Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 33½½½½18. August 2000 AA2125
S E I T E E I N S
D
ie Stimmung zwischen den nie- dergelassenen Fachärzten und den Hausärzten ist gereizt. Im Vor- feld der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung in Berlin wiesen beide „Lager“auf ihre prekäre Situation hin.
„Wer sich heute ruinieren will, muss nicht mehr in eine Spielbank gehen, es reicht, eine Facharztpraxis zu führen“, sagte Dr. med. Jörg-A.
Rüggeberg, Präsident der Gemein- schaft Fachärztlicher Berufsver- bände. Die Stärkung der Hausärzte gehe eindeutig zulasten der Fach- ärzte. Einige fachärztliche Praxen, besonders in Ostdeutschland, stün- den bald vor dem Bankrott. Dabei sei die ambulante fachärztliche Versorgung der zentrale Bestandteil des deutschen Medizinsystems, er-
klärte Rüggeberg. Das Ansinnen der Hausärzte, die Lotsenfunktion für die Patienten im Gesundheits- wesen übernehmen zu wollen, weist er als falsch und kostentreibend zurück.
Aber auch die Hausärzte sind unzufrieden. Als „schallende Ohr- feige“ für alle hausärztlich tätigen Ärzte bezeichnet die Gemein- schaft Hausärztlicher Berufsverbän- de (GHB) die Beschlüsse des Be- wertungsausschusses vom 20. Juni dieses Jahres. Danach sollen – so die GHB – nur fünf EBM-Ziffern neben der „Hausärztlichen Grundvergü- tung“ von den Hausärzten abre- chenbar sein. Die Stärkung der Hausärzte laufe somit ins Leere.
Sie fordern eine Erweiterung ihres Leistungskatalogs um hausärztliche
Aufgaben, die von Fachärzten nicht abgerechnet werden dürfen, sowie die Vergütung von fachärztlichen Leistungen (beispielsweise von Kin- derärzten) aus dem Facharzttopf.
Grund für den Konflikt sind die mit der Gesundheitsreform 2000 eingeführten getrennten Honorar- töpfe für die hausärztliche und fachärztliche Versorgung. Da die Gesamtvergütung auf etwa 45 Milli- arden DM begrenzt bleibt, bedeutet die Strukturänderung lediglich ein Verschieben der Honoraranteile.
Solange der Gesetzgeber nicht mehr Geld für die ambulante Versorgung bereitstellt und die sektoralen Bud- gets bestehen bleiben, werden sich die Haus- und Fachärzte wohl wei- ter gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben. DDrr.. mmeedd.. EEvvaa AA.. RRiicchhtteerr
Ambulante Versorgung
Schwarzer Peter
Rechte Gewalt
Deutliche Worte E
nde des Jahres 1999 waren inDeutschland 14 243 ausländische Ärztinnen und Ärzte berufstätig.
Ohne den Einsatz von ausländi- schem Personal ständen die deut- schen Krankenhäuser vor dem Kol- laps. Eine ausreichende Versorgung der Patienten wäre nicht möglich.
Angesichts der vielen Übergriffe gegen Ausländer in Deutschland sind die Gesundheitsberufe in be- sonderer Weise betroffen. Deshalb ist es zu begrüßen, dass die beiden obersten Repräsentanten der deut- schen Ärzte, der Präsident der Bun- desärztekammer, Prof. Dr. med.
Jörg-Dietrich Hoppe, und der Erste Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. med. Man- fred Richter-Reichhelm, unmiss- verständlich gegen die rechte Ge- walt Stellung bezogen haben.
„Uns Ärzte erfüllt es mit Zorn, dass Ausländer, Menschen anderer
Hautfarbe, Obdachlose und andere Minderheiten immer wieder Opfer rechter Gewalt werden“, erklärte Hoppe. Die Bundesärztekammer unterstützt die von Regierungs- sprecher Uwe-Karsten Heye und Repräsentanten des Zentralrats der Juden in Deutschland ins Leben ge- rufene Initiative „Gesicht zeigen“, die die Abwehr des Rechtsextre- mismus zur Sache aller Bürger die- ses Landes machen will. Ohne aus- ländische Ärzte und Pflegekräfte hätte sich das deutsche Gesund- heitswesen nicht zu einem der lei- stungsfähigsten der Welt ent- wickeln können, führte Hoppe aus.
Richter-Reichhelm fordert dazu auf, die Menschen verachtende Ideo- logie der Rechtsradikalen mit allen Mitteln des demokratischen Rechts- staates zu bekämpfen. Gerade der dem Ethos der Menschlichkeit ver- pflichtete Arzt sei dazu aufgerufen,
jeglicher Form rechter Gewalt entge- genzutreten. „Hinsehen und Zivil- courage jedes Einzelnen von uns sind gefordert, um zu verhindern, dass wieder eine Ideologie um sich greift, die Deutschland schon einmal in den Abgrund gerissen hat.“
Hoffentlich zeigen die vielen Ap- pelle gegen Fremdenhass Wirkung.
Anderenfalls ist auch der For- schungsstandort Deutschland be- droht. Immer mehr Spitzenforscher aus dem Ausland sind wegen der fremdenfeindlichen Übergriffe vor allem im Osten Deutschlands ver- unsichert und schrecken vor einer Tätigkeit an den Forschungsein- richtungen dort zurück. Und die Krankenhäuser, die in Zukunft mit zahlungskräftigen Patienten aus dem Ausland rechnen, werden fest- stellen, dass sich damit in einem fremdenfeindlichen Umfeld kein Geschäft machen lässt. TThhoommaass GGeerrsstt