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Semantische Motive in apokalyptischen Filmen

a) Zerstörung

Allen Filmen und Serien gemeinsam ist die Zerstörung des Bereiches, in dem sich die Protagonisten bewegen. Meistens handelt es sich dabei um eine Stadt, ein Gebiet, oder die drohende Zerstörung der ganzen Welt. Im oben genannten Film Independence Day werden als Vorankündigung der Invasion die Machtzentren der Weltbevölkerung zerstört, in The Day After Tomorrow versinkt die nördliche Erdhalbkugel unter einer arktischen Eisschicht, die ein dortiges Leben unmöglich macht. Die Zerstörung erfolgt auch durch Feuer, atomare Katastrophen, Überflutungen oder Virenausbrüche, was aktuell besondere Relevanz bekommen hat. Dabei bleibt diese Zerstörung niemals ein anonymes Geschehen. Dem Zuseher werden Identifikationsfiguren angeboten, an denen sich die ganze Auswirkung der Katastrophe auf ein individuelles Leben zeigt. Es gibt aber auch Filme, die sich ganz auf ein individuelles Leben konzentrieren und dessen individuelle Zerstörung zeigen, wie beispielsweise Lost Highway von David Lynch.

b) Tod

Ein weiteres Zentralthema ist der Tod. Gerade die allgegenwärtige Darstellung des Todes zeigt die Realität der Zerstörung. Die Darstellungsformen sind dabei vielfältig. Opferzahlen werden in filmimmanenten Nachrichtensendungen genannt, das Sterben einzelner Personen oder ganzer Personengruppen wird wirkungsvoll am Bildschirm inszeniert, teils begleitet von einer verzweifelnden Hauptfigur, die dem Zuseher als Identifikationsfigur dient. In anderen Fällen ist es auch genau diese Identifikationsfigur, die einen Tod herbeiführt, ob als Folge von Verkettung unglücklicher Ereignisse, in Notwehr wie in Independence Day, als Heldenopfer beispielsweise in Armageddon oder als Mord wie in Lost Highway.

136 Vgl. Loretan/Martig, Weltuntergang, 47-49

137 Vgl. Pezzoli-Olgiati, Vom Ende der Welt, 264-275

c) Die Stadt

Die Stadt als Zentrum der Gesellschaft ist ein weiteres Kernthema. Hier entfaltet sich die aktuelle Schöpfung, hier ist der Sitz der Macht. Mit ihrer Zerstörung wird auch die herrschende Gesellschaft und damit verbunden die „erste, unvollkommene Schöpfung“138 zerstört. Zum einen zeigt sich in dieser Stadt verbunden mit der Macht und dem Wissen die Möglichkeit, das Geschehen noch zu verhindern oder die Katastrophe zu überleben, wie in The Day After Tomorrow, wenn die Bibliothek zur zeitweiligen Zuflucht vor dem Eis wird, oder in Armageddon, wenn ein Team ins All geschickt wird, um den Meteoriteneinschlag zu verhindern. Zum anderen kann aber auch genau diese Stadt zu einer Todesfalle werden, wenn sich etwa wie in Volcano Lava durch die Straßen ergießt und die Häuser oder der Verkehr ein Entrinnen verhindern, oder wenn die Versorgung mit den Errungenschaften der modernen Zivilisation zum Erliegen kommt.

d) Familie als Hoffnungsträger

Dabei erweist sich oft die Familie als Grundstein für eine neue Gesellschaft. The Day After und The Children of Men sind nur zwei Beispiele, in denen die Geburt eines neuen Kindes Hoffnung verkünden. Auch zerstrittene Familien werden in gerade jenen Krisensituationen, die apokalyptische Filme zeigen, wieder zusammengeführt und Konflikte zwischen den Generationen gelöst. Wie wichtig dieses Thema der Hoffnung auf neues Leben und eine neue Gesellschaft ist, erweist sich, wenn Kinder gegen alle Widernisse verteidigt und beschützt werden.

e) Die gesamte Menschheit

Diese Hoffnung auf eine neue Gesellschaft zeigt sich auch in jenen Filmen, die diesen Blick von der Familie auf die gesamte Menschheit erweitern, wenn etwa die abschließende Zusammenarbeit der Völker zum Neuaufbau dargestellt wird, weltweit die Überlebenden zu sehen sind oder die unzerstörte Erde sich im dunklen All dreht.

138 Pezzoli-Olgiati, Vom Ende der Welt, 264

f) Transformationsprozesse

Abseits von den semantischen Motiven finden sich in vielen Filmen jene Transformationsprozesse, die die Johannesoffenbarung bestimmen: Von einer unsicheren Gegenwart führen die Ereignisse hindurch durch eine Krise, bis hin zu einer neuen, stabilen Situation. Die drohende weltweite Zerstörung wird dabei oft schon durch eine Teilzerstörung angekündigt. In Independence Day zerstören die Invasoren erst die Hauptstädte der Erde und kündigen die Invasion damit an. In The Day After Tomorrow warnt ein Wissenschaftler sogar vor der klimatischen Katastrophe, bevor sie hereinbricht. Die Phase der Krise fordert dann weitreichende Opfer, bevor die Überlebenden einen Neubeginn starten können.

g) Persönliche Transformationsprozesse und Retterfiguren

Eine andere Transformation bezieht sich auf Individuen, die am Anfang oft unwichtig erscheinen. Doch sie bewähren sich durch die Krise hindurch, entwickeln ungeahnte Fähigkeiten und erweisen sich am Ende als „messianische“

Retter. Gerade dadurch ermöglichen sie die Transformation von der alten zur neuen Welt. In den Blockbustern aus Hollywood steht dieser Held oft in Beziehung mit den Behörden. Dieses Motiv lässt sich oft in Beziehung setzen zum semantischen Motiv der Familie, insofern die Beziehung des Helden zu seinen Vorgesetzten als Vater-Sohn-Beziehung gesehen werden kann. Die Beziehung ist zu Beginn gespalten und erst durch die Ereignisse kommt es zu einem Umdenken und zur Versöhnung, sofern der „böse“ Machthaber nicht im Laufe der Ereignisse stirbt und durch einen „guten“ ersetzt wird. In jedem Fall aber vollzieht sich eine Transformation des einzelnen Menschen und der ihm zugeordneten Machthaber.

h) Reisen zwischen Welten und Gegenwelten

Meist ist es die Stadt, die zu Beginn als Zentrum der Zivilisation gezeigt wird. Doch jene Stadt wird zerstört und die Rettung erweist sich an oft entgegen gesetzten anderen Orten, an denen eine neue Gesellschaft entstehen kann. Was vor der Katastrophe der Kernpunkt der Gesellschaft war, ist nach der Katastrophe nicht mehr lebensdienlich. Etwas neues muss gefunden werden. Als Gegenwelten werden Stadt und Land gezeigt, Arktis und tropische Inseln, Erdoberfläche und Untergrund, oder auch Erde und All, wie in der Serie Earth 2, in der die Flucht von

der toxisch gewordenen Erde ins All führt, zu einer neuen Erde, die sich am Anfang als Paradies erweist, nur um wieder zu einer Gegenwelt zu werden.

i) Apokalyptischer Film als Vision und selbstreflexive Anspielungen

Nicht zuletzt beziehen sich manche Filme und Serien nicht nur indirekt durch semantische Motive oder Transformationsprozesse auf die Offenbarung des Johannes, sondern auch direkt, indem sie sich explizit darauf beziehen, durch Zitate, Anspielungen im Film oder auch direkt durch den Titel, wie im Fall von Armageddon. Oft beziehen sich diese Hinweise auf das Ausmaß der Katastrophe, die kommen wird. So wird zum Beispiel in der Serie Supernatural aus der Johannesoffenbarung zitiert, um das volle Ausmaß vergangener Geschehnisse zu verstehen oder einen Vorausblick auf das zu haben, was kommen wird. Die Protagonisten wissen, dass die Apokalypse begonnen hat, weil sie die Johannesoffenbarung von einem Kundigen gezeigt bekommen. Priester und Engel legen die aktuellen Ereignisse auf die Verse der Johannesoffenbarung um. Die Worte dieses Buches sind allgegenwärtig.

Aber auch der Visionscharakter spielt eine wichtige Rolle in vielen Filmen. Oft ist es zudem erst im Nachhinein ersichtlich, dass die Filmszene eine Vision war. In Lost Highway beispielsweise besteht, rückblickend, ein Großteil des Films aus einer Vision des Protagonisten, mit der er sich aus der Ausweglosigkeit der Realität rettet. Aus theologischer Sicht bleibt noch die Frage nach der Rolle Gottes bei diesen intertextuellen Bezügen auf die Offenbarung des Johannes. Meistens ist Gott als transzendente Figur da. Er hat „dem Helden beizustehen.“139 Und das ist seine einzige Funktion.