POLITIK
KASSENÄRZTLICHE BUNDESVEREINIGUNG
Die in der ambulanten Versorgung zu erbringenden Laboruntersuchungen sollen künftig in einen Einzelleistungsbereich und einen pauschalierten Bereich gegliedert werden. Das sieht ein Leitantrag des Vorstandes der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) vor, der mit knapper Mehrheit von der KBV-Vertreterversammlung (48 zu 47 Stimmen bei sieben Ent- haltungen) in Dresden verabschiedet wurde.
Laborleistungen
Gliederung
in zwei Bereiche
D
er pauschalierte Bereich um- faßt die bisherigen Abschnit- te 0 I und 0 II. Die Leistun- gen können im Eigenlabor erbracht, aus Laborgemeinschaften oder ermächtigten ärztlich geleiteten Einrichtungen sowie von anderen Vertragsärzten bezogen werden. Das Überweisungsverfahren ist für den Bereich des budgetierten Labors aus- geschlossen. Die katalogisierten Lei- stungen sind wie die auf den Behand- lungsfall bezogenen Vergütungen Bestandteil des Einheitlichen Bewer- tungsmaßstabes.Der Einzelleistungsbereich ist der heutige 0 III-Bereich. Er soll dem Arztvorbehalt unterstehen, und die Leistungen können nur von Ärz- ten mit entsprechender persönlicher Qualifikation erbracht werden. Der vorgeschlagene Ansatz geht davon aus, daß Laborleistungen in ihrem gesamten Komplex ärztliche Leistun- gen sind, ein gegliedertes Labor auch weiterhin erhalten werden muß, die Versorgungsqualität nicht beein- trächtigt werden darf und Vorausset- zungen für eine sachgerechte Men- genbegrenzung geschaffen werden müssen. Um diese Ziele unter Wah- rung der bisherigen Besitzstände zu sichern, wird in dem Leitantrag die Festlegung eines fallbezogenen, ge- bietsarztspezifischen Laborbudgets vorgeschlagen.
KBV-Vorstandsmitglied Dr.
med. Wolfgang Mohr (Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nord-Württemberg) erläuterte das neue Laborkonzept. Anfang der 70er Jahre seien chemische Methoden, die bis dahin dem Krankenhaus vor-
behalten waren, in die Praxen ge- kommen und hoch honoriert worden.
Unaufhaltsam habe die Leistungszu- nahme im Laborbereich begonnen.
Es entstanden Laborgemeinschaften, die als wirtschaftliche Form einer ge- meinsamen Praxisführung akzeptiert wurden und die schnell, umfangreich
Referent zu zwei Punkten der Tagesordnung (Neuordnung der Laborleistungen und Qualitätssi- cherung): Dr. Wolfgang Mohr.
und kostengünstig Werte geliefert hätten. Solange genug Geld vorhan- den gewesen sei, hätten sie eine bes- sere Versorgung signalisiert und wa- ren Ausdruck einer modernen Medi- zin. Die ersten Probleme hätten sich eingestellt, so Mohr, „als auch ande- re Leistungsbereiche mehr Geld be- nötigten und sich ein Paradigmen- wandel weg von der Technik hin zur sogenannten sprechenden Medizin abzeichnete".
Das in drei Bereiche gegliederte Labor habe sich anfangs gleichmäßig
nach oben entwickelt. Seit einigen Jahren hätten sich die Bereiche 0 I und 0 II auf hohem Niveau stabili- siert. „Die Entwicklung der Leistun- gen im 0 III-Bereich ist klar erkenn- bar: Es fand eine durchschnittliche Steigerung von rund 21 Prozent pro Jahr statt, was natürlich zu entspre- chenden Umsätzen führte." Im 0 II- Bereich habe es zwar eine starke Mengenentwicklung gegeben, sie sei jedoch nicht mehr über die Lei- stungsabrechung erfaßbar. Die Lei- stungen im 0 I-Bereich seien nur ein verschwindend kleiner Anteil.
Innerhalb der Arztgruppen sei es im Laufe der Jahre zu einer immer stärkeren Divergenz im Anforde- rungsverhalten gekommen, was auch über die Wirtschaftlichkeitsprüfun- gen nicht aufgefangen werden konn- te. Diese Entwicklung sollte nach Ansicht des KBV-Vorstandes korri- giert werden. Die Kassen hätten den Vorschlag gemacht, das Labor auszu- gliedern, was jedoch keine Lösung im Sinne der Ärzteschaft gewesen sei.
Der KBV-Vorstand fordert, daß La- borleistungen ärztliche Leistungen bleiben sollen. „Damit wird gleich die zweite Forderung erklärt: Wir wollen nicht Laborleistungen von ir- gend jemandem beziehen, sondern wir wollen Laborleistungen von Ärz- ten." Bei einer Kostenerstattungsre- gelung würden viele technische Auf- gaben möglicherweise ärztlichem Einfluß entzogen. Deshalb sei diese Regelung nicht in Frage gekommen.
Die Nachteile einer Pauschalie- rung könnten darin bestehen, daß sie dem bisherigen System fremd seien, daß sie zu unangemessenem Sparen Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 19, 14. Mai 1993 (25) A1-1405
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führen und die Transparenz mindern könnten. Für eine Pauschale spräche dagegen unter anderem, daß das Ein- kommen kalkulierbar würde, daß es keine Wirtschaftlichkeitsprüfung mehr gäbe und daß sich der Verwal- tungsaufwand reduziere.
In der Diskussion kritisierten mehrere Redner den Vorschlag der Pauschalierung. Dr. Viktor Büber von der Kassenärztlichen Vereini- gung Berlin bezeichnete den Leitan- trag als „Konkurseröffnung des bis- herigen Honorarsystems". Er unter- stützte eine Resolution seiner Kas- senärztlichen Vereinigung, die die Beibehaltung der Honorierung von indizierten Einzelleistungen im La- bor fordert. Sie lehnt die Einführung von Pauschalhonoraren im Laborge- biet mit der Begründung ab, daß Nachteile in der qualitativen Versor- gung der Patienten durch ein solches Honorarsystem nicht auszuschließen seien.
Aussetzung der Laborrichtlinien
Die Vertreterversammlung be- schloß die Aussetzung der Labor- richtlinien der KBV über die Mitver- antwortung des Arztes für die ord- nungsgemäße Durchführung von La- boruntersuchungen in Laborgemein- schaften und seine Mitwirkung an der Struktur des Laboratoriums, „bis auf der Grundlage des Gesundheits- strukturgesetzes ein neues Konzept für die Strukturierung der Laborato- riumsleistungen und ihrer Vergütung erarbeitet worden ist. Die Ausset- zung erfolgt, weil sich für die Ausge- staltung dieser Mitverantwortung in der praktischen Durchführung An- wendungsprobleme der Richtlinien ergeben haben, die eine Überarbei- tung erforderlich machen". Der Ab- schnitt über die Bindung der Mit- gliedschaft in einer Laborgemein- schaft an die Mitgliedschaft der Ärz- te in derselben Kassenärztlichen Vereinigung wird aufgehoben, da die dagegen erhobenen kartellrechtli- chen Einwände und die bisherige praktische Handhabung die rechtli- che Durchsetzbarkeit dieser Be- schränkung nicht erwarten lassen.Gisela Klinkhammer
Z
u Beginn dieses Tagesord- nungspunktes erläuterte Dr.med. Wolf-Rüdiger Rudat die wichtigsten Passagen des Leit- antrags zum hausärztlichen Versor- gungsbereich (Wortlaut siehe Doku- mentation). Der entscheidende Un- terschied zu bisherigen Konzepten sei, daß kein Hausarzt definiert wür- de, sondern „ein hausärztlicher Ver- sorgungsbereich". Er soll Leistungen der „fortgesetzten sozialen Betreu- ung der Patienten" umfassen, die
Präsentierte das neugefaßte Konzept für die haus- ärztliche Versorgung: Dr. Wolf-Rüdiger Rudat.
sich aus § 73 Abs. 1 Nr. 1-4 SGB V ergeben. Dazu gehören nach Ansicht des Vorstands die allgemeine ärztli- che Betreuung, die Koordination dia- gnostischer und therapeutischer Maßnahmen sowie die Einleitung oder Durchführung präventiver und rehabilitativer Maßnahmen.
Wichtig sei, betonte Rudat, daß der Hausarzt nach dem KBV-Kon- zept „auf hohem Niveau" angesiedelt werde, „das heißt, auf dem Niveau allgemein-internistischer Tätigkeit".
Auch damit sei dem sogenannten Pri- märarztmodell des Sachverständi- genrates der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen eine Absage erteilt. Zur Erinnerung: Der Sach- verständigenrat hatte 1989 in seinem Jahresgutachten vorgeschlagen, daß Versicherte zukünftig zunächst einen sogenannten Primärarzt konsultieren sollten. Gemeint waren damit „Allge- meinmediziner, allgemeinmedizi- nisch kompetente Gynäkologen, In- ternisten und Pädiater". Die diagno- stischen und therapeutischen Mög- lichkeiten dieser Primärärzte sollten dabei „gegenüber den jetzigen Ver- hältnissen auf die hauptsächlichen Versorgungsaufgaben eingeschränkt werden".
Im Leitantrag der KBV ist mit Hinweis auf das Sozialgesetzbuch V
Hausarztkonzept
Grünes Licht für den
Leitantrag des Vorstands
Würzburg, Schwerin, Köln — die drei Städtenamen stehen für Diskussionen und erste Beschlüsse von KBV-Vertreterversammlun- gen zum Thema Hausarzt/Facharzt. In Dresden wurde nun mit großer Mehrheit ein Leitantrag des neuen KBV-Vorstandes zu In- halt und Umfang der hausärztlichen Versorgung von der Vertreter- versammlung gebilligt. Darin werden ein hausärztlicher Versor- gungsbereich definiert, Übergangsbestimmungen für hausärztlich tätige Ärzte bis 1999 vorgeschlagen und die Forderung nach einer besonderen hausärztlichen Grundvergütung formuliert. „Damit werden sowohl Patienten als auch Ärzte gut leben können", urteil- te Dr. med. Wolf-Rüdiger Rudat, Erster Vorsitzender der KV Thü- ringen. Er präsentierte das Konzept für weitere Verhandlungen mit den Krankenkassen, wie sie § 73 SGB V vorschreibt.
A1 -1406 (26) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 19, 14. Mai 1993