasenbrucellose tritt nicht nur in Gebieten mit enzootischer Haustierbrucellose sporadisch auf, sondern unterhält auch ein selbstständiges, meist enzootisches Infektionsgeschehen mit jahrelanger Erregerpersistenz in der betroffenen Hasenpopulation (CHRISTIANSEN &

THOMSEN 1956, ENGLERT et al. 1964, HELLMANN 1982).

Beim Menschen erschwert die Variabilität des Krankheitsbildes der Tularämie sowie der oft grippeähnliche Verlauf der Tularämie und der Brucellose die klinische Diagnose. Endemiegebiete können daher unentdeckt bleiben, vor allem, wenn Krankheitsfälle bei Mensch und Tier nur sporadisch auftreten. Das Wissen über Vorkommen und Verbreitung der Tularämie und Brucellose ist Voraussetzung für

(12)

eine erfolgreiche Diagnose, Prophylaxe und Bekämpfung dieser Krankheiten beim Menschen (HÖFLECHNER-PÖLTL 1999).

Aktuell aufgetretene Tularämie-Erkrankungen beim Menschen sind in den letzten zehn Jahren aus Hessen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und aus Hamburg gemeldet. Über die Prävalenz des Erregers in der Hasenpopulation in Niedersachsen liegen bisher keine Daten vor. Deshalb schien es interessant herauszufinden, wie sich der derzeitige Infektionsstatus der Feldhasenbestände darstellt.

Mit der vorliegenden Arbeit sollen möglichst flächendeckend und mit ausreichendem Material Angaben zum Vorkommen und zur Verbreitung beider Erreger gemacht werden. Die Untersuchungen wurden am Institut für Wildtierforschung (IWFo) an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover und dem Veterinärinstitut Hannover des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) durchgeführt. Die Ergebnisse der aus den eigenen Untersuchungen als tularämie- oder brucelloseverdächtig erkannten Proben wurden am Institut für bakterielle Infektionen und Zoonosen des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) in Jena und dem Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München verifiziert.

Ziel der Untersuchungen ist es darüber hinaus, einen Beitrag zur Ermittlung von Naturherden der Tularämie und Brucellose in Niedersachsen zu leisten. In Niedersachsen wurden molekularbiologische Untersuchungen dieser Art und in dem Umfang bislang nicht durchgeführt.

(13)

2 Literaturübersicht

2.1 Tularämie

2.1.1 Historischer Überblick

F. tularensis ist als Krankheitserreger seit Beginn des 20. Jahrhunderts bekannt (SPLETTSTÖßER et al. 2005, SJÖSTEDT 2007, TOMASO et al. 2007). Im Jahre 1911 beschrieb McCoy eine der Pest ähnliche Erkrankung, die er bei Erdhörnchen im Tulare County, Kalifornien, USA, beobachtet hatte. MCCOY & CHAPIN (1912) isolierten den Erreger und nannten ihn „Bacterium tularense“. Später wurde es von Edward Francis intensiv untersucht (JELLISON 1972). Der bekannte und namensgebende Arzt kultivierte und beschrieb das Bakterium im Jahre 1912. Der erste bestätigte Fall von Tularämie beim Menschen ereignete sich 1913 in Ohio, USA (WHERRY & LAMB 1914, WEINBERG 2004).

Schon vor 1912 beschrieben verschiedene Dokumentationen Erkrankungen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Tularämie hinweisen, so z.B. ein Bericht von PEARSE (1911) aus Utah, USA, aus dem Jahr 1908. Aus Norwegen gibt es Aussagen zum sogenannten Lemming-Fieber aus den 1890er Jahren (MÖRNER 1992). OHARA (1954) berichtet von einer Hasen-Krankheit aus Yato-Byo, Japan aus dem Jahre 1818. Weitere Schilderungen Tularämie-ähnlicher Krankheiten bei Lemmingen stammen von 1653 aus Norwegen (SCHEEL et al. 1992). Für die Tularämie gibt es verschiedene andere Bezeichnungen, wie z.B. Hasenpest, Nagerpest, Ohara- Krankheit oder auch Lemming-Fieber, Hirschfliegenfieber, Zeckenfieber und Kaninchenfieber (KERSCHAGL 1965, FRÖLICH et al. 2001, GRUNOW et al. 2001, TITBALL

& SJÖSTEDT 2003).

Die Tularämie kommt weltweit auf der nördlichen Hemisphäre zwischen dem 30. und 70. Breitengrad vor (REINTJES et al. 2002), so in Nordamerika, Europa, im Nahen Osten, in den Ländern der früheren Sowjetunion, in China und Japan (BOSSI et al.

2004). In den meisten Ländern ist F. tularensis ein eher selten vorkommender Erreger (SJÖSTEDT 2007). Größere Ausbrüche wurden aus Teilen Amerikas, der südlichen ehemaligen Sowjetunion und Nordskandinavien berichtet (JOHANSSON et

(14)

al. 2000). In der Zeit von 1924 bis 1935 erkrankten in Amerika 6.149 Personen, bei einer Mortalität von 4,8 % (KERSCHAGL 1965).

In Europa tritt die Tularämie periodisch gehäuft in Endemiegebieten Nord-, Mittel- und neuerdings auch Süd- und Westeuropas auf. F. tularensis kommt in Form von vier Subspezies vor, wobei die weniger virulente Variante F. tularensis subsp. holarctica vorherrscht (MÖRNER et al. 1993, GRUNOW et al. 2001).

In Nordeuropa wurden in Norwegen, Schweden, Finnland und Dänemark in den 1920er und 30er Jahren annährend 200 Krankheitsfälle beim Menschen durch Tularämie-Infektionen diagnostiziert. Als Tierreservoir wurden dort Hasen, als Überträger Stechmückenarten festgestellt (SCHMIDT 1947). Biber können ebenfalls ein mögliches Reservoir darstellen (MÖRNER & SANDSTEDT 1983). Im Kosovo erkrankten in den Jahren 1999/2000 327 Personen durch den Verzehr von nicht genügend erhitztem, kontaminierten Hasenfleisch und der Aufnahme von Wasser, welches mit Tularämie-Erregern verseucht war (REINTJES et al. 2002).

In Deutschland datiert der erste nachgewiesene Fall von Tularämie aus dem Jahr 1939 (KERSCHAGL 1965). Sicher ist, dass die Tularämie schon viel früher in allen genannten Ländern vorkam, als solche aber nicht erkannt wurde. 1943/44 wurde im Tilsiter Raum die Krankheit bei Menschen registriert. 1947 folgte eine Epidemie um Königsberg (JUSATZ 1961) und 1948 wurden weitere Fälle von Tularämie in der Umgebung von Berlin festgestellt (TRAUTMANN & SCHNEEMANN 1949). Eine regional begrenzte Epidemie ereignete sich 1950 im Taubertal im Grenzbereich der Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg. Die 13 Patienten hatten alle Kontakt mit Feldhasen (SCHUERMANN & HÜTTNER 1950). Im weiteren zeitlichem Verlauf mehrten sich die Fälle auch in anderen Bezirken. So wurden in Franken bis 1952 insgesamt 50 Fälle von F. tularensis-Infektionen beim Menschen nachgewiesen (LEMBKE 1969). Die meisten humanen Tularämie-Infektionen wurden seit ihrem erstmaligen Auftreten in Schleswig-Holstein 1950 aus Eiderstedt berichtet. 1950/51 erkrankten dort 130 Menschen, im Winter 1956/57 wurden sieben Tularämie- Erkrankungen gemeldet, 1958 waren es 28. 1968 gab es erneut sechs Fälle (LEMBKE 1969).

(15)

In der Zeit von 1956 bis Ende 1968 sind in Deutschland insgesamt 128 Tularämie- Erkrankungen beim Menschen gemeldet worden. Hiervon stammen 46 Fälle aus Schleswig-Holstein, 21 aus Bayern und 14 aus Neubrandenburg. Die restlichen 48 Krankheits-Fälle verteilen sich auf die übrigen Bundesländer. Bei diesen Infektionen war mit wenigen Ausnahmen der Feldhase die Infektionsquelle (LEMBKE 1969). Seit Anfang der 1970er Jahre tritt die Krankheit nur noch sporadisch und zwar vornehmlich in Endemiegebieten auf.

Während sich in den Jahren unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg noch 100 bis 200 Menschen jährlich mit dem Erreger infizierten, sind seit Anfang der 1960er Jahre in Deutschland und den meisten europäischen Ländern die Fallzahlen deutlich rückläufig. Die starken Schwankungen des Tularämie-Geschehens beim Menschen hängen hauptsächlich mit den zyklischen Wellenbewegungen der Besätze in den Nagetierpopulationen der Endemiegebiete zusammen (JUSATZ 1961, SPLETTSTÖßER

et al. 2006). Seit etwa 2005 kommt es wieder zu einer Zunahme von Infektionen mit Tularämie. Eine Darstellung erfolgt in Tab. 1.

(16)

Tab. 1: Nachweis von Tularämie-Erkrankungen in den einzelnen deutschen Bundesländern von 1998 – 2007 beim Menschen

Jahr Bundesländer Anzahl der

Erkrankungsfälle

Quelle

Baden-Württemberg 2 (HIRSCH et al. 2001) 1998

Nordrhein-Westfalen 1 (HIRSCH et al. 2001)

Brandenburg 1 (KÄSSLER et al. 2000)

1999

Mecklenburg-Vorpommern 1 (KÄSSLER et al. 2000)

Berlin 1 (KÄSSLER et al. 2000)

2000

Brandenburg 1 (GRUNOW & PRIEBE 2007) Baden-Württemberg 2 (ANONYMUS 2002a) 2001

Bayern 1 (GRUNOW & PRIEBE 2007)

Baden-Württemberg 1 (ALPERS et al. 2003)

Berlin 1 (ALPERS et al. 2003)

Hessen 1 (ALPERS et al. 2003)

Niedersachsen 1 (ALPERS et al. 2003) 2002

Nordrhein-Westfalen 1 (ALPERS et al. 2003) Baden-Württemberg 2 (JANSEN et al. 2005) 2003

Nordrhein-Westfalen 1 (JANSEN et al. 2005) Baden-Württemberg 2 (JANSEN et al. 2005) 2004

Mecklenburg-Vorpommern 1 (JANSEN et al. 2005) Baden-Württemberg 1 (SURVSTAT@RKI 2008a)

Brandenburg 1 (SURVSTAT@RKI 2008a)

Hamburg 1 (SURVSTAT@RKI 2008a)

Hessen 10 (HOFSTETTER et al. 2005)

Niedersachsen 1 (SURVSTAT@RKI 2008a) Rheinland-Pfalz 1 (SURVSTAT@RKI 2008a) 2005

Sachsen-Anhalt 1 (SURVSTAT@RKI 2008a) 2006 Bayern 1 (GRUNOW & PRIEBE 2007)

Baden-Württemberg 11 (SURVSTAT@RKI 2008b)

Bayern 3 (SURVSTAT@RKI 2008b)

Brandenburg 1 (SURVSTAT@RKI 2008b)

Mecklenburg-Vorpommern 1 (SURVSTAT@RKI 2008b) Niedersachsen 1 (SURVSTAT@RKI 2008b) 2007

Nordrhein-Westfalen 3 (SURVSTAT@RKI 2008b)

(17)

Im Jahr 2007 wurden 20 mikrobiologisch bestätigte Tularämie-Fälle registriert. Dies ist die höchste Fallzahl seit 1958. Ungewöhnlich waren hierbei der Schweregrad und die unterschiedlichen Erkrankungsformen der Tularämie. In nur 40 % der Fälle werden Hasen als Infektionsquelle genannt. Als weitere Ansteckungsquellen geben SPLETTSTÖßER & KOPF (2008) kleine Nager, Ektoparasiten und kontaminierte Oberflächengewässer an. Nach GRUNOW & PRIEBE (2007) muss auch in Zukunft damit gerechnet werden, dass die Erkrankung in verschiedenen Regionen Deutschlands als sporadische Infektion des Menschen auftritt bzw. auch größere Ausbrüche hervorruft.

In Deutschland besteht eine gesetzliche Meldepflicht bei Nachweis des Krankheitserregers der Tularämie beim Menschen, die in dem seit 2001 geltenden Infektionsschutzgesetz (IfSG §7) festgeschrieben ist. Von 2001 bis 2004 wurden jährlich zwischen drei und fünf Erkrankungsfälle gemeldet (WEBER 2004, HOFSTETTER et al. 2005). Es ist allerdings von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Die Ursache könnte darin liegen, dass die Erkrankung auf Grund ihres variablen klinischen Erscheinungsbildes und möglicherweise klinisch inapparenten Verlaufes nicht erkannt oder differenzialdiagnostisch nicht in Betracht gezogen wurde (GRUNOW &

PRIEBE 2007).

2.1.2 Biologie und Taxonomie des Erregers

F. tularensis ist ein unbewegliches, pleomorphes, strikt aerobes, fakultativ intrazelluläres, gramnegatives Stäbchenbakterium. Es ist mit 0,2 - 0,7 x 0,2 µm verhältnismäßig klein und bildet keine Sporen. Die optimalen Bedingungen für sein Wachstum ist eine Temperatur von 37°C und ein pH-Wert von 6,8 - 7,3. F. tularensis stellt bei der Isolierung hohe Ansprüche an den Nährboden. Francisellen sind wärmeempfindlich; gegenüber Kälte, Feuchtigkeit und Laugen besteht dagegen hohe Widerstandsfähigkeit (BELL & REILLY 1981, BOCH & SCHNEIDAWIND 1988, DEUTZ &

GUGGENBERGER 2005, SELBITZ 2007). Das Bakterium kann in Häuten 40 Tage, in feuchter Erde 50 Tage und im Wasser bis zu drei Monate überleben und infektionsfähig bleiben (STEINECK 2000). In gefrorenem Kaninchenfleisch ist der

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infektiös sein können (BELL & REILLY 1981). SONGER & POST (2005) gaben die Dauer der Überlebensfähigkeit in trockenem Stroh mit über sechs Monaten, in Kadavern mit mehr als vier Monaten und in Brackwasser und Schlamm bis zu drei Monaten sowie einen Monat in Kaninchenfleisch an. Bei 56 - 58°C wird das Bakterium innerhalb von zehn Minuten und durch direktes Sonnenlicht innerhalb von drei Stunden abgetötet (DEUTZ & GUGGENBERGER 2005).

Anfänglich wurde F. tularensis in das Genus Pasteurella eingegliedert. Im Jahre 1947 wurde der Erreger in das Genus Francisella reklassifiziert (SONGER & POST

2005). Analysen der 16S rRNA Sequenz ergaben, dass F. tularensis taxonomisch zu der γ-Untergruppe der Proteobacteria, der Ordnung Thiotrichales und der Familie der Francisellaceae gehört. Innerhalb des Genus Francisella werden phänotypisch die zwei Spezies F. tularensis und F. philomiragia unterschieden (FORSMAN et al. 1994, HOFER 2002, SONGER & POST 2005), welche eine Sequenzhomologie im 16S rRNA- Gen von über 98 % aufweisen (FORSMAN et al. 1994).

Von F. tularensis sind vier Subspezies bekannt, die aufgrund ihrer biochemischen Eigenschaften, Verbreitung und Virulenz unterschieden werden (OLSUFJEV &

MESHCHERYAKOVA 1983, JOHANSSON et al. 2004, DEUTZ & GUGGENBERGER 2005, SPLETTSTÖßER et al. 2005).

1. F. tularensis subsp. tularensis (F. tularensis nearctica, Jellison Typ A) wird vorwiegend im Westteil Nordamerikas von Alaska bis Mexiko nachgewiesen.

Der hochvirulente Typ A ist von besonderer Bedeutung. In letzter Zeit ist er auch in Europa aufgetreten. Die Subspezies kommt vor allem bei Hasenartigen vor. Sie wird hauptsächlich durch Zecken und Stechfliegen übertragen und ist für den Menschen und das Kaninchen hoch virulent.

(MÖRNER et al. 1993, SJÖSTEDT et al. 1997, GURYCOVÁ 1998, DEUTZ &

GUGGENBERGER 2005, SONGER & POST 2005, SELBITZ 2007).

2. F. tularensis subsp. holarctica (F. tularensis palaearctica, Jellison Typ B) umfasst in Eurasien Gebiete von Nordsibirien bis Iran, Skandinavien, Mittel- und Südeuropa, Nordafrika, Vorderasien, Indien, China und Japan (MÖRNER et

(19)

al. 1988, MÖRNER et al. 1993, SJÖSTEDT et al. 1997). Dieser Typ kommt ganz vorwiegend bei Hasenartigen und kleinen Nagern vor und wird über Wasser oder Arthropoden als Vektoren übertragen (SONGER & POST 2005).

F. tularensis subsp. holarctica ist für Mensch und Kaninchen mäßig virulent.

BISPING & AMTSBERG (1988) beschreiben eine Resistenz des Kaninchens gegenüber F. tularensis palaeartica.

Diese Subspezies wird wiederum in drei Biovare unterteilt (OLSUFJEV &

MESHCHERYAKOVA 1983, DEUTZ & GUGGENBERGER 2005):

• Biovar 1 (sensibel gegenüber Erythromycin)

• Biovar 2 (resistent gegenüber Erythromycin) und

• Biovar Japonica

Biovar Japonica zeigt eine engere genetische Verwandtschaft zu F. tularensis subsp. tularensis als zur F. tularensis subsp. holarctica (MÖRNER

et al. 1993).

3. F. tularensis subsp. mediaasiatica wurde nur in Zentralasien gefunden und ist mäßig virulent für den Menschen und das Kaninchen (OLSUFJEV &

MESHCHERYAKOVA 1983, JOHANSSON et al. 2004, DEUTZ & GUGGENBERGER

2005).

4. F. tularensis subsp. novicida kommt im US-Bundesstaat Utah vor. Hasen sind dem Erreger gegenüber resistent (DEUTZ & GUGGENBERGER 2005).

Klinisch von Bedeutung sind die ersten drei Subspezies. Serologisch sind die verschiedenen Subspezies, mit Ausnahme von F. tularensis subsp. novicida, nicht voneinander abzugrenzen. Obwohl seit langem bekannt ist, dass F. tularensis subsp. tularensis im Vergleich mit den anderen Subspezies eine wesentlich höhere Virulenz aufweist, sind dafür verantwortliche Pathogenitätsfaktoren bis heute nicht bekannt (OLSUFJEV & MESHCHERYAKOVA 1983).

(20)

2.1.3 Diagnostik

Der labordiagnostische Nachweis wird entweder als direkter oder indirekter Erregernachweis geführt. Der direkte Erregernachweis kann mittels Bakterienkultur, Nukleinsäurenachweis und Antigennachweis aus verschiedenen Materialien wie z.B. Gewebeproben, Blut, Urin, Abstrichen oder Tränenflüssigkeit erfolgen. Der indirekte Erregernachweis ist durch den Nachweis spezifischer Antikörper im Serum möglich. Hierfür stehen der enzyme- linked immunosorbent assay (ELISA), Western-Blot, Mikroagglutinationstest, Immunfluoreszenztest (IFT), Röhrchen-Agglutinationstest, Hämagglutinationstest oder Komplementbindungsreaktion (KBR) zur Verfügung. Kreuzreaktionen mit Brucellen sind zu beachten (GRUNOW et al. 2001, PORSCHZCÜRÜMEZ et al. 2004, HOFSTETTER et al. 2005, SPLETTSTÖßER et al. 2005, SELBITZ 2007). Antikörper sind in der Regel erst am Ende der zweiten Krankheitswoche nachzuweisen (KOSKELA &

SALMINEN 1985).

In acht der 2007 gemeldeten 20 Fälle beim Menschen gelang der Direktnachweis des Erregers mittels PCR oder kultureller Anzüchtung. Zeitgleich wurde auch eine Zunahme von mikrobiologisch oder molekularbiologisch gesicherten F. tularensis- Infektionen bei Feldhasen in der gleichen Region beobachtet (SPLETTSTÖßER & KOPF

2008).

Früher wurde der Nachweis von Tularämie im Tierversuch geführt, indem Meerschweinchen infiziert wurden (KERSCHAGL 1965). Eine weitere frühe Diagnostikmethode beschreibt SCHMIDT (1947) in Form einer „Hautprobe“, mit der schon ab dem fünften Krankheitstag eine Diagnose gestellt werden konnte. Hierbei wurde Tularin, ein Analogon zu Tuberkulin, in die Haut des Unterarms injiziert. Bei positivem Ausfall trat nach 12 - 24 Stunden eine deutliche Rötung und ödematöse Schwellung auf, die wenigstens vier Tage bestehen bleiben sollte.

(21)

2.1.4 Tularämie beim Feldhasen

In Mitteleuropa haben Feldhasen, Wildkaninchen, Wühl- und Feldmäuse die größte Bedeutung in der Epidemiologie der Tularämie. Stechfliegen, Zecken, Flöhe und Läuse können nicht nur als Erregerreservoir, sondern auch als Vektoren fungieren (ELLIS et al. 2002). Die Ermittlung von Naturherden ist Voraussetzung für die Bekämpfung bzw. für Vorbeugemaßnahmen gegen die Tularämie.

In Deutschland gehört die Tularämie bei Tieren zu den meldepflichtigen Tierkrankheiten (Tierseuchengesetz, Verordnung über meldepflichtige Tierkrankheiten, §1, in der Fassung vom 20.12.2005).

2.1.4.1 Übertragungswege beim Feldhasen

Die Übertragung beim Feldhasen erfolgt über Ausscheidungen oder auch Ektoparasiten wie Zecken, Stechfliegen, Mücken, Bremsen, Flöhe, Läuse, Milben, und Wanzen (KÖTSCHE & GOTTSCHALK 1990). STEINECK (2000) zieht außerdem eine Übertragung durch den Deckakt in Betracht. Als weitere Ansteckungsmöglichkeit nennen BELL & REILLY (1981)undBOCH & SCHNEIDAWIND (1988) den Kontakt von Tier zu Tier sowie die Aufnahme von kontaminiertem Futter.

2.1.4.2 Klinik der Tularämie beim Hasen

Die Krankheit verläuft bei Hasen in der Regel akut und führt innerhalb weniger Tage zum Tod. Wenngleich charakteristische Krankheitserscheinungen nach Angaben verschiedener Autoren nicht existieren (KERSCHAGL 1965, KONRAD 1986, STEINECK

2000), so verhalten sich an Tularämie erkrankte Hasen gegenüber Gesunden auffällig. Sie zeigen mangelndes oder sogar fehlendes Fluchtverhalten, sind abgeschlagen oder benommen. Häufig sind unkoordinierte Sprungbewegungen augenfällig. Aufgrund der Verhaltensstörungen lassen sie sich leicht fangen oder werden vom Hund gegriffen (SCHMIDT 1947, KERSCHAGL 1965, KONRAD 1986). Mit der regelmäßig erhöhten Körpertemperatur geht eine beschleunigte Atmung einher.

BOCH & SCHNEIDAWIND (1988) berichten neben dem akut-septikämischen Verlauf

(22)

abgemagerten Tiere nach 14 Tagen bis drei Wochen. In Einzelfällen kann die Tularämie auch subklinisch verlaufen. Die betreffenden Tiere sind dann bis zu elf Monate Bakterienträger bzw. -ausscheider.

2.1.4.3 Pathologisch-anatomische Befunde beim Hasen

Pathologisch-anatomisch werden unterschiedliche Bilder beschrieben. KERSCHAGL

(1965) hält eine hochgradig geschwollene, dunkelschwarzrot gefärbte Milz von weicher breiiger Konsistenz für einen typischen Zerlegungsbefund. Auch andere Autoren beschreiben ähnlich befundete Milzen (BELL & REILLY 1981, KONRAD 1986, BOCH & SCHNEIDAWIND 1988, HOFER 1997, STEINECK 2000). Bei einem akuten Verlauf ist in der Regel eine auffallende Milzschwellung sowie mitunter eine hämorrhagische Enteritis zu beobachten. Bei einem chronischen Krankheitsgeschehen sind die Lymphknoten stark vergrößert, ihre Schnittfläche gerötet und mit teils speckigen, teils verkäsenden Herden durchsetzt. Ebensolche verschieden große Knötchen von gelblicher bis grauweißer Farbe finden sich in der stark vergrößerten Milz, aber auch in der Leber, der Lunge und am Bauchfell (BOCH & SCHNEIDAWIND 1988).

V. KEYSERLINGK (2006) beschreibt zum Teil massive Vergrößerungen von Milz, Leber, Nieren und Lymphknoten. Knotige Eiterherde in der Milz, zahlreiche, hirsekorngroße, gelbliche Herde in der Leber, vereinzelte Einschmelzungsherde in den Nieren, sowie entzündliche Beteiligungen der Lunge charakterisieren das pathologisch- anatomische Bild. Von fokalen, eitrig-nekrotisierenden Prozessen in Lunge, Herzbeutel, Nieren, Leber, Milz sowie Peritoneum, Präputium und Subkutis im Brustbereich berichtet HOFER (1997). Auch STEINECK (2000) beschreibt, vor allem bei längerem Krankheitsverlauf, Nekroseherde in Lunge, Leber, Herz, Nieren, Milz, und Hoden. Stecknadelkopfgroße weiße Herde unter anderem im Knochenmark haben BELL & REILLY (1981) beobachtet. Sie berichten auch von Gefäßeinsprossungen mit einer plastikartig erscheinenden Haut.

Insgesamt ist das Krankheitsbild dem anderer klassischer Hasenerkrankungen wie der Pasteurellose, der Pseudotuberkulose oder der Hämorrhagischen Septikämie sehr ähnlich (KERSCHAGL 1965, BELL & REILLY 1981, BOCH & SCHNEIDAWIND 1988).

(23)

Erkrankungen auf, die als Sekundärinfektion zu interpretieren sind (KERSCHAGL

1965).

2.1.4.4 Bekämpfung, Impfungen

Da es keine Schutzimpfungen für Tiere gibt (STEINECK 2000), schlagen KERSCHAGL (1965) und STEINECK (2000) als vorbeugende Maßnahmen in Tularämie-Gebieten eine gründliche Fallwildsuche sowie die Tötung erkrankter Hasen vor. Feldhasen, die Mattigkeit, verändertes Fluchtverhalten oder Abmagerung zeigen, sind nach Aussage der Autoren zu erlegen und einer Untersuchung zuzuführen oder, falls dies nicht möglich ist, unschädlich zu beseitigen. Von einem Vergraben oder dem Verbringen auf den Luderplatz ist unbedingt abzuraten (BOCH & SCHNEIDAWIND 1988), da - wie erwähnt - die Erreger in Kadavern und im Boden längere Zeit infektionsfähig bleiben.

Tritt die Seuche im Herbst auf, sollte das Revier sofort bejagt werden. Durch die Verringerung der Populationsdichte wird die Gefahr einer gegenseitigen Ansteckung herabgesetzt (KERSCHAGL 1965).

2.1.5 Tularämie beim Menschen

Der Mensch ist sehr empfänglich gegenüber Infektionen mit F. tularensis. In Deutschland werden jährlich durchschnittlich zwischen drei und fünf Humaninfektionen gemeldet. Von einer weitaus höheren Dunkelziffer ist aber auszugehen (WEBER 2004, HOFSTETTER et al. 2005). In Deutschland ist der direkte oder indirekte Nachweis von F. tularensis beim Menschen meldepflichtig (Infektionsschutzgesetz, §7, Abs. 1, Nr. 13, vom Januar 2001, zuletzt geändert Juli 2007).

2.1.5.1 Übertragungswege der Tularämie auf den Menschen

Die Übertragung auf den Menschen kann durch Haut- oder Schleimhautkontakt mit infiziertem Tiermaterial, erregerhaltigem Staub, durch den Verzehr von unzureichend erhitztem infizierten Wildbret oder verseuchtem Wasser stattfinden (ANONYMUS

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2001). KERSCHAGL (1965) gibt die Übertragung über Mikroläsionen der Haut sowie der Bindehäute des Auges mit Blut oder Ausscheidungen an. HORNICK & EIGELSBACH

(1966) beschreiben Infektionen des Menschen bereits nach intradermalem Eindringen über Mikroläsionen und Hautwunden oder Inhalation von 10 - 50 Keimen.

BOSSI et al. (2004) halten die Inokulation oder Inhalation von nur zehn Organismen ausreichend, um einen Menschen zu infizieren. Folglich können auch Schmierinfektionen bei Kontakt mit Harn oder Kot, Fellen und Bälgen auftreten.

Darüber hinaus werden Laborinfektionen beim Umgang mit den Erregern oder bei der Inhalation von erregerhaltigen Aerosolen beschrieben (ANONYMUS 2001, WÖLFEL 2002). Von Infektionen durch Bisse oder Stiche blutsaugender, infizierter Ektoparasiten als Vektoren berichtet WÖLFEL (2002). Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist nicht bekannt (SCHMIDT 1947, PUNTIGAM 1960, KERSCHAGL 1965, ANONYMUS 2001) und wird als unwahrscheinlich angesehen (GRUNOW et al. 2001, WÖLFEL 2002).

2.1.5.2 Klinik der Tularämie beim Menschen

In Abhängigkeit von der Eintrittspforte, der Virulenz des Erregers und der Infektionsdosis kann die Inkubationszeit von zumeist drei bis sechs Tagen bis hin zu 21 Tagen variieren (SCHÄTZLE & SCHWENK 2008). Die Krankheit beginnt abrupt mit starken Kopf- und Gliederschmerzen, Fieber, Schüttelfrost sowie ausgeprägter Mattigkeit. Neben diesen grippeähnlichen Allgemeinsymptomen sind weitere vielfältige klinische Bilder bei der Tularämie nicht ungewöhnlich (SCHÄTZLE &

SCHWENK 2008). Eine Auflistung der verschiedenen Formen mit ihren entsprechenden Symptomen der Infektion gibt Tab. 2 wieder.

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Tab. 2: Formen der Tularämie mit den entsprechenden Symptomen (TÄRNVIK et al. 2004, ANONYMUS 2007b)

Form der Tularämie Symptome der Erkrankung

Ulzeroglandulär (Häufigkeit 70 - 80 %) Hautgeschwüre mit regionaler Lymphknotenschwellung

Glandulär (Häufigkeit 2 - 12 %) Regionale Lymphknotenschwellung ohne Hautulzera

Oculoglandulär (Häufigkeit 1 - 2 %)

äußere Form

Konjunktivitis mit Schwellung ohrnaher Lymphknoten

Oropharyngeal (Häufigkeit 2 - 4 %) Stomatitis, Pharyngitis, Tonsillitis, zervikale Lymphknotenschwellung Intestinal (Häufigkeit 7 - 14 %) Bauchschmerzen, Durchfall,

Erbrechen

Pulmonal (Häufigkeit 8 - 13 %) Primäre Erkrankung von Lunge und Pleura (Dyspnoe, Pneumonie) Typhoidal (Häufigkeit 7 - 14 %)

innere Form

Primär fieberhafte Erkrankung mit Sepsis

An der Eintrittspforte des Erregers kann es, je nach Erregertyp und Infektionsdosis, zu Entzündungserscheinungen (Papel, Ulkus) bis zur starken Vergrößerung, Schmerzhaftigkeit und evtl. geschwürigem Zerfall der tributären Lymphknoten kommen (KERSCHAGL 1965, WEBER 1994, STEINECK 2000, HOFSTETTER et al. 2005).

SCHÄTZLE & SCHWENK (2008) berichten über eine auffällige Wundheilungsstörung eines Patienten. Nach einer Brandblase am Mittelfinger, die die mögliche Eintrittpforte darstellte, schwoll der Finger stark an und heilte erst nach Wochen.

Durch die Diagnose Tularämie in einem Fall, der sich 1950 im Taubertal ereignete, wurden im Nachhinein zwölf weitere Fälle dieser Infektion aufgeklärt. Hier lauteten die Fehldiagnosen z.B. Lymphdrüsentuberkulose, Panaritium, Tonsillarabzeß, Appendicitis und sehr häufig Grippe (SCHUERMANN & HÜTTNER 1950). Es ist daher anzunehmen, dass bis heute eine vermutlich höhere Zahl von Tularämie- Erkrankungen unerkannt geblieben ist.

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2.1.5.3 Prophylaxe, Therapie und Impfung Prophylaxe

Menschen sollten sich in Endemiegebieten vor Ektoparasiten durch die Anwendung wirksamer Repellents schützen (WEBER 1994). In diesen Gebieten sollte kein Wasser aus Quellen oder Brunnen, die mit Exkrementen von Nagetieren kontaminiert sein könnten, getrunken werden (DEUTZ & GUGGENBERGER 2005). Ferner sollten Personen bei Umgang und Verarbeitung von Wildtieren stets Mundschutz und Schutzhandschuhe tragen (WEBER 1994). Besonders gefährdete Personengruppen sind Jäger, Forstpersonal, Wildbret verarbeitende Personen, Präparatoren, Landwirte sowie Laborpersonal (HOFSTETTER et al. 2005). Die gleichen hygienischen Vorkehrungen sind auch bei der Verarbeitung von importiertem Wildbret, vor allem bei Hasen aus Gebieten mit enzootischer Tularämie, einzuhalten (WEBER 1994).

Beim Ausnehmen der Hasen ist auf eine Vergrößerung von Milz und/oder Leber sowie gelbliche Herde in den Organen zu achten. Das Wildbret erkrankter Hasen ist als genußuntauglich anzusehen (KONRAD 1986, STEINECK 2000). Hasenfleisch sollte grundsätzlich nur gekocht oder vollständig durchgebraten verzehrt werden (KONRAD 1986, STEINECK 2000).

Therapie

Bei frühzeitiger Diagnose und adäquater Therapie gibt es beim Menschen kaum Todesfälle. Eine antibiotische Therapie über mindestens 14 Tage ist das Mittel der Wahl (STEINECK 2000). Aktuell wird der Einsatz von Streptomycin und Gentamicin empfohlen. Quinolon ist eine wirksame Alternative (BOSSI et al. 2004, SPLETTSTÖßER

et al. 2006). In weniger schweren Fällen kann die Behandlung oral mit Ciprofloxacin oder Doxycyclin durchgeführt werden (GRUNOW & PRIEBE 2007).

Impfung

Eine früher in den USA produzierte Lebendvakzine wird nicht mehr hergestellt (GRUNOW & PRIEBE 2007). In Deutschland ist eine Impfung nicht zugelassen (HOFER

2002). Ein Impfstoff ist gegenwärtig in den westlichen Ländern nicht verfügbar.

Lediglich in Russland wird in Endemiegebieten ein Lebendimpfstoff verbreitet

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eingesetzt (GRUNOW & PRIEBE 2007). Eine überstandene Tularämie-Infektion hinterlässt eine lebenslange Immunität (KERSCHAGL 1965).

2.1.6 Epidemiologie/Epizootiologie

Nach ELLIS et al. (2002) sind die Möglichkeiten für die Ausbreitung der Tularämie vielfältig. Über infizierte Nagetiere oder Zugvögel bzw. deren Ektoparasiten kann der Erreger eingeschleppt werden. ALIBEK (1999) berichtet unter anderem von militärischen Forschungsprogrammen, in denen F. tularensis zur Herstellung bakteriologischer Waffen während der Zeit des so genannten „kalten Krieges“

Verwendung fand. Es gibt Mutmaßungen, dass bei experimentellen Arbeiten F. tularensis subsp. tularensis freigesetzt wurde und sich im Ökosystem ausgebreitet hat.

Die Voraussetzungen für das Vorkommen der Tularämie aus geomedizinischer Sicht sind optimale Lebensbedingungen für die Reservoirtiere Hasenartige und Nagetiere (Lagomorpha und Rodentia). Steppenartige Landschaften mit niedriger Bodenbedeckung bei gleichzeitigen günstigen klimatischen Bedingungen (z.B.

Jahresniederschläge unter 450 mm) bieten gute Voraussetzungen für die Vermehrung von Feldhasen und Nagetieren (SCHMIDT 1947, JUSATZ 1961, HOFER

1997, HÖFLECHNER-PÖLTL 1999). Man könnte daher annehmen, dass die regenreichen Gebiete Westeuropas von größeren Tularämie-Epidemien verschont bleiben werden. Diese Ansicht bedarf nach LEMBKE (1969) einer gewissen Einschränkung. Seinen Beobachtungen zufolge kommt den klimatischen und geographischen Faktoren nur eine geringere Bedeutung zu. Das bedeutende norddeutsche Endemiegebiet um die Halbinsel Eiderstedt mit seinen sumpfigen Marschwiesen und dem ausgesprochen feucht-maritimem Klima scheint die Aussagen von Lembke zu belegen.

Nur wenige andere Bakterien haben ein so breites Wirtsspektrum wie F. tularensis, das nahezu alle untersuchten Säugetierspezies einschließlich Haus- und Nutztiere umfasst (ELLIS et al. 2002). So konnte der Erreger bisher in über 250 verschiedenen Tierarten, darunter Säugetiere, Vögel, Fische, Amphibien und Arthropoden

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die wahrscheinlichsten Infektionsquellen bzw. Ansteckungsquellen dar. HOFSTETTER

(2005) nennt als Erregerreservoir verschiedene kleine, wildlebende Säugetiere wie Hasen, Kaninchen, Mäuse, Ratten, Eichhörnchen. JUSATZ (1940) zählt zu den Reservoirtieren in Osteuropa die Schermäuse, in Nordeuropa die Lemminge und in Mittel- und Südeuropa Hasen, Wildkaninchen und eventuell auch Bisamratten. Die Übertragung erfolgt horizontal zwischen den Reservoirtieren. Auch Ektoparasiten (Arthropoden), vor allem Zecken, spielen als Vektoren eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung des Naturherdes (HUBALEK et al. 1998, GURYCOVA et al. 2001).

HUBÁLEK et al. (1997) diagnostizierten in Tschechien, der Slowakei und Österreich bei 2,3 % der von ihnen untersuchten Zecken F. tularensis. Zecken nehmen beim Saugakt von infizierten Wirtstieren die Francisellen auf, können diese lange Zeit beherbergen und sogar transovariell an die nächste Generation weitergeben (HUBÁLEK et al. 1997, HÖFLECHNER-PÖLTL 1999). Die Zecken beherbergen den Erreger zwar, erkranken selbst aber nicht (STEINECK 2000).

ISING & V. SPROCKHOFF (1978) unterscheiden je nach Empfänglichkeit bzw.

Empfindlichkeit verschiedener Tierarten gegenüber F. tularensis drei epidemiologische Gruppen:

1. Tiere mit sehr hoher Empfänglichkeit, die schon durch geringe Keimzahlen infiziert werden können. Bei ihnen kommt es zu einem akut-septikämischen Verlauf mit Todesfolge. Zu dieser Gruppe gehören auch heimische Tierarten, wie z.B. der Feldhase, die Feld-, die Wald- und die Schermaus.

2. Die Tierarten der zweiten Gruppe, z.B. die Wanderratte oder das Eichhörnchen, sind hoch empfänglich, aber wenig empfindlich. Auch sie werden durch niedrige Keimdosen infiziert, sterben aber nur nach Aufnahme hoher Keimzahlen virulenter Stämme. Sie scheiden die Keime über lange Zeit aus und tragen so zur Aufrechterhaltung von Endemien bei.

3. Zur dritten Gruppe gehören Tierarten mit geringer Empfänglichkeit, die kaum erkranken, wie z.B. der Fuchs, der sich durch das Fressen von erkrankten Mäusen und Hasen infizieren kann. Auch Haus- und Nutztiere wie z.B. Pferd und Rind gehören in diese Gruppe ebenso wie verschiedene Vogelarten.

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KERSCHAGL (1965) sieht für Jagdhunde keine Infektionsgefahr bei Kontakt mit infizierten Wildtieren. Nach HARMS & HÖRTER (1953), GRATZL (1960) und SONGER &

POST (2005) dagegen muss aber bei Jagdhunden, die Kontakt zu infizierten Tieren hatten, mit einer Infektion und Erkrankung durch F. tularensis gerechnet werden. Sie können außerdem den Erreger mechanisch übertragen, indem sie nach Kontakt z.B.

mit infizierten Hasen oder Wasser den Erreger aus Fang oder Fell schütteln (SONGER

& POST 2005).

Ein jahreszeitlich gehäuftes Vorkommen der Tularämie-Infektionen beschreiben BOSSI et al. (2004) in den Sommermonaten (Juni bis September). In dieser Zeit ist die Übertragung durch Arthropoden (Zecken, Bremsen, Mücken) die Regel.

HÖFLECHNER-PÖLTL (1999) dagegen sieht in unseren Breitengraden einen deutlichen Schwerpunkt der Tularämie-Erkrankungen im Spätherbst und Winter: Nach einer Massenvermehrung der Feldmäuse im Herbst kommt es zu Übertragungen des Infektionserregers auf den Hasen, sodass während der Jagdsaison ab Oktober nach diesem Autor für den Menschen eine erhöhte Infektionsgefahr besteht. KNOTHE et al.

(1959) vermuten, dass die Seuche zuerst unter Mäusen ausbricht und dann auf Feldhasen übertragen wird. BSTEH (1937) stellt als epidemiologische Besonderheit heraus, dass der Tularämie-Epidemie bei Feldhasen von 1936/37 in Österreich eine Feldmausplage vorausging. Im November 1941 traten in Russland im Rostower Gebiet 8.500 Fälle von Tularämie beim Menschen auf, die im Januar 1942 auf 14.000 Erkrankungen anstiegen (SCHMIDT 1947). Auch hier ging der Epidemie eine durchschnittlich alle zehn Jahre rhythmisch wiederkehrende herbstliche Massenvermehrung der Mäuse voraus. Im Herbst 1948/49 sowie 1959/60 infizierten sich Beschäftigte von Zuckerfabriken in Russland bzw. in Niederösterreich. In beiden Fällen kam es im angefangenen Herbst zu einer Massenvermehrung bei Feldmäusen. Die Rübenmieten waren von höchsten Populationsdichten von Mäusen besiedelt. Bei der Rübenwäsche kam es zur Bildung eines hochinfektiösen Aerosols (PUNTIGAM 1960), das von den Beschäftigten eingeatmet wurde.

Von Infektionen durch Inhalation erregerhaltigen Staubes, z.B. bei Erntearbeiten mit Stroh, Heu oder Getreide, kontaminiert mit Sekreten und Exkreten oder Kadaver infizierter Hasen oder Nagetiere berichtete HOFER (1997). In den östlichen

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Bundesländern Österreichs kam es in der ersten Hälfte der 1990er Jahre zu einem solchen Krankheitsgeschehen, nachdem dort gehäuft Tularämie-Fälle bei Feldhasen vorgekommen waren (HOFER 1997). Ebenso ein Infektionsgeschehen, an dem mehrere tausend Menschen erkrankten, wurde in den Jahren 1966/67 in Schweden beobachtet (ELLIS et al. 2002). BELL (1981) berichtet von einer Entwicklung hochansteckender Stäube nach Umsetzen und Verladen von Heu, in dem sich nach einem massenhaften Sterben von Nagetieren die Kadaver befanden.

SPLETTSTÖßER & KOPF (2008) geben als weitere Infektionsquelle Oberflächengewässer an. REINTJES et al. (2002) berichten von einem Ausbruch der Tularämie im Kosovo in den Jahren 1999/2000, bei dem 327 Personen an einer Infektion mit F. tularensis nach dem Verzehr von kontaminiertem Wasser erkrankten.

SCHMIDT (1947) zog die Kontamination von Gewässern durch Kot und Urin infizierter Wasserratten in Betracht. Weiter beschrieb der Autor die Anschauung russischer Forscher, nach denen die Infektion leicht von der Wasserratte auf die Feldmaus übertritt, da beide Nagerarten in den Schilfgebieten an den Ufern von Gewässern gemeinsam vorkommen. In den Jahren 1926 - 1928 traten im Südosten Russlands einige hundert Fälle von Tularämie bei der Uferbevölkerung großer russischer Flüsse nach dem Fang von Wanderratten auf, dem dortigen Reservoir des Tularämie- Erregers. BERDAL (1996) sieht das vermehrte Auftreten der Tularämie in der Nähe von Gewässern in Zusammenhang mit der Fähigkeit der Francisellen, sich im Inneren von Amöben zu vermehren. ELLIS (2002) berichtet ebenfalls, dass freilebende Amöben in Oberflächengewässern ein mögliches Reservoir der Francisellen darstellen können.

Als weitere Ansteckungsquellen neben dem Feldhasen sind kleine Nager und Ektoparasiten zu nennen (SPLETTSTÖßER & KOPF 2008). HIRSCH et al. (2001) beschrieben zwei Fälle aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, die eine typische epidemiologische Anamnese der Erkrankung demonstrieren. Die Patienten haben sich offenbar beim Aufenthalt in Naturherden der Tularämie durch engen Kontakt mit natürlichen Reservoiren wie Hasen oder blutsaugenden Insekten, die als Vektoren dienten, infiziert. Epidemiologisch besonders interessant ist ein Fall eines 18 Monate alten Kindes aus Freiburg, das durch den Stich einer Mücke infiziert

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wurde (SPLETTSTÖßER & KOPF 2008). Dieser Übertragungsweg war bisher nur aus Skandinavien berichtet worden und stellt möglicherweise auch für Deutschland ein potentielles Risiko für größere Bevölkerungsgruppen dar. Auch WEBER (2004) berichtet von einer möglichen Übertragung durch Bisse bzw. Stiche blutsaugender Insekten nach Urlaubsaufenthalten in Mecklenburg-Vorpommern oder Ungarn.

Die Übertragung erfolgt auch auf andere Tiere wie z.B. Ratten, Biber, Waschbären, Lemminge sowie Huftiere. Hier sind unter anderem Rehe und Wildschweine zu nennen. Dass auch Vögel am Infektionsgeschehen beteiligt sind, zeigt eine Erkrankung an Tularämie nach dem Biss einer Eule (SCHMIDT 1947).

Unerkannt bleibende Verseuchungen von Nagetierpopulationen, die sich auf weitere Gebiete ausdehnen, stellen ein hohes Infektionsrisiko für Menschen dar, da Nagetiere die Hauptverbreitungsquelle der Tularämie sind. Aus ihnen heraus kann dann die Seuche als Epidemie auf den Menschen übergreifen. Eine Ausbreitung der Tularämie in Europa korreliert daher weitgehend mit der Entwicklung und Verbreitung der Nagetiere. So bringen russische Fachleute eine auffällige Nagetierwanderung in den 1940er Jahren von Osten nach Westen in Zusammenhang mit der Ausbreitung der Tularämie in die gleiche Richtung (SCHMIDT 1947). Auch JUSATZ (1961) berichtete von einer Ausbreitung der Tularämie nach Westen.

In Deutschland tritt die Tularämie eher selten auf. Studien belegen jedoch, dass eine Seroprävalenz von bis zu 2 % beim Menschen vorliegt und die Fallzahlen unterschätzt werden (PORSCHZCÜRÜMEZ et al. 2004). Wie bei allen Seuchen wechseln auch bei der Tularämie Seuchenzüge mit Zeiten ab, in denen die Krankheit scheinbar erloschen ist. Das trifft aber sicher nicht zu. Einzelne Krankheitsfälle werden bedingt durch die unspezifischen Krankheitssymptome beim Menschen häufig falsch diagnostiziert (KERSCHAGL 1965).

Auch in Niedersachsen traten sporadisch Tularämie-Infektionen auf. Bei einem 1950 im Kreis Helmstedt tot aufgefundenen Hasen und 1953 bei einem Hasen aus dem Kreis Gifhorn wurde Tularämie diagnostiziert (HARMS & HÖRTER 1953). JUSATZ (1961) berichtet zeitgleich von Erkrankungsfällen beim Menschen - 1950 im Kreis Helmstedt und 1953 in Gifhorn -, bei denen jeweils ein Hase die Infektionsquelle darstellte. Er berichtet außerdem von einer Person, die sich 1958 im Regierungsbezirk Hildesheim

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infizierte. 1965 wurden weitere vier Fälle von Tularämie beim Menschen in Niedersachsen gemeldet (LEMBKE 1969). SPLETTSTÖßER et al. (2007) beschreiben einen Tularämie-Ausbruch bei einer Gruppe von 62 Callitrix-Affen (Callithrix jacchus) im Göttinger Primatenzentrum. Von den halb-freilebenden Affen verstarben fünf der Tiere im Herbst 2004 an Tularämie. In diesem Primatenzentrum wurden nachfolgend über einen Zeitraum von zwei Jahren 18 Tularämie-Infektionen bei Langschwanzmakaken (Javaneraffen) (Macaca fascicularis) festgestellt (MÄTZ- RENSING et al. 2007).

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2.1.7 F. tularensis als biologische Waffe

Die Übertragung der hochinfektiösen Krankheit durch erregerhaltige Aerosole machte das Bakterium in den 1940er und 1950er Jahren zu einer potentiellen biologischen Waffe. Mehrere Staaten, vor allem die USA, Japan und die frühere Sowjetunion haben an Programmen gearbeitet, um Tularämie-Erreger als biologische Kampfstoffe einzusetzen. F. tularensis ist auch heutzutage eines der Agenzien bei dessen Umgang höchste Sicherheitsanforderungen einzuhalten sind.

Bis in die späten 1960er Jahre lagerte das U.S.-Militär Vorräte dieser biologischen Waffe (DENNIS et al. 2001, SONGER & POST 2005).

Ken Alibek, ein früherer sowjetischer Militärwissenschaftler, hatte der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg vorgeschlagen, die Bakterien gegen die deutschen Truppen einzusetzen. Er behauptete außerdem, dass die Sowjetunion noch bis in die frühen 1990er Jahre an einem Stamm von F. tularensis geforscht hat, der resistent gegen Antibiotika ist und Vakzinen ihm gegenüber unwirksam sind (ALIBEK 1999). Durch Inhalation verursachte Tularämie-Erkankungen infolge absichtlicher Freisetzung eines virulenten Stammes von F. tularensis würden wegen der hohen Infektiosität nach der Aerosolisierung schwerwiegendste Auswirkungen für Menschen haben (BOSSI et al. 2004). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nimmt an, dass eine Bakterienmasse von 50 kg über einer urbanen Region mit fünf Millionen Einwohnern verteilt, 19.000 Menschen töten und weitere 250.000 erkranken lassen würde (ANONYMUS 1970). DENNIS et al. (2001) berichten von Fällen, in denen F. tularensis bei direkten Versuchen mit Menschen eingesetzt worden ist. Im Rahmen eines Programms der amerikanischen Kriegsführung wurden Freiwillige dem Aerosol in einer Kammer ausgesetzt. Ausbrüche pulmonaler Tularämie, besonders in Gegenden mit geringer Inzidenz, sollten Anlass sein, Bioterrorismus in Betracht zu ziehen (DENNIS et al. 2001).

Ein weiterer Infektionsweg bei absichtlicher Freisetzung könnte die Kontamination von Wasser sein. DENNIS et al. (2001) vermuten in einem Tularämie-Ausbruch unter sowjetischen und deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg eine vorangegangene bewusste Freisetzung von Tularämie-Erregern.

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2.2 Brucellose

2.2.1 Historischer Überblick

Der Name Brucella geht auf den Militärarzt David Bruce zurück, der 1887 erstmals die zunächst als Micrococcus melitensis bezeichnete Art aus der Milz eines verstorbenen Soldaten mit „Maltafieber“ isolieren konnte (CORBEL & MORGAN 1982, BOCH & SCHNEIDAWIND 1988, CUTLER et al. 2005).

Die Brucellose ist eine weltweit verbreitete, chronische Infektionskrankheit der Tiere und des Menschen (DEDEK 1994). Es existieren verschiedene Vertreter der Gattung Brucella, die zum Teil in verschiedene Biovare unterteilt werden. In Europa tritt unter anderem B. suis Biovar 2, als Erreger der Hasen- und Schweinebrucellose auf.

B. suis Biovar 2 wurde erstmals von THOMSEN (1935) in Dänemark bei Schweinen nachgewiesen und rief hier eine von 1929 - 1932 andauernde Epizootie hervor (HELLMANN 1982). Den ersten bakteriologisch gesicherten Fall von Brucellose beim Feldhasen beschrieb WITTE (1941).

Vermutlich ist die von BOLLINGER (1874) bereits 1872 in der Schweiz beobachtete

„Syphilis der Hasen“ mit der Brucellose identisch (BOUVIER et al. 1954). Auch WILLINGER (1960) ist der Meinung, dass es sich bei der schon von OLT & STRÖSE

(1914) als „Knotenseuche des Hasen“ oder „Tuberosis caseosa“ beschriebenen seuchenhaften Geschlechtskrankheiten bzw. der „Hasensyphilis“ (KREMBS 1939) um eine Brucellose handelte, wogegen andere Autoren eine Erkrankung mit dieser Bezeichnung der Spirochätose zuordnen (KERSCHAGL 1965, KÖTSCHE & GOTTSCHALK

1990).

Wie schon erwähnt, wird die Brucellose beim Feldhasen durch B. suis Biovar 2 ausgelöst. Daneben sind in einigen Fällen in Tschechien (NIZNANSKY et al. 1956) und Frankreich (JOUBERT et al. 1970) von Hasen isolierte Stämme auch als Biovar 1 diagnostiziert worden (HELLMANN 1982). In Einzelfällen konnte auch B. abortus (WITTE 1941) und B. melitensis (BOUVIER et al. 1953) isoliert werden.

Die Brucellen haben ein breitgefächertes Infektionsspektrum und sind für fast alle Haus- und Wildtiere pathogen (HELLMANN 1982). Sie verursachen unter anderem Aborte (CARDOSO et al. 2006). B. suis ruft eine chronisch verlaufende Erkrankung

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hervor, die bei den Tieren pathologisch-anatomisch fast immer in den Geschlechtsorganen und darüber hinaus mit wechselnder Häufigkeit in weiteren inneren Organen sowie im Bereich der Unterhaut und Skelettmuskulatur durch Knötchen- oder Knotenbildung in Erscheinung tritt. Bei Hasen verläuft die Erkrankung häufig tödlich (HELLMANN 1982). Als Zoonoseerreger stellen die Brucellen auch für den Menschen eine Gefahr dar (BOCH & SCHNEIDAWIND 1988).

Die Hasenbrucellose wird in fast ganz Europa beschrieben (WILLINGER 1960, FENSKE 1963, FRITZSCHE 1963, ENGLERT et al. 1964, VALENTINCIC 1964, KERSCHAGL 1965, DEDEK 1983, BOCH & SCHNEIDAWIND 1988, DEDEK 1994). KERSCHAGL (1965) berichtet vom Vorkommen der Hasenbrucellose in der Schweiz, wo die Brucellosen über 10 % der Todesursachen bei eingegangenen Hasen ausmachten. In Deutschland tritt die Brucellose vor allen in den neuen Bundesländern enzootisch beim Feldhasen und flächendeckend beim Schwarzwild auf. Erreger ist zumeist B. suis Biovar 2. Bei serologischen und bakteriologischen Untersuchungen von Hasen von Jagdstrecken sowie bei an den Wildhandel gelieferte Hasen konnten bei bis zu 8 % der Probanden serologisch positive Ergebnisse ermittelt werden. Es besteht dabei eine teilweise sehr gute Übereinstimmung zwischen dem Vorhandensein der Hasenbrucellose und dem zeitgleichen Auftreten von Schweinebrucellose im Befallsgebiet (KÖTSCHE &

GOTTSCHALK 1990). WEBER (2001) ist der Meinung, dass für das Hausschwein bei Freilandhaltung die in der Wildpopulation sporadisch auftretende Hasenbrucellose epidemiologisch eine Rolle spielen kann. Diese Feststellung gilt auch für das Wildschwein als weiteres mögliches Reservoir der Schweinebrucellose.

2.2.2 Biologie und Taxonomie des Erregers

Brucellen sind fakultativ intrazelluläre, gramnegative, unbewegliche, kokkoide bis kurze Stäbchenbakterien (0,5 - 0,7 x 0,6 - 1,7 µm). Sie sind nicht sporenbildend, aerob, zum Teil mikroaerophil wachsend und bilden keine Kapseln aus (HELLMANN 1982, BOCH & SCHNEIDAWIND 1988, CARDOSO et al. 2006, ANONYMUS 2007a, SELBITZ 2007). Gegenüber der Einwirkung von Hitze und Desinfektionsmitteln sind sie empfindlich. In wässriger Suspension werden sie bei Temperaturen von mehr als

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Umwelteinflüssen. Bei niedrigen Umgebungstemperaturen können sie in Urin, Staub, Wasser, Erde und insbesondere in Milch und Milchprodukten bis zu einigen Wochen überleben (ANONYMUS 2005). In feuchtem Kot bleiben sie bis zu 75 Tage infektiös, in abortierten Feten bis zu vier Monaten und in Milch ca. vier Wochen überlebensfähig (V. SECK-LANZENDORF 1997). In gekühltem Fleisch sind sie bis zu drei Wochen kontagiös (DEDEK 1994). Auf künstlichem Nährboden wachsen nach drei- bis fünftägiger Inkubation bei 37°C zwei bis drei mm große, runde, glatte, vorgewölbte Kolonien, die gegen das Licht durchscheinend wirken. B. suis reagiert deutlich Oxidase- und Katalase-positiv (DAMOSER & HOFER 1995, HÖFLECHNER-PÖLTL 1999).

Seine Virulenz wird sowohl vom intrazellulären Parasitismus als auch von Endotoxinen bestimmt (SELBITZ 2007).

Der Genus Brucella gehört zu der Familie der Neisseriaceae und umfasst acht phänotypisch unterscheidbare Spezies, die z.T. in Biovare untergliedert werden (DEDEK 1994, ANONYMUS 2007a, SELBITZ 2007):

1. B. abortus, sieben Biovare, Erreger der Rinderbrucellose

2. B. melitensis, drei Biovare, Erreger der Schaf- und Ziegenbrucellose 3. B. suis, vier Biovare, Erreger der Schweine- und Hasenbrucellose 4. B. ovis, Erreger der Brucellose beim Schaf

5. B. canis, Erreger der Brucellose beim Hund 6. B. neotomae, Erreger der Brucellose der Ratte

7. B. cetaceae, Erreger der Brucellose bei Meeressäugetieren 8. B. pinnipediae, Erreger der Brucellose bei Meeressäugetieren 9.

DNA-Analysen führten zu der Schlussfolgerung, dass alle Brucellen zu einer Spezies gehören. Aus Prioritätsgründen kann diese Spezies nur B. melitensis heißen, die übrigen Vertreter der Gattung sind demnach Biovare von B. melitensis. In dieser Arbeit werden, wie auch in der Literatur, weiter die herkömmlichen Namen benutzt (SELBITZ 2007). B. abortus, B. suis und B. melitensis sind die medizinisch wichtigsten

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