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Zum Reproduktions- und Aufzuchtverhalten des Goldbraunen Mausmakis (Microcebus ravelobensis, Zimmermann et al. 1998)

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Academic year: 2022

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Tierärztliche Hochschule Hannover

Zum Reproduktions- und Aufzuchtverhalten des Goldbraunen Mausmakis (Microcebus ravelobensis, Zimmermann et al. 1998)

INAUGURAL-DISSERTATION

zur Erlangung des Grades einer Doktorin der Veterinärmedizin

- Doctor medicinae veterinariae - ( Dr. med. vet. )

vorgelegt von Franziska Quietzsch

Karl-Marx-Stadt

Hannover 2009

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Wissenschaftliche Betreuung:

PD Dr. Ute Radespiel, Institut für Zoologie

1. Gutachter: PD Dr. Ute Radespiel

2. Gutachter: Prof. Dr. Sabine Meinecke-Tillmann

Tag der mündlichen Prüfung: 28.05.09

(3)

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ……….1

1.1 Das sozioökologische Modell ……….1

1.2 Weibliche Fortpflanzungsstrategien ……….3

1.3 Weibliche Fortpflanzungsstrategien bei Lemuren vor dem Hintergrund der Weibchendominanz ……….7

1.4 Jungtieraufzucht unter Lemuren ……….9

1.5 Vorstellung des Modellorganismus – Der Goldbraune Mausmaki …………14

1.6 Ziele der Arbeit ………..21

1.6.1 Untersuchung der weiblichen Reproduktionsbiologie ………22

1.6.2 Untersuchung der weiblichen Reproduktionsstrategien ………23

1.6.3 Untersuchung zum Aufzuchtverhalten ………25

2. Material und Methoden ………...27

2.1 Untersuchungsgebiete und Untersuchungszeitraum ………27

2.1.1 Untersuchungsgebiete ………….………...………..27

2.1.1.1 Jardin Botanique A ……….29

2.1.1.2 Jardin Botanique B ……….30

2.1.2 Untersuchungszeitraum ………...31

2.2 Datenerhebung im Feld ………...33

2.2.1 Fang/Wiederfang in den Studiengebieten ………33

2.2.2. Vermessung, Erfassung des Reproduktionsstatus, Markierung und Probennahme ………...35

2.2.3 Besenderung von Weibchen ………...39

2.2.4 Verhaltensbeobachtungen ………...41

2.2.5 Bestimmung der Schlafplätze ………...43

2.2.6 Zusammensetzung der Schlafgruppen ………46

2.3 Datenanalyse ………..46

2.3.1 Populationsökologische Methoden ………46

2.3.1.1 Nutzung von Fallen und Fangbarkeit…….……….….46

2.3.1.2 Bestimmung der Populationsgröße ……….46

(4)

2.3.1.3 Berechnung der Populationsdichte ……….50

2.3.2 Reproduktionsbiologie der Weibchen ………50

2.3.3 Analyse der weiblichen Reproduktionsstrategien ………51

2.3.3.1 Einteilung der reproduktiven Phasen ……….………….51

2.3.3.2 Aktivitätbudgets ….……….52

2.3.3.3 Nächtliche Aktionsräume und Wanderstrecken .………...53

2.3.3.4 Östrussynchronität …….………54

2.3.3.5 Sozialverhalten ….………..54

2.3.3.6 Zusammensetzung der Schlafgruppen …….……….55

2.3.4 Analyse der Kondition und Verfügbarkeit potentieller männlicher Partner ...55

2.3.4.1 Saisonale Änderung des Hodenvolumens ………..55

2.3.4.2 Saisonale Änderung des Körpergewichtes ……….55

2.3.4.3 Anzahl männlicher Individuen in der Nähe der Weibchen …………...56

2.3.5 Analyse des Aufzuchtverhaltens ………...56

2.3.5.1 Entwicklung der Mutter-Kind-Kontakte und ontogenetische Betrachtungen………..56

2.3.5.2 Schlafplatzwahl in und außerhalb der Aufzuchtzeit ……..…………..57

2.3.6 Genetische Analysen ………...57

2.3.6.1 DNA Extraktion ……….……57

2.3.6.2 Erstellung der Multilokus-Genotypen ……….…...58

2.3.6.3 Sequenzierung der mitochondrialen d-loop ……….……60

2.3.6.4 Bestimmung der Verwandtschaftsverhältnisse in Schlafgruppen …....62

2.3.7 Datenverarbeitung und statistische Verfahren ………63

3. Ergebnisse ………...65

3.1 Populationsökologie ………..……….65

3.1.1 Fangbarkeit ………..65

3.1.2 Populationsgröße ……….………...………...72

3.1.3 Populationsdichte ………...76

3.1.4 Anzahl weiblicher Individuen in der Nähe eines Weibchens ………78

3.1.5 Geschlechterverhältnis ………...83

(5)

3.2 Kondition und Verfügbarkeit potentieller männlicher Partner ………85

3.2.1 Saisonale Änderung des Körpergewichtes ………85

3.2.2 Saisonale Änderung des Hodenvolumens ………88

3.2.3 Anzahl männlicher Individuen in der Nähe der Weibchen ………90

3.3 Reproduktionsbiologie der Weibchen ………93

3.3.1 Zyklusübersicht der Weibchen ………...93

3.3.2 Konzeptionswahrscheinlichkeit ………...97

3.3.3 Trächtigkeitsdauer …...……….………..………….101

3.3.4 Reproduktive Phasen der Senderweibchen ……….…102

3.3.5 Verfügbarkeit östrischer Weibchen ……….…....104

3.3.6 Saisonale Entwicklung des Körpergewichtes der Weibchen ………….…….107

3.4 Weibliche Reproduktionsstrategien ……….109

3.4.1 Kontaktzeiten zu den Fokusweibchen …….……...………..109

3.4.2 Aktivitätsbudgets in und außerhalb der Paarungszeit ………..110

3.4.3 Raumnutzung in und außerhalb der Paarungszeit ………..115

3.4.4 Östrussynchronität ……….124

3.4.5 Sozialverhalten innerhalb und außerhalb der Paarungszeit ………..125

3.4.6 Zusammensetzung der Schlafgruppen vor der Aufzuchtzeit ………..135

3.4.7 Paarungsverhalten ……….144

3.5 Aufzuchtverhalten ……….146

3.5.1 Schlafplatzwahl in und außerhalb der Jungtieraufzucht ………..147

3.5.2 Nutzungsmuster der Schlafplätze während und außerhalb der Jungtieraufzucht ………..…..150

3.5.3 Schlafgruppenzusammensetzung während und außerhalb der Jungtieraufzucht ……….155

3.5.4 Entwicklung der Raumnutzung während und außerhalb der Aufzuchtzeit ..158

3.5.5 Entwicklung der Mutter-Kind-Kontakte ……….…………158

3.5.6 Ontogenetische Beobachtungen ……….168

4. Diskussion ………169

4.1 Methodenkritik ………169

4.2 Untersuchung der weiblichen Reproduktionsbiologie ………..172

(6)

4.3 Reproduktionsstrategien weiblicher goldbrauner Mausmakis ………..187

4.4 Untersuchung des Aufzuchtverhalten ……….207

5. Zusammenfassung ……….223

6. Literaturverzeichnis ……….229

7. Anhang ………273

(7)

Abkürzungsverzeichnis

A Allelausschluss A Aufzuchtzeit Abb Abbildung

Aug August

Dez Dezember

df Freiheitsgrad

DNA Desoxyribonukleinsäure dNTP´s deoxynucleotide Triphosphate eds editors

F Prüfwert des ANOVA-Tests Fa Firma

g Gramm

G statistische Prüfgröße des Goodness-of-fit-Tests Gr Gruppe

h Stunde ha Hektar Hrsg Herausgeber

ID Identifikationsnummer Jan Januar

JBA Jardin Botanique A JBB Jardin Botanique B km Kilometer

KW Kalenderwoche M Männchen m Meter Max Maximum Min Minimum Mit N mit Nachwuchs mm Millimeter

(8)

mm³ Kubikmillimeter

MNA Minimum Number of Animals Known Alive MWU Mann-Whitney-U-Test

N Anzahl der Stichproben NN Normalnull

n.s. nicht signifikant

Okt Oktober

p Irrtumswahrscheinlichkeit P Paarungszeit

PCR Polymerase ChainReaction PTC Peltier Thermal Cycler r Verwandtschaftskoeffizient SG Schlafgruppe

SG? Unbekanntes Schlafgruppenmitglied SGM Schlafgruppenmännchen

SGW Schlafgruppenweibchen Tab Tabelle

T Tragzeit

ohne N ohne Nachwuchs

VP Vorpaarungszeit W Weibchen

W m N Weibchen mit Nachwuchs W o N Weibchen ohne Nachwuchs Z statistische Prüfgröße z. Bsp zum Beispiel

? unbekanntes Individuum

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1. Einleitung

1.1. Das sozioökologische Modell

Nach Darwin (1859) strebt jedes Individuum danach, eine Fitnessmaximierung zu erzielen. Die Strategien, die ein Individuum wählt, um dieses Ziel zu erreichen, werden von einer Reihe von Faktoren modifiziert und können daher sehr unterschiedlich aussehen (Swartz Soukup & Thompson 1997, Heg & van Teuren 1998). Bei Säugern werden der Reproduktionserfolg und damit die Fitness der Weibchen durch den Zugang zu Ressourcen, wie Nahrung und Nistplätzen, bestimmt (Trivers 1972, Wrangham 1980). Bei den Männchen wird der Reproduktionserfolg durch den Zugang zu rezeptiven Weibchen beschränkt, die selbst eine rare Ressource darstellen. Das sozioökologische Modell (Abb.1) geht daher davon aus, dass sich das Verhalten der Weibchen nach den Faktoren Prädationsrisiko und Ressourcenverteilung richtet. Die Verteilung der Männchen passt sich dann in einem zweiten Schritt der gegebenen Verteilung der Weibchen an (Emlen & Oring 1977).

Abb. 1 Grundzüge des sozioökologischen Modells nach Emlen und Oring (1977) ( : maßgebliche Einflussfaktoren; : potentielle Einflussfaktoren;

: untergeordnete Einflussfaktoren)

Die Verteilung der Ressourcen in einem Habitat beeinflusst die Struktur von Weibchengruppen (Wrangham 1980, van Schaik 1989). Liegen Ressourcen in

Ressourcenverteilung Prädationsrisiko Vor- und Nachteile des Gruppenlebens

Verteilung Weibchen

Verteilung Männchen

Infantizidrisiko Väterliche Fürsorge

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ausreichender Menge vor, die zudem gleichmäßig in einem Gebiet verteilt sind, sollte keine direkte Konkurrenz um diese entstehen. Agonistische Auseinandersetzungen zwischen den Weibchen würden keine Vorteile bringen (´non-female bonded`).

Solche Beziehungen sind unter anderem bei arborealen Primatenarten mit folivorer Ernährungsweise zu finden, wie z.B. bei Stummelaffen (Dunbar & Dunbar 1976).

Wenn Ressourcen hingegen geklumpt und limitiert vorliegen und damit monopolisierbar werden, sollten agonistische Auseinandersetzungen und klare Rangordnungen zwischen Weibchen ausgeprägt sein („female-bonded“), was z.B.

innerhalb der Lemuren z.B. bei Lemur catta (van Schaik 1989) der Fall ist. Natürlich ist die Verteilung von Ressourcen auch ausschlaggebend dafür, ob Weibchen solitär oder in Gruppenverbänden leben. Dabei ist sowohl die zeitliche als auch die räumliche Verteilung von Ressourcen entscheidend. Bei fleckenhafter Verteilung einer Ressource ist es für ein Individuum notwendig, eine größere Gesamtfläche zu verteidigen, als dies für die Befriedigung des eigenen Bedarfs notwendig wäre (Johnson et al. 2002). Daher kann ohne wesentlich größere Kosten ein zweites Individuum im selben Gebiet Zugang zu ausreichend vielen Ressourcen gewinnen.

Nach dieser sogenannten Ressourcendispersions-Hypothese kann Gruppenleben zunächst ohne besondere Vorteile entstehen, weil durch diesen Zusammenhang die Kosten des Zusammenlebens entscheidend reduziert werden (Kappeler 2006).

Durch eine optimale Raubfeindvermeidung können das eigene Überleben und das Überleben der Nachkommen gesichert werden. Dies führt zu einer Erhöhung des individuellen Reproduktionserfolges (Alcock 1998). Das Leben innerhalb eines Gruppenverbandes kann sich dabei als vorteilhaft erweisen, da mehrere Individuen schneller und sicherer Prädatoren erkennen und vertreiben können (van Schaik 1983, Cheney & Wrangham 1987). Außerdem werden bei einem Angriff durch einen Prädator aufgrund des Verdünnungs- und Verwirrungseffekts die individuellen Überlebenschancen erhöht (Hamilton 1971).

Das Ziel, das von den Männchen verfolgt wird, besteht darin, Zugang zu möglichst vielen Weibchen zu erlangen (Clutton-Brock & Parker 1992). Das Erreichen dieses Zieles ist abhängig von der räumlichen und zeitlichen Verteilung rezeptiver Weibchen (Say et al. 2001). Gibt es in einem Gebiet zum Beispiel eine niedrige Dichte an

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Weibchen, die zudem stark synchronisiert östrisch werden, können die Männchen z.B. eine monogame Beziehung, eine Aktionsraumvergrößerung in der Paarungszeit oder die Verteidigung eines größeren Gebietes in Betracht ziehen (Emlen & Oring 1977, Ims 1988, 1994, Schwagmeyer 1988, Whitehead 1990). Außer in einer Monogamie oder kohäsiven Polygynie wird es für die Männchen schwierig sein, bestimmte Weibchen oder Ressourcen zu monopolisieren. Hier hängt viel von der Fähigkeit der Männchen ab, östrische Weibchen zu lokalisieren und sich, wenn möglich, mit ihnen häufiger zu verpaaren als Konkurrenten (scramble competition).

Gemischte Vaterschaften sind unter diesen Bedingungen nicht selten. Daher spielt in diesen Fällen auch die sogenannte Spermienkonkurrenz eine entscheidende Rolle.

Hierbei konkurrieren die Spermien verschiedener Männchen, die ein Weibchen begattet haben, um die Befruchtung der weiblichen Eizellen. Charakteristisch für diese Art der intrasexuellen Konkurrenz sind beispielsweise große Hoden (Harcourt et al. 1981, Clutton-Brock 1989, Davies 1991, Eberle & Kappeler 2002).

Findet man hingegen eine hohe Dichte an Weibchen, sowie asynchrone Zyklen, ist die Möglichkeit, ein Weibchen zu monopolisieren, höher. Hier sollten die Männchen in der Lage sein, den Zugang zu Weibchen gegenüber Rivalen zu verteidigen („contest competition“, Milinski & Parker 1991). Dabei spielen die Körpergröße und das Körpergewicht eine große Rolle (Clutton-Brock 1991; Weckerly 1998; Schulte- Hostedde & Millar 2002). Zu dieser Verteidigungstaktik gehört auch das Überwachen rezeptiver Weibchen („mate guarding“). Daher findet man in diesem Fall einen geringeren Anteil gemischter Vaterschaften.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Männchen ihre Strategien an die Wahrscheinlichkeit ein Weibchen zu befruchten, die Anzahl anderer Paarungsmöglichkeiten und die Kosten einer Weibchenverteidigung anpassen (Eberle & Kappeler 2004b).

1.2. Weibliche Fortpflanzungsstrategien

Die Fitness von Weibchen soll hautpsächlich durch ihren Reproduktionserfolg und das Überleben ihres Nachwuchses bestimmt (Eberhard 1998, Jennions & Petrie 2000, Gavrilets et al. 2001, Fedorkaf & Mousseau 2002, Kokko et al. 2003). Dabei ist

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die Wahl des geeigneten Paarungspartners („best male strategy“ nach Clutton-Brock

& Harvey 1976) ein wichtiger Faktor. Da in der Regel die Weibchen den größten Anteil an Investitionen in die Nachkommen haben, sollten sie sich hierbei wählerisch zeigen (Krebs & Davis 1996). Bei der Auswahl des besten Partners spielt neben der Weitergabe guten genetischen Erbmaterials auch die Investitionsbereitschaft der Männchen eine Rolle. Durch die Wahl eines Männchens, das in der Lage ist, eine Ressource oder aber Weibchen direkt gegen Konkurrenten zu verteidigen, könnten solche Eigenschaften, soweit sie genetisch fixiert sind, auch an die Nachkommen weitergegeben werden. Bei Arten, die Brutpflege betreiben, kann die Fähigkeit und Bereitschaft des Männchens, über die Paarung hinaus in seine Nachkommen zu investieren, auch ein entscheidendes Auswahlkriterium für das Weibchen sein (Eberhard 1998, Jennions and Petrie 2000, Gavrilets et al. 2001, Fedorkaf and Mousseau 2002, Kokko et al. 2003).

Ein Weibchen hat verschiedene Möglichkeiten die Partnerwahl zu beeinflussen.

Wenn Männchen die Initiative übernehmen und paarungsbereite Weibchen aufsuchen, haben letztere die Wahl, auf die Aufforderungen einzugehen oder diese abzulehnen. Eberle und Kappeler (2004a) beobachteten, dass Graue Mausmaki- Weibchen während ihres Östrus nicht in der Lage waren, Paarungen abzuwehren (Eberle und Kappeler 2004a). Radespiel (2001) konnte hingegen bei vier von acht beobachteten Grauen Mausmaki-Weibchen feststellen, dass diese sich den Paarungsversuche von Männchen widersetzten.

Weibchen können allerdings auch selbst auf Partnersuche gehen, um erwählte Männchen zu Paarungen aufzufordern (Kappeler 2006). Weibliche Graue Mausmakis kopulieren z.B. in einem sehr engen Zeitfenster von wenigen Stunden pro Jahr mit jedem Männchen, das Interesse zeigt, wehren sich aber gegen jeden Annäherungsversuch davor oder danach (Eberle & Kappeler 2004a). Bei östrischen Lemur catta Weibchen konnte beobachtet werden, dass diese aktiv die Nähe der Männchen suchen und diese zu Kopulationen regelrecht auffordern, in dem sie ihnen den Rücken zudrehen und den Schwanz anheben. Sie suchten während ihres Östrus sogar gezielt Kontakt zu Männchen aus anderen Gruppen (Sauther 1991).

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Die Wahl mehrerer Männchen als Kopulationspartner kann vorteilhaft sein. Obgleich die während einer Kopulation übertragenen Spermien in der Regel für die Befruchtung aller Eizellen eines Weibchens mehr als ausreichend sind, kann es sich für ein Weibchen auszahlen, mehrfach und mit verschiedenen Männchen zu kopulieren (Alcock 1996, Reynolds 1996). Die Vorteile können vielfältiger Natur sein.

Neben direktem materiellen Gewinn, zum Beispiel in Form von Brautgeschenken (Thornhill & Alcock 1983) ist bei einigen Arten ein promiskuitives Paarungsverhalten mit der Rekrutierung von Männchen zur Jungenaufzucht verbunden (Kleiman &

Malcolm 1981, Clutton-Brock 1991, Poldmaa & Holder 1997, Nakamura 1998). Die Unsicherheit der Vaterschaft kann Männchen daran hindern, Infantizid zu begehen und sie dazu veranlassen, die Jungtiere vor anderen infantizidalen Männchen zu schützen (van Schaik 1996, van Schaik & Kappeler 1997, Swartz Soukop &

Thompson 1997, van Schaik et al. 1999). Sie kann auch die Bereitschaft von Männchen erhöhen, Nachwuchs gegen Prädatoren zu verteidigen (Petrie &

Kempenaers 1998). Weibchen können aber auch genetische Vorteile aus wiederholten Paarungen gewinnen, indem die Qualität und genetische Vielfalt der Nachkommen gesteigert wird (Jennions 1997, Stear et al. 1998, Drickamer et al.

2000, Osikowski & Rafinski 2001). Dennoch sind wiederholte Kopulationen für Weibchen auch mit Kosten verbunden, denn diese Zeit können sie nicht mit Nahrungssuche und -aufnahme verbringen. Betrogene Männchen können ihr elterliches Investment verringern, wenn sie Untreue vermuten. Der sexuelle Kontakt zu mehreren Männchen birgt außerdem ein erhöhtes Risiko für eine Infektion mit Krankheiten und die Übertragung von Parasiten. Paarungen mit mehreren Männchen konnten z.B. bei Grauen Mausmakis beobachtet werden (Radespiel & Zimmermann 2002, Eberle & Kappeler 2004). Ein Weibchen verpaarte sich dabei mit ein bis sieben verschiedenen Männchen. Bei der Gattung Varecia verpaaren sich Weibchen ebenfalls mit mehreren Männchen, die entweder der eigenen aber auch einer anderen Gruppe angehören können (Morland 1993b, Vasey 2007).

Neben der direkten Wahl, die Weibchen ausüben können, spielt auch die indirekte Partnerwahl eine große Rolle. Aus einer Studie an Grauen Mausmakis weiß man, dass Weibchen ihren Östrus sowohl akustisch, durch spezifische Werberufe, als

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auch olfaktorisch, durch Urinmarkieren, anzeigen können (Büsching et al. 1998).

Somit erregen sie die Aufmerksamkeit von potentiellen Paarungspartnern. Auch bei Aye-Ayes wurde beobachtet, wie östrische Weibchen durch wiederholte Rufe die Aufmerksamkeit von Männchen erregten (Sterling 1993a).

Auch die zeitliche Verteilung der Östren bietet den Weibchen die Möglichkeit, die Paarungsstrategien der Männchen zu beeinflussen.

So reduziert die zeitliche Synchronisierung der Östren das Monopolisierungspotential der Männchen, da diese sich mit möglichst vielen Weibchen verpaaren wollen.

Außerdem wird dadurch das Potential für Weibchenwahl gesteigert. Da das synchrone Auftreten von rezeptiven Weibchen das Monopolisierungspotential von Männchen besonders bei kurzen Fortpflanzungsperioden stark begrenzen kann, wird dies auch als Mechanismus zur Etablierung monogamer Paarungs- und Sozialsysteme interpretiert (Knowlton 1979). Dies hat sich jedoch nicht immer als zutreffend erwiesen (Kempenaers 1997, Weatherhead 1997). Östrussynchronisation, die über olfaktorische Reize stattfindet, findet man bei vielen sozial lebenden Säugern. Auch bei Lemur catta Weibchen einer Gruppe konnte eine ovarielle Synchronität nachgewiesen werden (Pereira 1991, Sauther 1991, Sussman 1991).

Auch Eberle & Kappeler (2004) beobachteten Östrussynchronisierung bei Weibchen, die nah beieinander lebten.

Die daraus resultierende Geburtensynchronität kann den Reproduktionserfolg erhöhen und eine gemeinschaftliche Jungenaufzucht begünstigen. Sie kann gleichzeitig auch als Anpassung an Prädationsdruck interpretiert werden, wobei der Erfolg einer solchen Strategie vom Beutespektrum und der saisonalen Aktivität der Beutegreifer abhängt (Ims 1990a, b).

Radespiel und Zimmermann (2001) hingegen stellten fest, dass Graue Mausmaki- Weibchen, die in einem Käfig gehalten wurden, niemals in derselben Nacht östrisch wurden. Durch diese moderate Synchronisierung der Östren würde eine intrasexuelle Konkurrenz der Weibchen um Paarungspartner reduziert werden, die Chance auf eine gemeinsame Jungenaufzucht hingegen bliebe erhalten.

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Es gibt Hinweise darauf, dass Weibchen über präkopulatorische Methoden hinaus bestimmen können, welche Männchen Väter ihres Nachwuchses werden. Es existieren physiologische Mechanismen im Fortpflanzungstrakt der Weibchen, mit deren Hilfe die Vaterschaftswahrscheinlichkeit bestimmter Männchen positiv oder negativ beeinflusst werden kann. Diese Wahlmethode wird auch als kryptische, also geheime Weibchenwahl bezeichnet. Diese Form der Weibchenwahl kann nur nach multiplen Verpaarungen mit unterschiedlichen Männchen erfolgen. Kryptische Partnerwahl wurde erstmals bei Skorpionsfliegen (Harbobittacus nigriceps) von Thornhill (1983) beschrieben. Neben strukturellen Merkmalen von Spermienspeicherorganen, können auch immunologische Prozesse sowie mit dem Genotyp der Männchen korrelierte Erkennungsmechanismen an der Spermienoberfläche dafür sorgen, dass bestimmte Spermien eliminiert werden (Greef & Parker 2000). Das Weibchen hat somit die Möglichkeit, auch nach einer bereits stattgefundenen Kopulation zwischen verschiedenen möglichen Vätern zu wählen. Die Unfähigkeit Grauer Mausmaki-Weibchen, „Vaginalplugs“ nach einer erfolgten Paarung zu entfernen, verringert allerdings die Möglichkeiten für post- kopulatorische Auswahlmechanismen. Im Gegensatz dazu konnte das Entfernen von

„Vaginalplugs“ bei anderen Lemurenarten wie z.B. L. catta beobachtet werden (Setchell & Kappeler 2003).

1.3. Weibliche Fortpflanzungsstrategien bei Lemuren vor dem Hintergrund der Weibchendominanz

Weibchendominanz ist ein charakteristisches Merkmal vieler Lemurenarten. Sie tritt jedoch selten bei anderen Primaten und Säugern im Allgemeinen auf (Ralls 1976, Hrdy 1981, Jolly 1984, Kappeler 1993). Dies verschafft weiblichen Lemuren eine besondere Stellung im Säugetierreich. Weibchendominanz wird als die Fähigkeit von Weibchen beschrieben, submissives Verhalten bei erwachsenen Männchen hervorzurufen (Pereira et al. 1990) und wurde ursprünglich mit saisonalem Stress bezüglich der Verfügbarkeit von Nahrungsressourcen in Verbindung gebracht (Hrdy 1981). Dieser Ansatz wurde zu einem Konzept von energieaufwändiger Reproduktion basierend auf der hohen Wachstumsrate der Jungtiere, die

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zwangsläufig hohe Energiereserven der Mutter einfordert, sowie saisonal stark limitierter Nahrungsverfügbarkeit, erweitert (Jolly 1984). Neuere Studien diskutieren allerdings andere Erklärungen für Weibchendominanz. Jolly (1998) argumentiert, dass sich Dominanz durch Weibchen als eine Form von paternalem Investment in die Aufzucht der Jungtiere bei monogamen Arten, entwickelt haben könnte. Diese Theorie basiert auf der Überlegung, dass das Jungtier von einer verbesserten Kondition des Weibchens profitiert und somit das Männchen seine eigene direkte Fitness vergrößert. Tilden und Oftedal (1995) legen dar, dass Weibchendominanz eine Strategie zur Vermeidung von reproduktivem Stress darstellen könnte, die darauf gründet, dass Weibchen während der nahrungsreichen Zeit Priorität an den Fressplätzen haben und somit genügend Energiereserven für die folgenden trockenen Monate ansammeln können. Bei Lemuren wird zwischen einer eindeutigen Weibchendominanz, einer moderaten Dominanz (Konflikte werden weniger oft entschieden und Männchen sind häufiger aggressiv) sowie der Dominanz der Weibchen im Futterkontext unterschieden. Eindeutige Weibchendominanz existiert z.B. bei Indri indri (Pollock 1979, Powzyk 1997) und M. murinus (Radespiel &

Zimmermann 2001). Moderate Weibchendominanz wurde zum Beispiel bei Daubentonia madagascariensis beobachtet (Rendall 1993). Dominanz im Futterkontext scheint z.B. bei Sifakas (Propithecus verreauxi) aufzutreten, da bei dieser Gattung alle beschriebenen Konflikte im Futterkontext beobachtet werden konnten (Richard 1978, Kubzdela et al. 1992). Weibchendominanz kann dabei verschiedenen Funktionen dienen. Im Kontext der Reproduktion und Aufzucht spielen unter anderem die Regulation und Kontrolle des Zugangs zu Nahrungsressourcen oder Schlafplätzen eine entscheidende Rolle. In einer Studie von Radespiel et al. (1998) am Grauen Mausmaki wurde herausgefunden, dass Weibchen im Vergleich zu Männchen besser geschützte und isolierte Schlafplätze nutzten. Außerdem können Weibchen aktiv Entscheidungen bezüglich potentieller Paarungspartner treffen, in dem Paarungsversuche bestimmter Männchen abgewehrt werden. Dieses Verhalten wurde sowohl von Pagès-Feuillade (1988) und Radespiel (1998) bei freilebenden Grauen Mausmakiweibchen beobachtet. In einer Studie von Radespiel et al. (2001) gewannen die Weibchen von vier

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Untersuchungsgruppen, die jeweils aus zwei Weibchen und zwei Männchen zusammengesetzt waren, alle entschiedenen Männchen-Weibchen-Konflikte unabhängig vom Kontext und der Konstellation der interagierenden Tiere. Laut einer Studie von Eberle und Kappeler (2004a) hingegen verpaarten sich alle beobachteten Weibchen des Grauen Mausmakis in ihrer rezeptiven Phase mit jedem Männchen, das Interesse zeigte. Das Vorkommen von Weibchendominanz, unabhängig vom Ausmaß der Dominanzverhältnisse, scheint weiblichen Lemuren die Chance zu bieten, maßgeblich auf ihren Reproduktionserfolg einzuwirken und diesen zu steigern.

1.4. Jungtieraufzucht unter Lemuren

Elterliche Fürsorge kann als jegliches Verhalten eines Elternteiles, das zur Erhöhung der Fitness seiner Nachkommen beiträgt, definiert werden (Clutton-Brock 1991). Ob und welche Form elterlicher Fürsorge stattfindet, hängt vom Verhältnis der damit zusammenhängenden Vor- und Nachteile ab. Die Vorteile bestehen aus positiven Effekten auf Überleben, Wachstum und Fortpflanzungserfolg der Nachkommen. Die somatischen und ökologischen Kosten der Fürsorge können sich in reduzierter Überlebenswahrscheinlichkeit und Fekundität in der nächsten Fortpflanzungsperiode niederschlagen (Kappeler 2006). Verschiedene Tiergruppen und Arten können sich aufgrund unterschiedlicher ökologischer und sozialer Rahmenbedingungen in Form und Intensität der Fürsorge unterscheiden.

Neben der solitären Jungtieraufzucht gibt es Arten, bei denen mehrere Weibchen gleichzeitig Nachwuchs bekommen und diesen gemeinsam aufziehen („plural breeders“). Die Vorteile können sowohl in einer direkten Fitnesssteigerung, vorausgesetzt die Hilfe ist reziprok, oder in der indirekten Fitnesssteigerung liegen, wenn verwandte Tiere Gruppen ausbilden (Pen & Weissing 2000, Kokko et al. 2001, Clutton-Brock 2002). Als Vorteile der gemeinschaftlichen Jungenaufzucht werden Fitnessgewinne durch gemeinsame Ausbeutung von Nahrungsressourcen, gemeinschaftliche Jagd, „Allogrooming“, Verteidigung und Thermoregulation diskutiert. Es werden aber auch zahlreiche Kosten angeführt, wie die gesteigerte Konkurrenz um Nahrung, die größere Auffälligkeit für Prädatoren, die Übertragung von Parasiten und Infantizid (Emlen 1991).

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Weitere Gründe für die Gruppenaufzucht können auch ökologisch fundiert sein (Emlen 1982, Getz et al. 1992). Dazu gehört zum Beispiel die beschränkte Verfügbarkeit von Schlafplätzen. Eine verbesserte Lokalisation von Nahrungsquellen wird ebenfalls bei manchen Arten als Erklärung angeführt (Caraco & Brown 1986, Faulkes et al. 1997). Eine weitere Hypothese beschäftigt sich mit missgerichteter elterlicher Fürsorge, die durch die Unfähigkeit entsteht, eigenen von fremdem Nachwuchs zu differenzieren (Eberle & Kappeler 2006). Dabei ist jedoch wieder der Verwandtschaftsgrad in Bezug auf indirekte Fitnesssteigerung zu berücksichtigen.

Ein nicht zu vernachlässigender Grund, Jungtiere gemeinschaftlich aufzuziehen, kann auch die Sicherung des Reproduktionserfolges bei Versterben der Mutter sein (König 1994b).

In einer Studie über das Aufzuchtsverhalten des Grauen Mausmakis (Eberle &

Kappeler 2006) wurde beobachtet, dass alle Weibchen, die eng verwandte Weibchen in ihrer näheren Umgebung hatten, mit diesen gemeinsam während der Aufzucht Gruppen bildeten. Dabei hatte jedes der Weibchen eigenen Nachwuchs. Auch bei einem Wechsel von Schlafplätzen blieben diese Gruppen konstant bestehen. Die Jungtiere verblieben die ersten drei bis vier Lebenswochen im Nest und begannen ab einem Alter von acht Wochen selbstständig auf Nahrungssuche zu gehen. Bis zu einem Alter von sechs Wochen wurden die Jungtiere gesäugt und ausschließlich von ihren eigenen Müttern transportiert. Die Weibchen sind also in der Lage, eigenen Nachwuchs von fremdem Nachwuchs zu unterscheiden. Der Nachwuchs wurde allerdings auch von fremden Müttern gesäugt und der Fellpflege unterzogen (Tab.1).

Bei anderen Lemurenarten wie zum Beispiel L. catta wurde die Aufzucht von Jungtieren in gemischtgeschlechtlichen Gruppen beobachtet (Tab.1). L. catta lebt in Gruppen bestehend aus 11-17 Individuen (Sussman 1991, Hood & Jolly 1995).

Innerhalb der ersten drei Lebenswochen der Jungtiere stellt die Mutter den primären Bezugspunkt für ihr Jungtier dar. Andere Weibchen innerhalb der Gruppe, die teilweise auch eigenen Nachwuchs haben, assistieren der Mutter jedoch in unterschiedlichem Maße bei der Aufzucht des Nachwuchses („alloparenting“) (Jolly 1966, Gould 1992). Dieses Verhalten kann sowohl das „Groomen“, als auch das Tragen von fremden Jungtieren beinhalten. In Fällen, in denen die Mutter vor dem

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Absetzen der Jungtiere verstarb, wurden diese von anderen Gruppenmitgliedern versorgt und sogar gesäugt (Gould 2000). Tatsächlich wurden in einer Studie von Eberle und Kappeler (2006) überlebende Jungtiere gefunden, deren Mütter während der Laktationsperiode verstorben waren. Ein ähnliches Verhalten konnte bereits auch bei L. catta beobachtet werden (Gould 2000).

Ähnliche Formen der Jungtierbetreuung in Gruppen, die das Säugen und Herumtragen nicht-eigenen Nachwuchses beinhalten, wurden unter anderem auch bei Propithecus edwardsi und P. candidus beobachtet (Jolly 1966, Grieser 1992, Patel et al. 2003a, reviewed in Patel 2007b).

Bei einer weiteren Lemurenart, Varecia varecia, bei der die Gruppenmitglieder ebenfalls Unterstützung bei der Jungtieraufzucht leisten, wurde die Mutter beim Bau eines Nestes, also eines zusätzlichen Schutzfaktors für den Nachwuchs, beobachtet.

Diese Nester wurden vor der Geburt der Jungtiere in circa 10-25 m Höhe aus Blättern, Zweigen und anderem Laubwerk errichtet (Morland 1990, Vasey 1997a, 2007). Die Mütter verbringen während der ersten zwei Wochen nach der Geburt zwischen 70 und 90 % der Zeit mit ihrem Nachwuchs in diesen sehr dichten Nestern (Pereira et al. 1987) (Tab.1). Ab einem Alter von drei Wochen werden die Jungtiere erstmals von der Mutter aus dem Nest getragen und in der Vegetation platziert (Pereira et al. 1987, Morland 1990, Vasey 2007). Dort verbleiben sie reglos, bis die Mutter nach bis zu sieben Stunden von ihrer Futtersuche zurückkehrt (Pereira et al.

1987, Vasey 2007). Der Transport der Jungtiere durch die Mutter endet ab einem Alter von 2,5 Monaten (Morland 1990, Downman 1993, Vasey 2007). Ab diesem Zeitpunkt beginnen sie der Mutter und anderen Gruppenmitgliedern bis zu 100 m zu folgen. Mit drei bis vier Monaten sind die Jungtiere schließlich in der Lage, den Adulten dauerhaft zu folgen (Morland 1990, Vasey 2007).

Neben der Betreuung von Jungtieren in Gruppen gibt es unter Lemuren aber auch andere Formen der Jungtieraufzucht wie zum Beispiel bei Cheirogaleus medius.

Diese Art weist ein monogames Paarungsystem auf, wobei ein

Weibchen-Männchen-Paar bis zu drei Jahren zusammenleben kann. Während der Jungtieraufzucht bewachen und beschützen beide Elternteile die Jungtiere (Ratsimbazafy et al. 2006). In Fällen, in denen das Männchen das Weibchen nicht

(20)

bei der Aufzucht der Jungtiere unterstützte, wurde gewöhnlich der Tod der Jungtiere beobachtet (Fietz 1999). Das Zusammenleben in einem Männchen-Weibchen-Paar wurde auch bei weiteren Lemuren beobachtet. So besteht zum Beispiel die soziale Einheit bei Avahi occidentalis oder A. laniger auch aus einem Elternpaar und ihrem Nachwuchs (Harcourt, 1988; Harcourt & Thornback, 1990). Inwieweit sich der Vater hier allerdings an der Fürsorge um die Jungtiere beteiligt, ist nicht bekannt.

Anhand der Übersicht über die verschiedenen Formen der Jungtieraufzucht bei Lemuren wird deutlich, dass die Jungtieraufzucht in sozialen Gruppen am weitesten verbreitet zu sein scheint.

Tab.1 Übersicht über soziale Konstellationen bei der Aufzucht sowie den Verbleib von Jungtieren bei Lemuren

Soziale Konstellation bei Aufzucht

beobachtetes Verhalten

Artenbeispiele Referenzen

Weibchen ziehen Jungtiere allein auf

Cheirogaleus major Grzimek 1988;

Nowak 1999

Weibchen ziehen Jungtiere in Weibchengruppen

auf

Gemeinsames Nest Gemeinsames

„Grooming“

Gemeinsames Säugen Gemeinsamer

Transport Adoption

.

M. murinus Eberle & Kappeler 2006;

Lutermann 2001

Weibchen ziehen Jungtiere in gemischten Gruppen

auf

Gemeinsames

„Grooming“

Gemeinsames Säugen Gemeinsamer

Transport

Lemur catta

Propithecus edwardsi P. candidus

Jolly 1966, Gould 1992

Jolly 1966;

Grieser 1992;

Patel et al. 2003a;

reviewed in Patel 2007b

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Adoption Varecia varecia

Pereira et al. 1987;

Kerridge 1999

Aufzucht von Jungtieren durch ein Männchen-Weibchen-

Paar

Beide Elternteile bewachen und wärmen

die Jungtiere

Investment des Vaters nicht bekannt

Cheirogaleus medius

Avahi occidentalis

Ratsimbazafy et al.

2006

Harcourt & Thornback 1990

Jungtier Verbleib

Im Nest Bis zu einem Alter von ein - drei Lebenswochen

Bis zu einem Alter von drei - vier Lebenswochen

V. varecia

Ch. major

M. murinus

Morland 1990 Vasey 1997a 2007

Grzimek 1988 Nowak 1999

Lutermann 2001

„Parken“ der Jungtiere in der offenen Vegetation

Jungtiere können der Mutter über längere

Strecken folgen

3. - 4. Lebenswoche

3. - 4. Lebenswoche

mit 8 Wochen verlassen sie erstmals

Ch. major

Ch. medius

Daubentonia madagascariensis

Petter et al. 1977;

Wright & Martin 1995

Petter et al. 1977

Ancrenaz et al. 1994;

Feistner & Ashbourne

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1.5. Vorstellung des Modellorganismus – Der Goldbraune Mausmaki Systematik und Verbreitung

In Madagaskar ist eine der artenreichsten Primatenradiationen der Welt beheimatet, die Lemuren, zu denen mehr als 90 noch lebende Arten zählen (Mittermeier et al.

2008). Sie sind aufgrund von Abholzung und einer Zunahme an Lebensraum zerstörender Landwirtschaft stark bedroht. Zu den Lemuren gehören auch die Mausmakis (Microcebus spp.), eine zur Zeit 16 Arten umfassende Gattung (Olivieri et al 2007, Radespiel et al. 2008), von denen in dieser Studie eine Art untersucht werden soll, der Goldbraune Mausmaki (Zimmermann et al. 1998).

Phylogenetisch zählen Mausmakis zu den ursprünglichen Primatenspezies. Sie sind daher besonders geeignete Modellorganismen für die Erforschung der Evolution von Sozialsystemen bei Primaten. Taxonomisch werden sie folgendermaßen klassifiziert:

Reich: Animalia Phylum: Chordata Klasse: Mammalia Ordnung: Primates

Unterordnung: Strepsirrhini Überfamilie: Lemuroidea Familie: Cheirogaleidae Gattung: Microcebus

Das Vorkommen des 1998 von Zimmermann et al. entdeckten Goldbraunen

Mausmakis ist auf die Waldgebiete zwischen den Flüssen Betsiboka und Mahajamba beschränkt (Radespiel & Raveloson 2001, Rendigs et al. 2003, Olivieri et al. 2007, Rakotondravony & Radespiel 2008).

das Nest

M. murinus

1994

Martin 1972a

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Der Name M. ravelobensis leitet sich vom Namen des Sees ´Lac Ravelobe` ab, an dem diese Art erstmals entdeckt wurde. In Ampijoroa tritt der Goldbraune Mausmaki im Jardin Botanique A (JBA) sympatrisch mit dem Grauen Mausmaki (M. murinus) auf, wohingegen er im Jardin Botanique B (JBB) die einzige anzutreffende Mausmakiart darstellt. Diese beiden M. ravelobensis - Populationen unterscheiden sich drastisch in ihrer Populationsdichte. Während sie in einem Gebiet (JBA) der Dichte der sympatrischen Grauen Mausmakis vergleichbar ist (0,5 - 0,8 Individuen pro Hektar (Mester 2006)), ist sie in einem allopatrischen Studiengebiet (JBB) deutlich höher (3,6 - 4,4 Individuen/ha) (Mester 2006).

Morphologie

M. ravelobensis zählt mit ca. 60 Gramm Körpergewicht zu den schwereren Vertretern der Mausmakis in West-Madagaskar. Er besitzt eine Kopf-Rumpflänge von 12 - 13 cm, eine Schwanzlänge von 15 - 17 cm und eine Gesamtlänge von 27 - 30 cm (Rasoloarison et al. 2000). Die Goldbraunen Mausmakis unterscheiden sich vom sympatrisch lebenden Grauen Mausmaki äußerlich durch ihre goldbraune Färbung einen längeren Schwanz und längere Hinterfüße (Zimmermann et. al 1998).

Nahrung

Goldbraune Mausmakis ernähren sich wie Graue Mausmakis omnivor. Arthropoden und kleine Vertebraten zählen ebenso zum Nahrungsrepertoire wie Sekrete von Insektenlarven, Früchte, Blüten, Nektar, Baumsäfte und Blätter (Hagenah 2001, Weidt et al. 2004, Radespiel et al. 2006).

Weidt (2001) konnte in einer Freilandstudie zudem ein saisonal wechselndes Nahrungsspektrum in Anpassung an sich verändernde Nahrungsbedingungen beobachten. Sarikaya (1999), Peters (1999) und Schmelting (2000) fanden einen derartigen Effekt im Nahrungsverhalten auch bei M. murinus.

(24)

Kommunikation

Akustische Kommunikation

Für Mausmakis spielen akustische Signale eine wesentliche Rolle im Sozialverhalten (Zimmermann & Lerch 1993, Zimmermann 1995a, b, Hafen 1998). Sie kommunizieren an der oberen Grenze unseres Hörbereiches oder vollständig im Ultraschallbereich. Das Lautrepertoire der Grauen Mausmakis ist komplex. Sie verschlüsseln in ihren Rufen geschlechts- und individualspezifische akustische Erkennungszeichen. Beim Vergleich des Lautrepertoires von M. murinus, M. rufus, M. berthae und M. ravelobensis wurde deutlich, dass sich die meisten Sozialrufe zwischenartlich nur gering unterscheiden (Zietemann et al. 1999). Beim Goldbraunen Mausmaki konnte neben den Sozialrufen Grunzer, Tsäk und Pfiff ein hochfrequenter Werberuf festgestellt werden (Polenz 2000). Dieser Trillerruf wurde dabei nicht nur im Paarungskontext geäußert, sondern auch bei der Annäherung eines Männchens an ein Weibchen sowie beim Zusammentreffen von Schlafgruppen in den Morgenstunden (Braune et al. 2005) und unterscheidet sich in der akustischen Struktur deutlich von der des Grauen Mausmakis (Polenz 2000). Außerdem weisen die Trillerrufe verschiedener Schlafgruppen unterschiedliche Muster auf (Braune et al. 2005). Eine hohe Individualität in der Lautstruktur der Triller zeigte sich für Graue und Goldbraune Mausmakis (Zimmermann & Lerch 1993, Polenz 2000). In einer Studie von Braune (2008) an M. murinus, M. lehilahytsara und M. ravelobensis wurde weiterhin herausgefunden, dass Mausmakis auf arteigenene Werberufe deutlich stärker reagierten als auf artfremde. Hingegen konnten keine Unterschiede in den Reaktionen auf arteigene und artfremde Tsäkrufe beobachtet werden (Braune 2008).

Olfaktorische Kommunikation

In einer Untersuchung unter Verwendung von Käfigen in natürlicher Umgebung konnte bei dem Goldbraunen Mausmaki ausschließlich Urinmarkieren als Markierverhalten beobachtet werden (Polenz 2000). Als Funktion des

„Urinwaschens“ vermutete Glatston (1979), dass es der Kommunikation und Individuenerkennung, nicht aber der Territorienabgrenzung dient. Bei dem Vorgang

(25)

des „Urinwaschens“ baden die Mausmakis ihre Hände und Füße in eigenem Urin.

„Urinwaschen“ wird zudem als Information an das andere Geschlecht bezüglich des Reproduktionszustandes und auch als Information an Konkurrenten betrachtet (Hurst

& Rich 1999, Rich & Hurst 1998, Schmelting 2000). Individuelle Erkennung von Individuen am Urin konnte unter anderem bei Mirza coquereli gezeigt werden (Schilling 1980) und wurde auch für den Grauen Mausmaki vermutet (Sarikaya 1999). Welche individuellen Eigenschaften über den Urin kodiert sind, ist bisher jedoch noch nicht bekannt. Beim Grauen Mausmaki wird davon ausgegangen, dass Sekrete aus dem Genitalbereich der Weibchen Informationen über ihren reproduktiven Zustand liefern (Buesching et al. 1998). In einer Freilandstudie an M.

ravelobensis (Weidt 2001) wurden neben dem „Urinwaschen“ auch Anogenitalmarkieren, Astbeißen und Kopf-/Körperreiben beobachtet. Die mittlere Häufigkeit des Urinwaschens nahm dabei während der Paarungszeit zu.

Anogenitalmarkieren wurde ebenfalls im September mit der größten mittleren Häufigkeit beobachtet. Beide Verhaltensweisen wurden also vor allem im reproduktiven Kontext beobachtet.

Aktionsräume

Weibchen von M. ravelobensis wiesen im Untersuchungsgebiet Jardin Botanique A im Jahr 1996 mittlere Aktionsraumgrößen von 2,6 bis 2,7 ha, im Jahr 1997 zwischen 1,2 und 2,3 ha auf (Ehresmann 2000). In einer Studie von Weidt et al. (2004) lag die Größe der Aktionsräume der Weibchen im Jardin Botanique B im Jahr 1998 vor der Paarungszeit hingegen bei 0,58 ha, im Jahr 2000 bei 0,46 ha. Während der Paarungszeit wurden Aktionsraumgrößen von 0,62 ha in 1998 und 0,5 ha in 2000 verzeichnet. Die Aktionsraumgrößen der Weibchen im Jardin Botanique B waren also deutlich kleiner, als die der Weibchen im Jardin Botanique A. Auch die Männchen von M. ravelobensis wiesen im Jardin Botanique A deutlich größere Aktionsräume als im Untersuchungsgebiet Jardin Botanique B auf (Ehresmann 2000, Hagenah 2001).

Sowohl für den Goldbraunen, als auch für den Grauen Mausmaki konnten im Jardin Botanique A keine Veränderungen der Aktionsraumgrößen im Jahresverlauf bei den

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Weibchen festgestellt werden (Radespiel 1998, Ehresmann 2000, Weidt et al. 2004).

Im Untersuchungsgebiet JBA konnte hingegen eine Vergrößerung der Aktionsraume der Goldbraunen Mausmaki Männchen während der Paarungszeit gefunden werden (Ehresmann 2000).

Für den Grauen Mausmaki wurde anhand der Aktionsraumbestimmungen und Fangorte der Individuen eine hohe Ortstreue der Tiere festgestellt (Radespiel 1998).

Ein Vergleich der Aktionsräume der M. ravelobensis Weibchen vor und während der Paarungszeit zeigte auch hier eine große räumliche Konstanz an (Weidt et al. 2004).

Für M. ravelobensis konnten des Weiteren sowohl intra- als auch intersexuelle Aktionsraumüberlappungen vor als auch während der Paarungszeit festgestellt werden (Randrianambinina 1998, Weidt et al. 2004).

Bisher liegen allerdings noch keinerlei Informationen über die Raumnutzung der Goldbraunen Mausmaki-Weibchen während der Aufzucht vor.

Schlafplätze

M. ravelobensis nutzten im Vergleich zum sympatrisch lebenden Grauen Mausmaki signifikant seltener Baumhöhlen und Baumspalten als Schlafplätze. Exponierte Schlafplätze in Lianen, im Gestrüpp und in Astgabeln traten auf (Ehresmann 2000, Radespiel et al. 2003). Zudem wurde bei Goldbraunen Mausmakis ein starkes Fluchtverhalten am Schlafplatz beobachtet (Ehresmann 2000, Radespiel et al. 2003).

Auch bei ersten Untersuchungen des im Jardin Botanique B allopatrisch vorkommenden M. ravelobensis konnte keine Nutzung von Baumhöhlen festgestellt werden (Randrianambinina 1997). Weibchen nutzten hier neben den oben genannten Schlafplätzen auch Blätternester und Tectonia grandis-Schlafplätze (Weidt 2001). Über das Schlafplatzverhalten, also die Nutzung bestimmter Schlafplatztypen und die Nutzungsdauer eines Schlafplatzes, während der Aufzuchtzeit Goldbrauner Mausmaki-Weibchen ist bisher noch nichts bekannt.

Reproduktion

Vermutlich in Anpassung an eine saisonale Nahrungsverfügbarkeit gibt es beim Goldbraunen Mausmaki Hinweise auf eine saisonale Reproduktion (Schmelting et al.

2000, Randrianamibinina et al. 2003, Roloff 2007).

(27)

Östrische Weibchen des Goldbraunen Mausmakis konnten in bisherigen Untersuchungen in Ampijoroa ab Ende August gefangen werden (Polenz 2000, Schmelting et al. 2000, Roloff 2007). Damit zeigten sie eine im Gegensatz zu M.

murinus etwa zwei Wochen früher einsetzende Paarungszeit (Schmelting et al.

2000). Von den Grauen Mausmakis weiß man weiterhin, dass alle Weibchen einer Population in einem sehr engen Zeitraum von ca. drei Wochen in den Östrus kommen (Radespiel et al. 2001b), wobei sich die rezeptive Phase auf 2 – 4 Stunden beschränkt (Lebec 1984). Dieser hohe Grad an Synchronität wird durch eine photoperiodische Steuerung des Reproduktionsbeginns erklärt (Petter-Rousseaux 1988, Perret 1992, Schmelting et al. 2000). Im Gegensatz hierzu findet man östrische Goldbraune Mausmaki-Weibchen von August bis mindestens November (Randrianambinina et al 2003). Bei M. ravelobensis konnte also bisher im Gegensatz zu M. murinus keine ausgeprägte Östrussynchronisation festgestellt werden (Ehresmann 2000, Polenz 2000, Weidt et al. 2004). Die Ursache und mögliche Konsequenzen der reduzierten Östrussynchronität sind bisher noch nicht untersucht worden. Es sind jedoch auf dieser Grundlage deutliche Unterschiede im Paarungssystem und Aufzuchtssystem zwischen M. ravelobensis und M. murinus zu erwarten. Polenz (2000) konnte für Goldbraune Mausmakiweibchen eine durchschnittliche Östrusdauer von 2,13 Tagen ermitteln. Während dieses Zeitfensters wiesen die Weibchen eine offene Vagina sowie bei der zytologischen Untersuchung Plattenepithelien auf, die das Östrusstadium charakterisieren (Izard and Rasmussen 1985).

Während für M. murinus-Weibchen eine mittlere Interöstrusdauer von circa 50 Tagen beschrieben wurde (Glatston 1979, Perret 1982, Perret & Aujard 2001b, Radespiel &

Zimmermann 2001a, Wrogemann et al. 2001), gibt es für M. ravelobensis bisher noch keine verlässlichen Daten. Roloff (2007) ermittelte aus den Daten einer Langzeitstudie, dass die Weibchen von M. ravelobensis vermutlich eine Interöstrusdauer von vier bis fünf Wochen haben, was deutlich unter den 50 Tagen von M. murinus liegen würde.

Nach Schmelting et al. (2000) liegen sowohl für den Grauen, als auch für den Goldbraunen Mausmaki Hinweise auf zwei aufeinanderfolgende Östren innerhalb

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einer Fortpflanzungssaison vor. Diese wird von September bis Januar datiert. Polenz (2000) hingegen konnte für M. ravelobensis keine zwei getrennten Östren feststellen.

Von August bis November wurden in allen Monaten östrische Weibchen gefangen.

Roloff (2007) begründet die starke zeitliche Streuung der Östren durch die im Vergleich zum Grauen Mausmaki weniger starke Synchronisierung der Östren sowie durch die schlechte Konzeptionsrate der M. ravelobensis-Weibchen während ihres ersten Östrus, die dazu führt, dass Weibchen nach circa 4 - 5 Wochen erneut östrisch werden.

Detaillierte Daten über den Goldbraunen Mausmaki fehlen allerdings noch.

Sozialsystem

Während ihrer nächtlichen Aktivität sind Goldbraune Mausmakis meist allein auf Nahrungssuche. Sie leben demnach in einem dispersen Sozialsystem (Müller &

Thalmann 2000). Trotzdem konnten auch wiederholt soziale Interaktionen mit Artgenossen beobachtet werden. Dabei ist die Mehrheit der Interaktionen neutraler oder positiver Natur. Die wenigen agonistischen Interaktionen, die beobachtet wurden, fanden kurz vor oder während der Paarungszeit statt. Dabei könnte es sich sowohl um Konkurrenzverhalten unter Männchen, als auch um aggressives Verhalten der Weibchen gegenüber potentiellen Paarungspartnern als Form von Weibchenwahl gehandelt haben (Weidt et al. 2004).

Die Goldbraunen Mausmakis im Jardin Botanique A und im Jardin Botanique B traten hauptsächlich in gemischtgeschlechtlichen (Radespiel et al. 2003a, Weidt et a.

2004, Randrianambinina 2001) und über einen längeren Zeitraum konstanten Schlafgruppen auf (Ehresmann 2000, Weidt 2001). Über die Zusammensetzung dieser Schlafgruppen während der Aufzuchtzeit liegen bisher keinerlei Informationen vor. Weidt (2001) konnte ein typisches Verhalten beim Aufsuchen der Schlafplätze feststellen. Noch fehlende Schlafpartner wurden gerufen oder sogar gesucht. Dieses Verhalten setzt einen sehr hohen Grad an individueller Erkennung voraus (Braune et al. 2005, Radespiel et al. 2009). Aufgrund der vorliegenden Informationen wurde die soziale Struktur von M. ravelobensis als ein disperses Mehr-Männchen-Mehr-

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Weibchen-System mit einem sozialen Netzwerk bezeichnet (Ehresmann 2000, Weidt et al. 2004).

Paarungssystem

In der Studie von Weidt et al. (2004) wurde auf der Basis von Fangdaten im JBB die Anzahl potentieller Paarungspartner untersucht, zu denen weibliche M. ravelobensis während der Paarungszeit Zugang hatten. Im Jahr 1998 hatten die Weibchen maximal Zugang zu drei, im Jahr 2000 zu maximal fünf möglichen Paarungspartnern.

Bei den Männchen des Goldbraunen Mausmakis wurde circa einen Monat vor Beginn der Paarungszeit ein deutlicher Anstieg des Hodenvolumens verzeichnet (Schmelting et al. 2000). Für den Grauen Mausmaki wurde die Spermienkonkurrenz als mögliche Paarungsstrategie der Männchen bereits vermutet (Fietz 1999a, Radespiel 2000). Die vorliegenden Daten zur Entwicklung der Hodengröße zwischen dem Grauen und dem Goldbraunen Mausmaki sind vergleichbar (Schmelting et al.

2000). Somit scheint Spermienkonkurrenz auch bei den Männchen des Goldbraunen Mausmakis eine wahrscheinliche Paarungsstrategie darzustellen.

Das Auftreten von gemischtgeschlechtlichen Schlafgruppen könnte eventuell eine weitere Paarungsstrategie der Männchen darstellen, die es Ihnen erleichtert, östrische Weibchen zu lokalisieren (Weidt et al. 2004). Es konnte jedoch von Weidt (2001) beobachtet werden, dass die Anzahl sozialer Begegnungen mit Schlafgruppenpartnern von der Nichtpaarungs- zur Paarungszeit abnahmen, soziale Begegnungen mit unbekannten Artgenossen jedoch zunahmen. Bisher fehlen jedoch detaillierte Informationen über die Paarungsstrategien der weiblichen Goldbraunen Mausmakis.

Aufzuchtverhalten

Goldbraune Mausmakis wurden bisher in keiner Studie während der Aufzuchtzeit beobachtet. Über diese Phase sowie über die Dauer der Graviditäten liegen also bisher keinerlei Informationen vor. Aufgrund von Unterschieden in der Schlafgruppenzusammensetzung und des zeitlichen Eintretens der Östren von M.

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ravelobensis und M. murinus sind zwischen diesen beiden Arten deutliche Unterschiede in der Aufzucht zu erwarten.

1.6. Ziele der Arbeit

Im Rahmen dieses Projektes sollen Voraussagen zu Paarungsstrategien weiblicher Goldbrauner Mausmakis in Abhängigkeit von unterschiedlicher Populationsdichte in zwei Untersuchungsgebieten und somit die verhaltensökologische Plastizität dieser Art überprüft werden. Außerdem soll das Aufzuchtverhalten der Goldbraunen Mausmakis untersucht werden, da es sich aufgrund einer völlig anderen Schlafgruppenzusammensetzung grundlegend vom Aufzuchtverhalten des sympatrisch lebenden Grauen Mausmakis unterscheiden sollte. Daneben sollen wichtige biologische Rahmendaten erhoben werden, die für diese Art noch nicht vorliegen, wie zum Beispiel die Dauer und Synchronität der Östren, Länge der Graviditäten sowie Wurfgrößen.

Im Zentrum steht der Vergleich von zwei Populationen, in denen Weibchen der Goldbraunen Mausmakis in unterschiedlicher Dichte leben. Aufbauend auf den Ergebnissen früherer Jahre ist in JBA mit einer geringen und in JBB mit einer hohen Weibchendichte zu rechnen. Die Populationsgröße und -dichte sollen jedoch für das Jahr der Untersuchung nochmal aktuell bestimmt werden.

1.6.1. Untersuchung der weiblichen Reproduktionsbiologie

Im Einzelnen sollten die folgenden Parameter und Hypothesen (im Folgenden mit H abgekürzt) untersucht werden:

 Interöstrusdauer

H1: Im Gegensatz zu Weibchen des Grauen Mausmaki werden die Weibchen des Goldbraunen Mausmaki früher östrisch und haben kürzere Interöstrusdauern.

.

 Konzeptionswahrscheinlichkeit bei wechselnder Populationsdichte

H2a: Im Untersuchungsgebiet JBB mit einer hohen Populationsdichte haben Weibchen eine relativ hohe Konzeptionswahrscheinlichkeit, da sie während des

(31)

kurzen Zeitfensters, in dem sie rezeptiv sind, ausreichend Möglichkeiten haben, auf potentielle Paarungspartner zu treffen.

H2b: Im Untersuchungsgebiet JBA mit einer niedrigen Populationsdichte haben die Weibchen eine geringe Konzeptionswahrscheinlichkeit. Während des kurzen Zeitfensters, in dem sie sich verpaaren, treffen sie nur auf sehr wenige potentielle Paarungspartner.

 Abgrenzung von Paarungszeiten, Tragzeiten und Aufzuchtzeiten

H3: Aufgrund der zeitlich asynchronen Östren der Weibchen ist keine einheitliche Paarungszeit oder Aufzuchtzeit zu erwarten.

 Anzahl von Würfen/Geburten pro Weibchen und Reproduktionssaison sowie Wurfgröße

H4: Es ist zu erwarten, dass Weibchen wie die vom Grauen Mausmaki ebenfalls zwei Würfe pro Reproduktionssaison haben können.

H5: Die Wurfgröße liegt wie beim Grauen Mausmaki bei circa zwei Jungtieren pro Wurf.

1.6.2. Untersuchung der weiblichen Reproduktionsstrategien

Im Einzelnen sollten die folgenden Parameter und Hypothesen (im Folgenden mit H abgekürzt) untersucht werden:

 Änderung der Verhaltensaktivitäten in und außerhalb der Paarungszeit

H6a: Während der Paarungszeit bewegen sich die Weibchen im JBA aufgrund der niedrigen Populationsdichte deutlich mehr, da sie bestrebt sind, die Rate an Begegnungen zu potentiellen Paarungspartnern zu erhöhen.

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H6b: Während der Paarungszeit bewegen sich die Weibchen im JBB nicht mehr als vor der Paarungszeit, da sie aufgrund der hohen Populationsdichte auf eine ausreichende Anzahl an Paarungspartnern treffen sollten.

 Änderung des Raumnutzungsverhaltens in und außerhalb der Paarungszeit H7a: Während der Paarungszeit vergrößert sich das Aktionsgebiet eines Weibchens im JBA, um die Begegnungsrate mit potentiellen Paarungspartnern zu erhöhen.

H7b: Während der Paarungszeit vergrößern Weibchen im JBB aufgrund der hohen Populationsdichte ihre Aktionsräume nicht, da sie auch so auf genügend potentielle Paarungspartner treffen.

 Ausmaß der Östrussynchronität (innerhalb einer Schlafgruppe/ innerhalb einer Population) bei wechselnder Weibchendichte

H8a: Im JBA (niedrige Weibchendichte) sollten die Weibchen moderat synchronisierte Zyklen aufweisen. Aufgrund der insgesamt niedrigen Populationsdichte treffen die Weibchen während ihrer rezeptiven Phasen nur auf eine begrenzte Anzahl potentieller Paarungspartner. Durch asynchrone Zyklen wäre es für Männchen noch schwieriger, östrische Weibchen zu finden und sowohl Weibchen als auch Männchen würden ihre Reproduktionschancen dadurch minimieren.

H8b: Im JBB, wo eine hohe Weibchendichte vorliegt, sollten die Weibchen asynchrone Zyklen aufweisen, um den Wettkampf der Männchen untereinander zu forcieren und die Konkurrenz unter den Weibchen zu minimieren. Die Weibchen haben aufgrund der insgesamt hohen Populationsdichte in diesem Gebiet die Möglichkeit, auf viele potentielle Paarungspartner während ihrer rezeptiven Phase zu treffen.

H9: Weibchen einer Schlafgruppe sollten in beiden Gebieten ihre Östren synchronisieren, um Nachwuchs später gemeinsam aufziehen zu können.

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 Sozialverhalten in und außerhalb der Paarungszeit

H10: Die soziale Begegnungsrate sollte sich während der Paarungszeit in beiden Gebieten erhöhen, da Weibchen Paarungspartner finden müssen und unter Umständen durch weibliche Partnerwahl und multiple Paarungen ihren Reproduktionserfolg sichern sollten.

H11: Es sollten in der Paarungszeit vermehrt positive Interaktionen und Kontakte mit Männchen stattfinden.

 Paarungsstrategien von Männchen und Weibchen im Kontext gemischtgeschlechtlicher Schlafgruppen

H12: Männliche Schlafgruppenpartner sind potentielle Paarungspartner der Weibchen und nutzen das Schlafen in gemischtgeschlechtlichen Gruppen zur verbesserten Östrusdetektion.

1.6.3. Untersuchung zum Aufzuchtverhalten

Im Bereich des Aufzuchtverhaltens sind große Unterschiede zwischen den Arten zu erwarten, da sich die Zusammensetzung der Schlafgruppen deutlich unterscheidet.

Schlafgruppen bestehen bei M. ravelobensis aus Tieren beiderlei Geschlechts.

Interessant ist vor allem, wie und ob sich die Gruppenkonstellation zum Zeitpunkt der Geburt verändert. Im Einzelnen sollen die folgenden Fragen untersucht werden:

H13: Der Anteil Futteraufnahme und Futtersuche an der Gesamtaktivität sollte etwa während der zweiten Hälfte der Tragzeit und Laktation aufgrund eines erhöhten Energiebedarfes der Weibchen steigen.

Frage 1: Benutzen die Weibchen während der Aufzucht besser geschütztere Schlafplätze wie Baumhöhlen oder Blätternester?

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Frage 2: Werden die Schlafplätze während der Aufzucht häufiger gewechselt als vorher?

Frage 3: Verändert sich die Schlafgruppenzusammensetzung während der Aufzuchtzeit und welche Rolle spielen die männlichen und weiblichen Schlafgruppenmitglieder bei der Aufzucht der Jungtiere?

Frage 4: Wie verändert sich das Raumnutzungsverhalten der Mütter während der Aufzuchtzeit?

Frage 5: Nach wie vielen Wochen verlassen die Jungtiere das erste Mal eigenständig das Nest?

Frage 6: Wie verändern sich die Mutter-Jungtier-Kontakte mit zunehmendem Alter der Jungtiere und welche ontogenetischen Eckpunkte lassen sich erkennen?

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2. Material und Methoden

2.1. Untersuchungsgebiete und Untersuchungszeitraum 2.1.1. Untersuchungsgebiete

Das Forschungsprojekt wurde im Nationalpark Ankarafantsika im Nordwesten Madagaskars durchgeführt. Der Park wird von der Nationalstraße 4 durchkreuzt, die eine Direktverbindung zwischen der Hauptstadt Antananarivo und der ca. 480 km entfernten Stadt Mahajanga im Nordwesten des Landes am Indischen Ozean darstellt (Abb. 2).

Abb. 2 Lage des Nationalparks Ankarafantsika und der Forststation Ampijoroa (nach A. Müller 1999)

Die Datenerhebung fand in den Untersuchungsgebieten Jardin Botanique A (JBA) und Jardin Botanique B (JBB) statt. Die beiden Gebiete liegen circa 2 km Luftlinie voneinander entfernt und sind durch die Nationalstraße 4 voneinander getrennt.

(Abb. 3)

(36)

Abb. 3 Lage der Untersuchungsgebiete Jardin Botanique A und Jardin Botanique B

JBA und JBB sind durch einen laubabwerfenden Trockenwald charakterisiert, dessen Vegetation der Pflanzengemeinschaft Dalbergia-Commiphora-Hildegardia (Ramangason 1988, Jenkins 1990) zugerechnet wird.

Neben der in dieser Studie untersuchten Lemurenart M. ravelobensis leben sieben weitere Lemurenspezies innerhalb des Nationalparks. Darunter befindet sich eine weitere Mausmakiart, M. murinus, die im Jardin Botanique A sympatrisch mit M.

ravelobensis auftritt, im Jardin Botanique B jedoch nicht anzutreffen ist ( Rendigs et al. 2003). Zu den weiteren Spezies zählen die ebenfalls nachtaktiven Arten Cheirogaleus medius, Lepilemur edwardsii sowie Avahi occidentalis. Des Weiteren findet man die kathemeralen Arten Eulemur fulvus fulvus und Eulemur mongoz, sowie die tagaktiven Propithecus coquereli (Mittermeier et al. 2008).

(37)

Zu den möglichen Prädatoren für M. ravelobensis zählen die in beiden Untersuchungsgebieten vorkommenden diversen Schlangenspezies wie Sanzinia madagascariensis und Acranthophis madagascariensis (Glaw & Vences 1994), verschiedene Tag- und Nachtgreife wie z.B. Tyto alba und Asio madagascariensis (Goodman et al. 1993, Morris & Hawkins 1998) als auch die endemische Schleichkatzenart Cryptoprocta ferox (Hawkins 1998).

2.1.1.1. Jardin Botanique A

Das circa 30 ha umfassende Untersuchungsgebiet Jardin Botanique A (JBA) liegt einen Kilometer westlich der Forststation Ampijoroa auf einem Hochplateau (ca. 200 m NN). JBA ist von einem Wegenetz durchzogen, welches aus einem Meter breiten und in 50 Meter Abstand voneinander angelegten Pfaden besteht (Abb.4). Alle Kreuzungspunkte dieses Wegenetzes sind mit Markierungen versehen.

JBA weist im Vergleich zu JBB eine deutlich höhere Baumdichte auf. Außerdem sind die Bäume mit einem Durchmesser in Brusthöhe von über fünf cm höher als im Untersuchungsgebiet JBB (Rendigs et al. 2003).

(38)

Abb. 4 Wegenetz des Untersuchungsgebietes Jardin Botanique A (JBA)

2.1.1.2. Jardin Botanique B

Das circa 5,3 ha große Untersuchungsgebiet Jardin Botanique B (JBB) liegt am Ufer des Sees Ravelobe, ungefähr zwei Kilometer entfernt von der Forststation Ampijoroa. JBB besitzt genau wie JBA ein Wegesystem, dessen Wege sich aber in einem Abstand von nur 25 m befinden und ebenfalls an allen Kreuzungspunkten mit Markierungen versehen sind (Abb. 5).

JBB ist gekennzeichnet durch einen höheren Deckungsgrad der Strauchschicht, eine größere Dichte von Sträuchern mit einem Radius über 50 cm und einen höheren prozentualen Anteil von Bäumen mit Lianenbewuchs (Rendigs et al. 2003).

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Abb. 5 Wegenetz des Untersuchungsgebietes Jardin Botanique B (JBB)

2.1.2. Untersuchungszeitraum

Der Untersuchungszeitraum erstreckte sich von Anfang August 2007 bis Ende Januar 2008. Es wurde somit eine Paarungszeit mit der sich anschließenden Aufzuchtzeit erfasst.

Das Gebiet des Nationalparks unterliegt einem ausgeprägten saisonalen Klima, mit einer kühleren siebenmonatigen Trockenzeit (Mai-Oktober) und einer fünfmonatigen wärmeren Regenzeit (November-April). Mitarbeiter der Angonoka-Zuchtstation des

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