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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin NOTFALL IM BEREITSCHAFTSDIENST
Kohlenmonoxid-Vergiftung
Der Anteil der Kohlenmonoxid-(C0-)Vergiftungen an der Gesamtzahl der gemeldeten Vergiftungsfälle hat seit Einführung des Erdgases auf ca. 3-4/Tausend abgenommen (Jahresstatistik 1976, München, Zürich). Demgegenüber ist der Anteil der CO-Inhalation an schweren und tödlichen Intoxikationen mit etwa zwei Prozent unverhältnismäßig hoch. CO entsteht bei unvollständiger Verbrennung des Kohlen- stoffs. Die Vergiftungsfälle finden sich gehäuft durch Einatmung von Motorgasen (meist in suizidaler Absicht) oder akzidentell durch Einatmung von Rauchgasen bei Bränden. Die Gefährlichkeit der CO- Vergiftung ist bedingt durch die Auslösung einer Hypoxiesituation, die der Organismus durch gegenre- gulatorische Maßnahmen nicht beherrschen kann, da auch die Kompensationsmechanismen durch die Eigenart der CO-Vergiftung beeinträchtigt sind: CO führt durch seine hohe Affinität zum Hämoglobin zu einer Inaktivierung des Hbs für den 0 2 -Transport. CO verursacht eine Linksverschiebung der 0 2- Dissoziationskurve des Rest-Hbs. Der Organismus kann den 0 2-Bedarf nicht mehr durch erhöhte Ausschöpfung des 0 2 -Gehaltes des Blutes decken. Die CO-bedingte Hypoxie und die mittelbar durch CO ausgelöste metabolische Azidose führt häufig zu erner Schädigung des Myokards und einer Verminderung des zirkulierenden Blutvolumens, so daß eine kompensatorische Steigerung des Herz- zeitvolumens ausbleibt. Die zum Azidoseausgleich notwendige kompensatorische Hyperventilation kann durch pulmonale Funktionsbeeinträchtigung (Lungenstauung) oder zentralnervöse Schädigung (Hirnödem) verhindert werden.
Symptomatik Diagnose Therapie
Geringgradige Eintrübung des Sensoriums, u. U. retro- grade Amnesie, Schwindelge- fühl, Kopfschmerzen, Sehstö- rungen.
Im Vordergrund steht die zen- tralnervöse Symptomatik: Ein- trübung des Sensoriums bis zur Bewußtlosigkeit, gestei- gerte Reflextätigkeit, Hyperto- nie, Hyperventilation, Fieber, Brechreiz.
1. Leichte Vergiftung
Die Diagnose wird meist durch die Situation beim Auf- finden des Vergifteten nahe- gelegt (Gasgeruch am Ort der Exposition, Brände, insbeson- dere Schwelbrand, laufender Motor in geschlossenen Räu- men, Explosionsunglück).
2. Mittelschwere Vergiftung Die Diagnose wird gesichert durch Bestimmung der CO- Konzentration am Exposi- tionsort sowie durch Bestim- mung des CO-Hb-Gehaltes im Patientenblut bzw. durch Be- stimmung der CO-Konzentra- tion in der Ausatmungsluft. In seltenen Fällen (bei akuter CO-Intoxikation) kann die charakteristische kirschrote Farbe der Haut die Diagnose wahrscheinlich machen. Meist ist jedoch dieses Symptom
Entfernung des Patienten aus der kohlenmonoxidhaltigen Einatmungsluft.
Frischluftatmung u. U. mit zu- sätzlicher 0 2-Zufuhr. (0 2 ist das wirksamste Antidot.
Durch Atmung von reinem 0 2 wird die CO-Elimination um das 6fache gegenüber At- mung von Raumluft gestei- gert).
Therapie wie bei leichter Ver- giftung, jedoch nach Möglich- keit mit Sauerstoffzusatz, op- timal Atmung von reinem Sau- erstoff. Ein Kohlensäurezu- satz ist meist nicht nötig, meist sogar nicht wünschens- wert (Verstärkung der meta- bolischen Azidose). Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß bereits eine bedeutsame metabolische Azidose vor- liegt, intravenöse Gabe von 40 mval Natriumbikarbonat
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Heft 13 vom 30. März 1978 765Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Kohlenmonoxid-Vergiftung
Symptomatik
Der Patient ist bewußtlos, es imponieren Zeichen der Stammhirnalteration: Streck- spasmen, klonisch-tonische Krampfanfälle, Hypoventila- tion.
Zusätzlich zum neurologi- schen Symptomenkomplex tritt die Kreislaufdepression in den Vordergrund: Zyanose, Tachykardie, Blutdruckabfall.
Insbesondere bei kardiovas- kulären Vorerkrankungen Zei- chen der Linksherzinsuffi- zienz bis zur Ausbildung eines Lungenödems.
Diagnose
durch sekundäre Kreislaufde- pression nicht mehr nach- weisbar.
Bei kardiovaskulärer Vorer- krankung kann eine Myokard- ischämie das klinische Bild beherrschen.
3. Schwere CO-Vergiftung
Therapie
zur Azidosetherapie bzw.
-prophylaxe.
Zusätzliche Maßnahmen wie bei Myokardischämie.
Einsatz des Notarztwagens er- forderlich:
Intubation, Beatmung mit ho- hen Minutenvolumina (mög- lichst mit reinem Sauerstoff) bei ausgeprägter Hypotonie Auffüllung des Intravasalrau- mes mit Plasmaexpander, in- travenöse Injektion von 40 mval Bikarbonat, Dauerin- fusion mit 250 mval Bikar- bonat.
In allen Fällen Einweisung ins Krankenhaus zur weiteren Überwachung. Cave: „Sym- ptomloses Intervall" insbe- sondere bei zerebrovaskulärer und kardiovaskulärer Vorer- krankung.
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Rudolf Thoma Medizinische
Universitätsklinik (Direktor:
Prof. Dr. Rudolf Gross) Josef-Stelzmann-Straße 9 5000 Köln 41
766 Heft 13 vom 30. März 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT