AKT
.ELLE POLITIK
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
] as Sorgenkind für die Kran- kenversicherung ist und bleibt das Krankenhaus:
Karl Kaula, der Vorsitzende der Er- satzkassen-Vebände, weiß, daß er damit nichts Neues sagt. Gerade des- halb müsse nun endlich mit dem blo- ßen Herumdoktern an den Sympto- men Schluß sein. Kaula: „Die Spit- zenverbände der Krankenkassen be- absichtigen, bis zum Sommer dieses Jahres einen eigenen Gesetzentwurf zur Krankenhausreform vorzule- gen." Damit verbunden seien vier zentrale Ziele: die Abschaffung des Selbstkostendeckungsprinzips, die Einführung leistungsbezogener Ent- gelte, der Übergang zu einer moni- st [schen Krankenhausfinanzierung und die Reform der Krankenhausbe- darfsplanung.
Für die Ersatzkassen ist es klar:
Wer alle Kosten finanziert bekommt, braucht sich nicht wirtschaftlich zu verhalten. Im Gegenteil, er darf es gar nicht, wenn er sich nicht selbst bestrafen will. So ist die paradoxe Logik des Selbstkostendeckungsprin- zips dadurch gekennzeichnet, daß wirtschaftliches Vorgehen zu niedri- geren Pflegesätzen und damit zu ge- ringeren „Einnahmen" der Kranken- häuser führt. Eine wirksame Kran- kenhausreform müsse also zunächst an diesem Punkt ansetzen und die Selbstkostendeckung durch ein Preissystem ablösen.
Das derzeitige Vergütungssy- stem, der tagesgleiche pauschalierte Pflegesatz, verleite die Krankenhäu- ser zu einer medizinisch nicht indi- zierten Verlängerung der Verweil- dauer, „um hohe Anfangskosten im Behandlungsfall über die Zeitschie- ne auszugleichen". Tendenziell neig- ten die Krankenhäuser ferner dazu, leichtere und ambulant behandelba- re Fälle stationär aufzunehmen, um auf diese Weise kostenintensive Be- ha.ndlungsfälle zu kompensieren.
Als Beispiel dafür, daß es anders und besser geht, führen die Ersatz- kassen die Paracelsus-Klinik in He- mer an, ein Allgemeinkrankenhaus mit Fallpauschalen. Das Ergebnis:
die Verweildauer sinkt (von 12,5 auf 10,2 Tage), und die Fallkosten liegen unter denen von vergleichbaren Krankenhäusern. Allerdings sieht Kaula auch die Grenzen der Fallpau-
schalen — zum Beispiel in der Psych- iatrie oder auch in der Geriatrie.
Dritter Eckpunkt des Gesetzent- wurfs: die Finanzierung der Kran- kenhäuser aus einer Hand. Die bis- herige Praxis der Krankenhausfinan- zierung, wobei die Länder für die In- vestionen aufkommen, während die Kassen den laufenden Betrieb und die Nutzung bezahlen, hat sich nach Auffassung der Ersatzkassen nicht bewährt. In Zukunft werde dieses Prinzip noch fragwürdiger, weil in den Länderkassen Ebbe herrsche und die nötigen Investitionsmittel kaum mehr aufgebracht werden kön- nen. Die Kassen plädieren daher für einen allmählichen Übergang zur monistischen Finazierung. Zehn Jah- re lang sollen die Länder ihre ge- planten Investitionsmittel in einen Fonds einzahlen, aus dem die Kas- sen notwendige Anschaffungen zur Modernisierung der veralteten Häu- ser finanzieren. Derart auf den neuesten Stand gebracht, könnten die Spitäler dann im angestrebten Preiswettbewerb bestehen.
Wenn die Kassen jedoch mittel- fristig die Investitionskosten über- nehmen, führt Kaula aus, habe dies natürlich Konsequenzen für die Ka- pazitätsplanung. Die müßte dann nämlich in der Zuständigkeit der Kassen liegen — bezogen auf die Zahl der Häuser und Betten, auf die Struktur des Bettenangebots wie auch auf die diagnostischen und the- rapeutischen Möglichkeiten. Kaula dazu: „Erst dann wird die Sache
rund. Gewiß ein mutiger Schritt, der aber angesichts der Kostentwicklung notwendig ist."
Ebenso notwendig ist aus Sicht der Kassen ein weitreichender Ein- griff in die Struktur der ambulanten Versorgung. Dr. Eckart Fiedler, der Geschäftsführer der Ersatzkassen- Verbände, hält die Arzthonorare nicht für das entscheidende Pro- blem. Vielmehr ist es die Menge der veranlaßten Leistungen, die den Kassen schwer im Magen liegen. Ei- ne Entwicklung, die Fiedler auf die ausufernden Arztzahlen zurück- führt. In den vergangenen zehn Jah- ren hat sich die Zahl der Niederlas- sungen um 30 Prozent erhöht — dar- unter sind die Fachärzte überpro- portional hoch vertreten.
Die Ersatzkassen möchten die Schieflage von 60 Prozent Fachärz- ten zu 40 Prozent Hausärzten berei- nigen und ein umgekehrtes Verhält- nis herstellen. Dies könnte durch ei- ne weiterentwickelte Bedarfspla- nung geschehen, die eben dieses Verhältnis als Zulassungskriterium festschreibt. Hausarzt soll überdies nur noch werden können, wer eine abgeschlossene Weiterbildung in der Allgemeinmedizin vorweisen kann.
Das Modell, so Fiedler, sei keine ab- solute Zulassungssperre und werde auch nicht durch das Verfassungsge- richtsurteil zur Niederlassungsfrei- heit zu Fall gebracht. Denn: „In Ab- wägung von Berufsfreiheit und des Gemeinwohls sind diese Maßnah- men unumgänglich." JM
Gesetzliche Krankenversicherung
Mutige Schritte
statt Flickschusterei
Als Norbert Blüm vor gut vier Jahren die Eckpunkte seiner „Ge- sundheits-Reform" vorlegte, warfen ihm Kritiker vor, an den wah- ren Ursachen der Ausgabenentwicklung in der gesetzlichen Kran- kenversicherung vorbeizugehen. Tatsächlich verpuffte die Wir- kung des Blümschen Kraftaktes sehr schnell. Mit dem erneuten Anstieg der Ausgaben setzte auch eine erneute Diskussion um weitere Kostendämpfung im Gesundheitswesen ein. Die Ersatz- kassen wollen nun am Kern der Probleme ansetzen: am „Kosten- block" Krankenhaus und an den massiv steigenden Arztzahlen.
Dt. Ärztebl. 89, Heft 17, 24. April 1992 (19) A1-1503