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Die vier Apokalyptischen Reiter in Eric Kripkes Serie Supernatural

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Academic year: 2022

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(1)

Carina TONINI

Die vier Apokalyptischen Reiter in Eric Kripkes Serie Supernatural

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ASTERARBEIT

eingereicht an der

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ATHOLISCH

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HEOLOGISCHEN

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AKULTÄT

der L

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RANZENS

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NIVERSITÄT

I

NNSBRUCK

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts

BetreuerIn: Professor Dr. Maria-Theresia Ploner

Philosophisch-Theologische Hochschule Brixen, Lehrstuhl Neues Testament,

Biblische Sprachen

Innsbruck, Juni 2021

(2)

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre hiermit an Eides statt durch meine eigenhändige Unterschrift, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Alle Stellen, die wörtlich oder inhaltlich den angegebenen Quellen entnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht.

Die vorliegende Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form noch nicht als Magister- /Master-/Diplomarbeit/Dissertation eingereicht.

02.06.2021

Datum Unterschrift

(3)

Inhalt

1 Hinführung zum Thema... 5

1.1 Relevanz des Themas ... 5

1.2 Fragestellung und methodisches Vorgehen ... 6

2 Exegetische Analyse von 6,1-8 ... 8

2.1 Der Text: Offb 6,1-8 ... 8

2.2 Aufbau ... 10

2.3 Kontext und Textabgrenzung ... 13

2.4 Intertextuelle Bezüge ... 15

2.4.1 Die kulturellen und motivischen Einflüsse ... 15

2.4.2 Die vier Reiter – Bezüge zu Sacharja ... 16

2.4.3 Gottes Strafen im Alten Testament ... 20

2.5 Detailanalyse ... 24

2.5.1 Der erste Reiter ... 24

2.5.2 Der zweite Reiter ... 26

2.5.3 Der dritte Reiter ... 27

2.5.4 Der vierte Reiter ... 29

2.6 Interpretation ... 31

2.6.1 Die Rezeptionsgeschichten bis Dürer ... 31

2.6.2 Die apokalyptischen Reiter – Chiffren für Plagen? ... 39

2.6.3 Der erste Reiter – Der Reiter, der nicht in die Reihe passt? ... 48

3 Die Serie „Supernatural“ von Eric Kripke ... 54

3.1 Apokalypse und Film – Ein kurzer Überblick ... 54

3.2 Semantische Motive in apokalyptischen Filmen ... 56

3.3 Übersicht über die ersten fünf Staffeln und Einführung in die Serie ... 59

3.3.1 Wirkung und Kritik in den Ausstrahlungsländern ... 61

(4)

3.3.2 Die allgemeinen Bezüge der Serie zur Bibel und zur Offenbarung ... 62

4. Die Rezeption der vier apokalyptischen Reiter in der Serie Supernatural ... 78

4.1 Analyse ... 78

4.1.1 Kontext und Abgrenzung ... 78

4.1.2 Filmanalyse ... 81

4.2 Interpretation und Auswertung ...103

5 Résumé ...119

Literaturverzeichnis ...123

(5)

1 Hinführung zum Thema 1.1 Relevanz des Themas

„Die Bibel ist langweilig.“ – „Was hat die Bibel für mich schon zu sagen?“ – „Bibel?

– Nie gelesen.“ Solche und ähnliche Kommentare begegnen nicht nur im Alltag eines Religionslehrers, wenn das Thema „Bibel“ angesprochen wird. In unserer heutigen Zeit verschwindet die religiöse Sozialisation immer mehr und der verständnisgemäße Zugang zur Bibel geht, gesamtgesellschaftlich gesehen, sukzessive verloren.

Umso überraschender ist ein Blick in die Populärkultur. Themen der Bibel finden sich in diversen Formen, ob direkt oder indirekt, in sämtlichen Bereichen, ob nun Literatur, Musik, oder darstellende Kunst wie Bilder und auch Filme.

Musikgruppen benennen sich oder ihre Musikstücke nach biblischen Orten, Personen oder Ereignissen. Als Paradebeispiel ist die Band „Apocalyptica“ zu nennen, die ihrerseits Brücken zwischen verschiedenen Musikgenres baut, in dem sie Stücke anderer Musikgruppen mit Violoncellos umsetzt. Dürers Darstellung der Reiter prägt die Interpretation der apokalyptischen Reiter bis heute. Die Liste von Fantasyliteratur mit Anklängen an einzelne biblische Bücher oder auch direkten Bezügen ist schier endlos. Als aktuelles Beispiel sei nur die Harry Potter-Reihe mit ihrer impliziten Theologie zu nennen.1 Seit der Jahrtausendwende ist verstärkt zu beobachten, dass in vielen Filmen und Serien speziell die „Offenbarung des Johannes“ wiederbegegnet. Die Faszination für biblische Themen scheint ungebrochen, auch wenn diese in der Populärkultur in gänzlich anderer Form und meist zumindest vonseiten der Konsumenten theologisch unreflektiert begangen werden.

Meine persönliche Geschichte mit der Bibel ist dieser Hinsicht keine Ausnahme.

Ich war auch eine dieser Jugendlichen, die mit der Bibel nichts mehr anfangen konnten. Ich hatte schlicht keinen Zugang dazu, zumal die Begegnung mit der Bibel in unsrem Religionsunterricht darin bestand, dem Klassenregister folgend je zwei Sätze daraus vorzulesen. In diese Zeit fiel die Jahrtausendwende und Filme wie

„End of days“ oder „Stigmata“ erschienen auf der Bildfläche. In meinem Fall war

1 Vgl. Drexler, Wandinger, Leben

(6)

es speziell „End of days“, der mich dazu brachte, die Bibel wieder aufzuschlagen und aus purer Neugierde nachzulesen, ob Zitate wie „Wenn die tausend Jahre vollendet sind, wird der Satan aus seinem Gefängnis freigelassen werden.“

wirklich in der Bibel zu finden sind. So war die Offenbarung des Johannes tatsächlich das erste Buch der Bibel, das ich zusammenhängend gelesen habe. Es hat mein Interesse für die Bibel zurückgebracht. Eine wissenschaftliche Reflektion dieses Erlebnisses fand ich in der Lektüre zu einem meiner Fachdidaktikkurse.

Reinhold Zwick schreibt, dass „es für Schüler und junge Erwachsene besonders reizvoll und herausfordernd“ ist, „in populären Filmen, wie sie ihnen in ihrer Lebenswelt begegnen, biblische Dimensionen zu entdecken, wozu es zu ihrer Überraschung oftmals nur kleiner Impulse als ‚Türöffner‘ bedarf.“2 Dieser Türöffner war für mich jener Film „End of days“.

1.2 Fragestellung und methodisches Vorgehen

Ziel dieser Arbeit ist es, anhand eines konkreten Beispiels zu untersuchen, wie biblische Themen in Populärmedien umgesetzt werden.

Die Forschungsfrage lautet daher: „Wie werden die vier apokalyptischen Reiter in Eric Kripkes Serie „Supernatural“ rezipiert?“

Auch wenn unterschiedlichste Mythologien mit integriert sind, beruht das Grundkonzept dieser Serie auf dem jüdisch-christlichen Weltbild und richtet sich speziell in den ursprünglichen fünf Staffeln stark nach der „Offenbarung des Johannes“ aus. Ausgehend von der Relevanz des Themas soll mit wissenschaftlichen Methoden erforscht werden, wie viel von der Bibel wirklich in dieser Serie steckt. Dazu wird in dieser Arbeit der Teilbereich der vier apokalyptischen Reiter in Offb 6,1 -8 herangezogen und genau untersucht, wie diese Textstelle in der Serie rezipiert wird. Herausgefunden werden soll, ob eine solche Serie als Schlüssel zur Bibel dienen kann oder ob es sich hier nur um eine Verwendung der biblischen Bilder ohne inhaltlichen Zusammenhang handelt.

2 Zwick, Bibel, 569-570

(7)

Untersucht wird, wie getreu sich die Serie an die Vorlage hält, welche Aspekte ausgelassen oder zugefügt werden und auf welche Art und Weise die Worte zu Bildern in Ton und Bewegung geformt werden. Weiters wird mit Blick auf die bisherige Rezeptionsgeschichte von Offb 6,1-8 untersucht werden, ob und welchen rezeptionsgeschichtlichen Interpretationen die Serie folgt oder ob es bei einer rein oberflächlichen, instrumentalisierenden Vereinnahmung bleibt.

Zu diesem Zweck ist eine gründliche exegetische Analyse unerlässlich. Die dahingehende Forschung hat als Hauptthema mit wechselhaftem Konsens das Verhältnis des ersten Reiters zu den anderen und bewegt sich im Spannungsverhältnis zwischen kontrastiven und integrativen Konzepten, sowie zwischen symbolischen oder personalen Interpretationen.

In einem weiteren Schritt wird die Serie in Entsprechung der exegetischen Analyse einer Filmanalyse unterzogen. Ein Schwerpunkt wird dabei auf die Handlungsanalyse des Auftretens der Reiter und einer entsprechenden Figurenanalyse gelegt. In einem dritten Schritt schließlich werden die Ergebnisse der exegetischen Analyse und der Filmanalyse in Zusammenhang gebracht und miteinander verglichen.

(8)

2 Exegetische Analyse von 6,1-8 2.1 Der Text: Offb 6,1-8

A) Der Text im Novum Testamentum Graece (Nestle-Aland), 28. Auflage3: 1a

b c d e

Καὶ εἶδον

ὅτε ἤνοιξεν τὸ ἀρνίον μίαν ἐκ τῶν ἑπτὰ σφραγίδων, καὶ ἤκουσα ἑνὸς ἐκ τῶν τεσσάρων ζῴων

λέγοντος ὡς φωνὴ βροντῆς·

ἔρχου.

Das Öffnen des ersten Siegels

2a b c d e f

καὶ εἶδον,

καὶ ἰδοὺ ἵππος λευκός,

καὶ ὁ καθήμενος ἐπ’ αὐτὸν ἔχων τόξον καὶ ἐδόθη αὐτῷ στέφανος

καὶ ἐξῆλθεν νικῶν καὶ ἵνα νικήσῃ.

3a b c d

Καὶ ὅτε ἤνοιξεν τὴν σφραγῖδα τὴν δευτέραν, ἤκουσα τοῦ δευτέρου ζῴου

λέγοντος·

ἔρχου.

Das Öffnen des zweiten Siegels

4a b c d e

καὶ ἐξῆλθεν ἄλλος ἵππος πυρρός, καὶ τῷ καθημένῳ ἐπ’ αὐτὸν ἐδόθη αὐτῷ λαβεῖν τὴν εἰρήνην ἐκ τῆς γῆς καὶ ἵνα ἀλλήλους σφάξουσιν καὶ ἐδόθη αὐτῷ μάχαιρα μεγάλη.

5a b c d e f g

Καὶ ὅτε ἤνοιξεν τὴν σφραγῖδα τὴν τρίτην, ἤκουσα τοῦ τρίτου ζῴου

λέγοντος·

ἔρχου.

καὶ εἶδον,

καὶ ἰδοὺ ἵππος μέλας,

καὶ ὁ καθήμενος ἐπ’ αὐτὸν ἔχων ζυγὸν ἐν τῇ χειρὶ αὐτοῦ.

Das Öffnen des dritten Siegels

6a b c d

καὶ ἤκουσα

ὡς φωνὴν ἐν μέσῳ τῶν τεσσάρων ζῴων λέγουσαν·

χοῖνιξ σίτου δηναρίου καὶ τρεῖς χοίνικες κριθῶν δηναρίου, καὶ τὸ ἔλαιον καὶ τὸν οἶνον μὴ ἀδικήσῃς.

7a b c d

Καὶ ὅτε ἤνοιξεν τὴν σφραγῖδα τὴν τετάρτην, ἤκουσα φωνὴν τοῦ τετάρτου ζῴου

λέγοντος·

ἔρχου.

Das Öffnen des vierten Siegels

8a b c d

καὶ εἶδον,

καὶ ἰδοὺ ἵππος χλωρός,

καὶ ὁ καθήμενος ἐπάνω αὐτοῦ ὄνομα αὐτῷ [ὁ] θάνατος, καὶ ὁ ᾅδης ἠκολούθει μετ’ αὐτοῦ

e f g

καὶ ἐδόθη αὐτοῖς ἐξουσία ἐπὶ τὸ τέταρτον τῆς γῆς ἀποκτεῖναι ἐν ῥομφαίᾳ καὶ ἐν λιμῷ καὶ ἐν θανάτῳ καὶ ὑπὸ τῶν θηρίων τῆς γῆς.

Vollmacht der vier Reiter

3 Aland, Novum Testamentum Graece

(9)

B) Die deutsche Übersetzung von Katerina Murillo Soberanis4 1a

b c d e

Und ich sah,

dass das Lamm das erste von den sieben Siegeln öffnete und ich hörte eines der vier Wesen

sagend wie mit einer Donnerstimme:

„Komm!"

Das Öffnen des ersten Siegels

2a b c d e f

Und ich sah

und siehe ein weißes Pferd,

und der auf ihm Sitzende hatte einen Bogen und es wurde ihm eine Krone gegeben und er ging hinaus siegend

und um zu siegen.

3a b c d

Und als es das zweite Siegel öffnete, hörte ich das zweite Wesen

sagend:

„Komm!“

Das Öffnen des zweiten Siegels

4a b c d e

Und es kam heraus ein anderes Pferd, ein feuerrotes, und dem auf ihm Sitzenden wurde gegeben

den Frieden von der Erde zu nehmen und damit sie einander schlachten

und es wurde ihm ein großes Schwert gegeben.

5a b c d e f g

Und als es das dritte Siegel öffnete, hörte ich das dritte Wesen

sagend:

„Komm!“

und ich sah

und siehe ein schwarzes Pferd

und der auf ihm Sitzende hatte eine Waage in seiner Hand.

Das Öffnen des dritten Siegels

6a b c d

Und ich hörte,

wie eine Stimme in der Mitte der vier Wesen sagte:

„Ein Maß Weizen für einen Denar und drei Maß Gerste für einen Denar,

und beschädige das Öl und den Wein nicht!“

7a b c d

Und als es das vierte Siegel öffnete, hörte ich die Stimme des vierten Wesens sagend:

„Komm!“

Das Öffnen des vierten Siegels

8a b c d

Und ich sah

und siehe, ein fahles Pferd

und der auf ihm Sitzende, sein Name ist der Tod.

und das Totenreich folgte ihm e

f g

und es wurde ihnen Macht über ein Viertel der Erde und über die Tiere der Erde gegeben

zu töten mit Schwert und mit Hunger und durch den Tod.

(und durch die wilden Tiere der Erde.) 5

Vollmacht der vier Reiter

4 Murillo Soberanis, Christusvisionen, 152-153

5 Murillo Soberanis fügt V8g nicht der Reihung der Plagen zu, sondern dem Machtbereich der Reiter.

(10)

2.2 Aufbau

Bei allen Differenzen der Forschung besteht doch eine generelle Einigkeit darüber, dass bei Offb 6,1-8 grundsätzlich ein paralleler Aufbau besteht. Zur leichteren Übersicht ist der Text nachfolgend tabellarisch aufgeschlüsselt.

Erster Reiter Offb 6,1-2

Zweiter Reiter Offb 6,3-4

Dritter Reiter Offb 6,5-6

Vierter Reiter Offb 6,7-8 Siegelöffnung Siegelöffnung

durch das Lamm

Siegelöffnung durch das Lamm

Siegelöffnung durch das Lamm

Siegelöffnung durch das Lamm

Aufforderung der Wesen

Eines der vier Wesen sagend wie mit einer Donnerstimme;

„Komm!“

Zweites Wesen sagend;

„Komm!“

Drittes Wesen sagend;

„Komm!“

Stimme des vierten

Wesens sagend;

„Komm!“

Reaktion des Sehers

Und ich sah und siehe

Und ich sah und siehe

Und ich sah und siehe Farbe des

Pferdes

Ein weißes Pferd

Ein anderes Pferd, ein feuerrotes

Ein schwarzes Pferd

Ein fahles (grünes) Pferd Attribute des

Reiters

Bogen, Krone (Kranz,

Siegeskranz)

Großes

Schwert (an letzter Stelle genannt)

Waage Das Totenreich

folgte ihm

Aufgabe Er ging hinaus siegend und um zu siegen.

Den Frieden von der Erde zu nehmen und damit sie einander schlachten (vor der Vergabe des Schwertes genannt)

Ein Maß

Weizen für einen Denar und drei Maß Gerste für einen Denar;

Verbot, Öl und

Wein zu

beschädigen

(Und ihnen wurde die Macht

gegeben über ein Viertel der Erde…)

Die parallele Konzeption der vier Einzelsegmente ist so aufgeschlüsselt klar zu erkennen. In einem ersten Schritt öffnet das Lamm ein Siegel. Ist das Siegel gebrochen, hört der Seher eines der vier Wesen, das eine Aufforderung ausspricht.

Diskussionen herrschen hierbei darüber, ob das „Komm!“ an die Reiter oder an den Seher gerichtet ist.

Mit Ausnahme des zweiten Reiters folgt darauf die sich wiederholende Einführungsformel des Sehers „Und ich sah und siehe…“, woraufhin das Pferd,

(11)

beschrieben durch dessen Farbe, genannt wird und zuletzt der Reiter durch seine Aufgabe und seine Insignien genauer definiert wird.

Doch bei genauerer Betrachtung finden sich, wie gerade angedeutet, innerhalb der parallelen Konzeption auch etliche Eigenheiten und Abweichungen.

Schon bei der Einleitung durch den Seher ist beim zweiten Reiter eine Leerstelle zu finden. Das „Und ich sah und siehe“ fehlt. Stattdessen erscheint das Pferd mit derselben Wendung (ἐξῆλθεν), mit der auch die Aufgabe des ersten Reiters beschrieben wird, wenn es heißt, „…und er ging hinaus (ἐξῆλθεν) siegend, um zu siegen.“ Eine weitere Eigenheit an dieser Stelle ist die „Insignie“, das Attribut des zweiten Reiters. Erst nach der Bezeichnung seiner Aufgabe wird sein Attribut, das große Schwert, genannt, während bei den anderen Reitern die Insignien, die schon einen Hinweis auf die Aufgabe geben, vor der Erläuterung ihrer Aufgabe genannt werden.

Dem dritten Reiter wird seine Insignie nicht gegeben. Er hat die Waage schon in der Hand. Stattdessen wird er als einziger der Vier von einer „Stimme in der Mitte der Wesen“ beauftragt.

Eine weitere Unregelmäßigkeit ist hier beim vierten Reiter zu sehen. Seine Aufgabe wird explizit gar nicht erst genannt, sondern vielmehr definiert durch sein Attribut, seinen Begleiter: das Totenreich. Hingegen ist der vierte Reiter der einzige Reiter, der mit einem Eigennamen bezeichnet wird.

Direkt darauf folgt die Ermächtigung der Reiter zu töten: mit dem Schwert, dem Hunger und dem Tod. Auffallend hierbei ist, dass die Attribute des zweiten, dritten und vierten Reiters explizit genannt werden, nicht aber jenes des ersten Reiters, der Sieg.Hier stellt sich die Frage nach dem Warum. Näher betrachtet könnte hier natürlich V2d-f „und es wurde ihm eine Krone gegeben und er ging hinaus siegend und um zu siegen” als eigenständige Ermächtigung des ersten Reiters gelesen werden, doch spricht dagegen der parallele Ablauf des folgenden Abschnitts. Auch dem zweiten Reiter wird sein Attribut, das Schwert, gegeben und auch in seinem Fall erhält er eine eigenständige Aufgabe, nämlich “…den Frieden von der Erde zu nehmen und damit sie sich einander schlachten.”

(12)

Diese Stelle ist aber nur die letzte Abweichung von vielen, die beim ersten Reiter zu beobachten sind und die Frage aufwerfen, ob der erste Reiter nun voll und ganz in einer Reihe mit den anderen Dreien steht oder ob er eine Sonderstellung einnimmt.

Nur beim ersten Reiter spricht eines der Wesen „wie mit einer Donnerstimme“, während der Seher die drei anderen Wesen nur „sagend“ hört. Eine weitere Auffälligkeit sind die doppelten Attribute. Der erste Reiter hat bereits einen Bogen, so wie der dritte Reiter auch schon eine Waage in der Hand hält, zusätzlich wird ihm aber auch noch eine Krone6 verliehen, gemeinsam mit der damit verbundenen Aufgabe, entgegen gesetzt parallel aufgebaut zu V4, in dem dem zweiten Reiter erst die Aufgabe übertragen und dann das Schwert verliehen wird, wie bereits weiter oben erwähnt.

Die auffälligste Abweichung ist sicherlich die Art und Weise seines Auftretens. Das Handeln des ersten Reiters wird aktiv geschildert. Er „ging hinaus siegend um zu siegen“.

Bei genauerer Betrachtung ist also deutlich zu erkennen, dass die Parallelität der vier Segmente nicht so eindeutig ist, wie auf den ersten Blick.

Während in der Forschung aus dieser Erkenntnis teils eine Gegenüberstellung des ersten Reiters zu den anderen Dreien herausgelesen wird7, demgegenüber aber auch oft auf der Gleichstellung der vier Reiter beharrt wird8, erkennt Katerina Murillo Soberanis in dieser Struktur eine abgestufte Beschreibung, die den ersten Reiter hervorhebt und somit die integrativen, sowie die kontrastiven Forschungsstandpunkte ein Stück weit vereint:

„Auf den zweiten Blick weist die Struktur dieses Zyklus mithin eine innere Dynamik auf, die eine strenge Parallelität sprengt. Die Beschreibungen der Reiter werden immer kürzer;

der erste Reiter wird vergleichsweise ausführlich gekennzeichnet, der letzte Reiter hingegen wird nur noch beim Namen genannt. Anders gesagt, der weiße Reiter wird herbeigerufen, knapp charakterisiert, beauftragt und letztendlich bricht er auf. Der zweite Reiter wird nur bis zu seiner Beauftragung geschildert, die mit einem Übergaberitual beschlossen wird. Eine solche Übergabe fehlt bei dem dritten Reiter; in seinem Fall bleibt

6 In der Elberfelder Bibel als „Kranz“ übersetzt, in der Einheitsübersetzung als „Siegeskranz“.

7 So v.a. Bachmann, Blick

8 So z.B. Kraft, Offenbarung; Wengst, Wie lange

(13)

nur noch die mündliche Beauftragung. Der vierte Reiter wird nur noch benannt. Auf struktureller Ebene wird der weiße Reiter mithin hervorgehoben. Er steht an der Spitze der Reitergruppe, er wird am ausführlichsten geschildert und er reitet den anderen voraus.“9

Eine vollkommen andere Sichtweise ergibt sich natürlich, wenn man die Verse 8e- g nicht auf die vier Reiter bezieht, sondern nur auf den vierten Reiter. Der Plural ergäbe sich in diesem Fall daraus, dass die Macht dem vierten Reiter Tod und seinem Begleiter Hades verliehen wird. In diesem Fall würde der vierte Reiter die Machtbereiche des zweiten und dritten Reiters, das Schwert und den Hunger, ebenfalls innehaben. Sein Machtbereich wäre demnach auf ein Viertel der Erde beschränkt, der Machtbereich der anderen Reiter aber nicht.10 Zum einen würde dies dem sichtlich gewollt parallelen Aufbau der Textstelle widersprechen. Zum anderen hätte der Begleiter Hades in diesem Fall aber dieselbe Macht wie der vierte Reiter und würde als gleich zu wertende Größe neben ihm stehen und wäre somit ein „fünfter Reiter“. In dieser Hinsicht erscheint es mir dem Text entsprechender, die Verse als Abschluss des gesamten Abschnitts und nicht als alleinige Ergänzung des vierten Reiters zu lesen.

2.3 Kontext und Textabgrenzung

Der visionäre Teil der Johannesoffenbarung in Offb 4-22,5 ist geprägt von drei Reihen aus je sieben Visionen, die wiederum von Zwischenteilen gerahmt werden und teils auseinander erwachsen. Jede Plagereihe überbietet dabei die vorherige im Ausmaß ihrer Ereignisse und deren Folgen. Die drei Reihen erscheinen dabei schon ursprünglich deutlich als eine Einheit konzipiert. Da es kaum spezifisch christliche Elemente gibt, lässt sich darauf schließen, dass die Gesamtkonzeption ursprünglich jüdisch war und die christlichen Elemente sowie die einleitende Handlung des Lammes erst im Nachhinein eingefügt wurden. Die Visionsreihen haben dabei als Grundthema die Plagen gegen die Gottlosen. 11 Diese Gliederung ist zwar nicht unumstritten, so gibt es auch Vorschläge, die Ereignisse nicht nach

9 Murillo Soberanis, Christusvisionen, 159

10 Vgl. Satake, Offenbarung, 220

11 Vgl. Satake, Offenbarung, 70; Giesen, Offenbarung, 51

(14)

Visionsreihen, sondern nach Thematik zu gliedern, doch erscheint mir die oben beschriebene Gliederung im Zusammenhang dieser Arbeit als sinnbringender.12 Die vier apokalyptischen Reiter erscheinen im Rahmen dieser ersten Visionsreihe, die durch das Brechen der Siegel angezeigt wird, direkt zu Beginn. Sie leiten das endzeitliche Geschehen ein und nehmen den Frieden von der Erde, bereiten damit den Boden für die kommenden Ereignisse. Ihnen folgt der Rachewunsch der Märtyrer mit dem fünften Siegel, das sechste Siegel lässt das ganze Unheil kosmisch werden und nach einem kurzen Zwischenspiel, einer „Ruhephase“13, wird das siebte Siegel gebrochen, das die nächste Visionsreihe eröffnet. 14

Die vier Reiter erscheinen jedoch nicht per Zufall. Jeder Reiter wird mit dem Brechen eines Siegels herbeigerufen. Doch nicht von Irgendjemandem. Nur das Lamm, das wie geschlachtet aussieht, hat die Macht, die Siegel zu brechen. Das endzeitliche Geschehen entspringt also der Macht Christi, ist sein Wille. Insofern kann diese Visionsreihe als „indirekte Heilszusage“15 und damit Trost gesehen werden und ist ein weiterer Beweis für die allumfassende Macht des Lammes, die im Laufe der folgenden Texte immer wieder gezeigt wird.16

Bei aller Unstimmigkeiten zur Gliederung ist doch der Anfang der Einheit unumstritten. Zwar fehlen die sonst prägenden Anzeichen wie Ortswechsel oder Gattungswechsel und auch Zeitangaben finden sich keine. Doch es zeigt sich ein klarer Schnitt zur vorhergehenden Vision des Thronsaals. Diese wird sehr deutlich beendet durch ein Schlusswort, in dem die vier Lebewesen und die vierundzwanzig Ältesten ihr Amen sprechen und betend niederfallen. Mit dem für ihn typischen Strukturelement „Dann sah ich“ leitet der Seher in Offb 6,1 eine neue Vision ein, die sich durch ihre inhaltliche Beschreibung und die Akteure vom vorhergehenden abhebt. Waren die vier Lebewesen in der vorhergehenden Einheit immer nur zusammen und mit den vierundzwanzig Ältesten genannt, treten sie nun einzeln auf. Die vierundzwanzig Ältesten werden gar nicht mehr genannt. Weiters

12 Vgl. Roloff, Offenbarung, 23-24

13 Alkier, Johannesapokalypse, 164

14 Vgl. Alkier, Johannesapokalypse, 164; Giesen, Offenbarung, 174

15 Satake, Offenbarung, 215

16 Vgl. Roloff, Offenbarung, 24; Giesen, Offenbarung, 172

(15)

verwendet der Seher mit „und ich sah und siehe“ ein weiteres Strukturelement, das erst mit der Vision des ersten Reiters auftaucht und nach der Vision des vierten Reiters auch nicht mehr genannt wird. Somit deutet sich bei Offb 6,9 auch das Ende der Perikope an. Zwar leitet der Seher auch diese Vision mit der Wendung

„Dann sah ich“ ein, doch fehlt das „und ich sah und siehe“. Auch ändert sich ab jetzt die Struktur der Verse vollkommen. Die folgenden Ereignisse werden nicht mehr von einem der vier Wesen hervorgerufen und es folgen auch keine weiteren Reiter. Ihre Zahl war mit dem vierten Reiter, dem Tod, bereits vollständig. Ab jetzt beginnt das Sehen der den Reitern nachfolgenden Ereignisse.

2.4 Intertextuelle Bezüge

17

2.4.1 Die kulturellen und motivischen Einflüsse

Wie auch die anderen Bücher der Bibel ist die Offenbarung nicht für sich alleinstehend entstanden. Sie wurde beeinflusst durch zeitgeschichtliche Ereignisse und politische Situationen. Sie steht in der langen und reichen Erzähltradition Israels, die sich aus den verschiedensten Textgattungen zusammensetzt. Der Verfasser schöpft aus seinem breiten Wissen dieser Tradition. Das Alte Testament wird zwar an keiner Stelle zitiert, aber zahllose Motive, Bilder und Visionen stammen aus den Texten Israels, insbesondere aus den Büchern der Propheten Ezechiel, Sacharja, Joel und Daniel.18 Diese Anspielungen sind dabei nicht zufällig gewählt. Sie haben Bedeutung. Liest man Offb 6,1-8 in Zusammenhang mit den Texten und Motiven, auf die diese Perikope Bezug nimmt, ergeben sich weitere Bedeutungsebenen und Blickwinkel. Der Verfasser muss diese Textstellen nicht zitieren. Er kennt seine Adressaten, steht mit ihnen in regem Austausch und kann davon ausgehen, dass sie dieselbe Kenntnis wie er besitzen und die zugrunde liegenden Textstellen kennen. Sie erkennen den Zusammenhang auch ohne direktes Zitat der Schriften. Johannes

17 Vgl. Vgl. Bachmann, Reiter, 247-253, 259-265; Bachmann, Positive,209-213; Herzer, Reiter, 230- 242; Giesen, Offenbarung, 174-178; Giesen, Im Dienst, 275-282; Kraft, Offenbarung, 114-118;

Murillo Soberanis, Christusvisionen, 159-163; Roloff, Offenbarung, 79-82; Satake, Offenbarung, 214-220; Wengst, Wie lange, 175-182

18 Vgl. Roloff, Offenbarung, 30-31

(16)

bezieht sich aber nicht nur auf die Schriften Israels. Er verwendet ebenso Motive aus außerisraelischen Texten und Traditionen.

Kleinasien war zur Zeit des Verfassers von zwei weiteren Kulturen geprägt. Zum einen stand das Gebiet unter römischer Herrschaft und war damit von römisch- hellenistischer Kultur durchzogen. Zum anderen lag das Gebiet in direkter Nachbarschaft zum Partherreich. Beide Kulturen finden sich in der Offenbarung des Johannes in Bildmotiven, aber auch in zeitgeschichtlichen Anspielungen wieder. Solche zeitgeschichtlichen Anspielungen finden sich aber auch in Bezug auf die Ereignisse in Israel. So kann beispielsweise ein Vergleich der beschriebenen Visionen und der Darstellungen des „Jüdischen Krieges“ bei Josephus Flavius darauf schließen lassen, dass der Verfasser Augenzeuge der Kriegsereignisse war.19 All diese intertextuellen Zusammenhänge werden im Folgenden untersucht.

2.4.2 Die vier Reiter – Bezüge zu Sacharja

20

Als ein wesentliches Element von Offb 6,1-8 haben sich die vier Reiter gezeigt. Sie sind das dominierende Hauptelemente der Perikope. Sie strukturieren den Text, sie geben ihm seine Einheit und grenzen ihn von den umliegenden Texten ab.

Zudem sind sie neben den vier Lebewesen die Protagonisten dieser Textstelle. Ein Blick in die Schriften des Alten Testamentes zeigt, dass das Bild der Reiter keines ist, dass Johannes ohne besonderen Grund gewählt hat. Es findet sich bereits im Buch Sacharja, genauer in den Nachtgesichten des Sacharja.

Sach 1,8-1121: „In dieser Nacht hatte ich eine Vision: Siehe, ein Mann, der auf einem roten Pferd ritt. Er stand zwischen den Myrtenbäumen, die an der Wassertiefe sind, und hinter ihm waren rotbraune, fuchsrote und weiße Pferde. Ich fragte: Mein Herr, was bedeuten diese Pferde? Und der Engel, der mit mir redete, sprach: Ich will dich sehen lassen, was sie bedeuten. Da ergriff der Mann, der zwischen den Myrtenbäumen stand, das Wort und sagte: Das sind die, welche der HERR gesandt hat, damit sie die Erde durchziehen. Und sie

19 Vgl. Satake, Offenbarung, 35; Wengst, Wie lange, 32; Roloff, Offenbarung, 17

20 Vgl. Bachmann, Positive, S 212-213; Giesen, Im Dienst , 263; Roloff, Offenbarung, 80; Satake, Offenbarung, 216

21 Die Bibel - Einheitsübersetzung. Sämtliche folgendenden deutschen Übersetzungen sind der Einheitsübersetzung von 2017 entnommen.

(17)

meldeten dem Engel des HERRN, der zwischen den Myrtenbäumen stand: Wir haben die Erde durchzogen - und siehe, die ganze Erde ruht und liegt still.“

Reiter findet sich hier zwar nur einer, aber die Vierzahl der Pferde und ihrer Farben ist schon hier zu sehen: es gibt ein rotes Pferd, rotbraune, fuchsrote und weiße Pferde. Zwei dieser Farben finden sich auch bei Johannes wieder. Auch wenn die Pferde hier im Gegensatz zu Offb 6,1-8 nicht aktiv in das Geschehen auf der Erde eingreifen und im Gegensatz zu endzeitlichen Plagen nur Ruhe verkünden, zeigen sich hier vor allem zwei wichtige Zusammenhänge. Die Pferde sind zum einen gesandt von Gott, sie erhalten ihren Auftrag direkt von ihm. Sie sind keine Werkzeuge irgendwelcher anderen Mächte. Und zum anderen zeigt sich hier auch die Universalität des Auftrages und damit die Universalität der Macht Gottes.22 Noch deutlicher wird die Motivgeschichte von Offb 6,1-8 fünf Kapitel später.

Sach 6,1-8: „Wieder erhob ich meine Augen und ich sah: Siehe da, vier Wagen zogen zwischen zwei Bergen aus, die Berge aber waren aus Bronze. Am ersten Wagen waren rote Pferde, am zweiten Wagen schwarze Pferde, am dritten Wagen weiße Pferde und am vierten Wagen gescheckte Pferde, alles starke Tiere. Darauf fragte ich den Engel, der mit mir redete: Was bedeuten diese, mein Herr? Der Engel gab mir zur Antwort: Das sind die vier Winde des Himmels, die ausziehen, nachdem sie vor dem Herrn der ganzen Erde gestanden haben. Die schwarzen Pferde - der Wagen, an dem sie sind - ziehen aus in das Land des Nordens, die weißen sind hinter ihnen hergezogen und die gescheckten sind in das Land des Südens gezogen. Die starken Tiere zogen aus, begierig, die Erde zu durchstreifen. Da sagte er: Geht hin, durchstreift die Erde! Und sie durchstreiften die Erde.

Und er rief mir zu und sprach zu mir: Sieh, jene, die in das Land des Nordens ziehen, sie bringen meinen Geist über das Land des Nordens.“

Auch hier ist die Vierzahl wieder deutlich. Ist im Kapitel 1 nur von Pferden die Rede, sieht man hier nun Wagen, die von Pferden gezogen werden. Auch sie werden klar durch Farben gezeichnet. Es gibt rote, schwarze, gescheckte und weiße Pferde. Die Farben stimmen auffallend mit den Farben der Pferde in der Offenbarung überein.

Lediglich das gescheckte Pferd wurde durch ein fahles (χλωρός, grün) Pferd ersetzt, was der ursprünglichen Zuordnung der Farben mit den

22 Vgl. Giesen, Im Dienst, 263-264

(18)

Welteckenplaneten entspricht. So wird der Merkur mit rot und Osten verbunden, der Saturn mit der Farbe Schwarz und dem Norden, der Jupiter mit der Farbe Weiß und dem Westen und der Mars mit der Farbe Grün und dem Süden.23 Deutlich ist auch hier zu sehen, dass die Pferde bzw. die Wagen im direkten Befehl Gottes handeln. Er sendet sie aus, um die Erde zu durchstreifen. Während sie bei Sach 1,8-11 nur Kunde von der Erde bringen, sollen die Pferde bei Sach 6,1-8 nun umgekehrt Gottes Geist über das Land bringen. Auch die universale Bedeutung dieses Befehls wird hier wieder deutlich. Die Pferde sollen nicht nur allgemein die ganze Welt durchstreifen, sie werden auch mit den vier Winden identifiziert und die Himmelsrichtungen werden zudem für die weißen und die schwarzen Rösser genau vorgegeben. Im Vergleich fällt auf, dass die Pferde und die Wagen bei Sacharja gleichzeitig in alle vier Richtungen ausgesandt werden, die Reiter in der Offenbarung treten hingegen nacheinander auf. Sie folgen einander in einer Reihung, die der Entwicklung von irdischem Kriegsgeschehen entspricht. Doch die Universalität des Auftrags bleibt. Die Reiter bekommen keine jeweilige Richtung zugewiesen, ihr Wirkungsgebiet ist also so universal, wie der zugrunde liegende Aussendungsbefehl Gottes bei Sacharja.

Das Motiv von vier Pferden und Himmelswinden findet sich aber nicht nur in den Texten Israels. Für denselben Zeitraum, in dem auch die Verfassung der Offenbarung angenommen wird, ist der Borysthenikos, eine Rede des Philosophen Dios Chrysostomos belegt. Diese Rede führt den Leser in den Grenzbereich zwischen griechischer und iranischer Überlieferung. Unter Anderem werden darin auch vier himmlische Pferde erwähnt.24 Interessant in diesem Zusammenhang ist zudem die äußere Erscheinung des parthischen Kriegsheeres, die Anlass gibt, einen näheren Blick auf dieses Reich zu werfen.

Exkurs 1: Das Reich der Parther, Rom und die Kriegsreiterei25

Östlich der römischen Reichsgrenze lag das Reich der Parther. Schon 141 v. Chr.

besetzte Mithradates I. Babylon und nahm den Titel „König der Könige“ an.

23 Vgl. Satake, Offenbarung, 216

24 Vgl. Frenschkowski, Parthica apocalyptica, 25-26

25 Vgl. Frenschkowski, Parthica apocalyptica,16-31

(19)

Seitdem sind zahlreiche Konflikte des römischen Reiches und des parthischen Großreiches belegt. Die schlimmste Niederlage erlitt Rom 53 v. Chr. in der Schlacht von Carrhae. Diese Niederlage wurde erst in der Varusschlacht sechzehn Jahre später übertroffen. Die Expansion des Partherreiches führte so weit, dass sogar Judäa und Jerusalem für kurze Zeit unter parthischer Herrschaft standen. Bei dieser Gelegenheit setzen die Parther den von Rom bestimmten König ab und einen jüdischen König ein. Dass dies bleibenden Nachhall in der Erinnerung der Juden hatte, liegt auf der Hand. Die Vernetzung des jüdischen Königshauses mit den Parthern ist hinreichend belegt.

Die Kriegsführung der Parther unterschied sich grundlegend von der der Römer.

Sie kämpften grundsätzlich zu Pferd und beherrschten die Bogenkunst vom Sattel aus. Zudem waren ihre Pferde schwer gepanzert. Selbst in der Öffentlichkeit zeigten sie sich nur auf dem Pferd und führten Gespräche und Handel vom Pferd aus. Im römischen Reich war all dies bekannt. Nicht anders verhielt es sich mit der Kultur. Zahlreiche Werke aus dem iranischen Raum waren gerade in Kleinasien verbreitet. Aber auch andere kulturelle Durchmischungen lassen sich finden. So war der Kult der persischen Göttin Anahita weit verbreitet. In Philadelphia war sie sogar Stadtgöttin und nicht nur dort gab es Feste zu ihren Ehren.

So fanden die parthischen Reiterkrieger ihren Weg auch in die jüdische Apokalyptik und das auf zwei verschiedenen Weisen. In den älteren Traditionslinien werden sie als „barbarische Feinde aus dem Osten“26 dämonisiert,

„die Gott als Werkzeuge seines Strafgerichtes benutzt“27. In einer späteren Traditionslinie erscheinen sie als „Hoffnungsträger für die nationale Erneuerung Israels oder sogar für die messianische Erlösung.“28

Johannes stand zum einen in der Tradition dieser jüdischen Apokalyptik, zum anderen lebte er in Kleinasien und damit auch mitten in jener gemischten kulturellen Umwelt. Die Anklänge dieser Einflüsse an die vier Reiter in seiner Offenbarung sind deutlich. Man kann den Bogen des ersten Reiters natürlich auch

26 Frenschkowski, Parthica apocalyptica, 28

27 Frenschkowski, Parthica apocalyptica, 28

28 Frenschkowski, Parthica apocalyptica, 28

(20)

durch generelles Kriegswerkzeug erklären, aber dass die vier Reiter, die Endzeit anstoßen, den Frieden von der Erde nehmen und die darauffolgenden Plagen bringen, lässt sich nicht leugnen. Sie entsprechen damit genau jenen parthischen Reitkriegern, die als göttliche Strafwerkzeuge in die jüdische Apokalyptik eingingen.

Exkurs Ende

2.4.3 Gottes Strafen im Alten Testament

29

Nicht nur die Vierzahl der Pferde hat ihre Motivvorlage in den Schriften Israels. Ein Blick auf die Plagen, die die Reiter mit sich bringen, zeigt eine auffällige Nähe zu einer bereits bekannten Apokalypse aus dem Neuen Testament. Schon der Evangelist Markus erzählt von endzeitlichen Geschehnissen, die Jesus Christus ankündigt. Er spricht von Kriegen, denen Bürgerkriege folgen, von Erdbeben, Hungersnöten und von der Verfolgung der Gemeinden. Ein Blick in die allgemein angenommene Entstehungszeit des Evangeliums zeigt die nur zu realen Entsprechungen dieser Endzeitschilderung. Den Menschen mag der Aufstand gegen Rom, die Gewalttaten des Bürgerkriegs in Jerusalem und die Hungersnot in der Belagerung wie eine wirklich eintretende Endzeit erschienen sein. Die erschütternde Realität dieser Ereignisse schlägt sich nicht nur im Markusevangelium nieder, sondern auch in der Offenbarung. Vermutet wird weniger, dass sich Johannes auf die Darstellungen im Markusevangelium bezieht, sondern vielmehr, dass beide Autoren ihre Motive aus dem gemeinsamen Traditionsgut gezogen haben.30

In einem Vergleich der synoptischen Apokalypse mit den vier Reitern der Offenbarung fällt auf, dass zwar die Erdbeben fehlen, die Reihe stattdessen aber durch die natürliche Folge von Hungersnöten, den Tod, ersetzt wurde. Diese Reihung ist aber nicht nur durch die natürliche Folge der Ereignisse entstanden.

Diese Reihung von Plagen ist auch weithin im Alten Testament zu finden.

29 Vgl. Bachmann, Reiter, 259-265; Giesen, Offenbarung, 176; Roloff, Offenbarung,79-81; Satake, Offenbarung, 216-217

30 Vgl. Roloff, Offenbarung, 79; Satake, Offenbarung, 216

(21)

2.4.3.1 Intertextuelle Bezüge zum Buch Jeremia31

Jer 14,12: „Auch wenn sie fasten, höre ich nicht auf ihr Flehen; wenn sie Brandopfer und Speiseopfer darbringen, habe ich kein Gefallen an ihnen. Durch Schwert, Hunger und Pest mache ich ihnen ein Ende.“

Jer 21,9: „Wer in dieser Stadt bleibt, der stirbt durch Schwert, Hunger und Pest.“

Jer 24,10: „Ich sende unter sie Schwert, Hunger und Pest, bis sie ganz ausgerottet sind vom Ackerboden, den ich ihnen und ihren Vätern gegeben habe.“

Jer 29,17-18: „… so spricht der HERR der Heerscharen: Siehe, ich schicke unter sie Schwert, Hunger und Pest und ich behandle sie wie die verdorbenen Feigen, die vor Schlechtigkeit ungenießbar sind. Ich verfolge sie mit Schwert, Hunger und Pest und mache sie zu einem Bild des Schreckens für alle Reiche der Erde, zum Fluch und zum Entsetzen, zum Hohn und Gespött aller Völker, zu denen ich sie verstoße…“

Jer 32,24: „Siehe: Schon haben sie die Belagerungsrampen bis an die Stadt herangebaut, um sie einzunehmen; durch Schwert, Hunger und Pest ist die Stadt den Chaldäern preisgegeben, die gegen sie ankämpfen. Was du angedroht hast, ist eingetroffen; du siehst es ja selbst.“

Jer 42,17: „Ja, alle, die darauf bestehen, nach Ägypten zu ziehen, um sich dort niederzulassen, werden durch Schwert, Hunger und Pest umkommen. Keiner von ihnen wird entkommen, keiner dem Unheil entrinnen, das ich über sie bringe.“

Die Reihung Schwert, Hunger und Pest kommt genau auf diese Weise am häufigsten bei Jeremia vor. Es sind die Worte Gottes, die Jeremia hier an Israel überbringt. Worte der Drohung und Warnungen, die die Konsequenzen der Gotteslästerung, des Abfalls von Gott und das Nichtbefolgen seiner Weisungen deutlich machen. Es ist die letzte Konsequenz, nach unzähligen Versuchen, das Volk durch die Propheten zur Umkehr zu bewegen (Jer 29,19). Ähnliches ist auch bei Ezechiel zu lesen.

31 Vgl. Giesen, Im Dienst, 264; Satake, Offenbarung, 216

(22)

2.4.3.2 Intertextuelle Bezüge zum Buch Ezechiel32

Ez 5,16-17: „Wenn ich die bösen Pfeile des Hungers abschicke, die Verderben bringen, schicke ich sie ab, um euch zu verderben. Um euren Hunger zu vergrößern, zerbreche ich euch den Brotstab. Ich schicke Hungersnot und wilde Tiere gegen euch, damit sie dir deine Kinder rauben, Und Pest und Blut werden durch dich hindurchziehen. Ich bringe das Schwert über dich.“

Ez 6,11 : „So spricht GOTT, der Herr: Klatsche mit deiner Hand, stampf mit dem Fuß und schreie: Wehe! wegen all der bösen Gräueltaten des Hauses Israel, das durch das Schwert, durch den Hunger und durch die Pest fallen wird.“

Ez 7,15: „Draußen das Schwert, drinnen die Pest und der Hunger. Wer auf dem Feld ist, der stirbt durch das Schwert. Wer in der Stadt ist, den fressen Hunger und Pest.“

Ez 12,16: „Und ich lasse einige von ihnen das Schwert, den Hunger und die Pest überleben, damit sie bei den Völkern, zu denen sie kommen, von all ihren Gräueltaten erzählen. Dann werden sie erkennen, dass ich der HERR bin.“

Ez 14,21: „Wahrhaftig, so spricht GOTT, der Herr: Selbst wenn ich meine vier bösen Strafen, Schwert, Hunger, wilde Tiere und Pest, über Jerusalem bringe, um Mensch und Tier aus ihr auszumerzen,…“

Auch Ezechiel überbringt diese Worte der Drohung. Eine kleine Kontextänderung zeigt sich hier aber. Während Jeremia diese Drohungen als Strafe und Konsequenz der Verfehlungen überbringt, sind sie bei Ezechiel auch immer deutlich mit der Erkenntnis verbunden, dass Gott der Herr ist. Die Plagen erscheinen hier also nicht nur als Strafe, sondern auch als ein Beweis der Macht Gottes jenen seines auserwählten Volkes gegenüber, die andere Götter, Götzen, vorgezogen haben.

Die Reihung Schwert, Hunger Pest zeigt sich hier ebenso wie bei Jeremia. Doch finden sich auch Drohungen, in denen die Reihenfolge abweicht oder die wilden Tiere erwähnt werden. Besonders zu erwähnen ist dabei die Drohung bei 5,16 und 14,21, in der neben der Pest auch die wilden Tiere erwähnt werden. Sind es sonst

32 Vgl. Giesen, Im Dienst, 264, 274; Wengst, Wie lange, 181

(23)

immer drei Strafen, bringt der Prophet hier die Vierzahl mit ein, die auch die Reiter der Offenbarung strukturiert.33

Im Kontext des Alten Testamentes zeigen sich also zwei Kernthemen. Zum einen treten die Plagen nicht einfach so auf. Gott selbst bringt jene Plagen über das Volk.

Aber das macht er nicht ohne einen Grund. Die Plagen sind eine Strafe für Gottlosigkeit, für Gottesabfall und die letzte Konsequenz dieser Sünden. In ihnen erweist sich Gottes Macht, an die nicht mehr geglaubt wird, in ihnen erweist er sich als mächtiger als die Götzen, die sein eigenes Volk anbetet. Zum anderen sieht man die deutliche Reihung von Schwert, Hunger und Pest, die sich auch bei den Reitern der Offenbarung findet. Doch in der Offenbarung werden vier Reiter gerufen, nicht drei. Schwert, Hunger und Pest folgen den letzten drei Reitern.

Nirgends zeigt sich in dieser Reihung der Strafen ein Bogen. Der Bogen als Ausdruck für den Zorn Gottes findet sich im Alten Testament an anderen Stellen.

2.3.4.3 Intertextuelle Bezüge zum Buch Deuteronomium34

Dtn 32,23-25: „Immer neue Not bürde ich ihnen auf, ich setze gegen sie alle meine Pfeile ein. Sie werden ausgemergelt durch den Hunger, verzehrt durch die Pest und die verheerende Seuche. Den Zahn der Raubtiere lasse ich auf sie los, dazu das Gift der im Staube Kriechenden. Auf der Straße raubt das Schwert und in den Zimmern der Schrecken den jungen Mann und das Mädchen, den Säugling samt dem Greis.“

Hab 3,8-9: „HERR, ist dein Zorn gegen die Flüsse entbrannt, gegen die Flüsse dein Zorn und dein Groll gegen das Meer, dass du mit deinen Rossen heranstürmst und mit deinen siegreichen Wagen? Du hast deinen Bogen aus der Hülle genommen, gesättigt sind die Pfeile mit Botschaft.“

Die Pfeile erscheinen hier als Botschaft Gottes, die die Plagen erst bringen. Ob das die Vorlage für den ersten Reiter ist, lässt sich kaum belegen, auch wenn Bogen und Pfeile zumindest an einer Stelle im Zusammenhang mit den anderen Plagen genannt werden. Da Bogen und Schwert im Zusammenhang als Kriegswaffen aber sehr oft im Alten Testament erscheinen, scheint dies kein wirkliches Indiz zu sein.

33 Vgl. Bachmann, Reiter, 259-261; Satake, Offenbarung, 217

34 Vgl. Giesen, Offenbarung, 176; Satake, Offenbarung, 217

(24)

Eine mögliche Erklärung zur Traditionsgeschichte des ersten Reiters zeigt Michael Bachmann. Er geht von der Reihung der Plagen in Offb 6,8c aus, wobei er die dritte Plage, den Tod, als Pest genauer definiert und die vierte Plage, die wilden Tiere, als Abschluss des Todes, der durch alle vorher genannten Plagen eintreten kann.

Da alle anderen Reiter eine Entsprechung in dieser Reihung finden, bleibt nur der erste Reiter auf dem weißen Pferd übrig. Der Reiter auf dem ersten Pferd wäre somit ursprünglich an dritter Stelle genannt worden. Das entspricht auch der Reihung bei Sach 6,1-8. Auch in der ersten Vision von Sacharja steht das weiße Pferd nicht an erster Stelle. Ein weiteres Argument ist die Verbindung von Bogen und Pest, die sich im Alten Testament an den oben genannten Stellen im Deuteronomium und bei Ezechiel findet. Johannes muss den Reiter also dieser Erklärung gemäß nachträglich an die erste Stelle gerückt haben.35

2.5 Detailanalyse von Offb 6,1-8 2.5.1 Der erste Reiter

6,2a 6,2b

καὶ εἶδον,

καὶ ἰδοὺ ἵππος λευκός, 6,2a

6 2b

Und ich sah

und siehe ein weißes Pferd

Da die Farbe des Pferdes schon auf die Aufgabe eines jeden Reiters hinweist, betrachten wir zunächst die Farbe des Pferdes - λευκός (weiß). Der Begriff λευκός taucht in der Offenbarung fünfzehnmal auf und lässt sich grob auf drei Bereiche einordnen.

Eine eschatologisch-soteriologische Bedeutung lässt sich unter anderem in den Sendschreiben belegen, wenn die Sprache von einem weißen Stein ist, mit dem man einen neuen Namen erhält, oder von weißen Gewändern, die einige Leute in der Gemeinde Sardes tragen dürfen, weil sie unbefleckt sind. Dieselben weißen Gewänder werden auch den Märtyrern nach dem Auftreten der vier Reiter gegeben. Ebenso tragen die Geretteten aus allen Nationen und Völkern, die um

35 Vgl. Bachmann, Reiter, 259-265

(25)

den Thron des Lammes stehen, weiße Gewänder, denn sie haben ihre Gewänder im Blut des Lammes weiß gewaschen.36

Eine weitere Bedeutungsebene ist die Zuordnung der Farbe Weiß zum Sieg und den Siegern. Auch diese Bedeutung findet sich bereits in den Sendschreiben, wenn es unter Anderem heißt: „Wer siegt, wird ebenso mit weißen Gewändern bekleidet werden.“ (Offb 3,5) In diesem Zusammenhang erscheint die Farbe wie eine Belohnung für den Sieg.

Nicht zuletzt begegnet die Farbe Weiß als Farbe des himmlischen Bereichs.

Johannes wird von einem „gleich einem Menschensohn“ beauftragt, dessen Haupt und Haare weiß sind. Die vierundzwanzig Ältesten rings um den Thron im Himmel tragen weiße Gewänder. Verstärkt wird dieser himmlische Kontext noch um eine Herrschaftskomponente, wenn der eine „wie ein Menschensohn“ auf einer weißen Wolke thront oder ein weißes Ross aus dem offenen Himmel kommt und sein Reiter die Heere des Himmels auf weißen Pferden in den Krieg führt.37

6,2c καὶ ὁ καθήμενος ἐπ’ αὐτὸν ἔχων τόξον 6,2c und der auf ihm Sitzende hatte einen Bogen

Zum Bogen in den Gerichtsworten Gottes Israel gegenüber wurde schon genug gesagt (2.3.4.3). Auch wurde bereits erwähnt, dass er an vielen Stellen allgemein (oft zusammen mit dem Schwert) als Kriegswaffe erwähnt wird, auch in den Händen der Feinde Israels. Aber dieser Bogen richtet sich im Alten Testament nicht nur gegen Israel. Mit Blick auf die Psalmen und die Prophetenbücher, insbesondere Sacharja finden sich Stellen, an denen Gott diesen Bogen nutzt, um Israel vor seinen Feinden zu schützen und jene zurückzuschlagen.38

6,2d 6,2f

καὶ ἐδόθη αὐτῷ στέφανος καὶ ἐξῆλθεν νικῶν καὶ ἵνα νικήσῃ 6,2d

6,2f

und es wurde ihm eine Krone gegeben und er ging hinaus siegend und um zu siegen.

36 Vgl. Offb 2,17; 3,-5;9,11;7,13--17

37 Vgl. Bachmann, Reiter, 254; Bachmann, Blick, 260-261; Giesen, Offenbarung, 175; Herzer, Reiter, 235, 240; Kraft, Offenbarung, 116; Witulski, Die vier Reiter, 13-35

38 Ps 21,13; Hab 3,9; Sach 9,13-14

(26)

Der Begriff στέφανος erscheint in den Evangelien als Bezeichnung für den Dornenkranz, doch in der Briefliteratur erhält er durchaus eine andere Bedeutung.

Dort erscheint er ausschließlich in positiver Bedeutung, als Zeichen der Anteilhabe am Heil, als Sinnbild für die Gemeinde oder auch als „Kranz des Lebens“ (1 Kor 9,25; Phil 4,1; 1Thess 2,19; 2 Tim 4,8; Jak 1,12; 1 Petr 5,49). Auch in der Offenbarung selbst taucht der Begriff στέφανος auf. Die Ältesten um den Thron tragen Kränze und auch die Frau, die in Offb 12 dem Drachen gegengestellt wird, trägt einen Kranz, in dem zwölf Sterne sitzen. Ebenso trägt der schon besagte Eine

„der wie ein Menschensohn aussah“ auf seinem weißen Wolkenthron einen goldenen Kranz. Doch der Kranz erscheint nicht nur in positivem Kontext. Wirft man einen Blick auf die Plage, die von der fünften Posaune ausgelöst wird, findet man Heuschrecken, die die Menschen quälen. Und auf ihren Köpfen sitzt „etwas, das goldschimmernden Kränzen gleicht“ (Offb 9,7).

Am auffälligsten ist wohl, dass der erste Reiter nicht erst handeln wird. Er ist bereits ein Sieger, was nicht nur durch den ihm bereits verliehenen Kranz ausgesagt wird, sondern auch durch das νικῶν. Er hebt sich dadurch von den anderen Reitern ab, die erst ausgesandt werden, um dann zu handeln. 39

2.5.2 Der zweite Reiter

6,4a καὶ ἐξῆλθεν ἄλλος ἵππος πυρρός

6,4a Und es kam heraus ein anderes Pferd, ein feuerrotes,

Wie weiter oben schon erläutert, fehlt die Wendung „und ich sah und siehe“ bei der Vision des zweiten Reiters. Stattdessen wird das Pferd mit der Formulierung

„ein anderes Pferd“ gesichtet und erscheint dem ersten damit gegengestellt.

Dieses „ἄλλος“ findet sich ebenfalls an einer Stelle, die schon für den ersten Reiter von Bedeutung war. Der Frau in Offb 12, die einen Kranz trägt, folgt ein anderes („ἄλλος“) Zeichen. Das Zeichen des Drachen. Und auch er ist „πυρρός“ (feuerrot).

In beiden Fällen weist die Farbe auf die totbringende Wirkung der Erscheinungen hin. Jedoch findet sich das „ἄλλος“ auch noch in Offb 14,6-9. Dort werden drei

39 Vgl. Bachmann, Reiter, 256-257; Bachmann, Positive, 210; Herzer, Reiter, 240; Witulski, Die vier Reiter Apk 6,1-8, 35-38

(27)

Engelserscheinungen mit diesem Wort eingeleitet, in einer einfachen Aufzählungsreihe. 40

6,4b 6,4c 6,4d 6,4e

καὶ τῷ καθημένῳ ἐπ’ αὐτὸν ἐδόθη αὐτῷ λαβεῖν τὴν εἰρήνην ἐκ τῆς γῆς καὶ ἵνα ἀλλήλους σφάξουσιν καὶ ἐδόθη αὐτῷ μάχαιρα μεγάλη.

6,4b 6,4c 6,4e 6,4e

und dem auf ihm Sitzenden wurde gegeben den Frieden von der Erde zu nehmen und damit sie einander schlachten

und es wurde ihm ein großes Schwert gegeben.

Bei aller totbringenden Erscheinung handelt der Reiter nicht aus eigenem Ermessen. Die Macht, die er besitzt, wurde ihm verliehen zu einem bestimmten Grund. Nicht aus dem Auge verlieren darf man dabei auch, wer die Hervorrufung des Reiters ermöglicht hat. Denn das Siegel wurde von dem Lamm gebrochen. Der Reiter nimmt den Frieden aber nicht durch siegreiche Eroberung von der Welt, sondern durch gegenseitiges Schlachten. Die Stelle erinnert an Mk 13,8-12. Völker erheben sich gegen Völker, Reiche gegen Reiche, Brüder liefern einander dem Tode aus, Väter ihre Kinder lehnen sich gegen ihre Eltern auf und schicken sie in den Tod. Auf den Hintergrund des innerjüdischen Krieges wurde schon weiter oben verwiesen. Eindeutig ist in jedem Fall zu sehen, dass der Reiter auf dem roten Pferd keinen siegriechen, geordneten Krieg zweier konkurrierender Reiche bringt, sondern blutigen Bürgerkrieg, in dem jeder jeden „schlachtet“.

Auch hier ist die passive Formulierung wieder zu beachten. All das, was geschieht, wurde ermöglicht. Der Reiter handelt nicht aus eigenem Ermessen und nicht durch eigenes Vermögen. Das große Schwert wird ihm gegeben. Ein großes Schwert findet sich im Alten Testament auch in der Hand Gottes. In Jes 27,1 erschlägt er damit den Leviathan, in Jes 34,5 hält er damit ein Schlachtfest ab in Edom. Und dieses Schwert ist voll von Blut. 41

2.5.3 Der dritte Reiter

6,5f 6,5g

καὶ ἰδοὺ ἵππος μέλας,

καὶ ὁ καθήμενος ἐπ’ αὐτὸν ἔχων ζυγὸν ἐν τῇ χειρὶ αὐτοῦ 6,5f und siehe ein schwarzes Pferd

40 Vgl. Bachmann, Reiter, 247-248, 254-256; Giesen, Im Dienst, 275-277; Murillo Soberanis, Christusvisionen, 160-161

41 Vgl. Giesen, Offenbarung, 174; Giesen, Im Dienst, 276

(28)

6,5g und der auf ihm Sitzende hatte eine Waage in seiner Hand.

Wie auch bei den anderen Pferden deutet die Farbe schon eine Funktion an, in diesem Fall mit der schwarzen Farbe deutlich eine negative. Deutlicher ist dann die Waage in der Hand des Reiters. Die Nahrung abwiegen zu müssen, ist schon im Alten Testament bei Lev 26,26 und Ez 4,16 die Symbolhandlung für die bestehende Hungersnot, Anzeichen dafür, dass die Nahrung rationiert werden muss.42

6,6a 6,6b 6,6c 6,6d

καὶ ἤκουσα

ὡς φωνὴν ἐν μέσῳ τῶν τεσσάρων ζῴων λέγουσαν·

χοῖνιξ σίτου δηναρίου καὶ τρεῖς χοίνικες κριθῶν δηναρίου, καὶ τὸ ἔλαιον καὶ τὸν οἶνον μὴ ἀδικήσῃς.

6,6a 6,6b 6,6c 6,6d

Und ich hörte,

wie eine Stimme in der Mitte der vier Wesen sagte:

„Ein Maß Weizen für einen Denar und drei Maß Gerste für einen Denar, und beschädige das Öl und den Wein nicht!“

Die Stimme, die spricht, kommt aus der Mitte der vier Wesen, aus dem göttlichen Bereich, dort wo das Lamm sich befindet. Auch hier wird wieder deutlich, nicht der Reiter bringt die Plage. Er ist nur ein ermächtigtes Werkzeug, ein „Handlanger“.

Wie hoch die angegebenen Preise sind, zeigt ein Blick ins Matthäusevangelium.

Dort wird der Tageslohn eines ungelernten Arbeiters mit einem Denar angegeben (Mt 20). Ein Maß Weizen ist die Tagesration einer einzigen Person. Im Vergleich mit außerbiblischen Angaben zeigt sich, dass der Preis für Weizen und Gerste zu dieser Zeit auf einem Zehntel des hier befohlenen Preises lag. Die Teuerung um ein Zehnfaches ruft also zwangsläufig eine Hungersnot hervor, die bis zum Hungertod geht. Dass die Teuerung sich nur auf Weizen und Gerste, nicht aber auf Öl und Wein erstreckt, lässt sich mit einem Blick in die damalige Wirtschaft erklären. In Kleinasien wurden vor allem Oliven und Wein angebaut. Getreide hingegen musste importiert werden, was zu Kriegszeiten stark erschwert wird. Ein weiterer Aspekt liegt in der Anbauweise. Sowohl Oliven als auch Wein sind mehrjährige Pflanzen. Fällt die Aussaatzeit ein oder mehrere Jahre aus, wächst die Pflanze weiter und kann wieder abgeerntet werden, sobald die Möglichkeit dazu

42 Vgl. Satake, Offenbarung, 219

(29)

besteht. Getreide hingegen muss jedes Jahr neu ausgesät werden. Fällt diese Aussaat aus, bleibt das Feld leer und die Ernte bleibt aus.43

2.5.4 Der vierte Reiter

6,8a 6,8b

καὶ εἶδον,

καὶ ἰδοὺ ἵππος λωρός, 6,8a

6,8b

Und ich sah

und siehe, ein fahles Pferd

Das Wort „χλωρός“ wird eigentlich mit der Farbe Grün übersetzt. Dabei ist aber eher nicht an die grüne Farbe von Gras zu denken. Vielmehr ergibt sich durch den Zusammenhang mit der Benennung des Reiters eine Assoziation mit dem Grün der Verwesung und Schimmel. Auch erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang das Verb χλωρίζομαι, das für die Beschreibung von Aussatzbefall benutzt wird. Sowohl Aussatz als auch Schimmel und Verwesung erzeugen keine einheitliche Farbe, viel mehr erscheint sie fleckig. Ein Rückblick auf die Vision des Sacharja bei Sach 6,1-8 zeigt als letztgenannte Pferde jene, die als „gescheckt“, also fleckig bezeichnet werden, was die Bezeichnung „χλωρός“ in Übereinstimmung mit der Sacharjavision bringt.44

6,8c 6,8d 6,8e 6,8f 6,8g

καὶ ὁ καθήμενος ἐπάνω αὐτοῦ ὄνομα αὐτῷ [ὁ] θάνατος, καὶ ὁ ᾅδης ἠκολούθει μετ’ αὐτοῦ

καὶ ἐδόθη αὐτοῖς ἐξουσία ἐπὶ τὸ τέταρτον τῆς γῆς ἀποκτεῖναι ἐν ῥομφαίᾳ καὶ ἐν λιμῷ καὶ ἐν θανάτῳ καὶ ὑπὸ τῶν θηρίων τῆς γῆς.

6,8c 6,8d 6,8e 6,8f 6,8g

und der auf ihm Sitzende, sein Name ist der Tod.

und das Totenreich folgte ihm

und es wurde ihnen Macht über ein Viertel der Erde gegeben zu töten mit Schwert und mit Hunger und durch den Tod und durch die wilden Tiere der Erde.

Dass der Tod hier einen eigenen Namen erhält, personifiziert ihn. Das entspricht der Tradition der Schriften Israels. So steigt der Tod in Jer 9,20 durch das Fenster in die Paläste ein, in Hos 13,14 wird er ebenso direkt angesprochen, wie auch die Unterwelt. Diese Unterwelt, das Totenreich, der Hades, folgt dem Tod. Dieses Totenreich kommt auch an anderen Stellen der Offenbarung noch vor. Es ist der Ort, an dem die Toten verweilen, bis sie dem göttlichen Gericht übergeben

43 Vgl. Giesen, Offenbarung, 177-178; Roloff, Offenbarung, 81; Wengst, Wie lange, 179-180

44 Vgl. Giesen, Im Dienst, 280

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