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Archiv "Walter Arendt (SPD), Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung" (19.06.1975)

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Die Information:

Bericht und Meinung

Bundestagsdebatte zur Gesundheits- und Sozialpolitik

sten im Gesundheitswesen darin bestand, auf die Verantwortung und Verpflichtung des einzelnen hinzuweisen, sich gesundheitsge- recht zu verhalten. Welchen Bei- trag die Ärzte bereit sind zu leisten - die Ärzte, die doch im Gesund- heitswesen eine Schlüsselstellung einnehmen und darüber entschei- den, welche Leistungen in der sta- tionären und ambulanten Versor- gung erbracht werden, hat man sich vergeblich gefragt."

(Siehe dazu vergleichsweise auch Frau Fockes Ausführungen beim 78. Deutschen Ärztetag in Ham- bu~. DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 21/1975, Seite 1634 ff.)

Es sei zwar unstrittig, daß nichtge- sundheitsgerechtes Verhalten der Bürger eine Ursache für die Ko- stenentwicklung ist. Aber sie sei nicht die einzige und dürfe nicht als "Alibi" dienen, "um nicht vor der eigenen Tür kehren zu müs- sen."

Die Forderung nach mehr Koope- ration im Gesundheitswesen richte sich nicht nur an jene, die Lei- stungen im Gesundheitswesen er- bringen, sondern im gleichen Maß an die, die Entscheidungen in der Gesundheitspolitik treffen. Frau Fockes Schlußsatz: "Nur wenn wir hier Konfrontation abbauen und Kooperation aufbauen,kann auf die Frage nach der Situation des Ge- sundheitswesens in der Bundes- republik Deutschland die Antwort

lauten: gut, aber verbesserungs-

fähig."

Walter Arendt (SPD), Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung

Antwort auf strukturelle Fragen Walter Arendt, der zur Einbringung des Regierungsentwurfs zur Wei- terentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung das Wort nahm, erklärte u. a., mit diesem Gesetz gebe die Bundesregierung eine Antwort auf strukturelle Fra- gen, die auch für die Kostenent-

wicklung von Bedeutung seien.

Der Gesetzentwurf trage zur Dämp-

fung der steigenden Kosten im Ge-

sundheitswesen bei. Im Kassen- arztrecht müßten rechtzeitig Ände- rungen vorgenommen werden, da- mit man nicht bereits in wenigen Jahren vor neuen Problemen in der Kostenentwicklung stehe. Damit wäre zu rechnen, wenn die zuneh- mend ungleiche Verteilung der Ärzte nicht rechtzeitig korrigiert würde. Im übrigen verfolge der Ge- setzentwurf das Ziel, auch für die Zukunft eine bedarfsgerechte ärzt- liche Versorgung sicherzustellen.

Für die erforderlichen Änderungen brauche man die verantwortliche Mitwirkung der Ärzte, um die sich der Gesetzgeber bemühe. Es müs- se aber auch erwartet werden, daß die ärztlichen Organisationen Auf- geschlossenheit für eine Weiterent- wicklung des geltenden Rechts zeigten: "Das sollten auch die ärzt- lichen Berufsverbände bei ihren Stellungnahmen berücksichtigen.

Wer die Niederlassungsfreiheit der Ärzte will, muß auch dafür sorgen, daß die ärztliche Versorgung der Bevölkerung reibungslos funktio- niert."

.,. Die vorgesehenen Änderungen, so führte Arendt weiter aus, seien darauf gerichtet, zunächst und vor allem die für die ärztliche Versor- gung verantwortlichen Kassenärzt- lichen Vereinigungen in die Pflicht zu nehmen, denn sie würden ver- pflichtet, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um die ambulante ärztliche Versorgung sowohl wirt- schaftlich effizient als auch be- darfsgerecht zu sichern. Dies sei Voraussetzung dafür, daß jeder Bürger tatsächlich gleiche Gesund- heitschancen in unserer Gesell- schaft habe.

.,. Die im Regierungsentwurf ent- haltenen Änderungen im Kassen- arztrecht erfolgen nach Minister Arendt auf der Grundlage des gel- tenden Systems. "Es geht also nicht um eine Überwindung des Systems, sondern um notwendige Verbesserungen. Das System hat sich in seinen Grundsätzen be- währt."

1866 Heft 25 vom 19. Juni 1975 DEUTSCHES ARZTEBLATT

.,. Die Bundesregierung halte fol- gende Verbesserungen für erfor- derlich:

t> die Einführung einer bundeswei- ten Bedarfsplanung in der ambu- lanten ärztlichen und zahnärztli- chen Versorgung;

t> den Ausbau von Maßnahmen,

mit denen Kassenärztliche Vereini- gungen eine bedarfsgerechte und gleichmäßige Versorgung der ver- sicherten Bevölkerung sicherstel- len können und

t> die gesetzliche Absicherung von

besonderen Maßnahmen zur Besei- tigung von ärztlicher Unterversor- gung der Bevölkerung.

Der Regierungsentwurf halte daran fest, daß den Kassenärztlichen Ver- einigungen die Verantwortung für die Sicherstellung der kassenärztli- chen Versorgung übertragen bleibt. Diese Verantwortung der Körperschaften wolle die Bundes- regierung noch verstärken, damit alle geeigneten Maßnahmen ergrif- fen würden, die für eine bedarfsge- rechte Versorgung notwendig sei- en.

"Bedarfsplanung"

Ein wichtiges, wenn auch nicht das alleinige Steuerungsinstrument für eine bedarfsgerechte und gleich- mäßige Versorgung stelle der Be- darfsplan dar. Deshalb seien vor allem die Krankenkassen an der Bedarfsplanung zu beteiligen. Das gebe den Kassen die Möglichkeit, die Interessen der Versicherten so- wohl an einer bedarfsgerechten als auch an einer wirtschaftlichen Ver- sorgung wahrzunehmen. Ungeach- tet dieser Zusammenarbeit mit den Krankenkassen und den Ländern sollten die Kassenärztlichen Verei- nigungen aber die letztverantwortli- che Entscheidung über die Be- darfsplanung haben. ln gleicher Weise verbleibe auch die Verant- wortung für die Organisation und Steuerung der einzelnen Maßnah- men zur Sicherstellung der ärztli- chen Versorgung bei den Kassen- ärztlichen Vereinigungen.

Diese Verantwortung bedeute aber auch, daß die Kassenärztlichen

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Vereinigungen mit allen Konse- quenzen bis zum partiellen Verlust des Sicherstellungsauftrages für mögliche Mißerfolge einstehen müßten. "Durch die Verbindung von Verantwortung und Einstands- pflicht soll die Bereitschaft der kassenärztlichen Selbstverwaltung, eigenverantwortlich Ordnungsfunk- tionen im allgemeinen Interesse wahrzunehmen, noch gestärkt wer- den."

Diese abgestuften Regelungen lie- ßen es zu, im ambulanten Versor- gungsbereich den Grundsatz der Berufsausübung der Ärzte durch freie Niederlassung und der freien Arztwahl der Versicherten zu wah- ren. Es werde daher auch keine Verplanung der Ärzte geben. Da- hingehende Befürchtungen seien unbegründet. Nur dann, wenn es trotz Ausschöpfung aller Mittel der Kassenärztlichen Vereinigun- gen zu einer ärztlichen Unterver- sorgung der Bevölkerung komme, solle die Niederlassungsfreiheit be- schränkt werden können.

Zulassungsbeschränkung und Niederlassungsfreiheit

Zu der im Gesetzentwurf der Bun- desregierung vorgesehenen Zulas- sungsbeschränkung stellte Minister Arendt fest, daß diese als ein mit- telbares Steuerungsinstrument ent- wickelt worden sei. Damit werde das Recht eines jeden Arztes, an jedem beliebigen Ort eine Kassen- praxis zu eröffnen, nur dort einge- engt, wo es genügend Ärzte gebe, damit es dort verwirklicht werden kann, wo Ärztemangel herrscht.

"Um Mißdeutungen vorzubeugen - so erklärte Arendt -: Auch hier ist kein Zwangsinstrument zur Landverschickung von Ärzten aus- gedacht worden."

Zulassungsbeschränkungen könn- ten erst nach dem Scheitern aller notwendigen Sicherstellungsbemü- hungen der Kassenärztlichen Ver- einigungen und zudem nur in ei- nem genau geregelten und dem verfassungsrechtlichen Gebot der Niederlassungsfreiheit entspre- chenden gestuften Verfahren vor-

gesehen werden. Sie sollten die im geltenden Recht bestehenden sta,r- ren und unflexiblen Regelungen über eine Zulassungssperre erset- zen. Dabei werde von staatlicher

~eite sehr darauf geachtet werden, daß vor der Beschränkung der Nie- derlassungsmöglichkeit auch tat- sächlich alle geeigneten Mittel zur Sicherstellung der ärztlichen Ver- sorgung ausgeschöpft werden. Die Bundesregierung betrachte es als notwendig und auch als zurnutbar für die Ärzte, bei Notständen in der ärztlichen Versorgung zu verlan- gen, daß bestimmte berufliche In- teressen der Ärzte hinter dem An- spruch der Bürger auf eine funktio- nierende ärztliche Versorgung zu- rückstehen müßten.

Niemand könne aber von vornher- ein garantieren, daß Zulassungsbe- schränkungen als letztes Mittel in jedem Fall zum Erfolg führen. Der Entwurf sehe deshalb für diesen Sonderfall vor, daß dann die Kran- kenkassen die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung vornehmen können, z. B. durch Eigeneinrich- tungen oder durch Verträge mit Krankenhäusern.

Kostenentwicklung

Zur Kostenentwicklung nahm Arendt im Rahmen seiner Ausfüh- rungen zum Gesetzentwurf über die Finanzierung der Rentnerkran- kenversicherung Stellung. Hier gel- te es, die finanzielle Entwicklung der gesetzlichen Krankenversiche- rung besser in den gesamtwirt- schaftlichen Rahmen einzupassen.

Dies werde nicht ohne "merkliche"

strukturelle Änderungen auch im Krankenkassenwesen möglich sein.

Am stärksten trage zweifellos der Krankenhaussektor zu den gegen- wärtigen Beitragssatzerhöhungen bei. Aber daraus könne keiner, der im Gesundheitswesen außerhalb des Krankenhauses tätig sei, für sich einen Freibrief für Gleichgül- tigkeit oder Untätigkeit ableiten.

Das gelte auch für die Ärzte und für die Krankenkassen. Die Ärzte sollten bei den anstehenden Hono-

Die Wormation:

Bericht und Meinung

rarverhandlungen eine angemesse- ne Zurückhaltung zeigen.

Die Krankenkassen selbst könnten im eigenen Bereich df:'J Ausgaben- anstieg auf das notw<3ndige Maß beschränken. Die Versicherten sollten stärker als bisher über die Zusammenhänge zwischen dem Kostenanstieg und ihrem eigenen Verhalten informiert werden. Es müsse aber deutlicher werden, daß verstärkte · Gesundheitsvorsorge und ein gesundheitsgerechtes Ver- halten ebenso dazu beitragen, die ärztliche Versorgung finanzierbar zu halten, wie andere Maßnahmen.

Ambulante

und stationäre Versorgung

~ Zur ambulanten und stationären ärztlichen Versorgung der Patien- ten sagte Arendt, es könne nicht übersehen werden, daß die Struk- turen und Steuerungsmechanismen im Gesundheitswesen sich zuneh- mend als zu starr und unrationell erweisen. Dies führe zu einer an sich vermeidbaren Verteuerung der Krankheitskosten. Die starre Ab- grenzung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung mit der Fol- ge einer überlangen Krankenhaus- verweildauer und unnötiger Dop- peluntersuchungen gehöre zu den Mängeln des Gesundheitswesens, die das Krankheitssicherungssy- stem erheblich verteuern. Es sei nicht zu bestreiten, daß die wirt- schaftliche Effizienz dieses Sy- stems in vielen Teilbereichen nicht ausreichend gesichert sei. Hinzu kämen auch die Fragen einer an- gemessenen Vergütung der Ärzte, Zahnärzte und Apotheker als der wichtigsten LeistunJgserbringer. Der mangelnde Preiswettbewerb auf dem Arzneimittelmarkt führe eben- falls zu spürbaren Verteuerun- gen. Alldiese Aufgaben könnten of- fensichtlich von der Selbstverwal- tung allein nicht gelöst werden; hier werde das Krankenversiche- rungswesen geändert und verbes- sert werden müssen, um die Funk- tionsfähigkeit des Systems zu si-

chern. HM/PM

e

Wird fortgesetzt DEUTSCHES ARZTEBLATI' Heft 25 vom 19. Juni 1975 1867

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