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Archiv "Zwei etruskische Votivbronzen: Eine ärztliche Betrachtung" (21.08.1980)

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Etruskische Votivbronzen sagen aus

Die beiden Bronzestatuen, deren Originale sich im Museum Guarnac- ci in Volterra befinden, sind Replika- te aus Bronze, deren Übereinstim- mung mit den Originalen durch die Herstellungstechnik gewährt ist. Es sind Abgüsse einer Abformung des Originals. Ihre Größe beträgt ohne Sockel 18 und 22 cm.

Beiden Bronzetten sieht man dank der realistischen Darstellung an, was in ihnen vorgeht. Beide sind sie nackt, und die nackte Angst steht ihnen im Gesicht geschrieben.

Nacktheit war das Signum der Skla- ven, ein Symbol, daß nichts zwi- schen dem Herrn und dem Sklaven zu stehen habe. Auch die Nacktheit unserer Figuren mag anzeigen, daß auf ihrem Weg zu den Göttern nichts Einschränkendes sein darf.

Die Jugend der Dargestellten betont den Wert der Opfergabe.

Pubertätsmagersucht des Jungen?

Aufsätze • Notizen

GESCHICHTE DER MEDIZIN

Der ärztliche Beruf verleitet dazu, in Mimik und Gestik von Bildwerken zu lesen. Sind diese so ausdrucksvoll wie die beiden hier beschriebenen Votivbronzen geschaffen, so dürften sie auch über eine untergegangene und weitgehend unbekannte Kultur eine Aussage machen. Gerade Votiv- statuen, den Göttern geopferte Weihgeschenke, können unbekann- te oder vermutete religiöse Riten der Etrusker aufdecken, denn ein Weih- geschenk entspricht der angenom- menen Erwartung der Götter! Immer noch wissen wir wenig von den Etruskern, denn Schriftliches haben

sie

uns nicht hinterlassen, und die Römer hatten Grund, die Erinnerung an sie zu tilgen. Bekannt von ihnen ist, daß sie etwa 400 Jahre lang die führende Macht in Italien waren, daß sie niemals einen Gesamtstaat be- sessen hatten, sondern isoliert in Stadtstaaten lebten.

Sosehr sie sich untereinander ab- kapselten, sie waren trotzdem den Kunstrichtungen der Welt sehr auf- geschlossen. Ihre technischen und metallurgischen Fähigkeiten waren einmalig, ihr Kunstschaffen hoch entwickelt.

Das staatliche Gefüge war radikal autoritär, der Regierende oder der König besaß die absolute Macht und war darüber hinaus zugleich der Oberste Priester, der Pontifex maxi- mus. Es liegt auf der Hand, daß bei einer solch totalen Ämterkonzentra- tion jedem Psychoterror Tor und Tür offenstanden, so wie wir es heute noch etwa in Iran erleben. Der Machthaber bestimmte also die in- nere Lebenshaltung bis über den Tod hinaus.

Die meisten Tomben verherrlichen zur Erbauung des Beigesetzten die Freuden des irdischen Lebens, aber auch furchterregende Dämonen, Vorgänger des Teufels, finden wir in anderen Grabstätten. Genauso wi- derspruchsvoll sind die Votivgaben gestaltet, wobei bedacht werden muß, daß manche einen Ersatz für Menschenopfer, die auch noch in geschichtlicher Zeit üblich waren, symbolisieren.

Zwei etruskische Votivbronzen

Eine ärztliche Betrachtung

Kurt Garnerus

„Figura con specchio bronzetta", Abguß einer Bronzestatue (Original im Museum Guarnacci in Volterra)

„Bronzetto periodico arc-aico", Abguß einer Bronzestatue (Original im Museum Guarnacci in Volterra) Fotos: Garnerus

Der halbwüchsige Junge mit dem unterentwickelten Thorax und den

2042 Heft 34 vom 21. August 1980 DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

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Jahresversammlung der Schriftsteller-Ärzte

Die zehnte Jahresversammlung des Bundesverbandes Deutscher Schriftsteller-Ärzte findet vom 25.

bis zum 27. September 1980 in Fredeburg im Hochsauerland statt. Das Programm enthält un- ter anderem am 25. September vormittags eine Lesung und ein Gespräch mit älteren Schülern in der Realschule Fredeburg, nach- mittags die offizielle Eröffnung mit einem Vortrag von Frau Dr.

Kisro-Völker, Bochum, über Karl Arnold Kortum, Arzt und Dichter der Jobsiade. Für den Abend ist eine öffentliche Lesung vorgese-

hen zum literarischen Thema

„Mensch und Droge". Am 26.

September stehen freie Lesun- gen, ein Werkstattgespräch zum Thema Kurzgeschichte und ein Abend mit heiteren Beiträgen im Programm. Für den 27. Septem- ber sind vormittags freie Lesun- gen und praktische Übungen in der Vortragskunde mit . Video- Aufnahmen vorgesehen. Nach- mittags findet die Mitgliederver- sammlung mit Wahlen statt.

Auskünfte erteilt der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Schriftsteller-Ärzte, Dr. med.

Michael Soeder, Zu den drei Bu- chen la, 5948 Schmallenberg 2;

Telefon: 0 29 74/64 64-68. EB Aufsätze • Notizen

Etruskische Votivbronzen

viel zu großen Füßen dürfte etwa vierzehn Jahre alt sein. Die Augen sind ängstlich geweitet, doch der Mund ist tapfer geschlossen. Zag- haft klein ist sein Schritt, die vorge- streckten Arme bemühen sich, den Händen die erforderliche Geste des Betens zu geben, doch bleiben die Handflächen mit furchtgespreizten Fingern zaghaft nach unten ge- richtet.

Der zweifache Zwiespalt der Puber- tät und der drohenden Ungewißheit sprechen aus diesem Bildwerk.

Welch eine vollendet gute psycho- logische Beobachtungsgabe des Künstlers!

Anatomisch gesehen, ist der Junge erschreckend mager, auch ist seine Muskulatur unterentwickelt, fast möchte man sagen, hier handelt es sich um eine Pubertätsmagersucht, zumindest um eine Eiweiß-Unterer- nährung. Das Museum Guarnacci bezeichnet diese Figur lediglich als

„Bronzetto periodico arc-aico", was etwa dem 7. oder 6. Jahrhundert a. Chr. n. entspräche.

Das Mädchen ohne Gebetsgestus Die weibliche Figur dürfte auf Grund gleicher Stilmerkmale und Aus- drucksformen vom selben Künstler geschaffen worden sein. Auch sie steht im Gleichgewicht von Angst und Gehorsam. Doch kann sie der erforderlichen Geste einer Betenden nicht nachkommen, denn ihre Hän- de sind mit der Balance einer ge- wichtigen Kopflast beschäftigt. Zum Ausgleich sind nach Art moderner Kunst ihre Unterschenkel verdreht und damit bewegungsunfähig dar- gestellt. Es soll dem Gott überlassen bleiben, die Opfernde auch ohne Gebetsgestus zu empfangen.

Anders als die männliche Figur ist das Mädchen wohlgestaltet darge- stellt. Sie besitzt die Rankheit einer Fünfzehnjährigen, und die sekundä- ren Geschlechtsmerkmale sind voll entwickelt. Hier ist neben der Gestal- tung anatomischer Merkmale auch die statische Beobachtung meister- haft: Der gestreckte Rücken, die ge- strafften Mm. sternocleidomastoidei

sowie die der labilen und nach vorne übergeneigten Last angepaßte Fin- gerhaltung.

Vom Museum ist diese Statuette als

„Figura con specchio bronzetta" be- zeichnet worden: Bronzefigur mit Spiegel. Sicherlich eine unrichtige Bezeichnung. Man kann deutlich auf dem Bild erkennen, daß der Rahmen der Tragelast beschriftet ist, und es erscheint nicht ausgeschlossen, daß die Fläche der Tragelast ein Relief enthielt, das ein geflügeltes Wesen darstellt. Wie eine Luftaufnahme in der Archäologie zeigt auch hier bei entsprechendem Seitenlicht das Fo- to mehr her als das Original.

Gegen einen Spiegel spricht man- cherlei: Die ungewöhnliche Form, die rauhe Oberfläche sowie das durch die Haltung der Trägerin sichtbare Gewicht. Außerdem scheint die Tragelast über dem Kopf eingeschnitten zu sein, was für eine stetige Verwendung für Kultzwecke spricht. Damit dürfte die Darbrin- gung dieser Opfergabe in Form ei- ner Prozession vollzogen worden sein.

Ein Glaube,der Furcht einflößt Diese beiden Votivstatuen bestäti- gen das Unabdingbare der etruski-

schen Religion: Ein Glaube der Furcht und der menschlichen Machtlosigkeit, denn nur die Götter entscheiden über Leben und Tod.

Der Glaube war absolut vorrangig allen irdischen Dingen gegenüber.

Der Oberste Priester bestimmte als König den Lauf aller Dinge, eine Machtkonzentration, die vieles ver- ständlich macht und manche Wider- sprüche klären dürfte.

Nicht nur das Unabdingbare, auch das Hintergründige wird sichtbar.

Alle frühen Religionen begannen mit Menschenopfern; im 6. Jahrhundert mögen sie bei den Etruskern nicht mehr gang und gäbe gewesen sein.

So können Votivfiguren als symboli- sche Ablösung von Menschenopfern angesehen werden, wobei die so realistisch dargestellte Angst dieser Bronzetten den Schluß erlaubt, daß die Zeit der Menschenopfer noch sehr fest in der Erinnerung einge- prägt und unvergessen war.

Ein Kunstwerk kann sehr viel aussa- gen und darüber hinaus die Ge- schehnisse seiner Umwelt aus- leuchten.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Kurt Garnerus Heidelbeck Buschstraße 10 4925 Kalletal

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 34 vom 21. August 1980 2043

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