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Archiv "Vergiftung mit Brandgasen" (05.03.1982)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin ÜBERSICHTSAUFSATZ

Vergiftung mit Brandgasen

Max Daunderer

Aus dem Tox Center München

Bei einem Brand moderner Wohnungsmaterialien kann neben Koh- lenmonoxid und Lungenreizstoffen auch Blausäure in tödlicher Kon- zentration frei werden. Eine sofortige Antidottherapie mit 4-DMAP muß hier die bisher übliche Therapie mit Sauerstoffbeatmung und Auxiloson-Dosier-Aerosoi-Gabe ergänzen. Eine einfache Diagnostik am Unfallort bei Bewußtlosen ermöglicht eine gezielte Therapie.

Brandgas-Warngeräte in Wohnungen sind jedoch ebenso wichtig wie die Ausstattung der Notarztwagen mit Gasspürgerät und Antidoten.

Vorkommen

Langsames Verbrennen von Mate- rialien unter Sauerstoffmangel nennt man Schwelbrand oder Pyro- lyse. ln Wohnungen geht dem Flam- menbrand oft ein Schwelbrand vor- aus. Nach dem Löschen eines Flam- menbrandes kann ein Schwelbrand noch weiterbestehen (wie in Polster- möbeln).

Die Zusammensetzung der Brandga- se ist abhängig von der Art des ver- brannten Materials, von der Sauer- stoffzufuhr, von der Höhe der Feu- ertemperatur und der Dauer des Brandes. Von den heute bekannten etwa 5000 giftigen Bestandteilen ei- nes Rauches sind für die akute Be- handlung einer Rauchvergiftung fol- gende Noxen relevant:

~ Kohlenmonoxid

~ Blausäure

~ Lungenreizstoffe vom Soforttyp oder mit Latenzzeit.

Insbesondere durch die Verwen- dung Stickstoffhaitiger organischer Substanzen wie Wolle, Kunststoffe u. a. in Wohnungseinrichtungen, Büros, Fabriken, Autos oder Flug-

zeugen wurde in zunehmendem Ma- ße neben Kohlenmonoxid und Lun- genreizstoffen Blausäure frei. Allein in München starben 1980 am Unfall- ort 21 Personen an einer Vergiftung mit Brandgasen. Die Zahl der töd- lichen Rauchvergiftungen hat sich in den letzten 20 Jahren vervier- facht (1 ).

Diagnostik

Die Diagnostik einer Vergiftung mit Brandgasen sollte noch am Unfallort erfolgen, da nach Antidottherapie oft ein Nachweis nicht mehr möglich ist. Kohlenmonoxid und Blausäure haben klinisch die gleichen Sympto- me und können bei Spontanatmung mit einem Gasspürröhrchen, das auf eine Ansaug-Handpumpe (zum Bei- spiel Dräger) aufgesetzt wird, leicht quantitativ gemessen werden. Bei Atemstillstand kann eine therapiebe- dürftige Blausäurevergiftung am Un- fallort mittels Schnelltest nachge- wiesen werden:

~ Etwa 1 ml Blut wird mit ca. 1 ml 10% H2S04 in einem kleinen Röhr- chen gemischt und die entweichen- de Luft sofort durch ein darüberge- haltenes Gasspürröhrchen für Blau- säure gepumpt (9).

Die Lungenreizstoffe werden mit dem entsprechenden Gasspürröhr- chen im Giftmilieu am Brandherd selbst nachgewiesen.

Symptomatik

ln hoher Konzentration führen die Brandgase zur Erstickung, bei nied- riger Konzentration oder kurzer Ex- positionsdauer steht die Lungen- reizwirkung im Vordergrund. Nach Eintritt der Bewußtlosigkeit ist noch die Hälfte dieser Zeit bis zum Eintritt des Herzstillstandes gegeben. So- wohl im Tierversuch (11) als auch beim Menschen (3) wurde nachge- wiesen, daß sofortige Todesfälle durch Brandgase - insbesondere bei Schwelbränden - durch die Komponente Blausäure verursacht werden können.

Therapie

Eine Reanimation ist in diesen Fäl·

len nur dann erfolgversprechend, wenn bei einer Reanimation zusätz- lich zur Sauerstoffgabe das Antidot 4-DMAP verabreicht wird {2, 5, 6).

Im Katastrophenfall (zum Beispiel Schwelbrand in einem Flugzeug oder in einem Theater) kann 4- DMAP auch in der gleichen Dosie- rung intramuskulär oder noch An- sprechbaren in dreifacher Dosie- rung oral*) verabreicht werden (8).

Ein lokal appliziertes Dexamethason (Auxiloson-Dosier-Aerosol) verhin- dert und therapiert ein toxisches Lungenödem durch Lungenreizstof- fe (7).

Prophylaxe

Da sich 80 Prozent der Schwelbrän- de in den Nachtstunden ereignen, ist das Anbringen eines optoelektroni- schen Rauch-Warngerätes in ge- fährdeten Zimmern (Kinderzimmer, Küche, Altenheim usw.) dringend zu

*) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis.

**) Kapseln

a

250 mg derzeit in Vorbereitung

46 Heft 9 vom 5. März 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe AlB

(2)

Giftgase Wird frei bei Verbrennung oder Verschwelung von

Vergiftungssymptome Tödliche Konzentration in 10 Min.-ppm Wolle, Seide, Polyacrylni-

triile, Nylon, Polyurethan aus Matratzen, Polstermö- beln, Vorhängen, Teppi- chen, Autos, Flugzeugen und Papier in verschiede- nen Ausmaßen

schnell tödliches Atemgift

Blausäure 180

bei allen offenen und Schwelbränden, vollständi- ge Verbrennung aller organischen Substanzen (schwerer als Luft)

Schleimhaut-Reizung, Atemnot, Krämpfe, Atem- stillstand

80 000 Kohlendioxid

vollständige Verbrennung aller organischen Substan- zen (leichter als Luft)

Blutgift, Ubelkeit, Kopf- schmerzen, Bewußtlosig- keit, Atemstillstand

Kohlenmonoxid 1000-2000

Lungenreizstoffe Wird frei bei Verbrennen von Vergiftungssymptome tödliche Konzentration in 10 Min,ppm Polyolefinen (Uberhitzen

von Speisefett) und Zel- lulose-Produkten unter niedrigen Temperaturen (< 300° C), wird wieder zer- stört (> 800° C)

Schleimhaut-Reizung, Schwindel, Benommen- heit, Bewußtlosigkeit, Lun- genödem

Acrolein 30-100

Wolle, Seide, Nylon, Kunst- harz, Düngemittel, Kon- zentration bei häuslichen Bränden normalerweise gering

stechender, unerträglicher Geruch reizt Augen- und Nasenschleimhäute, Lu ngenödem

1000 Ammoniak

Brom-Fluor- Wasserstoffe

Fluor-haltigen Harzen oder Filmen und einigen feuer- festen Materialien, die Brom enthalten

Atemstörungen, Lungen- ödem

HF 4000

CO F2 100

HBr >500

lsozyanate wenig aus Polyurethanen starkes Lungenreizgift 100

in kleiner Menge durch Textilien, in größerer durch Zellulosenitrat und Zellu- loid, Düngemittel Kabel-lsolationsmatertal wie PVC, chlorierten Acry- len und gehärteten Metallen

starke Lungenreizung nach Latenzzeit, kann sofortigen Tod sowie auch Spätschä- den verursachen

Augenverätzungen, starke Lungenreizung, Vergif- tungsintensität der gebun- denen Salzsäure größer als die entsprechende Menge in gasförmigem Zustand

Nitrosegase > 200

Schwefel-haltigen Verbin- dungen und deren Oxyda- tionsprodukten

starkes Reizgift, schon in viel kleineren als den leta- len Dosen unerträglich

Schwefeldioxid 50-100

Kohlenmonoxid Lungenreizstoffe Blausäure

Diagnostik: Schnellnachweis mit dem Gasspürgerät und einem entsprechenden Einsatz

in der Ausatemluft im Giftmilieu in der Ausatemluft

Dexamethason-Spray-Inhalation (z. B. Auxiloson- Dosier-Aerosol, 5 Hübe alle 10 min dreimal oder bis Beschwerden weg)

sofort 1,5 mg/kg KG i. v. (175 mg =

1/2 Ampulle beim Erwachsenen) später 100 mg/kg KG Natriumthio- sulfatlösung i. v. (z. B. 100 ml der 10%igen Lösung)

Therapie Sauerstoff

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Brandgas-Vergiftung

Tabelle 1: Brandgase nach Terril, Montgomery, Reinhardt (1979)

Tabelle 2: Therapieschema einer Brandgasvergiftung nach Daunderer (1980)

Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 9 vom 5. März 1982 47

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Brandgas-Vergiftung

empfehlen. Feuerwehrleute sollten Wohnungsbrände u. ä. nur mit schwerem Atemschutzgerät betre- ten. Gasmasken sind hier völlig wir- kungslos.

Nach Beendigung der Löscharbei- ten sollten erst nach Ausschluß ei- ner blausäurehaltigen Atmosphäre mit dem Gasspürgerät Brandfahn- der oder Bewohner die Gebäude be- treten dürfen.

..,.. Alle Notarztwagen müssen mit ei- nem Gasspürgerät und den erforder- lichen Antidoten ausgerüstet werden.

Literatur

(1) Bowes, P. C.: Smoke and toxicity hazards of plastics in Iire, Ann. occup. Hyg. 17 (1974) 143 - (2) Daunderer, M.; Theml, H.; Weger, N.:

Behandlung der Blausäurevergiftung mit 4-Di- methylaminophenol (4-DMAP). Bericht über einen Vergiftungsfall am Menschen, Med. Klin.

69 (1974) 1626- (3) Daunderer, M.: Tödliche Rauchvergiftung mit Blausäure durch Schwel- brände, Fortschr. Med. 97 (1979) 1401 - (4) Daunderer, M.: Akute Intoxikationen. 2. Auf!., Urban & Schwarzenberg, München/Wien/Baiti- more (1980) - (5) Daunderer, M.: Klinische Toxikologie, Eco-med, Landsberg (1981)- (6) Daunderer, M.: Gasvergiftung, Fortschr. Med. 98 (1980) 613- (7) Daunderer, M.: Vergiftungs- therapie - Antidote, Dexamethason-Spray, Fortschr. Med. 98 (1980) 201-203- (8) Daunde- rer, M.: Das Antidot 4-DMAP, Fortschr. Med. 99 (1981) 159G-1597- (9) Daunderer, M.; Weger, N.: Vergiftungen. Erste-Hilfe-Maßnahmen des behandelnden Arztes, Springer, 2. Auf!., Ber- lin/Heidelberg/New York (1978)- (10) Terrill, J.

B.; Montgomery, R. R.; Reinhardt, C. F.: Taxie gases from fires, Science 200 (1978) 1343- (11) Wetherell, H. R.: The occurrence of cy- anide in the blood of Iire victims, J. Forens.

Sei. 11 (1966) 167

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Max Daunderer Weinstraße 11

8000 München 2

FÜR SIE GELESEN

Filterzigarette und

Koronare Herzkrankheit - Ergebnisse der

Framingham-Studie

Die Framingham-Studie, eine seit 1948 laufende prospektive Untersu- chung, hat schon viele Aufschlüsse über die Risikofaktoren der Korona- ren Herzkrankheit (KHK) erbracht.

Seit 1963/64 wird bei den zweijähri- gen Kontrollen zwischen Rauchern von Filterzigaretten und Rauchern von filterlosen Zigaretten unter- schieden. Ausgewertet wurde der Zeitraum 1963 bis 1977. Nur Patien- ten, bei denen 1963 keine KHK be- kannt war, wurden in die Studie ein- bezogen. Das Auftreten von Myo- kardinfarkten, Angina pectoris und Todesfällen an KHK waren die soge- nannten "endpoints" dieser Unter- suchung. Aus statistischen Gründen konnten in den Vergleich der beiden Zigarettentypen nur Männer einbe- zogen werden.

1963 rauchten 58 Prozent der Rau- cher unter 55 Jahren Filterzigaret- ten. Ihre Rauchanamnese war zu diesem Zeitpunkt weniger schwer als bei den Rauchern ohne Filter.

Dennoch hatte diese Gruppe bei der Untersuchung 1977, keine niedrige- re KHK-Inzidenz. Bezogen auf 1000 Männer, betrug die Rate an KHK- Todesfällen beispielsweise 27 bei Nichtrauchern, 42 bei Rauchern und 58 bei Filterzigaretten-Rauchern.

Auch nach statistischer Berücksich- tigung von Differenzen bei den Blut- druckwerten, den Cholesterinwerten und beim Alter war die KHK-Inzidenz bei den Filterzigaretten-Rauchern sogar etwas höher als in der ande- ren Gruppe. Zwischen 1963 und 1977 betrug der durchschnittliche Nikotingehalt 1 ,75 mg bei Zigaretten ohne Filter und 1,3 mg bei Filterziga- retten. Damit macht auch diese Un- tersuchung es unwahrscheinlich, daß das Nikotin ein für die Beschleu- nigung oder für die Auslösung der KHK wichtiger Faktor ist.

Von den bis 1977 üblichen Filtern unbeeinflußt blieb jedoch der CO- Gehalt des Zigarettenrauchs, so daß

möglicherweise der stark negativ inotrope Effekt dieser Substanz, die durch die hohe Affinität zum Hämo- globin bedingte Gewebshypoxie und andere Wirkungen des CO für die hohe lnzidenz an KHK bei Rau- chern verantwortlich zu machen sind. Die durch den Filter zu erzie- lende Reduktion an Teerstoffen und die hierdurch bedingte niedrigere lnzidenz an Bronchialkarzinomen geht also zumindest für den unter- suchten Zeitraum nicht parallel mit einem Sinken der lnzidenz an KHK.

ln diesem Zusammenhang von Inter- esse ist eine kanadische Studie, die die Konzentration einiger Inhalts- stoffe des Zigarettenrauchs über den Zeitraum 1969 bis 1978 ver- gleicht. Von 1976 bis 1979 sank der CO-Gehalt des Zigarettenrauchs um 20 Prozentz. Dies ist zumindest teil- weise den sogenannten perforierten Filtern zu verdanken. Ob eine 20pro- zentige Reduktion schon ausreicht, um eine deutliche Reduktion der KHK-Inzidenz zu erzielen, erscheint

sehr ungewiß. Jns

Castelii, W. P.; Dawper, T. R.; Feinleib, M., et al.: The Filter Gigarette and Coronary Heaii Disease: The Framingham Study, The Lancet II (1981) 109-113- Rickert, W. S., and Robinson, J. C.: Yields of Se Ieeted Taxie Agents in the Smoke of Canadian Cigarettes 1969 and 1978, A Decade of Change?, Preventive Medicine 10 (1981) 353-364

NOTIZ

Schutz- und

Sicherheitsmaßnahmen bei Arbeiten mit

Tuberkulosebakterien

Das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose hat ein Merkblatt "Schutz- und Sicher- heitsmaßnahmen bei Arbeiten mit Tuberkulosebakterien im Laborato- rium" herausgegeben. Das Merk- blatt kann zum Selbstkostenpreis von 2,50 DM zuzüglich Porto in der Geschäftsstelle des DZK, Poppenhu- senstraße 14 c, 2000 Harnburg 60, Telefon 0 40/2 99 30 37, angefordert

werden. H

48 Heft 9 vom 5. März 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe AlB

Referenzen

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