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Archiv "Filmkritik: Mutter ohne Liebe" (24.10.2008)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 43⏐⏐24. Oktober 2008 A2283

K

aum einem menschlichen Gefühl wird so viel uner- schütterliche Intensität zugespro- chen wie der Liebe einer Mutter zu ihrem Kind. Sie gilt als Naturge- walt, als Naturgesetz, das in einer Welt voller Lebensabschnittsge- fährten und globalisierter Banken- krisen wie eine der letzten Konstan- ten der Menschlichkeit erscheint.

Die Sonnenseiten des Mutterglücks sind so häufig in Joghurtwerbung und Politkampagnen zur Schau ge- stellt worden, dass die öffentliche Meinung jungen Müttern nichts an- deres als eine aufopferungsvolle Liebe zu ihren Kindern zugesteht.

Dass es in Deutschland viele Frauen gibt, die nach der Entbindung keine Liebe für ihr Kind empfinden kön- nen, ist wenig bekannt. Die franko- iranische Regisseurin Emily Atef hat sich in ihrem zweiten Langfilm

„Das Fremde in mir“ diesem Thema angenommen.

Bei Rebecca und Julian läuft alles super. Rebecca ist hochschwanger, Wunschkind Lukas hat bereits sein liebevoll eingerichtetes Kinderzim- mer im neuen Haus. Die Eltern freu- en sich auf ihr Leben zu dritt. Re- becca schließt ihr Blumengeschäft, um sich um Lukas kümmern zu kön- nen. Julian übernimmt ein arbeitsin- tensives Projekt, um das fehlende Gehalt auszugleichen. Dann kom- men die Wehen, die Geburt verläuft

ohne Komplikationen, die Hebamme legt das Baby in Rebeccas Arme. Und Re- becca fühlt nichts. Dann wird sie aus dem Kranken- haus entlassen, das Kinder- zimmer wird eingeweiht, Lukas liegt an ihrer Brust.

Und Rebecca bekommt Angst.

Dann verlässt Julian früh am Mor- gen das Haus, Rebecca ist allein mit dem Baby, das nicht auf- hören will zu schreien. Den ganzen Tag ist sie allein. Und Rebecca fühlt Ablehnung/

Fremdheit. Rebecca ist in ih- rer neuen Welt gefangen mit Gefühlen, die sie nicht einord- nen kann. In dem Maß, indem ihr Baby ihr fremd ist, wird sie sich selbst fremd, entfremdet sie sich von ihrer Umwelt und ihrem Mann.

Der überforderte Julian missachtet die Signale und zieht sich zurück.

Statt Geborgenheit hält das Famili- enleben für die jungen Eltern nur Sprachlosigkeit und Unverständnis bereit. Erst als es beinahe zur Kata- strophe kommt, erhält sie psycholo- gische Hilfe und beginnt den steini- gen Weg der Genesung. Doch die Ablehnung ihrer Umwelt wird da- durch nicht geringer.

In Deutschland leiden etwa 80 000 Frauen pro Jahr an einer post- partalen Depression. Die Ursachen für diese Krankheit sind dabei eben- so mannigfaltig wie ihre Intensität.

Rebecca leidet an einer schweren Depression, die von Teilnahmslosig- keit über Angstzustände bis hin zu Suizidversuchen verläuft. „Das Fremde in mir“ zeigt den exemplari- schen Fortgang dieser Krankheit mit

einer hilf- und sprachlosen Protago- nistin und einem Verständnis verwei- gernden Umfeld. Dabei geht es Re- gisseurin Atef nicht um Zwischentö- ne, die eine realitätsnahe Charakteri- sierung ermöglichen, sondern es geht ihr darum, mit aller Deutlichkeit und ohne jegliche Relativierung die Qua- len von jungen Müttern zu zeigen, die an einer postpartalen Depression leiden. Mit wenig Musik, einer stets kaum merklich wackelnden Kamera und hartem Licht inszeniert Atef die seelenwunde Stimmung ihrer Prota- gonistin. „Das Fremde in mir“ nähert sich dem sensiblen Thema nicht be- hutsam, sondern mit Nachdruck.

Deshalb ist der Film kein nuancen- reiches Erzählkino, sondern ein ein- dringliches Statement. Bei dem 15.

Filmfest Oldenburg gingen mit dem Jury- dem Publikums- und dem Preis für den besten Nachwuchsre- gisseur alle Auszeichnungen an „Das

Fremde in mir“. I

Falk Osterloh

FILMKRITIK

Mutter ohne Liebe

Die junge Regisseurin Emily Atef zeigt in „Das Fremde in mir“ die Qualen einer Mutter, die ihr Kind nicht lieben kann.

K U LT U R

Statt Geborgenheit hält das Familienleben für die junge Familie nur Sprachlosigkeit und Unverständnis bereit.

Fotos:Bavaria-Film

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