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4. Die Rezeption der vier apokalyptischen Reiter in der Serie Supernatural

4.2 Interpretation und Auswertung

Supernatural ist natürliche keine klassische Literaturverfilmung, aber die Serie nimmt Bezug auf Literatur, sie tritt mit ihr in Beziehung. Mit genau jenen Beziehungen beschäftigt sich die Intertextualität und die Intermedialität. Das Verständnis von „Intertextualität“ und „Intermedialität“ ist dabei in der derzeitigen Forschung nicht einheitlich. „Ausschlaggebend ist dafür auch der jeweils angesetzte Textbegriff, der wiederum Auswirkungen auf das jeweilige Verständnis von Intertextualität und in der Folge Intermedialität hat.“220, führt Rajewsky in ihrem Buch „Intermedialität“ aus. Sie bezieht sich auch auf die älteren Untersuchungen zur Intertextualität bei Pfister und Broich: „Pfister, der sich freilich noch nicht einer Intermedialitätstheorie im eigentlichen Sinne widmet“,

218 Supernatural 5.21 Two minutes to midnight 0:33:38

219 Supernatural 5.21 Two minutes to midnight

220 Rajewsky, Intermedialität, 52

subsumiert „wohl aber Mediengrenzen überschreitender Phänomene (…) unter

„Intertextualität“. Dies ermöglicht es ihm, sämtliche der von ihm unter

„Intertextualität“ (im weiteren Sinne) gefaßten Phänomene aufzugreifen, also auch solche Phänomene, die (…) dem Medienwechsel zuzurechnen sind.“221. Um diese Phänomene bewerten zu können, entwickelt Manfred Pfister einen Katalog von „Kriterien für die Intensität intertextueller Verweise“222, die man auch auf die intertextuellen (oder intermedialen) Bezüge der hier untersuchten Serie auf die Beschreibung der apokalyptischen Reiter in der Johannesoffenbarung anwenden kann.

Als ein erstes Kriterium nennt er die Referentialität. Mit diesem Kriterium untersucht er den Unterschied zwischen „use“ und „mention bzw. refer“. Er schreibt „daß eine Beziehung zwischen Texten umso intertextueller ist, je mehr der eine Text den anderen thematisiert (…). Ein Zitat z.B., dessen Funktion sich in der Übernahme (…) erschöpft, bedient sich dieser Wendung und des Textes, (…) während andererseits in dem Maße, in dem der Zitatcharakter hervorgehoben (…) und auf seinen ursprünglichen Kontext verwiesen wird, die Intensität des intertextuellen Bezuges zunimmt.“223 Einer der Texte, auf den sich die Serie Supernatural bezieht, ist die Offenbarung des Johannes. Insofern ist in diesem Fall also zu untersuchen, wie sehr der Prätext in der Serie thematisiert wird. Konkret beginnt der Handlungsbogen um die Apokalypse in der vierten Staffel. Und genau dort wird die Johannesoffenbarung zum ersten Mal dezidiert genannt, nachdem der Charakter des Bobby Singer eine Erklärung für die Geschehnisse in einem seiner unzähligen Bücher findet:

„Bobby: It figures in an old prophecy.

Dean: Wait, wait. What book is that prophecy from?

Bobby: Well, the widly distributed verion’s just for tourists, you know. But long story short: Revelations.“224

221 Rajewsky, Intermedialität, 53

222 Broich/Pfister, Intertextualität, 26

223 Broich/Pfister, Intertextualität, 26

224 Supernatural 4.02 Are you there, God? It’s me, Dean Winchester

(Abbildung 21: Bobby über einer „Touristenausgabe“ der Johannesoffenbarung) Von Anfang an wird also deutlich klargestellt: Was hier gerade passiert, wurde von der Offenbarung des Johannes vorhergesagt. Die Serie bezieht sich damit explizit auf die Johannesoffenbarung. Noch „intensiver“, um bei Pfisters Formulierung zu bleiben, gestalten sich die, spärlichen gesäten, direkten Zitate. Eines davon findet sich mit dem ersten Auftreten des Reiters Krieg (hier in der Version der deutschen Synchronisation zum besseren Vergleich):

„Dean: Da fiel ein großer Stern vom Himmel, er loderte wie eine Fackel, und fiel auf ein Drittel der Flüsse. Der Name des Sterns ist Wermut, und viele Menschen starben.

Priester: Offenbarung 8,10. Wollen Sie damit sagen, hier geht es um die Apokalypse?“225

(Abbildung 22: Dean sucht nach der Bibelstelle)

Im Vergleich die Stelle in der Einheitsübersetzung: „Da fiel ein großer Stern vom Himmel; er loderte wie eine Fackel und fiel auf ein Drittel der Flüsse und auf die Wasserquellen. Der Name des Sterns ist Absinth - Wermut - . Ein Drittel des

225 Supernatural 5.02 Good God, Y‘All

Wassers wurde Absinth und viele Menschen starben durch das Wasser, weil es bitter geworden war.“

Die Kürzung des Zitats geht hier wohl auf praktische Umstände zurück – die englische Fassung ist sehr viel kürzer, worauf bei einer Synchronisation immer Rücksicht genommen werden muss – dennoch fällt die Stelle als direktes Zitat auf, zumal das Zitat vom Priester sofort explizit markiert und seine Herkunft benannt wird.

Indirektere „Zitate“ sind zum Beispiel die „Pferde“ der Reiter. Hier wird deutlich veranschaulicht, wie Zitate in aktualisierter Weise dargestellt werden können. Die Reiter reiten nicht, sie fahren Autos – „Pferdestärken“. Die Farbe ist dabei identisch mit der Beschreibung der Pferde in Offb 6,1-8, bzw. den Beschreibungen der Pferde in den Prätexten eben jener Textstelle.

Als ein zweites Kriterium nennt Pfister die Intensität der Kommunikativität, wobei

„der harte Kern maximaler Intensität hier erreicht ist, wenn sich der Autor des intertextuellen Bezugs bewusst ist, er davon ausgeht, dass der Prätext auch dem Rezipienten geläufig ist und er durch bewusste Markierung im Text deutlich und eindeutig darauf verweist.“226 Wie an den beiden beschriebenen Filmstellen deutlich wird, ist sich der Drehbuchautor des Bezuges auf die Offenbarung offensichtlich bewusst, er stellt ihn noch viel mehr eindeutig her und verweist auf den Prätext. Wie sehr sich die Rezipienten, in diesem Fall die Seher der Serie, mit den zugrunde liegenden Texten und Themen der Serie beschäftigen, stellt Kripke auf der „Salute to Supernatural Convention“ 2008 fest.227 Er geht also ohne Zweifel davon aus, dass die Rezipienten die intertextuellen Bezüge erkennen, auch wenn sie nicht explizit markiert sind, wie etwa beim Auftreten des Reiters Hunger, das von Castiel aus dem „Off“ mit dem Zitat von Offb 6,5 flankiert wird.

Deutlich zeigt sich in der Serie auch das dritte Kriterium der Autoreflexivität. Dieses Kriterium beleuchtet das Maß, mit dem die intertextuellen Bezüge thematisiert werden. Natürlich geschieht diese Reflexion in der Serie zumeist innerhalb des im Serienuniversum „realen“ Geschehens und nicht auf einer Metaebene. Doch innerhalb der Möglichkeiten reflektiert die Serie diese Bezüge nicht nur, sie

226 Broich/Pfister, Intertextualität, 27

227 Vgl. Bekakos, Kripke answers Part III

aktualisiert sie, beispielsweise durch das Suchen in der Johannesoffenbarung nach Hinweisen zur Deutung der aktuellen Ereignisse. Somit sind es die Charaktere des Serienuniversums, die die Intertextualität ihres eigenen Erlebens zur Johannesoffenbarung reflektieren und thematisieren. Hinzu kommt der immense Austausch mit der Fanbase nicht nur auf Conventions, sondern auch in Forengesprächen, in denen genau jene intertextuellen Bezüge immer wieder Thema von Diskussionen sind.

„Das vierte Kriterium der Strukturalität betrifft die syntagmatische Integration der Prätexte in den Text. Nach diesem Kriterium ergibt das bloß punktuelle und beiläufige Anzitieren von Prätexten einen nur geringen Intensitätsgrad der Intertextualität, während wir uns in dem Maße dem Zentrum maximaler Intensität nähern, in dem ein Prätext zur strukturellen Folie eines ganzen Textes wird.“228 Betrachtet man den dramaturgischen Handlungsbogen der Serie in den relevanten Staffeln 4 und 5 im Hinblick auf die Johannesoffenbarung, fallen doch deutliche Unterschiede auf. So wird der „Stern Wermut“, der mit der dritten Posaune auftritt – und somit nach dem Brechen der Siegel – in der Serie als Ankündigung der vier Reiter gedeutet. Das macht insofern Sinn, als dass die Reiter eben nicht die vier Siegel darstellen, sondern als Folge der gebrochenen Siegel auftreten.

Doch im großen Handlungszusammenhang (Brechen der Siegel – Reiter - weitreichende Naturkatastrophen – Kampf des Engels gegen den Drachen) folgt die Serie dem chronologischen Ablauf der Johannesoffenbarung und nimmt ihn als „strukturelle Folie“, an der sich der Handlungsbogen orientiert.

Als ein fünftes Kriterium nennt Pfister die Selektivität, bei der es „darum geht, wie pointiert ein bestimmtes Element aus einem Prätext als Bezugsfolie ausgewählt und hervorgehoben wird und wie exklusiv oder inklusiv der Prätext gefasst ist.“229 Betrachtet man die Serie, fallen dabei ganz unterschiedliche Intensitäten auf.

Während direkte Zitate als hochprägnant und somit „maximal intensiv“ gewertet werden müssen, sind indirekte Zitate, wie das Umsetzen der namensgebenden Pferde als Autos, schon abstrakter generiert. Wenn hingegen die Auswirkungen des Reiters Hunger die „Zeichen der Zeit“ in die Interpretation mit aufnimmt,

228 Broich/Pfister, Intertextualität, 28

229 Broich/Pfister Intertextualität, 28

indem aus der Hungersnot durch Teuerung der „Hunger der modernen Gesellschaft“ nach materiellen Gütern oder Liebe wird, ist dies sicherlich als weniger pointierter, wenn auch aktualisierender Bezug zu nennen.

(Bild 23: Die programmatische Reklame im Diner)

Das letzte Kriterium beleuchtet die Dialogizität. Sie erweist sich als umso höhere intertextuelle Intensität „je stärker der ursprüngliche und der neue Zusammenhang in semantischer und ideologischer Spannung zueinanderstehen.“230 Ideologisch ergibt sich hier ein interessanter Aspekt.

Während in der Johannesoffenbarung das Ende der alten Welt durch den Beginn einer neuen Welt eingeleitet und ersehnt wird, versuchen die Protagonisten in der Serie genau das zu verhindern. Die Freiheit des menschlichen Handelns gegenüber Vorherbestimmung und Schicksal ist einer der Kernpunkte der Serie. Mehrmals wird diese Freiheit im Gespräch zwischen Engeln und Menschen thematisiert. Was Engel als „Ungehorsam“ deklarieren, gilt den Protagonisten als oberstes Gut. Für sie stellt sich nicht die Frage, ob eine Neuschöpfung kommen soll, sondern wie viele Menschen dafür sterben müssen. Diese Frage erhält zusätzliche Prägnanz, als sich herausstellt, dass diese Apokalypse nicht gottgewollt, sondern ohne Gottes Befehl herbeigeführt ist. Somit stehen die apokalyptischen Ereignisse der Serie im direkten Gegensatz zur Johannesoffenbarung, in der die Ereignisse dezidiert vom Lamm ausgelöst werden.

Ein weiterer Aspekt des Zusammenhangs zwischen Serie und Johannesoffenbarung ist die schon mehrfach erwähnte Aktualisierung. Die

„literarischen Bilder“ des Buches werden mit den modernen, filmischen Ausdrucksmitteln und Möglichkeiten aktualisiert umgesetzt und neu interpretiert.

230 Broich/Pfister, Intertextualität, 29

Die Serie holt somit die Johannesoffenbarung in die aktuelle Lebenswelt der Rezipienten und interpretiert sie neu.

Zusammenfassend kann man sagen: Die Serie zeichnet sich durch eine hohe Referentialität aus, indem sie explizit auf die Johannesoffenbarung verweist. Die Bezüge sind dabei gewollt und hochkommunikativ. Dabei verläuft diese Kommunikation nicht nur vom „Autor“ zu den Rezipienten, sondern wird auch in die gegengesetzte Richtung von den Rezipienten her zum „Autor“ aktiv gesucht.

Das autoreflexive Bewusstsein der Serie wird dabei von den Protagonisten getragen, die sich der Intertextualität ihrer „realen Lebenswelt“ zur Johannesoffenbarung bewusst sind. Der ganze Handlungsbogen der Serie orientiert sich dabei am strukturellen Muster der Johannesoffenbarung, wobei einzelne Textstellen explizit zitiert, andere wiederum abstrakt dargestellt werden.

Dies alles führt zu einer aktualisierten, im Lichte der modernen Gesellschaft betrachteten Interpretation der Johannesapokalypse.

Was den Kontext der exegetische Forschungsdebatten über die Reiter betrifft, verhindert der letzte Reiter, dass sich die Darstellung der apokalyptischen Reiter unter die integrativen Ansätze eingliedern lässt. So groß die Parallelen der Darstellungen auch sind, so groß sind auch die Unterschiede zu den anderen drei Reitern. Er wird ihnen in Auftreten, Gesinnung und Verhalten vollkommen gegenübergestellt. Ebenso fraglich ist, ob die Reiter nun personal oder symbolisch zu betrachten sind. In ihrem Handeln und ihrer Darstellung sind sie eindeutig als Individuum mit eigner Persönlichkeit zu betrachten, ihre Auswirkungen jedoch stehen symbolisch für das, was sie verkörpern. Insofern kann man die Darstellung der Reiter am ehesten als kontrastive symbolische Personifikationen bezeichnen.

„Because, like it or not, it’s Apocalypse now (…) we’re talking four horsemen, red oceans, fiery skys, the greatest hits.“ – Zachariah, in 5.01 Sympathy for the Devil

Es mag Zufall sein, dass der Engel, der den Brüdern die Ankunft der Reiter verkündet, ausgerechnet diesen Namen trägt. Doch jener Engel ist nicht nur irgendein Engel. Zachariah erscheint in sieben Folgen. Er ist der Vorgesetzte des Engels Castiel. Er hat ihn geschickt, um Dean aus der Hölle zu ziehen. Was für ein

Engel genau dieser Zachariah ist, wird nicht ausdrücklich bestimmt. Man kann nur durch seine Eigenbeschreibung Schlüsse darauf ziehen. „In Heaven I have six wings and four faces, one of which is a lion.“231 Die sechs Flügel erinnern dabei an die Beschreibung der Seraphim in Jes 6,1-7, die vier Gesichter hingegen an die Beschreibung der Cherubim in Ez 1,2-11. In der Welt der Serie wird er wohl ein Seraph sein, da der Engel Castiel die Cherubim als niedrige Engelskaste bezeichnet.232 In jedem Fall aber ist jener Engelsgeneral Zachariah kein einmalig auftretender Nebendarsteller, sondern eine handlungsbestimmende Figur. Nimmt man diesen Namen als Hinweis, treten neben der Offenbarung des Johannes die Nachtgesichte des Sacharja als Vorlage der Serie wieder deutlich in den Blick. Im Vergleich der Nachtgesichte mit der Offenbarung des Johannes und der Darstellung in der Serie ergibt sich folgendes Bild.

Sacharja 6,1-8 Offenbarung des Johannes 6,1-8

Supernatural233 Weißes Pferd

Rote Pferde Rotes Pferd Roter Mustang Fastback 1965

Schwarze Pferde Schwarzes Pferd Schwarzer Cadillac Escalade 2008

Weiße Pferde

Gescheckte Pferde Fahles (chlorós) Pferd Fleckig-grüner AMC Hornet 1972

Fahler (hellgrauer/weißer) Cadillac Coupe Deville 1959

Eindeutig zuordenbar ist der Reiter auf dem roten Pferd. „Und es kam heraus ein anderes Pferd, ein feuerrotes, und dem auf ihm Sitzenden wurde gegeben den Frieden von der Erde zu nehmen und damit sie einander schlachten…“234 In einer modernen Welt wäre ein Pferd ein reichlich auffälliges „Gefährt“. Passend zum modernen Setting fährt der erste Reiter einen Wagen, der von erheblichen Pferdestärken „gezogen wird“. Damit deutet er sowohl auf die Offenbarung als auch auf die Nachtgesichte hin. Und mit Sicherheit ist dieser erste Wagen nicht

231 Supernatural 5.16 Dark Side of the moon

232 Vgl. Supernatural 5.14 Bloody Valentine

233 Thomson, Ranked

234 Offb 6,4a-d

zufällig ein „Mustang“. Nicht nur trägt der Wagen den Namen einer Pferderasse, das galoppierende Pferd ist auch programmatisch darauf abgebildet.

Der Fahrer des Wagens stellt sich selbst vor. Er war zweimal in Deutschland, womit nur die beiden Weltkriege gemeint sein können, er war im Mittleren Osten. Er war in Darfur, als der Teufel aus seinem Käfig freikam und nach den Reitern gerufen hat.235

Vergleicht man diese Aussage mit dem Zeitpunkt der Serienausstrahlung, fällt die Relevanz des Themas auf. Die Erstausstrahlung der Serie fand am 17. September 2009 statt. Der Konflikt in Darfur tobt seit dem Jahr 2003. Im Jahre 2009 wurde der Einsatz der UNAMID-Friedenstruppen um ein weiteres Jahr verlängert236, da das Waffenembargo sowohl auf sudanesischer Seite als auch auf Seiten der Darfurrebellen unterlaufen wurde.237

Der Reiter handelt nun, begrenzt auf die Kleinstadt River Pass, in Übereinstimmung mit der Offenbarung des Johannes. Er nimmt den Frieden von der Erde. Etliche Exegeten bezogen diese Stelle schon auf die Bürgerkriege in Jerusalem und Ägypten.238 Natürlich ist der Bürgerkrieg einer Kleinstadt ein wesentlich geringerer Umfang, aber das Ausmaß des Sterbens ist erheblich höher als das eines gewöhnlichen Bürgerkriegs. Von der gesamten Kleinstadt ist nur eine Handvoll Menschen übriggeblieben. Als klassische Typisierungen und Identifikationsfiguren fallen dabei drei Personen und ein Paar auf: Der Priester, der Ex-Soldat, der frisch aus dem Krieg zurückkommt, der verletzte junge Mann und das junge Paar, das ein Kind erwartet. Zusätzlich wird der Zuseher noch betroffen durch die mitwirkenden Nebencharaktäre Rufus, Ellen und Jo, die im Laufe der Serie liebgewonnene Freunde wurden. Und gerade diese Identifikationsfiguren werden vom Reiter Krieg aufeinandergehetzt.

„Dean: Jo called you a black-eyed bitch. They think we’re demons. We think they’re demons. What if there are no demons? We’re killing each other.“239 Er nimmt im wahrsten Sinne des Wortes den Frieden von dieser Stadt. Die Menschen halten ihre Nachbarn, Freunde und Verwandte für Dämonen. Sie sehen

235 Vgl. Supernatural 5.02 Good God, Y‘all

236 United Nations, Meetings Coverage and Press Releases

237 Sudan Tribune, Tide of munitions

238 Vgl. Kapitel 2.6

239 Supernatural 5.02 Good God, Y‘all

die schwarzen Augen und denken, ihr Gegenüber wäre ein Dämon, der den geliebten Menschen besetzt hat. Während die Jäger noch versuchen, den Dämon auszutreiben, kennen die Stadtbürger diese Möglichkeit nicht, oder glauben sie nicht.

„Ex-Soldat: All this salt and holy water talk, as far as I’m concerned, it’s crap.“240 Sie ziehen, angetrieben durch die Warnung des vermeintlichen Roger, zum Endkampf aufeinander los. Und sie nutzen dazu Gewehre und Messer. Es ist dasselbe Schlachten, das schon den Rest der Stadt das Leben gekostet hat. Die Spuren davon sind in der allgemeinen Zerstörung der Stadt und der allgegenwärtigen Blutlachen zu sehen. Die Darstellung des Reiters erweist sich damit in jedem Punkt als zwar modern interpretierte, aber parallele Entsprechung des Reiters der Offenbarung, bis hin zum Schwert, das seine Entsprechung im Ring des Reiters findet.

Mehr Schwierigkeiten bereitet hier der Reiter Hunger, der wie in den Nachtgesichten an zweiter Stelle, in der Offenbarung des Johannes jedoch an dritter Stelle auftritt.

„…und siehe ein schwarzes Pferd und der auf ihm Sitzende hatte eine Waage in seiner Hand. Und ich hörte, wie eine Stimme in der Mitte der vier Wesen sagte:

„Ein Maß Weizen für einen Denar und drei Maß Gerste für einen Denar, und beschädige das Öl und den Wein nicht!““241

Was in allen drei Darstellungen übereinstimmt, ist das schwarze Pferd. Sind es in den Nachtgesichten „Pferde“, die einen Wagen ziehen und ist es bei Johannes ein Pferd, so zeigt sich in der Serie, der inneren Logik folgend, wieder ein Wagen als moderne Interpretation. Denselben Wagen fahren auch seine Begleiter, denn der Hunger kommt nicht allein.242 Doch von Teuerung oder einer Hungersnot, die der Reiter in der Offenbarung bringt, ist nichts zu sehen. Wirft man einen Blick in die moderne, westliche Gesellschaft, findet man aber auch keine allgegenwärtige Hungersnot, deren Kernpunkte fehlende Nahrung und überhöhte Preise wären.

Der Hunger ist viel mehr anderer Natur.

240 Supernatural 5.02 Good God, Y‘all

241 Offb 6,5f-6,6

242 Supernatural 5.14 Bloody Valentine

„Die Annahme, es gäbe eine Grenze menschlicher Bedürfnisse, auf deren anderer Seite Harmonie dadurch entsteht, dass alle mit der materiellen Ausstattung ihrer individuellen Welt zufrieden sind, lässt sich bei genauerem Hinsehen nicht halten.

(…) Es gilt auch zu bedenken, dass die menschliche Natur eine soziale ist, und damit auch die konkrete Gestalt dieser Bedürfnisse sozial überformt wird (…). Das bedeutet, dass die Knappheit nicht die Wurzel der Dramatik zwischenmenschlicher Beziehung darstellt, sondern als deren Folge verstanden werden muss. (…) Ein Gefühl für Selbstwert bedarf der Wertschätzung durch andere. (…) Als Instrument der Erlangung solcher Wertschätzung können materielle Güter dienen. (…) Hängt Anerkennung am Haben, ist sie freilich eine überaus labile Größe. (…) Im daraus resultierenden Prozess der Aneignung gibt es kein Genug; darf es kein Genug geben.“243

Dieser modernen Ausprägung von „Hunger“ folgt die Darstellung des Reiters in der Serie. Der Reiter bezieht sich in seiner Kritik dezidiert auf das Konsumverhalten Amerikas, prangert den überbordenden Konsum an. „Oh, America. All you can eat, all off the time. Consume, consume. A swarm of locusts in stretch pants and yet you’re all still starving.“244 Die Heuschrecken verweisen dabei auf das Bild der alles brach fressenden Heuschreckenschwärme der Realität, die als wahre Plagen erfahren werden und für den Menschen als Naturkatastrophe erscheinen. Auch die Bibel kennt dieses Bild der Heuschrecke als Plage schon. Rückblickend sei die Heuschreckenplage im Buch Exodus im Rahmen der zehn Plagen erwähnt245, als Vorausblick weisen die Heuschrecken auf die Plage der Offenbarung hin.246 So schwach dieser Reiter auch körperlich erscheint, so stark erweist er sich in seinem Wirken. Auch darin folgt er der Interpretation des Hungers als sozialem Geschehen, wenn er ausdrücklich sagt: „Because hunger doesn’t just come from the body. It also comes from the soul.“247

Im Mantel der Offenbarung wird mit diesem Reiter offene Sozialkritik geübt, was den Reiter des Hungers in die Nähe der alttestamentlichen Propheten und ihrer

Im Mantel der Offenbarung wird mit diesem Reiter offene Sozialkritik geübt, was den Reiter des Hungers in die Nähe der alttestamentlichen Propheten und ihrer