• Keine Ergebnisse gefunden

Fragestellung und methodisches Vorgehen

Ziel dieser Arbeit ist es, anhand eines konkreten Beispiels zu untersuchen, wie biblische Themen in Populärmedien umgesetzt werden.

Die Forschungsfrage lautet daher: „Wie werden die vier apokalyptischen Reiter in Eric Kripkes Serie „Supernatural“ rezipiert?“

Auch wenn unterschiedlichste Mythologien mit integriert sind, beruht das Grundkonzept dieser Serie auf dem jüdisch-christlichen Weltbild und richtet sich speziell in den ursprünglichen fünf Staffeln stark nach der „Offenbarung des Johannes“ aus. Ausgehend von der Relevanz des Themas soll mit wissenschaftlichen Methoden erforscht werden, wie viel von der Bibel wirklich in dieser Serie steckt. Dazu wird in dieser Arbeit der Teilbereich der vier apokalyptischen Reiter in Offb 6,1 -8 herangezogen und genau untersucht, wie diese Textstelle in der Serie rezipiert wird. Herausgefunden werden soll, ob eine solche Serie als Schlüssel zur Bibel dienen kann oder ob es sich hier nur um eine Verwendung der biblischen Bilder ohne inhaltlichen Zusammenhang handelt.

2 Zwick, Bibel, 569-570

Untersucht wird, wie getreu sich die Serie an die Vorlage hält, welche Aspekte ausgelassen oder zugefügt werden und auf welche Art und Weise die Worte zu Bildern in Ton und Bewegung geformt werden. Weiters wird mit Blick auf die bisherige Rezeptionsgeschichte von Offb 6,1-8 untersucht werden, ob und welchen rezeptionsgeschichtlichen Interpretationen die Serie folgt oder ob es bei einer rein oberflächlichen, instrumentalisierenden Vereinnahmung bleibt.

Zu diesem Zweck ist eine gründliche exegetische Analyse unerlässlich. Die dahingehende Forschung hat als Hauptthema mit wechselhaftem Konsens das Verhältnis des ersten Reiters zu den anderen und bewegt sich im Spannungsverhältnis zwischen kontrastiven und integrativen Konzepten, sowie zwischen symbolischen oder personalen Interpretationen.

In einem weiteren Schritt wird die Serie in Entsprechung der exegetischen Analyse einer Filmanalyse unterzogen. Ein Schwerpunkt wird dabei auf die Handlungsanalyse des Auftretens der Reiter und einer entsprechenden Figurenanalyse gelegt. In einem dritten Schritt schließlich werden die Ergebnisse der exegetischen Analyse und der Filmanalyse in Zusammenhang gebracht und miteinander verglichen.

2 Exegetische Analyse von 6,1-8 2.1 Der Text: Offb 6,1-8

A) Der Text im Novum Testamentum Graece (Nestle-Aland), 28. Auflage3: 1a

3 Aland, Novum Testamentum Graece

B) Die deutsche Übersetzung von Katerina Murillo Soberanis4

dass das Lamm das erste von den sieben Siegeln öffnete und ich hörte eines der vier Wesen

sagend wie mit einer Donnerstimme:

und der auf ihm Sitzende hatte einen Bogen und es wurde ihm eine Krone gegeben und er ging hinaus siegend

Und als es das zweite Siegel öffnete, hörte ich das zweite Wesen

Und es kam heraus ein anderes Pferd, ein feuerrotes, und dem auf ihm Sitzenden wurde gegeben

den Frieden von der Erde zu nehmen und damit sie einander schlachten

und es wurde ihm ein großes Schwert gegeben.

5a

Und als es das dritte Siegel öffnete, hörte ich das dritte Wesen

sagend:

„Komm!“

und ich sah

und siehe ein schwarzes Pferd

und der auf ihm Sitzende hatte eine Waage in seiner Hand.

Das Öffnen des

wie eine Stimme in der Mitte der vier Wesen sagte:

„Ein Maß Weizen für einen Denar und drei Maß Gerste für einen Denar,

Und als es das vierte Siegel öffnete, hörte ich die Stimme des vierten Wesens sagend:

und der auf ihm Sitzende, sein Name ist der Tod.

und das Totenreich folgte ihm e

f g

und es wurde ihnen Macht über ein Viertel der Erde und über die Tiere der Erde gegeben

zu töten mit Schwert und mit Hunger und durch den Tod.

(und durch die wilden Tiere der Erde.) 5

Vollmacht der vier Reiter

4 Murillo Soberanis, Christusvisionen, 152-153

5 Murillo Soberanis fügt V8g nicht der Reihung der Plagen zu, sondern dem Machtbereich der Reiter.

2.2 Aufbau

Bei allen Differenzen der Forschung besteht doch eine generelle Einigkeit darüber, dass bei Offb 6,1-8 grundsätzlich ein paralleler Aufbau besteht. Zur leichteren Übersicht ist der Text nachfolgend tabellarisch aufgeschlüsselt.

Erster Reiter

Die parallele Konzeption der vier Einzelsegmente ist so aufgeschlüsselt klar zu erkennen. In einem ersten Schritt öffnet das Lamm ein Siegel. Ist das Siegel gebrochen, hört der Seher eines der vier Wesen, das eine Aufforderung ausspricht.

Diskussionen herrschen hierbei darüber, ob das „Komm!“ an die Reiter oder an den Seher gerichtet ist.

Mit Ausnahme des zweiten Reiters folgt darauf die sich wiederholende Einführungsformel des Sehers „Und ich sah und siehe…“, woraufhin das Pferd,

beschrieben durch dessen Farbe, genannt wird und zuletzt der Reiter durch seine Aufgabe und seine Insignien genauer definiert wird.

Doch bei genauerer Betrachtung finden sich, wie gerade angedeutet, innerhalb der parallelen Konzeption auch etliche Eigenheiten und Abweichungen.

Schon bei der Einleitung durch den Seher ist beim zweiten Reiter eine Leerstelle zu finden. Das „Und ich sah und siehe“ fehlt. Stattdessen erscheint das Pferd mit derselben Wendung (ἐξῆλθεν), mit der auch die Aufgabe des ersten Reiters beschrieben wird, wenn es heißt, „…und er ging hinaus (ἐξῆλθεν) siegend, um zu siegen.“ Eine weitere Eigenheit an dieser Stelle ist die „Insignie“, das Attribut des zweiten Reiters. Erst nach der Bezeichnung seiner Aufgabe wird sein Attribut, das große Schwert, genannt, während bei den anderen Reitern die Insignien, die schon einen Hinweis auf die Aufgabe geben, vor der Erläuterung ihrer Aufgabe genannt werden.

Dem dritten Reiter wird seine Insignie nicht gegeben. Er hat die Waage schon in der Hand. Stattdessen wird er als einziger der Vier von einer „Stimme in der Mitte der Wesen“ beauftragt.

Eine weitere Unregelmäßigkeit ist hier beim vierten Reiter zu sehen. Seine Aufgabe wird explizit gar nicht erst genannt, sondern vielmehr definiert durch sein Attribut, seinen Begleiter: das Totenreich. Hingegen ist der vierte Reiter der einzige Reiter, der mit einem Eigennamen bezeichnet wird.

Direkt darauf folgt die Ermächtigung der Reiter zu töten: mit dem Schwert, dem Hunger und dem Tod. Auffallend hierbei ist, dass die Attribute des zweiten, dritten und vierten Reiters explizit genannt werden, nicht aber jenes des ersten Reiters, der Sieg.Hier stellt sich die Frage nach dem Warum. Näher betrachtet könnte hier natürlich V2d-f „und es wurde ihm eine Krone gegeben und er ging hinaus siegend und um zu siegen” als eigenständige Ermächtigung des ersten Reiters gelesen werden, doch spricht dagegen der parallele Ablauf des folgenden Abschnitts. Auch dem zweiten Reiter wird sein Attribut, das Schwert, gegeben und auch in seinem Fall erhält er eine eigenständige Aufgabe, nämlich “…den Frieden von der Erde zu nehmen und damit sie sich einander schlachten.”

Diese Stelle ist aber nur die letzte Abweichung von vielen, die beim ersten Reiter zu beobachten sind und die Frage aufwerfen, ob der erste Reiter nun voll und ganz in einer Reihe mit den anderen Dreien steht oder ob er eine Sonderstellung einnimmt.

Nur beim ersten Reiter spricht eines der Wesen „wie mit einer Donnerstimme“, während der Seher die drei anderen Wesen nur „sagend“ hört. Eine weitere Auffälligkeit sind die doppelten Attribute. Der erste Reiter hat bereits einen Bogen, so wie der dritte Reiter auch schon eine Waage in der Hand hält, zusätzlich wird ihm aber auch noch eine Krone6 verliehen, gemeinsam mit der damit verbundenen Aufgabe, entgegen gesetzt parallel aufgebaut zu V4, in dem dem zweiten Reiter erst die Aufgabe übertragen und dann das Schwert verliehen wird, wie bereits weiter oben erwähnt.

Die auffälligste Abweichung ist sicherlich die Art und Weise seines Auftretens. Das Handeln des ersten Reiters wird aktiv geschildert. Er „ging hinaus siegend um zu siegen“.

Bei genauerer Betrachtung ist also deutlich zu erkennen, dass die Parallelität der vier Segmente nicht so eindeutig ist, wie auf den ersten Blick.

Während in der Forschung aus dieser Erkenntnis teils eine Gegenüberstellung des ersten Reiters zu den anderen Dreien herausgelesen wird7, demgegenüber aber auch oft auf der Gleichstellung der vier Reiter beharrt wird8, erkennt Katerina Murillo Soberanis in dieser Struktur eine abgestufte Beschreibung, die den ersten Reiter hervorhebt und somit die integrativen, sowie die kontrastiven Forschungsstandpunkte ein Stück weit vereint:

„Auf den zweiten Blick weist die Struktur dieses Zyklus mithin eine innere Dynamik auf, die eine strenge Parallelität sprengt. Die Beschreibungen der Reiter werden immer kürzer;

der erste Reiter wird vergleichsweise ausführlich gekennzeichnet, der letzte Reiter hingegen wird nur noch beim Namen genannt. Anders gesagt, der weiße Reiter wird herbeigerufen, knapp charakterisiert, beauftragt und letztendlich bricht er auf. Der zweite Reiter wird nur bis zu seiner Beauftragung geschildert, die mit einem Übergaberitual beschlossen wird. Eine solche Übergabe fehlt bei dem dritten Reiter; in seinem Fall bleibt

6 In der Elberfelder Bibel als „Kranz“ übersetzt, in der Einheitsübersetzung als „Siegeskranz“.

7 So v.a. Bachmann, Blick

8 So z.B. Kraft, Offenbarung; Wengst, Wie lange

nur noch die mündliche Beauftragung. Der vierte Reiter wird nur noch benannt. Auf struktureller Ebene wird der weiße Reiter mithin hervorgehoben. Er steht an der Spitze der Reitergruppe, er wird am ausführlichsten geschildert und er reitet den anderen voraus.“9

Eine vollkommen andere Sichtweise ergibt sich natürlich, wenn man die Verse 8e-g nicht auf die vier Reiter bezieht, sondern nur auf den vierten Reiter. Der Plural ergäbe sich in diesem Fall daraus, dass die Macht dem vierten Reiter Tod und seinem Begleiter Hades verliehen wird. In diesem Fall würde der vierte Reiter die Machtbereiche des zweiten und dritten Reiters, das Schwert und den Hunger, ebenfalls innehaben. Sein Machtbereich wäre demnach auf ein Viertel der Erde beschränkt, der Machtbereich der anderen Reiter aber nicht.10 Zum einen würde dies dem sichtlich gewollt parallelen Aufbau der Textstelle widersprechen. Zum anderen hätte der Begleiter Hades in diesem Fall aber dieselbe Macht wie der vierte Reiter und würde als gleich zu wertende Größe neben ihm stehen und wäre somit ein „fünfter Reiter“. In dieser Hinsicht erscheint es mir dem Text entsprechender, die Verse als Abschluss des gesamten Abschnitts und nicht als alleinige Ergänzung des vierten Reiters zu lesen.

2.3 Kontext und Textabgrenzung

Der visionäre Teil der Johannesoffenbarung in Offb 4-22,5 ist geprägt von drei Reihen aus je sieben Visionen, die wiederum von Zwischenteilen gerahmt werden und teils auseinander erwachsen. Jede Plagereihe überbietet dabei die vorherige im Ausmaß ihrer Ereignisse und deren Folgen. Die drei Reihen erscheinen dabei schon ursprünglich deutlich als eine Einheit konzipiert. Da es kaum spezifisch christliche Elemente gibt, lässt sich darauf schließen, dass die Gesamtkonzeption ursprünglich jüdisch war und die christlichen Elemente sowie die einleitende Handlung des Lammes erst im Nachhinein eingefügt wurden. Die Visionsreihen haben dabei als Grundthema die Plagen gegen die Gottlosen. 11 Diese Gliederung ist zwar nicht unumstritten, so gibt es auch Vorschläge, die Ereignisse nicht nach

9 Murillo Soberanis, Christusvisionen, 159

10 Vgl. Satake, Offenbarung, 220

11 Vgl. Satake, Offenbarung, 70; Giesen, Offenbarung, 51

Visionsreihen, sondern nach Thematik zu gliedern, doch erscheint mir die oben beschriebene Gliederung im Zusammenhang dieser Arbeit als sinnbringender.12 Die vier apokalyptischen Reiter erscheinen im Rahmen dieser ersten Visionsreihe, die durch das Brechen der Siegel angezeigt wird, direkt zu Beginn. Sie leiten das endzeitliche Geschehen ein und nehmen den Frieden von der Erde, bereiten damit den Boden für die kommenden Ereignisse. Ihnen folgt der Rachewunsch der Märtyrer mit dem fünften Siegel, das sechste Siegel lässt das ganze Unheil kosmisch werden und nach einem kurzen Zwischenspiel, einer „Ruhephase“13, wird das siebte Siegel gebrochen, das die nächste Visionsreihe eröffnet. 14

Die vier Reiter erscheinen jedoch nicht per Zufall. Jeder Reiter wird mit dem Brechen eines Siegels herbeigerufen. Doch nicht von Irgendjemandem. Nur das Lamm, das wie geschlachtet aussieht, hat die Macht, die Siegel zu brechen. Das endzeitliche Geschehen entspringt also der Macht Christi, ist sein Wille. Insofern kann diese Visionsreihe als „indirekte Heilszusage“15 und damit Trost gesehen werden und ist ein weiterer Beweis für die allumfassende Macht des Lammes, die im Laufe der folgenden Texte immer wieder gezeigt wird.16

Bei aller Unstimmigkeiten zur Gliederung ist doch der Anfang der Einheit unumstritten. Zwar fehlen die sonst prägenden Anzeichen wie Ortswechsel oder Gattungswechsel und auch Zeitangaben finden sich keine. Doch es zeigt sich ein klarer Schnitt zur vorhergehenden Vision des Thronsaals. Diese wird sehr deutlich beendet durch ein Schlusswort, in dem die vier Lebewesen und die vierundzwanzig Ältesten ihr Amen sprechen und betend niederfallen. Mit dem für ihn typischen Strukturelement „Dann sah ich“ leitet der Seher in Offb 6,1 eine neue Vision ein, die sich durch ihre inhaltliche Beschreibung und die Akteure vom vorhergehenden abhebt. Waren die vier Lebewesen in der vorhergehenden Einheit immer nur zusammen und mit den vierundzwanzig Ältesten genannt, treten sie nun einzeln auf. Die vierundzwanzig Ältesten werden gar nicht mehr genannt. Weiters

12 Vgl. Roloff, Offenbarung, 23-24

13 Alkier, Johannesapokalypse, 164

14 Vgl. Alkier, Johannesapokalypse, 164; Giesen, Offenbarung, 174

15 Satake, Offenbarung, 215

16 Vgl. Roloff, Offenbarung, 24; Giesen, Offenbarung, 172

verwendet der Seher mit „und ich sah und siehe“ ein weiteres Strukturelement, das erst mit der Vision des ersten Reiters auftaucht und nach der Vision des vierten Reiters auch nicht mehr genannt wird. Somit deutet sich bei Offb 6,9 auch das Ende der Perikope an. Zwar leitet der Seher auch diese Vision mit der Wendung

„Dann sah ich“ ein, doch fehlt das „und ich sah und siehe“. Auch ändert sich ab jetzt die Struktur der Verse vollkommen. Die folgenden Ereignisse werden nicht mehr von einem der vier Wesen hervorgerufen und es folgen auch keine weiteren Reiter. Ihre Zahl war mit dem vierten Reiter, dem Tod, bereits vollständig. Ab jetzt beginnt das Sehen der den Reitern nachfolgenden Ereignisse.

2.4 Intertextuelle Bezüge

17

2.4.1 Die kulturellen und motivischen Einflüsse

Wie auch die anderen Bücher der Bibel ist die Offenbarung nicht für sich alleinstehend entstanden. Sie wurde beeinflusst durch zeitgeschichtliche Ereignisse und politische Situationen. Sie steht in der langen und reichen Erzähltradition Israels, die sich aus den verschiedensten Textgattungen zusammensetzt. Der Verfasser schöpft aus seinem breiten Wissen dieser Tradition. Das Alte Testament wird zwar an keiner Stelle zitiert, aber zahllose Motive, Bilder und Visionen stammen aus den Texten Israels, insbesondere aus den Büchern der Propheten Ezechiel, Sacharja, Joel und Daniel.18 Diese Anspielungen sind dabei nicht zufällig gewählt. Sie haben Bedeutung. Liest man Offb 6,1-8 in Zusammenhang mit den Texten und Motiven, auf die diese Perikope Bezug nimmt, ergeben sich weitere Bedeutungsebenen und Blickwinkel. Der Verfasser muss diese Textstellen nicht zitieren. Er kennt seine Adressaten, steht mit ihnen in regem Austausch und kann davon ausgehen, dass sie dieselbe Kenntnis wie er besitzen und die zugrunde liegenden Textstellen kennen. Sie erkennen den Zusammenhang auch ohne direktes Zitat der Schriften. Johannes

17 Vgl. Vgl. Bachmann, Reiter, 247-253, 259-265; Bachmann, Positive,209-213; Herzer, Reiter, 230-242; Giesen, Offenbarung, 174-178; Giesen, Im Dienst, 275-282; Kraft, Offenbarung, 114-118;

Murillo Soberanis, Christusvisionen, 159-163; Roloff, Offenbarung, 79-82; Satake, Offenbarung, 214-220; Wengst, Wie lange, 175-182

18 Vgl. Roloff, Offenbarung, 30-31

bezieht sich aber nicht nur auf die Schriften Israels. Er verwendet ebenso Motive aus außerisraelischen Texten und Traditionen.

Kleinasien war zur Zeit des Verfassers von zwei weiteren Kulturen geprägt. Zum einen stand das Gebiet unter römischer Herrschaft und war damit von römisch-hellenistischer Kultur durchzogen. Zum anderen lag das Gebiet in direkter Nachbarschaft zum Partherreich. Beide Kulturen finden sich in der Offenbarung des Johannes in Bildmotiven, aber auch in zeitgeschichtlichen Anspielungen wieder. Solche zeitgeschichtlichen Anspielungen finden sich aber auch in Bezug auf die Ereignisse in Israel. So kann beispielsweise ein Vergleich der beschriebenen Visionen und der Darstellungen des „Jüdischen Krieges“ bei Josephus Flavius darauf schließen lassen, dass der Verfasser Augenzeuge der Kriegsereignisse war.19 All diese intertextuellen Zusammenhänge werden im Folgenden untersucht.

2.4.2 Die vier Reiter – Bezüge zu Sacharja

20

Als ein wesentliches Element von Offb 6,1-8 haben sich die vier Reiter gezeigt. Sie sind das dominierende Hauptelemente der Perikope. Sie strukturieren den Text, sie geben ihm seine Einheit und grenzen ihn von den umliegenden Texten ab.

Zudem sind sie neben den vier Lebewesen die Protagonisten dieser Textstelle. Ein Blick in die Schriften des Alten Testamentes zeigt, dass das Bild der Reiter keines ist, dass Johannes ohne besonderen Grund gewählt hat. Es findet sich bereits im Buch Sacharja, genauer in den Nachtgesichten des Sacharja.

Sach 1,8-1121: „In dieser Nacht hatte ich eine Vision: Siehe, ein Mann, der auf einem roten Pferd ritt. Er stand zwischen den Myrtenbäumen, die an der Wassertiefe sind, und hinter ihm waren rotbraune, fuchsrote und weiße Pferde. Ich fragte: Mein Herr, was bedeuten diese Pferde? Und der Engel, der mit mir redete, sprach: Ich will dich sehen lassen, was sie bedeuten. Da ergriff der Mann, der zwischen den Myrtenbäumen stand, das Wort und sagte: Das sind die, welche der HERR gesandt hat, damit sie die Erde durchziehen. Und sie

19 Vgl. Satake, Offenbarung, 35; Wengst, Wie lange, 32; Roloff, Offenbarung, 17

20 Vgl. Bachmann, Positive, S 212-213; Giesen, Im Dienst , 263; Roloff, Offenbarung, 80; Satake, Offenbarung, 216

21 Die Bibel - Einheitsübersetzung. Sämtliche folgendenden deutschen Übersetzungen sind der Einheitsübersetzung von 2017 entnommen.

meldeten dem Engel des HERRN, der zwischen den Myrtenbäumen stand: Wir haben die Erde durchzogen - und siehe, die ganze Erde ruht und liegt still.“

Reiter findet sich hier zwar nur einer, aber die Vierzahl der Pferde und ihrer Farben ist schon hier zu sehen: es gibt ein rotes Pferd, rotbraune, fuchsrote und weiße Pferde. Zwei dieser Farben finden sich auch bei Johannes wieder. Auch wenn die Pferde hier im Gegensatz zu Offb 6,1-8 nicht aktiv in das Geschehen auf der Erde eingreifen und im Gegensatz zu endzeitlichen Plagen nur Ruhe verkünden, zeigen sich hier vor allem zwei wichtige Zusammenhänge. Die Pferde sind zum einen gesandt von Gott, sie erhalten ihren Auftrag direkt von ihm. Sie sind keine Werkzeuge irgendwelcher anderen Mächte. Und zum anderen zeigt sich hier auch die Universalität des Auftrages und damit die Universalität der Macht Gottes.22 Noch deutlicher wird die Motivgeschichte von Offb 6,1-8 fünf Kapitel später.

Sach 6,1-8: „Wieder erhob ich meine Augen und ich sah: Siehe da, vier Wagen zogen zwischen zwei Bergen aus, die Berge aber waren aus Bronze. Am ersten Wagen waren rote Pferde, am zweiten Wagen schwarze Pferde, am dritten Wagen weiße Pferde und am vierten Wagen gescheckte Pferde, alles starke Tiere. Darauf fragte ich den Engel, der mit mir redete: Was bedeuten diese, mein Herr? Der Engel gab mir zur Antwort: Das sind die vier Winde des Himmels, die ausziehen, nachdem sie vor dem Herrn der ganzen Erde gestanden haben. Die schwarzen Pferde - der Wagen, an dem sie sind - ziehen aus in das Land des Nordens, die weißen sind hinter ihnen hergezogen und die gescheckten sind in das Land des Südens gezogen. Die starken Tiere zogen aus, begierig, die Erde zu durchstreifen. Da sagte er: Geht hin, durchstreift die Erde! Und sie durchstreiften die Erde.

Und er rief mir zu und sprach zu mir: Sieh, jene, die in das Land des Nordens ziehen, sie bringen meinen Geist über das Land des Nordens.“

Auch hier ist die Vierzahl wieder deutlich. Ist im Kapitel 1 nur von Pferden die Rede, sieht man hier nun Wagen, die von Pferden gezogen werden. Auch sie werden klar durch Farben gezeichnet. Es gibt rote, schwarze, gescheckte und weiße Pferde. Die

Auch hier ist die Vierzahl wieder deutlich. Ist im Kapitel 1 nur von Pferden die Rede, sieht man hier nun Wagen, die von Pferden gezogen werden. Auch sie werden klar durch Farben gezeichnet. Es gibt rote, schwarze, gescheckte und weiße Pferde. Die