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4. Diskussion

4.3 Reproduktionsstrategien weiblicher goldbrauner Mausmakis

H6a: Während der Paarungszeit bewegen sich die Weibchen im JBA aufgrund der niedrigen Populationsdichte deutlich mehr, da sie bestrebt sind, die Rate an Begegnungen zu potentiellen Paarungspartnern zu erhöhen.

Die Populationsdichte der Goldbraunen Mausmakis im JBA lag im August 2007 bei 0,6 Tieren pro Hektar und erhöhte sich im September und Oktober auf 0,7 Tiere pro Hektar. Diese Werte entsprechen denen von Mester (2003) ermittelten Populationsdichten zwischen 0,5 bis 0,9 Goldbraunen Mausmakis pro Hektar im Jahr 2003. Bei der Untersuchung der Häufigkeit bestimmter Aktivitäten konnte entgegen der Erwartung keine Änderung des Lokomotionsverhaltens und auch keine Veränderung in der Häufigkeit der anderen Aktivitäten von der Vorpaarungszeit zur Paarungszeit im JBA festgestellt werden. Es stellte sich hingegen im Gebietsvergleich zu JBB heraus, dass die Weibchen im JBA während der Paarungszeit häufiger als erwartet Ruheverhalten zeigten. Dieses Ergebnis ist möglicherweise auf die schwierigeren Beobachtungsbedingungen der Weibchen im

Untersuchungsgebiet JBA zurückzuführen (siehe 4.1. Methodenkritik). Diese wurden möglicherweise leichter beobachtet, wenn sie sich stationär aufhielten, wie z.B.

sitzend oder fressend.

Es scheint demnach, dass die Paarungszeit keinen Einfluss auf die Bewegungsaktivität der Weibchen im JBA hatte. Die gleichen Ergebnisse wurden in einer Studie an Goldbraunen Mausmakis in Käfighaltung erzielt, in der die Weibchen ebenfalls keine Veränderung der untersuchten Verhaltensaktivitäten, u.a. auch der Bewegungsaktivität, während des Östrus zeigten (Polenz 2000). Es wäre demnach möglich, dass Weibchen des Goldbraunen Mausmakis im JBA während ihres Östrus andere Verhaltensmuster zeigen als die sympatrisch lebenden Grauen Mausmakis, die ihrerseits eine gesteigerte lokomotorische Aktivität während der Paarungszeit aufwiesen (Büsching 1995).

Bei der im JBA beobachteten Paarung verließ das Weibchen während ihrer rezeptiven Nacht zunächst nicht ihren Schlafplatz. Das Männchen näherte sich vielmehr kurz nach Aktivitätsbeginn diesem Schlafplatz an, um ihn kurz darauf zu betreten. Das Weibchen verließ erst circa 01:30 h nach Beobachtungsbeginn, also nach einem Großteil der gesamten Beobachtungsdauer, ihren Schlafplatz. Handelte es sich bei diesem Ablauf um eine typische Paarungssituation, könnte dies z. B. eine Erklärung für ein häufiger beobachtetes Ruheverhalten der Weibchen in der Paarungszeit sein.

Aufgrund der Beobachtung, dass ein Männchen (M28-05), dessen mittlerer Fangort sich eigentlich in einem 170m-Radius zum mittleren Fangort eines rezeptiven Senderweibchens befand und in deren unmittelbaren Nähe gesehen werden konnte und diesem auch folgte, kann darauf geschlossen, dass Männchen ihren Aktionsraum während der Paarungszeit vergrößerten. Die Initiative, Paarungspartner zu finden, könnte demnach möglicherweise im JBA primär von den Männchen ausgehen. Anstelle einer erhöhten lokomotorischen Aktivität nutzen Weibchen möglicherweise akustische und olfaktorische Signale, um ihren Östrus anzuzeigen und somit Paarungspartner auf sich aufmerksam zu machen und zu sich zu locken.

Die Hypothese 6a kann also für das Gebiet JBA nicht bestätigt werden.

H6b: Während der Paarungszeit bewegen sich die Weibchen im JBB nicht mehr als vor der Paarungszeit, da sie aufgrund der hohen Populationsdichte auf eine ausreichende Anzahl an Paarungspartnern treffen sollten.

Die Populationsdichte im JBB lag im Monat August 2007 bei 6,1 Tieren pro Hektar, reduzierte sich im September auf 5,7 Tiere pro Hektar und sank schließlich im Oktober auf 3,8 Tiere pro Hektar ab. Diese Werte liegen unter den von Weidt (2004) ermittelten Werten von 8,4 Tieren pro Hektar im Jahr 1998 und 10,9 Tieren pro Hektar im Jahr 2000. Dieser Unterschied ist jedoch auf eine unterschiedliche Berechnung der Populationsdichten zurückzuführen. Weidt (2004) dividierte die berechneten Populationsgrößen durch die Gesamtfläche des Gebietes JBB, die circa 5 Hektar beträgt. In der vorliegenden Studie wurde eine effektive Fangfläche berechnet, die eine realistischere von Mausmakis genutzte Fläche widerspiegelt.

Diese betrug 9,2 Hektar und war somit deutlich größer als die Gesamtfläche des Gebietes und erklärt dadurch die in dieser Studie niedrigeren Werte der Populationsdichten.

Beim Vergleich der Verteilung von Aktivitäten in allen vier reproduktiven Phasen konnte im JBB keine Änderung des Verhaltens während der Paarungszeit gefunden werden.

Beim Vergleich der Aktivitäten zwischen den beiden Untersuchungsgebieten konnte jedoch kontrastierend zu JBA im JBB während der Paarungszeit festgestellt werden, dass die Weibchen seltener als erwartet in Ruhe gesichtet werden konnten.

Dies könnte möglicherweise darauf zurückzuführen sein, dass die Beobachtung der Weibchen im JBB aufgrund der offeneren Vegetation leichter war als im JBA und diese daher auch während der Lokomotion gut verfolgt werden konnten (s.

Methodenkritik 4.1.).

Neben methodischen Fehlern können jedoch auch andere Faktoren vorliegen, die zu einer erhöhten Lokomotion während der Paarungszeit im JBB gegenüber JBA geführt hat.

Ein wichtiger Unterschied zwischen den beiden Gebieten ist die räumliche Verteilung von Weibchen. Im JBA haben die Weibchen in einem 100 m - Umkreis Zugang zu zwei weiteren Weibchen, im JBB zu neun weiteren Weibchen. Diese räumliche Klumpung der Weibchen im JBB könnte zu einer erhöhten intrasexuellen Konkurrenz um Nahrung und vor allem während der Paarungszeit um Paarungspartner führen.

Außerdem ist das Geschlechterverhältnis in allen untersuchten Monaten in Richtung der Weibchen verschoben. Da verwandte Weibchen nah beieinander leben, würden diese durch Konkurrenz untereinander ihre indirekte Fitness reduzieren. Die erhöhte lokomotorische Aktivität während der Paarungszeit könnte dazu beitragen, verwandte Weibchen zu meiden und Konkurrenz zu reduzieren.

Da Weibchen im JBB jedoch asynchron östrisch werden, kann nicht von einer starken Konkurrenzsituation auf nächtlicher Ebene ausgegangen werden. Es gibt jedoch auch Hinweise darauf, dass sich Weibchen einer Schlafgruppe weitestgehend synchronisieren. So wurden zwei Weibchen im JBB, die einer Schlafgruppe angehörten, in derselben Woche östrisch. Aufgrund der geringen Stichprobe ist es jedoch schwierig dieses Ergebnis zu generalisieren. Es würde jedoch die gerade diskutierte Hypothese stärken, dass es für diese Weibchen sinnvoll wäre, sich während der rezeptiven Phase zu meiden.

Der Hintergrund für eine hohe Populationsdichte im JBB im Vergleich zum JBA könnte auf der größeren Verfügbarkeit und höheren Qualität von Nahrung im JBB basieren. Rendigs (1999) wies in ihrer Arbeit bereits auf die unterschiedliche Boden- und Vegetationsstruktur der beiden Gebiete JBA und JBB hin. Bei einer höheren Nahrungsverfügbarkeit wären die Weibchen im JBB energetisch besser versorgt als Weibchen im JBA und könnten es sich demnach erlauben ihre Bewegungsaktivität also einen energieverbrauchenden Prozess während der Paarungszeit zu steigern.

Beim monatlichen Vergleich der Körpergewichte der Weibchen beider Gebiete konnten allerdings keine signifikanten Unterschiede gefunden werden.

Es ist also eher zu vermuten, dass die Weibchen beider Gebiete unterschiedliche Strategien aufgrund der unterschiedlichen Populationsdichte und der

unterschiedlichen räumlichen Verteilung der Weibchen anwenden. Die Hypothese 6b kann für das Gebiet JBB nicht bestätigt werden.

H7a: Während der Paarungszeit vergrößert sich das Aktionsgebiet eines Weibchens im JBA, um die Begegnungsrate zu potentiellen Paarungspartnern zu erhöhen.

Die mittleren nächtlichen Aktionsraumgrößen der Senderweibchen im Untersuchungsgebiet JBA lagen während der Paarungszeit bei 0,25 ha. Reimann (2002) ermittelte mittlere nächtliche Aktionsraumgrößen für M. ravelobensis im Jahr 2000 von 1,13 ha. Im Jahr 2001 verkleinerte sich die mittlere nächtliche Aktionsraumgröße auf 0,5 ha. Dieser Wert lag relativ nah an der in dieser Studie ermittelten Aktionsraumgröße.

Beim Vergleich der Aktionsraumgrößen in der Vorpaarungszeit und Paarungszeit konnte keine Vergrößerung von der Vorpaarungs- zur Paarungszeit festgestellt werden. Im JBA reduzierte sich die mittlere Aktionsraumgröße der Weibchen sogar leicht von 0,3 auf 0,25 ha. Außerdem verkürzten die Weibchen im JBA während der Paarungszeit ihre Nachtwanderstrecken im Vergleich zur Vorpaarungszeit, was auch in Verbindung mit dem erhöhten Ruheverhalten der Weibchen im JBA stehen kann.

Vergleicht man die Länge der mittleren Nachtwanderstrecken mit dem Durchmesser der mittleren Aktionsräume (= Durchwanderungspotential) für jede reproduktive Phase, so wird deutlich, dass der Aktionsraum innerhalb einer Nacht immer vielfach durchlaufen werden konnte, wie dies bereits in vorhergehenden Studien im JBB festgestellt wurde (Weidt 2001). Im JBA waren die höchsten Durchwanderungspotentiale allerdings während der Paarungszeit zu finden. Dies deutet daraufhin, dass Weibchen in der Paarungszeit entweder in Relation zur Aktionsraumfläche mehr gelaufen sind als außerhalb der Paarungszeit oder gleich viel laufen aber eine geringere Fläche damit abdeckten. Diese Erklärung scheint das Phänomen am ehesten zu erklären.

Zumindest für die Weibchen des Gebietes JBA kann also davon ausgegangen werden, dass die aktive großflächige Suche nach potentiellen Paarungspartnern seitens der Weibchen keine Rolle als weibliche Paarungsstrategie gespielt hat.

Dies scheint auch bei weiblichen Aberts-Eichhörnchen der Fall zu sein, da die Weibchen während der Paarungszeit ihre zurückgelegten Strecken sogar reduzierten (Edelman & Koprowski 2006). Von Grauen Mausmakis ist bekannt, dass die Männchen ihre Aktionsräume zu Beginn der Paarungszeit deutlich erhöhen (Barre et al. 1988, Pagès-Feuillade 1988, Fietz 1995, Radespiel 1998, 2000). Radespiel (2000) erklärt dies mit einer verstärkten Suche nach rezeptiven Weibchen. Das aktive Suchen nach potentiellen Paarungspartnern könnte also eher eine Strategie der Männchen im JBA darstellen. Dies wurde auch bereits für den Goldbraunen Mausmaki vermutet (Ehresmann 2000). Die Effizienz dieses Suchens ist jedoch limitiert durch räumliche und soziale Vertrautheit mit der Umgebung (Schwagmeyer 1994, Schwagmeyer et al. 1998). Die nächtlichen Routen der Weibchen sind allerdings für Männchen schlecht vorhersehbar. Die Schlafplätze der Weibchen sind hingegen besser kalkulierbar (Schmid, 1998). Das Weibchen, das im Rahmen dieser Studie bei einer Paarung im Schlafplatz beobachtet werden konnte, hatte diesen nicht gemeinsam mit ihren Schlafgruppenpartnern verlassen. Es könnte also dort bereits auf Paarungspartner gewartet haben. Eine gesteigerte Lokomotion der Weibchen während der Paarungszeit könnte den Reproduktionserfolg demnach sogar minimieren, da sie den Männchen erschweren würde, östrische Weibchen außerhalb ihrer Schlafplätze aufzuspüren.

Da Weibchen abhängig von ihrem reproduktiven Zustand keine Änderung räumlicher Nutzungsmuster zeigten, kann darauf geschlossen werden, dass die Größe und Nutzung der Aktionsräume von Weibchen nicht primär durch das Paarungsgeschehen bestimmt wurde sondern eher durch die Verteilung und Verfügbarkeit von Ressourcen (Trivers 1972). Zwischen dem Monat August, aus dem die meisten Daten für die Vorpaarungszeit stammten und den Monaten September und Oktober, während derer die meisten Daten zur Paarungszeit gesammelt wurden, konnten keine starken klimatischen Veränderungen verzeichnet werden. Falls diese klimatische Kontinuität mit einem konstanten Nahrungsangebot einhergeht, wäre damit auch eine unveränderte Raumnutzung zu erklären.

Die Hypothese 7a kann also nicht bestätigt werden.

H7b: Während der Paarungszeit vergrößern Weibchen im JBB aufgrund der hohen Populationsdichte ihre Aktionsräume nicht, da sie auch so auf genügend potentielle Paarungspartner treffen.

Die mittleren nächtlichen Aktionsraumgrößen der Senderweibchen im Untersuchungsgebiet JBB lagen während der Paarungszeit bei 0,29 ha. Weidt (2001) ermittelte monatliche Aktionsraumgrößen der Weibchen zwischen 0,46 und 0,94ha.

Die Daten aus der Studie von Weidt (2001), die auf monatlichen Aktionsraumgrößen basieren, können nicht zum direkten Vergleich zu denen in dieser Studie ermittelten nächtlichen Aktionsraumgrößen dienen. Zwangsläufig sind natürlich die von Weidt berechneten Aktionsräume größer.

Im JBB konnte ebenso wie im Gebiet JBA keine Vergrößerung der Aktionsräume von der Vorpaarungs- zur Paarungszeit festgestellt werden. Bei der Betrachtung der Nachtwanderstrecken fällt auf, dass die Weibchen im JBB während der Paarungszeit eine längere mittlere Strecke zurücklegten als während der Vorpaarungszeit.

Zusätzlich sind auch im JBB die höchsten Durchwanderungspotentiale während der Paarungszeit zu finden. Diese Ergebnisse decken sich mit dem seltener auftretenden Ruheverhalten der Weibchen im JBB während der Paarungszeit. Es gab also vermutlich eine Aktivitätssteigerung in dieser Phase seitens der Weibchen im JBB.

Es zeigte sich sogar ein statistischer Trend dafür, dass die Weibchen im JBB ihren Aktionsraum potentiell häufiger durchquerten als die Weibchen im JBA.

In keiner der untersuchten Phasen fand sich allerdings ein Unterschied zwischen den beiden Gebieten bezüglich der Aktionsraumgröße oder der zurückgelegten Nachtwanderstrecke. Dies ist möglicherweise auch auf eine zu geringe Stichprobengröße zurückzuführen. Diese Ergebnisse scheinen im ersten Moment denen aus vorhergehenden Studien zu widersprechen, in denen die Weibchen im JBA größere Aktionsräume aufwiesen als Weibchen im JBB (Ehresmann 2000, Weidt 2001). Beim Vergleich der kumulativen Aktionsräume konnte jedoch bereits ab der dritten Nacht festgestellt werden, dass die Weibchen im JBA größere Aktionsräume aufwiesen als die Weibchen im JBB. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Weibchen im JBA nicht in jeder Nacht dasselbe Areal nutzten, sondern von Nacht zu Nacht ihre Aktionsräume stärker veränderten als die Weibchen im JBB.