udolf Dreßler, der bekannte Sozialpolitiker der SPD, hat- te „schon immer“ einen Ver- dacht: Von dem Pulverdampf der politischen Auseinandersetzungen seien die Gemeinsamkeiten über- deckt worden. Der Suche nach Ge- meinsamkeiten von SPD und Ärzte- schaft diente ein informelles Treffen am 10. März in Bonn. Teilnehmer waren Gesundheits- und Sozialpoli- tiker der SPD und Vertreter der Ärzteschaft aus Bund und Ländern.
Weder geladen noch anwesend wa- ren Vertreter des Koalitionspartners oder des Bundesgesundheitsmini- steriums. Die SPD könne selbst dar- über bestimmen, mit wem sie rede, begründete Dreßler.
Im Mittelpunkt des Treffens stand der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigun- gen. Das Gesundheitsreformgesetz 2000 lässt in diesem Punkt viele Fragen offen. Nach dem Gesetz können die Krankenkassen mit ein- zelnen Leistungserbringern, also auch einzelnen Kassenärzten oder mit Gruppen von Leistungserbrin- gern, Modellprojekte auf den Weg bringen, ohne die Kassenärztlichen Vereinigungen einzubeziehen (§ 64 SGB V). Darüber hinaus sieht das Gesetz neue Formen der inte- grierten Versorgung vor, die über Modellvorhaben weit hinausgehen.
Dabei sind die Kassenärztlichen Vereinigungen zwar einbezogen, die Kassen müssen nämlich mit der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung eine Rahmenvereinbarung schließen. Kommt eine solche freilich nicht zustande, dann ent-
scheidet das Bundesschiedsamt mit Mehrheit innerhalb von drei Mona- ten (§ 140 SGB V).
Insgesamt laufen beide neuen Gesetzesbestimmungen auf eine Aushöhlung des Sicherstellungsauf- trags, eine Stärkung der Kassenseite und eine Schwächung der Kas- senärztlichen Vereinigungen hinaus.
Das alles will, folgt man Dreßler, die SPD nicht. Sie will den Sicher- stellungsauftrag bei den Kassenärzt- lichen Vereinigungen belassen, und sie will vor allem, wie Dreßler mehr- fach betonte, „keine kassenbezoge- ne Versorgung“.
Dreßler hatte bereits anlässlich der Verabschiedung des Gesund- heitsreformgesetzes am 16. Dezem- ber im Bundestag für die SPD-Frak- tion festgehalten, „dass wir den Si- cherstellungsauftrag auch nach In- Kraft-Treten des Gesetzes weiterhin den Kassenärztlichen Vereinigun- gen zurechnen und dass dieser von diesen federführend wahrgenom- men wird“.
Auffassung der Koalition oder der SPD?
Folgt man Dreßler, ist lediglich wegen gesetzestechnischer unglück- licher Umstände eine solche Fest- stellung nicht im Gesetz enthalten.
Sie sei aber, so Dreßler in Bonn, Ko- alitionsauffassung. Leichte Zweifel sind erlaubt. So kam es im Bundes- tag nicht wie vorgesehen in dieser Sache zu einer gemeinsamen Re- solution, es blieb bei Dreßlers Er- klärung namens seiner Fraktion.
Man wird deshalb mit Spannung die
„Nagelprobe“ (so KBV-Vorsitzen- der Dr. Manfred Richter-Reich- helm) der Rahmenvereinbarungen abwarten. Kommt dann in Sachen Modellvorhaben überhaupt eine Rahmenvereinbarung zustande, ob- wohl sie nicht zwingend vorge- schrieben ist? Und: Wird die Rah- menvereinbarung über die inte- grierte Versorgung tatsächlich ge- schlossen oder so lange torpediert, bis schließlich das Schiedsamt ent- scheiden muss?
Dreßler und SPD-Politiker der Länder versprachen, sich im Sinne der Rahmenvereinbarungen zu ver- wenden. Dazu wird Dreßler gerade noch Zeit haben: Die Rahmenver- einbarung zur integrierten Versor- gung muss bis zum 30. Juni 2000 ge- schlossen werden. Voraussichtlich im August dürfte Rudolf Dreßler als Botschafter nach Israel und da- mit der bundesdeutschen Sozialpoli- tik verloren gehen.
Wenig Neues brachte das Bon- ner Treffen zu den Budgets, allen- falls ein gewisses Verständnis für die Ärzte-Argumente. Das Arznei- und Heilmittelbudget für 1999 wird auf jeden Fall, so wie es das Gesetz vorschreibt, umgesetzt. Verständnis äußerte Dreßler für die zusätzli- chen Belastungen durch die Auf- nahme Psychologischer Psychothe- rapeuten in die kassenärztliche Ver- sorgung, ohne aber einen Ausweg aufzuzeigen.
Man wird im Gespräch bleiben, hieß es abschließend, und man war allseits angetan von dem guten Bon- ner Klima. Norbert Jachertz A-747
P O L I T I K LEITARTIKEL
Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 12, 24. März 2000