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Archiv "Österreich: Juristische Schlappe für die Ärzte" (15.06.1978)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

„Streiks" der Medizinstudenten

der Durchführung der Prüfungen er- heben, die es ermöglichen, die Mehrheit der Studenten zu verein- heitlichen und die Aufsichtsbeamten zu spalten. Keiner darf durchfallen!

Anerkennung des Einspruchsrech- tes der gewählten Vertreter, die während der Prüfung anwesend sind, um gegen die Schikane und andere Formen der Unterdrückung Einspruch zu erheben." (Komm.

Studentenzeitung, Zelle Medizin, Frühjahr 1978).

Im Klartext: Forderung nach „Kol- lektivprüfung" wie bei den „Schein- vergabebedingungen" bereits viel- fach durchgesetzt.

Lediglich die „Anwesenheit" bei der Prüfung ist noch erforderlich! Wer hat die Studenten in Frankfurt daran gehindert, die Erfolgskontrolle in scheinpflichtigen Veranstaltungen

„wegzustreiken"?

Nun noch einige Anmerkungen zum Praktischen Jahr. Die ebenfalls do- kumentierbaren neuen Forderungen

„der Studenten" in Frankfurt laufen auch darauf hinaus, daß die erfor- derlichen PJ-Plätze für alle Studen- ten direkt in Frankfurt zur Verfügung gestellt werden (zwischen 400 und 500 Plätze pro Jahr!).

Die Zuweisung von entfernter lie- genden Krankenhäusern (dort wa- ren früher auch Medizinalassisten- ten tätig) wird als „Zwangsverschik- kung auf das Land" bezeichnet.

Es kann, so glaube ich, eigentlich keine Diskussion mehr darüber ge- ben, die Einführung des PJ ist als Fehlschlag zu betrachten.

Die nahtlose Eingliederung in den Krankenhausbetrieb ist mit einer schwer kontrollierbaren Anwesen- heitspflicht (ohne Tätigkeitspflicht) von 20 Wochenstunden bei hohen Anspruchserwartungen kaum zu er- reichen.

Die Delegierung von verantwortli- chen Tätigkeiten an PJ-ler ist allein aus versicherungsrechtlichen Grün- den nicht sinnvoll. Der PJler ist vom Status her als Student zu betrach-

ten, er entspricht etwa dem früheren Famulus. Auch Famuli hatten als Studenten in der Regel keine ver- tragliche Absicherung, sie arbeite- ten während meiner Ausbildung al- lerdings 45 bis 60 Stunden pro Wo- che unbezahlt.

Eine Statusänderung des PJ-Stu- denten kann nur über die Gesetzge- bung erfolgen. Bis dies geschieht, sind die Studenten zur Einordnung veranlaßt.

Die Forderungen der PJler (wie sie in Frankfurt erhoben werden und wurden) sind m. E. überzogen und nicht durchsetzbar. Auch bei Dis- kussionen „der Studenten" (bezie- hungsweise von deren teilweise ge- wählten Vertretern) mit Vertretern der Ministerien wurden in der Regel lediglich kaum erfüllbare Forderun- gen gestellt, pragmatische Lösungs- möglichkeiten (zum Beispiel PJ- Plätze in entfernteren Krankenhäu- sern) prinzipiell verworfen.

Es mag sein, daß manchen Ministe- rien Versäumnisse anzulasten sind, was die Bewältigung der Studenten- zahlen im Praktischen Jahr anbe- trifft (etwa ausreichende Zahl von Lehrkrankenhäusern). Aber diese Versäumnisse können nicht zur Durchsetzung von unerfüllbaren Pauschalforderungen genutzt wer- den, wie dies zumindest in Frankfurt geschehen ist.

Völlig nebenbei sollte vielleicht auch noch darauf verwiesen werden, daß die Landesminister für die meisten der studentischen Forderungen ebensowenig zuständig sind, wie die

„bestreikten" Professoren.

Professor Dr. med. H. Förster Zentrum der Biologischen Chemie Theodor-Stern-Kai 7

6000 Frankfurt

AUS EUROPA

ÖSTERREICH

Juristische Schlappe für die Ärzte

Den österreichischen Ärzten steht unversehens ein neuer Streit ins Haus: Das Verfassungsgericht hat eine für die Ärzte überaus wichtige Bestimmung des Sozialversiche- rungsgesetzes mit Wirkung vom 1.

November dieses Jahres für verfas- sungswidrig erklärt.

Es handelt sich um eine fast unver- ständliche juristische Frage, die aber von großer Bedeutung für die Position der Ärzte gegenüber den Krankenkassen ist: Wenn Kranken- kassen ein Ambulatorium errichten wollen, müssen sie dies bei der zu- ständigen Landesregierung bean- tragen. Diese prüft das Bedürfnis, ehe sie über den Antrag entscheidet.

Im Jahre 1955 hatten die Ärzte durchgesetzt, daß in diesem Anhö- rungsverfahren die Ärztekammern

„Parteistellung" besitzen. Dies be- deutet, daß die Kammern gegen ei- nen Entscheid einer Landesregie- rung, mit dem sie nicht einverstan- den sind, verwaltungsgerichtlich vorgehen können.

Diese Bestimmung steht, wie er- wähnt, im Sozialversicherungsge- setz, das nach österreichischem Staatsrecht ein „unmittelbar an- wendbares Bundesgesetz" ist. Das Verfassungsgericht aber ist — nach- dem es noch 1954 dieses Verfahren sanktioniert hatte — nunmehr zu der Auffassung gekommen, daß eine solche Rechtssetzung, wie es die Zuerkennung der „Parteistellung"

ist, in einem „Bundesgrundsatzge- setz" erfolgen müsse, was das So- zialversicherungsgesetz nicht ist.

Etwa vergleichbar ist ein solches

„Grundsatzgesetz" mit dem „Rah- mengesetz" in der Bundesrepublik Deutschland, das in solchen Mate- rien erlassen werden kann, wo der Bund nur eine Rahmenkompetenz hat, die unmittelbare Ausführung je- doch durch Ländergesetze erfolgt.

Österreichs Verfassungsrichter ver- schoben nunmehr die Ambulato- riumsfrage aus dem Gebiet der So- zialversicherung — wo es eine Bun-

1458 Heft 24 vom 15. Juni 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Ein medizinischer Assistenzberuf nach dem Muster des russischen und sowjetischen „Feldscher" ist ein aktuelles Thema, nicht nur für Entwicklungsländer und dünnbesie- delte, ärztlich unterversorgte Gebie- te. Ein Blick in die Geschichte dieses problematischen Standes, der frü- her in Rußland irgendwo zwischen dem approbierten Arzt und dem Quacksalber eingeordnet wurde, zeigt, daß er in der russischen Lite- ratur zumeist einseitig und abschät- zig dargestellt wurde. Der ungebil- dete und anmaßende Heilgehilfe auf dem Dorfe wurde zum Typ, der die öffentliche Meinung besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun- derts beherrschte und lebhafte De- batten um den „Feldscherismus"

auslöste.

„Feldscher" ist die aus der deut- schen und österreichischen Armee übernommene Bezeichnung für den Heilgehilfen. Hier waren die „Feld- scheere" oder „Feldscherer" bereits im Dreißigjährigen Kriege bekannt.

Der Name deutet auf ihre ursprüngli- che Hauptaufgabe: Sie hatten die Soldaten zu rasieren. In modifizier- ter Bedeutung hat sich der Titel in Rußland gehalten, nicht nur im mili- tärischen, sondern auch im zivilen Bereich, und ist so auch in die mo-

BLICK ÜBER DIE GRENZEN

derne Terminologie des sowjeti- schen Medizinalwesens eingegan- gen.

Zuerst: Sanitäter bei der Armee Während heute die Anforderungen an den Feldscher, seine Rechte und Pflichten gesetzlich festgelegt sind, haben wir im 18. Jahrhundert noch erhebliche Schwierigkeiten mit der Definition und Abgrenzung, denn nicht immer wurde zwischen dem Feldscher, dem Bader und dem Wundarzt scharf unterschieden. Pe- ter der Große nannte in seinem Kriegsreglement von 1716 die Feld- scherer bereits neben den Badern und erkannte ihnen offenbar eine höhere Qualifikation zu. Die Feld- scherer in den Kompanien hatten nicht nur die Soldaten zu rasieren, sondern wurden auch in den Grund- lagen der Arzneikunst unterwiesen.

Die tüchtigsten von ihnen konnten die Regimentsärzte für die Ernen- nung zu Wundärzten oder Chirurgen (lekar') vorschlagen.

In dem Reglement, das in russischer und deutscher Sprache erlassen worden war, heißt es dazu: „Die Re- giments-Feldscherer müssen die Compagnie-Feldscherer, nicht allein Rechtsproblem mit Folgen

deskompetenz gibt — in die des Kran- kenanstaltenwesens, wo der Bund nur eine Rahmenkompetenz besitzt.

Obwohl nun das Verfassungsgericht in der Sache, nämlich hinsichtlich der Parteistellung der Ärztekam- mern überhaupt nichts zu kritisieren hatte und lediglich einen formalen Fehler entdeckte, nämlich die Unter- bringung der Sache in einem fal- schen Gesetz, ist das Urteil katastro- phal. Denn die Krankenkassen ha- ben sich gegen dieses Parteienrecht der Ärzte immer gewehrt, und es ist überaus zweifelhaft, ob die absolute sozialistische Parlamentsmehrheit den Formalakt des Erlasses einer geltenden Bestimmung in einem neuen Gesetz überhaupt in Angriff zu nehmen bereit ist. Wenn das aber nicht geschieht, dann ist am 1. No- vember — also nach der Frist, die das Verfassungsgericht dem Gesetzge- ber zur Reparatur des juristischen Fehlers eingeräumt hat — die öster- reichische Ärzteschaft den Bestre- bungen der Krankenkassen, Ambu- latorien einzurichten, schutzlos aus- geliefert.

Wiens Ärztekammerpräsident Neu- gebauer scheint bereits resigniert zu haben, und er ventiliert neue Wege:

Der Ein-Mann-Betrieb Arztpraxis sei gegenüber Ambulatorien nicht kon- kurrenzfähig, dachte er laut in Ge- genwart eines Zeitungskorrespon- denten. Deshalb müßten die Ärzte — wozu allerdings eine Änderung des Ärztegesetzes erforderlich sei — neue Formen der Praxisorganisation suchen, zum Beispiel die Gesell- schaft mit beschränkter Haftung.

Das hätte den Vorteil, daß die Ärzte sich in ihren eigenen Gesellschaften anstellen und damit die Vorteile in Anspruch nehmen könnten, die das Steuerrecht zwar der gewerblichen Wirtschaft und den Arbeitnehmern, nicht aber den freien Berufen ein- räumt. Ein — wohl beabsichtigt — grotesker Gedanke. Denn die Ärzte sehen sich, wenn sie Neugebauers Gedankengängen folgen, gezwun- gen, die Medizin wie ein Geschäft zu betreiben, weil die Krankenkassen unter dem Schlagwort „Medizin darf kein Geschäft sein" ihnen mit der Ambulatorienkonkurrenz auf den Leib rücken. bt

Feldschere und „Feldscherismus"

in Rußland

Heinz Müller-Dietz

Aus der Abteilung Medizin

(Direktor: Professor Dr. med. H. Müller-Dietz)

des Osteuropa-Instituts an der Freien Universität Berlin

Noch heute sind im sowjetischen Gesundheitswesen 20 000 Feld- schere auf ärztlichen Planstellen tätig. Der Berufsstand dieser Heilge- hilfen hat eine Tradition, die schon auf Peter den Großen zurückgeht;

aus der Armee wuchs die Feldschertätigkeit allmählich auch in den zivilen Bereich hinüber.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 24 vom 15. Juni 1978 1459

Referenzen

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