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Die allgemeinen Bezüge der Serie zur Bibel und zur Offenbarung

3.3 Übersicht über die ersten fünf Staffeln und Einführung in die Serie

3.3.2 Die allgemeinen Bezüge der Serie zur Bibel und zur Offenbarung

Wie passt eine Horrorserie nun in den Kontext der Bibel? In Kapitel 3.1 wurden die semantischen Motive erläutert, durch die sich apokalyptische Filme (und Serien) auf die Offenbarung des Johannes beziehen. Im Folgenden werde ich die Serie anhand dieses Schemas auf die Bezüge zur Bibel und der Offenbarung untersuchen.

a) Zerstörung151

Auch in dieser Serie ist Zerstörung der alten Welt ein Thema. Bezieht es sich zu Anfang nur auf die Zerstörung der heilen Familienwelten, erstreckt es sich ab Staffel 4 mit Beginn der Apokalypse auf die ganze Welt durch deren drohende komplette Zerstörung und einen vollkommenen Neubeginn. In den ersten Staffeln hingegen erkennen Menschen, die bisher in einer „heilen“ Welt gelebt haben, dass es auch eine andere Welt dahinter gibt. Dass hinter einem Grizzly auch etwas anderes stecken kann, wie in der Episode Wendigo, dass der drohende Tod des kleinen Bruders keine Krankheit ist, wie in der Episode Something wicked. Der Gesundbeter in der Episode Faith ist kein Mann Gottes, wie die verzweifelte Kranke erkennen muss. Dahinter stecken die magischen Rituale seiner Frau, die ein Leben gegen ein anderes Leben eintauscht. Der falsche Glaube an den falschen

149 Bekakos, Kripke answers Part III

150 Vgl. Kienzl, Religion, 170-199

151 Vgl. Pezzoli-Olgiati, Vom Ende, 264-265

Prediger wird eingerissen, und die Sterbenskranke kann ihren Frieden mit sich und Gott machen.

b) Der Tod152

Der Tod ist dabei in jeder Episode allgegenwärtig, wie es für eine Serie, die sich als

„Horrorserie“153 bezeichnet, nicht anders zu erwarten ist. Es gibt meist zu Beginn ein menschliches Opfer, das erst sterben muss, damit die Brüder überhaupt davon erfahren, dass es etwas „Böses“ zu bekämpfen gibt. Im Handlungsverlauf der Episode gibt es oft noch weitere Opfer, bis schließlich das „Böse“ getötet wird. Ein zentrales Phänomen der Serie ist zudem der häufige Tod der beiden Brüder.

Selbstironisch lassen die Produzenten den personifizierten Tod und die Sensenmänner, die den Toten ins Jenseits helfen, dazu Stellung beziehen.

„It's you, Dean. It's always been you. Death-defying. Rule-breaking. You are everything I lived to set right. To put down. To tame. You are human disorder incarnate.“154

(Abbildung 3: Sam stirbt in Deans Armen; Abbildung 4: Dean opfert sich für Sam) c) Die Stadt155

Die Stadt „als Ort, in dem sich das menschliche Leben (im positiven und/oder negativem Sinne) entfaltet“156 ist in dieser Serie durchgehend präsent. Als Sitz der Gesellschaft, deren Macht und Möglichkeiten, kommt sie implizit, dabei aber oft kritisch in den Blickpunkt, wenn sich die Brüder etwa durch Kreditkartenbetrug über Wasser halten oder durch Konflikte mit den Behörden davon abgehalten

152 Vgl. Pezzoli-Olgiati, Vom Ende, 265-266

153 Vgl. Supernatural: Making-of, DVD-Box „Die komplette erste Staffel“

154 Supernatural 15.18 Despair

155 Vgl. Pezzoli-Olgiati, Vom Ende, 266-267

156 Pezzoli-Olgiati, Vom Ende, 266

werden, Menschen zu helfen. Direkter sind die Bezüge, wenn etwa ein Junge bis ins Erwachsenenalter von seinem Vater und seinem Onkel verprügelt wird und das gesamte Umfeld wegsieht statt zu helfen, wie in der Episode Nightmare.

Dabei spielen sich die Handlungen in Kleinstädten oft innerhalb der Gemeinschaft ab, während die Ereignisse in einer Großstadt meist in Anonymität geschehen, ohne dass Nachbarn dies realisieren würden.

d) Familie157

Der explizite Mittelpunkt dieser Serie hingegen ist unbestreitbar die Familie als Hoffnungsträger. Die beiden Brüder setzen nicht nur ihr eigenes Leben aufs Spiel, um andere Familien und speziell deren Kinder zu retten, sie sind auch bereit, für den Schutz des Anderen bis zum Letzten zu gehen und stehen gegen alle Widrigkeiten füreinander ein, selbst wenn es das Richtige wäre, es nicht mehr zu tun.158 Dieser Zusammenhalt der Brüder ist das, was die Serie trägt.159 Dabei stehen sie nicht für sich alleine. Nach dem Tod des Vaters stellt ein ehemaliger

„Jägerkollege“ ihres Vaters den Ersatzvater der beiden jungen Männer dar. Zum Engel Castiel verbindet die beiden Brüder im Laufe der Serie immer mehr ein

„brüderliches“ Band und so zählen auch etliche andere Nebencharaktäre zur

„Familie“ der Winchesters.

(Abbildung 5: Die „Wahlfamilie“: Sam und Dean mit Bobby, Ellen, Jo und Castiel)

157 Vgl. Pezzoli-Olgiati, Vom Ende, 268-269

158„That’s why we go there… in a show about brothers who are willing to die for each other, sometimes in our show… they DO.“ Eric Kripke in: Bekakos, Kripke answers Part III

159 Vgl. Supernatural: Making-of, DVD-Box „Die komplette erste Staffel“

e) Die gesamte Menschheit160

Der „Horizont einer neuen Welt nach der Zerstörung“161 zeigt sich hierbei gerade im Erhalt der bestehenden Schöpfung, im Erhalt der gegenwärtigen, realen Menschenleben durch den Sieg über die Mächte, die jene zerstören wollen. In den meisten Episoden wird ein Widernis überwunden, damit ein Neuanfang begonnen werden kann. Doch bezieht sich dieser Neuanfang erst ab Staffel 4 auf das globale Geschehen. Der Fokus in den ersten Staffeln liegt auf den individuellen Schicksalen der Familien.

f) Apokalyptische Transformationsprozesse162

Gerade diese Familien durchleben jene Transformationsprozesse, die für apokalyptisches Gedankengut im Kino typisch sind. In ihrer „alten, unvollkommenen“, weil „unwissenden“ Welt werden die Menschen angegriffen.

Dieses „Unwissen“ wird zerstört und kann nicht mehr zurückgebracht werden.

Doch mit dem neuen Wissen können sie ein besseres Leben aufbauen. Die

„lebensunterstützenden Qualitäten“163 bestehen in dem Wissen, das sie sich angeeignet haben und in der inneren Stärke, die sie nun aufbauen können. Die Hauptphasen sind dabei dieselben wie in den Filmen des populären Kinos: „die erste Welt, die Teilzerstörung als Ankündigung der totalen Vernichtung (…) und schließlich die zweite Welt, der Sieg gegen die bösen Kräfte.“164 Am Ende der fünften Staffel besteht diese zweite Welt, dieser Sieg, in der Erhaltung der gegenwärtigen Schöpfung, die durch die Überwindung des Teufels gerettet wird, gegen jegliche Einmischung vonseiten der Dämonen und auch (gottlosen) Engel.

Für den überlebenden Protagonisten besteht diese neue Welt in einem Leben ohne seinen Bruder, doch findet er endlich Frieden und ein „normales“ Leben mit Familie.

160 Vgl. Pezzoli-Olgiati, Vom Ende, 268-269

161 Vgl. Pezzoli-Olgiati, Vom Ende, 269

162 Vgl. Pezzoli-Olgiati, Vom Ende, 269-272

163 Vgl. Pezzoli-Olgiati, Vom Ende, 270

164 Vgl. Pezzoli-Olgiati, Vom Ende, 271

(Abbildung 6: Dean nach dem Ende der Apokalypse bei seiner „neuen Familie“) Exkurs 2: Dämonen, Engel und Gott165

Dämonen und Engel sind Teil der real erfahrbaren Mythologie der Serie. Der erste Dämon begegnet recht früh in der Serie. Ganz gemäß den Geschichten des Neuen Testaments erscheint dieser Dämon nicht als Person, sondern als dämonische Besessenheit, in dieser Serie dargestellt als schwarzer Rauch, der in eine Person eindringt. Es erinnert an die Perikope über den Besessenen von Gerasa bei Lk 8,26 als Sam seinen Bruder darauf hinweist, dass Dämonen vor dem Namen Gottes zurückweichen würden und dieser Name auf Latein „Christo“ wäre. Der Dämon weicht tatsächlich kurz zurück bei Erwähnung des Namens und die Besessenheit des Menschen wird für einen Moment durch Schwarzfärbung der Augen sichtbar.

Am Ende können ihn die Brüder mit Weihwasser und einem Auszug aus dem

„Exorzismus der katholischen Kirche“ austreiben. Der Mensch bleibt dabei zumindest körperlich unverletzt zurück.166 Wie bei diesem ersten Auftauchen eines Dämons schon ersichtlich wird, brauchen Dämonen „Hüllen“ in dieser Welt, um körperlich agieren zu können. Sie besetzen Menschen. In späteren Gesprächen bezeichnen die Dämonen diese menschlichen Hüllen auch gerne provokativ als

„Fleischanzug“. Die menschliche Seele wird während dieser Besetzung unterdrückt und kann nur tatenlos von innen zusehen, was ihr eigener Körper macht. Der Dämon erhält diesen Körper entgegen allen Verletzungen, weswegen

165 Vgl. Kienzl, Religion, 85-99

166 Vgl. Supernatural 1.4 Phantom-Traveller

ein besessener Mensch auch den eigentlichen Tod überstehen kann. Verlässt der Dämon die menschliche Hülle wieder, kehren all diese Verletzungen zurück.

Doch innerhalb ihrer eigenen Welt, der Hölle, existieren Dämonen in ihrer eigenen Erscheinung. Sie bilden Familien, Hierarchien und Allianzen, sie haben sogar eine eigene Religion, in der sie den Teufel als ihren „Gott“ und Schöpfer anbeten.167

(Abbildung 7 und 8: Der Dämon Lilith in zwei verschiedenen Hüllen)

Wie Dämonen besitzen auch Engel keinen irdischen Körper. Auch sie benötigen eine Hülle, um irdisch in Erscheinung treten zu können. Das wird deutlich bei der ersten fassbaren Begegnung mit einem Engel.

„Castiel: I’m an angel of the Lord.

Dean: Get the hell out of here. There’s no such thing.

Castiel: This is your problem, Dean. You have no faith.

(Das Licht beginnt zu flackern und geht aus, begleitet von Donner und Blitzen erscheinen die Schatten von zwei Schwingen hinter Castiel.)

Dean: Some angel you are. You burned out that poor woman’s eyes.

Castiel: I warned her not to spy on my true form. It can be overwhelming to humans. And so can my real voice, but you already knew that.

Dean: You mean the gas station and the motel? That was you talking? Buddy, next time lower the volume.

Castiel: That was my mistake. Certain people, special people, can perceive my true visage. I thought you would be one of them. I was wrong.

(…)

Castiel: This? This is a vessel.

Dean: You’re possessing some poor bastard?

Castiel: He’s a devout man. He actually prayed for this.

Dean: Look, pal, I’m not buying what you’re selling. So who are you, really?

Castiel: I told you.

Dean: Right. And why would an angel rescue me from hell?

(…)

167 Vgl. Eric Kripke in: Bekakos, Kripke answers Part III

Castiel: Because God commanded it. Because we have work for you.“168

(Abbildung 9: Der Engel Castiel)

In diesem ersten Treffen zeigen sich gleich mehrere Punkte in Bezug auf die Darstellung von Engeln in Supernatural. Sie brauchen, wie oben erwähnt, ebenfalls eine menschliche Hülle, wollen sie körperlich agieren. Anders als Dämonen brauchen Engel jedoch die Einwilligung des Menschen, um dessen Körper zu übernehmen. Weiters zeigen sich alttestamentliche Theophanielemente beim Erscheinen eines Engels in seiner wahren Gestalt, wie das Beben der Erde, Donnergetöse, Blitze und, ganz modern interpretiert, das Flackern und Rauschen sämtlicher elektrischer Geräte wie Glühbirnen, Radios und Fernseher. Zuletzt zeigt sich noch, dass dieser Engel klar in Gottes Auftrag handelt.

Dieser scheinbare Erweis stellt sich jedoch als Fehlannahme des Engels selbst heraus, als im Laufe der Serie bekannt wird, dass die Erzengel eben keine Befehle mehr von Gott erhalten. Gott ist verschwunden. Ohne seine Führung beginnen die Engel, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Dabei werden sie als ambivalente Individuen dargestellt. Zachariah, der sich selbst als Cherub beschreibt169, denkt dass die Welt auf ein Ende zusteuert. Da Gott abwesend ist, will er zusammen mit vielen anderen Engeln Luzifer befreien und damit die Apokalypse auslösen, um das

168 Supernatural 4.01 Lazarus rising 0:38:16

169 „Im Himmel habe ich sechs Flügel und vier Gesichter. Eins davon ist ein Löwe.“ Zachariah in:

Supernatural 5.16 The dark side of the moon

Paradies entstehen zu lassen und damit Gottes ursprünglichen Plan zu erfüllen.

Die Menschen, die gegenwärtig leben, sind dabei ein Kollateralschaden.

„Dean: Tell me something. Where’s God in all this?

Zachariah: God? God has left the building.“170

Der Erzengel Uriel hält Gott für tot und schließt sich heimlich Luzifer an, um dessen Herrschaft auf Erden durch die Apokalypse zu sichern. Er verachtet die Menschen als etwas Unvollständiges. Ein positives Gegenbild bildet der Engel Castiel, der von Anfang an als Bindeglied zwischen Himmel und Menschen fungiert. So sehr er auch seine Probleme mit der Ausdrucksweise der Menschen hat, was sich in seinem Unverständnis von Redewendungen und Bezügen auf die Populärkultur zeigt, so stark ist auch sein Glaube in die Menschheit. Doch auch er durchläuft Transformationsprozesse. Nach der fehlgeschlagenen Suche nach Gott und der Abwendung der Apokalypse beschließt er infolge des Bürgerkrieges im Himmel neuer Gott zu werden, damit wieder Frieden einkehren kann. Erst durch die Winchester-Brüder sieht er seinen Fehler ein und büßt aus eigenem Wunsch im Fegefeuer. Auch wird er im späteren Verlauf zeitweilig zum Menschen. Anders als Dämonen besitzen Engel in Anlehnung an die Seele eines Menschen „Gnade“.

Verlieren sie diese „Gnade“, werden sie sterbliche Menschen. Deutlich wird das im Charakter der „Anna Milton“, die sich ihre „Gnade“ selbst herausreißt, um als Mensch geboren zu werden. In der weiblichen und männlichen Darstellung wird deutlich, dass Engel in Supernatural nicht geschlechtsneutral sind. So wie jeder Engel als Individuum dargestellt wird, hat auch jeder Engel eine Geschlechtsidentität, was sich in der Vorliebe zeigt, nach der sie ihre Hüllen wählen. Sie sind so ambivalent und individuell wie die Menschen auch, was sich unter der fehlenden Führung Gottes, unter der sie leiden, umso deutlicher zeigt.

Die Frage nach Gott wird explizit erst mit dem Erscheinen der Engel thematisiert.

Vor diesem Zeitpunkt beschränkt sich diese Frage mehr auf das individuelle Empfinden, während religiöse Symbole und Praktiken, wie Kreuze, Exorzismen und auch Symbole aus anderen Glaubenssystemen fortlaufend gegen das Böse eingesetzt werden. Auch Götter aus anderen Religionen werden thematisiert. Sie

170 Supernatural 4.22 Lucifer rising

treffen sich personifiziert im Hotel „Elysian Fields“, um über die Apokalypse zu beraten. Die Dominanz der jüdisch-christlichen Mythologie zeigt sich aber spätestens, als Luzifer erscheint und alle anderen Götter tötet.

Der Gott des jüdisch-christlichen Glaubens hingegen bleibt transzendent und (in den ersten fünf Staffeln) unauffindbar. Die Suche nach ihm wird vor allem durch die Engel thematisiert. Die Verzweiflung an Gott und die Theodizee-Frage wird an Dean gezeigt.

Dean: Concerns? There were people getting torn to shreds down here! And, by the way, while all this is going on, where the hell is your boss, huh, if there is a God?

Castiel: There's a God.

Dean: I'm not convinced. 'Cause if there's a God, what the hell is he waiting for, huh? Genocide? Monsters roaming the earth? The freaking apocalypse? At what point does he lift a damn finger and help the poor bastards that are stuck down here?

Castiel: The Lord works...

Dean: If you say “mysterious ways”, so help me, I will kick your ass. (…)“171

Exkurs Ende

g) Persönliche Transformationsprozesse und Retterfiguren172173

Doch nicht nur an der Welt zeigt sich die apokalypsetypische Transformation. Auch die beiden Brüder durchlaufen weitreichende Transformationsprozesse. Der Beginn der Serie erinnert an eine auf den Kopf gestellte Interpretation des Gleichnisses vom verlorenen Sohn (Lk 15,11-32).

Die Mutter stirbt in der ersten Szene, um ihren Sohn zu schützen (wie man erst im Laufe der Serie erfährt). Der Vater bleibt mit seinen beiden Söhnen zurück.

Zweiundzwanzig Jahre später hat der jüngere Sohn Sam seine Familie verlassen.

Er hat allem, wofür sein Vater steht, was sein Vater ihm beigebracht hat, den Rücken gekehrt. Stattdessen lebt er das Erbe, das seine Mutter ihren Söhnen hinterlassen wollte: ein normales, sicheres Leben. Er studiert dank eines Stipendiums an einem College und bereitet sich darauf vor, sein Jurastudium zu

171 Supernatural 4.2 Are you there, God? It’s me, Dean Winchester.

172 Vgl. Kienzl, Religion, 157-169

173 Vgl. Pezzoli-Olgiati, Vom Ende, 272-273

beginnen. Die Beziehung mit seiner Freundin ist so stabil, dass er den Verlobungsring schon gekauft hat. Doch seine Freundin stirbt auf dieselbe Weise wie seine Mutter, in seinem Beisein. Und wie damals (als Baby) kann er auch dieses Mal nichts tun, um das Geschehen zu verhindern. Wie beim Tod der Mutter ist es auch jetzt sein großer Bruder, der ihn aus dem Feuer rettet und sein Leben bewahrt. Das Erbe ist aufgebraucht. Der verlorene Sohn kehrt zurück zum Familiengeschäft. Doch in dieser Variante ist es nicht der Vater, der ihn mit offenen Armen begrüßt. Denn der Vater ist verschwunden. Erst nach langer Suche findet die Familie wieder zusammen. Und der ältere Sohn, der dem Vater militärischen Gehorsam leistet, muss erkennen, dass seinen jüngeren Bruder und seinen Vater trotz aller Generationskonflikte ein Band verbindet, das er nie verstehen wird. Er ist der Außenseiter. Erst der Opfertod des Vaters (um den älteren Bruder zu retten) löst diesen Konflikt wieder auf und versöhnt die beiden Brüder. Schon in dieser Beziehungskonstellation zeigen sich die für apokalyptische Filme typischen Gegenwelten. Doch ist es hier nicht der jüngere Bruder, der in „Saus und Braus“

(Lk 15,13) lebt. Ganz im Gegenteil besteht das Erbe der Mutter eben in dem normalen, sicheren Leben, das sie immer für ihre Kinder wollte, abseits des Lebens als Jäger. Das wird schon in ihrer Jugend deutlich, bevor sie überhaupt Kinder hatte.

„You know, the worst thing I can think of, the very worst thing is for my children to be raised into this like I was.“174

Sam studiert, führt eine stabile Beziehung175 und er glaubt an Gott, betet jeden Tag.176 Der ältere „gute“ Sohn hingegen verbringt seine Abende mit Alkohol, Frauen und Glücksspiel, verdient sich seinen Unterhalt mit Betrug. Für die

„Bekämpfung des Bösen“ bezahlt niemand einen Arbeitslohn. Gott spielt für ihn zu Anfang keine Rolle, Glaube bietet für ihn ganz dementgegen Anlass zum Zynismus.

174 Supernatural 4.03 In the Beginning

175 Vgl. Supernatural 1.1 Pilot

176 Vgl. Supernatural 2.13 Houses of the Holy

„May God save us from half the people who think they’re doing God’s work...“177

Dean glaubt das, was er sieht.178 Und manchmal dauert es eine Weile, bis er erkennt, was er gesehen hat, wie sich beim ersten Zusammentreffen mit Engeln zeigt.

„Dean: Don’t you think that if angels were real, some hunter somewhere would have seen one, at some point, ever?

Sam: Yeah, you just did, Dean.

Dean: Trying to come up with a theory, okay?

Sam: Dean, we have a theory.

Dean: Yeah. One with a little less fairy dust.

Sam: I’m not saying we know for sure, I’m just saying that i think…

Dean: Okay, okay. That’s the point. We don’t know for sure. I’m not gonna believe this thing is an angel of the Lord because it says so.“179

Im Laufe der Serie ändert sich das nicht, aber er sieht viel, woran er am Ende seiner eigenen Logik folgend glauben muss. So sieht man ihn immer öfter beten. Nicht, weil er an das Eingreifen Gottes glaubt, sondern weil er durch eigene Erfahrungen erkannt hat, dass die Engel Gebete hören. Und auch wenn er weiß, dass er von den meisten Engeln kein Heil zu erwarten hat, nutzt er diesen „Kanal“ als letzte Option, um Hilfe für seinen Bruder zu erhalten oder Kontakt zu Castiel aufzunehmen.180 Sein Glaube an einen helfenden Gott stellt sich bei all diesen Erfahrungen in den ersten fünf Serienstaffeln nicht ein, zumal er von den Engeln erfährt, dass Gott verschwunden ist und nicht einmal mit diesen spricht.181

Sams Transformation verläuft dabei in die entgegengesetzte Richtung. In der ersten Folge sieht man den jüngeren Bruder, in seinem normalen, gefestigten Leben als Student. Er setzt auf seinen Gottesglauben, als Dean dem Tode nahe ist und bringt ihn zu einem Wunderheiler, um sein Leben zu retten.182 Er behält seinen Glauben und seine Ideale, selbst nachdem er erfahren hat, dass ein Dämon ihn im Kinderbett mit dämonischem Blut infiziert hat und dass seine Mutter deshalb von diesem Dämon ermordet wurde, ebenso wie seine Freundin am

177 Supernatural 1.12 Faith

178 Vgl. Supernatural 1.12 Faith

179 Supernatural 4.02 Are you there, God? It’s me, Dean Winchester.

180 Kienzl, Religion, 124

180 Kienzl, Religion, 124