A-1873
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Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 31–32, 3. August 1998 (1)
Sterbehilfe
Der (mutmaßliche) Wille des Patienten
A
ktive Euthanasie ist in Deutschland verboten.Daran ändert auch ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt/Main vom 20.
Juli nichts. Es geht bei der Ent- scheidung allerdings „nicht um le- diglich passive Sterbehilfe, son- dern um den Abbruch einer le- benserhaltenden Maßnahme und damit um ,Hilfe zum Sterben‘ “, wenn dies dem zuvor geäußerten oder mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht, so das Ge- richt.
Anlaß des Rechtsstreits ist der Fall einer 85jährigen Patien- tin, die sich nach einem ausge- dehnten Hirninfarkt bei anhalten- der Bewußtlosigkeit seit Ende 1997 in einem Krankenhaus befin- det und dort über eine Magenson- de ernährt wird. Eine Besserung des Zustandes ist nicht zu erwar- ten, so das Oberlandesgericht. Zu einer eigenen freien Willensbe- stimmung ist die Frau nicht mehr in der Lage. Die Tochter der Pati- entin, die durch das Vormund- schaftsgericht zur Betreuerin be- stellt worden ist, beantragte die vormundschaftsgerichtliche Ge- nehmigung zu einem Behand- lungsabbruch durch Einstellung der Sondenernährung und wies unter Vorlage mehrerer eidesstatt- licher Erklärungen darauf hin, die Mutter habe früher geäußert, kein langes Sterben ertragen zu kön- nen. Das Amtsgericht und das Landgericht Frankfurt hatten es abgelehnt, die Genehmigung für den ärztlicherseits empfohlenen Abbruch der Sondenernährung zu erteilen.
Das OLG änderte jetzt diese Entscheidungen der Vorinstanzen ab. Es gelte, den Konflikt zwi-
schen dem hohen Anspruch an die Achtung des Lebens und dem ebenfalls hohen Anspruch auf Achtung der Selbstbestimmung der Person und ihrer Würde zu lö- sen, heißt es in dem Beschluß. Da- bei komme es entscheidend auf die Feststellung einer mutmaßli- chen Einwilligung des Betroffe- nen an, an die strenge Anforde- rungen zu stellen seien. In diesem Zusammenhang dürften nach Auffassung des Gerichts Patien- tentestamente künftig mehr Be- deutung erlangen.
Zwar betonte das OLG, daß bei nicht aufklärbarer Einwilli- gung in jedem Fall dem Lebens- schutz Vorrang einzuräumen sei, dennoch dürfte das Urteil auch Unbehagen auslösen: Läßt sich der mutmaßliche Wille wirklich immer rekonstruieren?
Auf ärztlicher Seite findet die Entscheidung ein positives Echo.
Der Präsident der Bundesärzte- kammer, Dr. med. Karsten Vilmar, begrüßte wie auch andere Vertre- ter der Ärzteschaft den Beschluß.
Der Wille des Patienten werde stärker berücksichtigt. Das sei be- reits im „Entwurf der Richtlinie der Bundesärztekammer zur ärzt- lichen Sterbebegleitung und den Grenzen zumutbarer Behand- lung“ (DÄ 20/1997) so angelegt.
„Das Urteil erleichtert unsere Überlegungen“, sagte Vilmar ge- genüber dem Deutschen Ärzte- blatt. Ebensowenig wie man je- manden zwingen könne, eine le- bensnotwendige Operation vor- nehmen zu lassen, könne jemand gezwungen werden, eine künstli- che Ernährung durchführen zu lassen. Der Bundesärztekammer- Präsident forderte, daß jeder ein- zelne in einer eindeutigen Er- klärung seinen Willen festlegen solle. Gisela Klinkhammer
B
undesweit gibt es zur Zeit 637 000 Freiberufler. Da- von entfallen rund 561 000 Freiberufler auf die alten Bundes- länder (in den letzten zehn Jahren hat sich deren Zahl verdoppelt), in den neuen Ländern sind es rund 76 000.Zugleich hat sich die Zahl der abhängig Beschäftigten in den Freiberufler-Praxen, Kanzleien, Ateliers und Büros in den letzten zehn Jahren von rund einer Million
auf fast 1,8 Millionen Arbeitneh- mer erhöht.
Zur Zeit beschäftigen die Angehörigen der Freien Berufe 170 000 Auszubildende. Wie der Präsident des Bundesverbandes der Freien Berufe, Dr. med. Ul- rich Oesingmann, Allgemeinarzt aus Dortmund, erklärte, hofft der Verband, daß die Freiberufler bis Ende des Jahres 1999 weite- re 100 000 Arbeitsplätze schaf-
fen. EB