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Archiv "Fluorkohlenwasserstoff- Vergiftung: Erste Hilfe" (28.09.1978)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Die verschiedenen Einteilungen des Hochdrucks (Liga, WHO), basieren zum Teil auf den pathologischen Veränderungen des Augenhinter- grundes, da diese von Internisten und vom Arzt in der Praxis als Para- meter für die Stadieneinteilung und Beurteilung eines Hochdrucks her- angezogen werden. Es ist deshalb notwendig, die Möglichkeiten und Grenzen einer ophthalmoskopi- schen Gefäßbeurteilung aufzuzei- gen.

Dabei erscheint es zunächst sinn- voll, die bei Hypertonie vorkommen- den ophthalmoskopischen Gefäß- phänomene zusammenzustellen und ihre klinisch-diagnostische Be- deutung zu besprechen.

Die häufigsten ophthalmoskopi- schen pathologischen Gefäßphäno- mene sind:

O Kreuzungszeichen (sogenanntes Gunnsches Phänomen)

perivaskuläre Begleitstreifen

Parallel-Gunnsches Zeichen O Einscheidungen der Gefäße (Kaliberunregelmäßigkeiten)

O Kupferdrahtarterien

• Silberdrahtarterien

Typische ophthalmoskopisch zu be- obachtende Netzhautparenchym- veränderungen sind:

O Blutungen

• Cotton-wool-Exsudate

(I)

Odem

O harte Exsudate

fp

Sternfigur der Netzhautmitte

Ophthalmoskopische

pathologische Gefäßphänomene Das Kreuzungszeichen

Durch die grundlegenden Arbeiten von Seitz konnte das Phänomen NOTIZ

Fluorkohlenwasserstoff- Vergiftung: Erste Hilfe

in den letzten Jahren ist es, wie die Firma Hoechst AG mitteilt, gelegent- lich zu Todesfällen durch Asphyxie oder Herzstillstand gekommen, wenn Fluorkohlenwasserstoffe — auch Fluorocarbons oder Chlor- fluoralkane genannt — zum Zweck der Erzeugung eines Rausches in hohen Konzentrationen eingeatmet worden waren. In der Technik wer- den diese flüssigen oder gasförmi- gen Fluorkohlenwasserstoffe als Treibmittel in Spraydosen und als Kältemittel in Kälte- und Klimaanla- gen verwendet. Tierexperimente sprechen dafür, daß die auftreten- den Herzrhythmusstörungen — meist ventrikuläre Extrasystolen — über- wiegend auf einer Sensibilisierung des Herzmuskels gegen Katechol- amine beruhen. Da die Fluorkohlen- wasserstoffe auch narkotische Ei- genschaften haben — daher die Ver- wendung für das „Sniffing" —, be- steht außerdem die Gefahr einer Be- einflussung der Atmung und damit des Auftretens einer Hypoxie, die wiederum zu einer verstärkten Aus- schüttung von Katecholaminen führt und den Zustand verschlechtern kann.

Folgende Maßnahmen werden als Notfalltherapie empfohlen:

O Beatmung mit Sauerstoff e intramuskuläre Injektion eines Betarezeptorenblockers (zum Bei- spiel 2 mg Trasicor®)

Für die stationäre Behandlung

intravenöse Injektion oder Infu- sion von Betarezeptorenblockern (Propranolol, Trasicor oder Visken) Q intravenöse Infusion von Xylo- cain als Antiarrhythmikum

Die für die Behandlung in der Klinik empfohlenen Maßnahmen sollten nur bei fortlaufender Beobachtung von Blutdruck und EKG auf einer Intensivstation durchgeführt wer- den. Heh

ÜBERSICHTSAUFSATZ

Beurteilung

von Veränderungen am Augenhintergrund bei Hypertonie

Ludwig Mewe und Hans Joachim Küchle

Universitätsaugenklinik Münster

(Direktor: Professor Dr. med. Hans-Joachim Küchle)

Von Jahr zu Jahr nehmen Herz- und Kreislauferkrankungen, unter denen die Bluthochdruckkrankheit am wichtigsten ist, in allen Kultur- staaten zu. Ihre Ätiologie, Diagnostik und Therapie sind deshalb für den Internisten und Arzt in der Praxis ein Kardinalproblem. Vorausset- zung für eine sinnvolle Therapie ist die exakte Diagnostik. Hier kommt der Ophthalmoskopie besondere Bedeutung zu, da sie unter physiolo- gischen Bedingungen durchgeführt wird und über die Beurteilung des Netzhaut-Gefäßsystems Rückschlüsse auf den allgemeinen Kreis- lauf gestattet.

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Ornegateitung

Kreuzungs- zechen

Abbildung 1 a: Kreuzungszeichen. Deutliche Verjüngung des Venenkalibers bei der Unterkreuzung der Arterie

Abbildung 1 b: Seitliche Verdrängung der arteriellen Äste an der Gefäßteilung ähnlich der Form des griechischen Buchstabens Omega als Ausdruck des vermehrten Füllungszustandes. Daneben ein Kreuzungszeichen

Abbildung 2: Kaliberunregelmäßigkeiten, ophthalmoskopisch sichtbar als Transparenzverlust der Gefäßwand, sind Aus- druck des sklerotischen Wandumbaus. - Gefäßeinscheidungen, ophthalmoskopisch sichtbar als Gefäßbegleitreflex, entste- hen durch Auflockerung des adventitiellen Gefäßbegleitgewebes. - Parallel-Gunnsches Phänomen: scheinbare Verschmä- lerung der Kaliber der parallel verlaufenden Arterie und Vene als ophthalmoskopisches Phänomen

2186 Heft 39 vom 28. September 1978

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Abbildung 3: Breiter, kupferroter Reflex einer sogenann- ten Kupferdrahtarterie, die im Vollbild das Kaliber der Vene erreichen kann

Abbildung 4: Schmaler silbriger Reflex einer sogenann- ten Silberdrahtarterie als Ausdruck der stenosierenden Arteriolosklerose des Gefäßes

„Kreuzungszeichen" histologisch eindeutig geklärt werden. Netzhaut- arterien und Netzhautvenen über- kreuzen sich physiologischerweise, da sonst eine Versorgung aller topo- graphischen Anteile der Netzhaut nicht möglich wäre.

Die Überkreuzung einer Vene durch eine Arterie (Gefäßkreuzung) ist so- mit als physiologisches Gefäßphä- nomen anzusehen. Das Kreuzungs- phänomen unterscheidet sich von der Gefäßkreuzung ophthalmosko- pisch dadurch, daß das überkreuzte Gefäß mehr oder weniger verdeckt ist (Abbildungen 1 a und 1 b). Das Gefäß erscheint enger und in seiner Form verändert. Typischerweise ver- jüngt sich das Kaliber der Vene beim Zulaufen auf die Kreuzungsstelle und ist auch nach der Unterkreu- zung zunächst noch verjüngt, um erst später wieder das ursprüngliche Kaliber zu erlangen. An der Kreu- zungsstelle selbst wird die unter- kreuzende Vene meist mehr oder weniger vollständig von der dar- überliegenden Arterie verdeckt. Bei der physiologischen Gefäßkreuzung findet sich dagegen keine Verände-

rung der Form des Gefäßes oder der Transparenz. Das ophthalmoskopi- sche Bild des Kreuzungszeichens hat erstmalig Gunn 1892 dazu veran- laßt anzunehmen, daß das unter- kreuzte Gefäß — in der Regel die Ve- ne — durch die Rigidität der Arterien- wand komprimiert werde, daß also das Kreuzungszeichen ein Kompres- sionszeichen sei. Seitz konnte je- doch 1968 histologisch nachweisen, daß es im Bereich einer Kreuzungs- stelle niemals zu einer Kompression des darunterliegenden Gefäßes kommt, sondern daß vielmehr die Vene aus der Ebene der inneren in die äußere Netzhautschicht bis zur äußeren Körnerschicht hinabsteigt, um nach Unterkreuzung des arte- riellen Gefäßes wieder in der inneren Netzhautschicht zu verlaufen. Unab- hängig von pathologischen Wand- veränderungen, die ophthalmosko- pisch als Transparenzverlust impo- nieren, kommt es jedenfalls niemals zu einer Kompression.

Histologisch zeigte sich sowohl bei der Gefäßkreuzung wie auch beim Kreuzungszeichen eine vorüberge- hende Verschmelzung der Gefäß-

wände im Bereich der Kreuzung und zwar zunächst des adventitiellen und gliösen Gewebes, und dann auch der Media, so daß im Bereich der Kreuzung Arterie und Vene eine gemeinsame Media und Adventitia haben. Beim Phänomen des Kreu- zungszeichens wies Seitz patholo- gische Gefäßwandveränderungen nach; die Media war durch Hyper- plasie der elastischen Fasern ver- breitert, das Gefäßbegleitgewebe je- doch unverändert. Dieser histologi- sche Befund ließ sich bei Patienten mit benignem beziehungsweise ro- tem Hochdruck erheben. Bei der Ausmessung des Lumens konnte Seitz in diesen Fällen keine Einen- gung feststellen. Das Verhältnis Lu- menbreite zur Wandbreite betrug wie bei normalen Gefäßen 1 zu 10 und wurde in diesen Fällen durch eine entsprechende Lumenverbrei- terung hervorgerufen. Die Auswer- tung von 100 Fundusbefunden bei Hochdruckkranken unterschiedli- chen Alters und Schweregrades der Erkrankung ergab, daß Kreuzungs- zeichen bei jugendlichen Hypertoni- kern mit Fundus hypertonicus I und II relativ selten vorkommen. Diese

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von Seitz gemachte Beobachtung wird so interpretiert, daß das Kreu- zungszeichen Ausdruck einer Ge- fäßsklerose ist und damit mehr dem höheren Alter vorbehalten bleibt. Es wäre somit klinisch nicht als spezifi- sches Hypertoniezeichen, sondern als typisches Sklerosezeichen zu werten und würde nur mittelbare Folge einer bestehenden Hypertonie sein.

Das Kreuzungsphänomen bei der Retinopathia „angiospastica" ist da- gegen histologisch durch eine deut- liche Media- und Intimaverbreite- rung sowie durch eine ausgedehnte Adventitia- und Gliaproliferation ge- kennzeichnet, die zu einer Einen- gung des Lumens führt. Das physio- logische Breitenverhältnis Wand zu Lumen gleich 1 zu 10 verändert sich hier zuungunsten des Lumens. Die Netzhautgefäße reagieren also an- ders als andere Körpergefäße, bei denen es als Reaktion auf eine schä- digende Grunderkrankung stets zu einer Lumeneinengung infolge de- generativer Wandveränderungen mit Massenzunahme kommt. Die Netzhautgefäße reagieren bei beni- gnen hypertonischen Veränderun- gen mit Lumenerweiterung und Wandverdickung (Mediaverdik- kung). Bei einer Retinopathia angio- spastica und bei Arteriosklerose kommt es dagegen zu Lumeneinen- gung und Verdickung aller Wand- schichten.

Perivaskuläre Begleitstreifen

Bei der Retinopathia angiospastica, aber auch zum Beispiel bei der Stau- ungspapille finden sich ophthalmo- skopisch neben den Gefäßen strek- kenweise helle Streifen, die von Seitz als perivaskuläre Begleitstrei- fen bezeichnet werden. Nach den Untersuchungen von Rössle und Eppinger sowie Seitz handelt es sich hierbei histologisch um eine Auflok- kerung des intraadventitiellen Ge- webes, dessen Lücken mit zelligem oder zellfreiem Erguß gefüllt sind.

Die Verbreiterung des Gefäßbegleit- gewebes ruft also dieses ophthal- moskopische Phänomen hervor.

Parallel-Gunnsches-Zeichen

Das Parallel-Gunnsche Phänomen wurde erstmalig von Jaeger 1949 be- schrieben. Man versteht darunter ei- ne streckenweise Verdünnung der Venen- oder Arterienblutsäule an Stellen, wo beide Gefäße dicht ne- beneinander liegen (Abbildung 2).

Es findet sich bei Patienten mit Hy- pertonus sowie bei Gefäßsklerose ohne klinisch nachweisbare Hyper- tonie. Histologische Untersuchun- gen von Seitz haben gezeigt, daß es sich dabei nicht um eine Lumenein- engung handelt, sondern um eine Hypertrophie und Proliferation vor- nehmlich des Gefäßbegleitgewebes.

Einscheidungen der Gefäße

Einscheidungen der Netzhautgefäße rufen das Phänomen der Kaliberun- regelmäßigkeit hervor (Abbildung 2).

Ihnen liegt eine Gefäßwandverände- rung zugrunde, die zu unregelmäßi- ger Begrenzung gegenüber dem umgebenden Nervengewebe führt.

Ophthalmoskopisch imponiert eine unregelmäßige Verdünnung der Blutsäule. Die histologischen Unter- suchungen von Seitz und Peters ha- ben ergeben, daß es sich hier um eine Proliferation des Gefäßbegleit- gewebes handelt, die bis in das um- gebende Gewebe hineindringt. Man findet diese Veränderungen nicht nur bei der Retinopathia angiospa- stica, sondern auch bei anderen Ge- fäßerkrankungen, wie Endangiitis obliterans oder Periphlebitis. Oph- thalmoskopisch imponierende Kali- berunregelmäßigkeiten sind also auf eine Transparenzverminderung der Gefäßwand und des umliegenden Gewebes zurückzuführen und las- sen nur mit Einschränkung den Schluß auf eine Verengerung des Lumens zu.

Kupferdrahtarterien

Unter Kupferdrahtarterien versteht man ophthalmoskopisch eine stark verbreiterte Arterie mit breitem gold- roten Reflexstreifen (Abbildung 3).

Dabei ist das Kaliberverhältnis von Arterie zu Vene etwa 3 zu 3. Hervor-

gerufen wird dieses ophthalmosko- pische Phänomen durch einen hi- stologischen Umbau der Wand. In- folge Hypertrophie der Media (Hy- perplasie der elastischen Fasern) nimmt die Breite der Gefäßwand zu, ohne daß das Lumen verengt wird.

Das ophthalmoskopische Phäno- men Kupferdrahtarterie ist dem so- genannten roten Hochdruck zuzu- ordnen; die Netzhautgefäße weisen eine starke Hyperämie auf. Die Ge- fäßwand bleibt beim jugendlichen Hypertoniker dabei zunächst noch transparent, was auch den breiten Blutsäulenreflex erklärt. Das Auftre- ten von Transparenzminderung ist wohl als Zeichen einer zusätzlichen Sklerose zu werten.

Silberdrahtarterien

Silberdrahtarterien zeigen silbrig schmale Reflexstreifen, die sich deutlich vom gelb-weißen Reflex ei- ner normalen Netzhautarterie unter- scheiden (Abbildung 4). Man nimmt an, daß die Breite des Reflexes ab- hängig ist vom Kaliber des Gefäßes, also von der Breite der Blutsäule.

Silberdrahtarterien erscheinen oph- thalmoskopisch als gespannte und gestreckte Gefäße.

Histologische Untersuchungen, ins- besondere von Seitz, haben gezeigt, daß diesem Phänomen eine deutli- che Gefäßwandverdickung als Folge einer Hyalinose der Media und einer Quellung der Intima zugrunde liegt.

Es kommt ebenfalls zu einer Prolife- ration des Gefäßbegleitgewebes, was sich ophthalmoskopisch im be- schriebenen Bild des perivaskulären Begleitstreifens zu erkennen gibt.

Das Phänomen Silberdrahtarterie findet sich nicht nur bei der Retino- pathia angiospastica, sondern auch bei anderen Gefäßerkrankungen.

Den hier kurz zusammengefaßten ophthalmoskopischen Gefäßphäno- menen bei Hochdruckerkrankungen ist mit Ausnahme des Phänomens Kupferdrahtarterie gemein, daß sie alle nur unspezifische Hypertonie- zeichen sind, oder, anders ausge- drückt, daß sie spezifische gefäßpa- thologische Zeichen darstellen. Die

2188 Heft 39 vom 28. September 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Reaktion des Netzhaut-Gefäßsy- stems auf verschiedene Grunder- krankungen wie Hypertonus oder Arteriosklerose läuft etwa gleichar- tig ab. Zwar lassen sich histologisch Unterschiede in der bevorzugten Lo- kalisation der geschädigten Gefäß- schicht nachweisen, ophthalmosko- pisch sind die Phänomene jedoch nicht sehr variabel.

Ähnliches gilt für die pathologi- schen Veränderungen des Netzhaut- parenchyms.

Netzhautparenchym- Veränderungen

Beim sogenannten „roten Hoch- druck" (Fundus hypertonicus) fin- den sich feine flohstichartige Blu- tungen, die in den inneren Netzhaut- schichten lokalisiert sind. Sie wer- den von vielen Autoren bereits wei- ter fortgeschrittenen Krankheitssta- dien zugeordnet. Bei der Retinopa- thia hypertensiva treten ausgepräg- tere streifige oder auch flächige Blu- tungen auf. Blutungen an sich sind selbstverständlich kein spezifisches Hypertonuszeichen.

Cotton-wool-Exsudat

Cotton-wool-Exsudate (Abbildung 5) finden sich bei der Retinopathia hypertensiva. Nach Untersuchungen von Wolter, Diezel, Willert und Seitz handelt es sich dabei histologisch um kolbenförmige Auftreibungen der Nervenfasern als Ausdruck einer Stoffwechselstörung der Neuronen der Ganglienzellschicht, die reversi- bel sind.

Auch Cotton-wool-Herde sind für sich allein kein spezifisches Hyper- toniezeichen.

Netzhautödem

Ein vorwiegend peripapilläres Netz- hautödem kennzeichnet, ohne an sich ein pathognomonisches Hyper- tonuszeichen zu sein, eine Retino- pathia hypertensiva (Stadium III). Bei weiterem Fortschreiten (Stadium IV)

kann es dabei zu stauungspapillen- artigen Bildern (vaskuläre Stau- ungspapille) kommen (Abbildung 6).

Harte Exsudate

und Sternfigur der Netzhautmitte Die sogenannten harten Exsudate, auch harte Herde genannt, liegen in den tieferen Schichten der Netzhaut unterhalb der Ebene der Gefäße. Sie weisen auf eine Permeabilitätsstö- rung der Kapillaren hin. Nach Unter- suchungen von Diezel und Willert handelt es sich bei diesen um Blut- abbauprodukte. Die sogenannte Sternfigur der Netzhautmitte (Abbil- dung 7) kommt durch die besondere Anordnung der Nervenfasern in die- sem Bereich der Netzhaut zustande.

Sie ist das Substrat einer vaskulären Schädigung, die zur Zerstörung von Netzhautneuronen führt. Auch hier handelt es sich also nicht um ein spezifisches Hypertoniezeichen, sondern um den Ausdruck einer schweren vaskulären Schädigung.

Ähnliche Veränderungen werden auch bei anderen Erkrankungen, wie zum Beispiel bei Diabetes melli- tus, beobachtet.

Aussagefähigkeit der Phänomene Was für die spezifische Aussagefä- higkeit der ophthalmoskopischen Netzhaut-Gefäßphänomene gilt, trifft in gleicher Weise auch für pa- thologische Parenchymveränderun- gen zu. Die erwähnten ophthalmo- skopischen Einzelbefunde erlangen erst dann klinische Bedeutung, wenn man sie den vorliegenden in- ternistischen Befunden zuordnet.

Die begrenzte Aussagefähigkeit des ophthalmoskopischen Bildes allein gestattet seine Einordnung in den internistischen Gesamtbefund nur als einen, allerdings wesentlichen, Parameter. Von seiten der Interni- sten wird heute betont, daß grund- sätzlich jede Form der chronisch- arteriellen Hypertonie alle beschrie- benen Fundusveränderungen her- vorrufen kann, wobei der Schwere- grad der Fundusveränderungen in erster Linie von der Dauer und der Schwere der Hypertonie abhängen.

Deshalb ist es im Gegensatz zu frü- heren Auffassungen nicht möglich, vom Fundusbefund her Rückschlüs- se auf die Ursache der Hochdruck- krankheit zu ziehen. Außerdem er- höht auch eine zu starke Schemati- sierung von Fundusbefunden kei- neswegs deren Aussagefähigkeit.

Eine erste derartige Klassifika- tion der Hochdruckerkrankungen stammt von Thiel und Volhard. Ihre Einteilung war noch ganz von klini- schen Erfahrungen geprägt und be- stand im wesentlichen in einer Un- terscheidung zwischen einem „ro- ten" und einem „blassen" Fundus mit einer Vier-Stadien-Einteilung.

Von Keith und Waegner wurde dann 1937 eine Einteilung vorgeschlagen, die 1967, im wesentlichen unverän- dert, Neubauer übernahm. Diese Einteilung hat den Bezug zum ätio- logischen Krankheitsgeschehen aufgegeben.

Betrachtet man gemeinsam ophthal- moskopische Phänomene, die ihnen zugrundeliegenden histologischen Befunde und die derzeitigen interni- stischen Erkenntnisse über die Hochdruckkrankheit, so kommt man bei dem Versuch einer Schematisie- rung der Fundusbefunde bei Hoch- druckkranken zu einer Stadienein- teilung, die die Veränderungen am Netzhautparenchym als entschei- dendes Kriterium berücksichtigt.

Augen hintergrundsveränderungen, die sich als Folge der Hochdrucker- krankung ausschließlich auf die Netzhautgefäße beschränken und die Parenchymschäden und Papil- lenödem vermissen lassen, sollte man unter dem Terminus „Fundus hypertonicus" zusammenfassen. Ei- ne weitere Unterteilung des Fundus hypertonicus in ein Stadium I und II dagegen scheint eine zu starke Schematisierung zu sein, da die Be- urteilung pathologischer Gefäßbe- funde hinsichtlich von Veränderun- gen der Blutsäule, der Wandbe- schaffenheit und der Reflexe prak- tisch nicht quantifizierbar ist. Lang- jährige Erfahrungen im klinischen Konsiliardienst bestätigen die häufig differierende Einteilung in Fundus hypertonicus I und II bei verschiede- nen Untersuchungen. Auch lassen

(6)

Paffillenödem

jf

Cotton - Wool - Herde

streifige Blutungen

\\

ZirkulatIonsstörung

Abbildung 5: Zentraler Gefäßverschluß als Komplikation des Hypertonus. Deutliche Schwellung der Sehnerven- scheibe mit Blutaustritten und Cotton-wool-Herden

Abbildung 6: Netzhautparenchymveränderungen als Folge der Gefäßveränderungen. Cotton-wool-Herd: kol- bige Auftreibung der inneren Nervenfaserschicht, Stern- figur der Netzhautmitte: degenerative Veränderungen der hier radiär verlaufenden Nervenfasern. Papillen- ödem als Ausdruck der lschämie

Abbildung 7: Vollständige Sternfigur der Netzhautmitte bei maligner Hypertonie

2190 Heft 39 vom 28. September 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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harte, unregel- mäßige Reflexe, unregelmäßige Wandverände- rungen

Kaliber eng, Reflexe hart, unregelmäßig

Kaliber eng, deutliche Wand- veränderungen

vermehrt ge- schlängelt

cotton-wool-Herde Blutungen, Prae- thrombosen/

Thrombosen, Verfettungsherde (Stemfigur) unscharf

begrenzt

Füllung vermehrt

Kapilla, eldasie

Papille Hauptäste Arteriolen Praekapillaren Venen Venolen Kapillaren Parenchym

scharf begrenzt Reflexe normal bis verstärkt, unregelmäßig

Kaliber normal bis unregel- mäßig, ebenso Reflexe

Reflexe normal bis

unregelmäßig

regelrecht vermehrt ge- schlängelt

papillär und/oder peripapillär sichtbar

regelrecht oder einzelne flohstichartige Blutungen

2. Retinopathia hypertensiva

a) inkomplette Form

b) komplette Form

Papillenödem/

Stauungspapille

harte, unregel- mäßige Reflexe, unregelmäßige Wandverände- mmgen

Kaliber eng, Reflexe hart, unregelmäßig

Kaliber eng, deutliche Wand- veränderungen

vermehrt ge- schlängelt Füllung

vermehrt

Kapillar- ektasie

evtl. mit Ablatio

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Augenhintergrund bei Hypertonie

Fundus hypertonicus/Retinopathia hypertensiva Beurteilung

1. Fundus hypertonicus

Abbildung 8: Neue Einteilung der Augenhintergrundsveränderungen bei Hypertonus

sich keine eindeutigen Beziehungen zum klinischen Schweregrad der Er- krankung feststellen.

Dagegen besteht dann eine eindeu- tige Relation zur Schwere des klini- schen Bildes und des Verlaufes, wenn Netzhautparenchymschäden als Folge erheblicher Netzhautge- fäßveränderungen aufgetreten sind.

Als weiteres, wesentliches ophthal- moskopisches Phänomen sollte da- bei das Auftreten einer Papillen- randunschärfe berücksichtigt wer- den.

Besteht eine Papillenunschärfe und finden sich gleichzeitig die oben er- wähnten Parenchymschäden der Netzhaut, so sollte man den Begriff der Retinopathia hypertensiva ver- wenden.

Dabei ist eine ophthalmoskopische Unterscheidung zwischen einer be- ginnenden (Stadium III, inkomplette Form) und einer schweren Retino- pathie (Stadium IV, komplette Form) möglich (Abbildung 8).

Zusammenfassung

Die Beurteilung von Augenhinter- grundsveränderungen bei Hoch- druckerkrankungen stellt einen wichtigen Parameter für die interni- stische Diagnostik und Therapie dar.

Da grundsätzlich alle Formen chro- nisch-arterieller Hypertonie in Ab- hängigkeit von Dauer und Schwere der Erkrankung jede Fundusverän- derung hervorrufen können, hat ei- ne Stadieneinteilung der Verände- rungen des Augenhintergrundes speziell für den Krankheitsverlauf besondere Bedeutung. Sie ist je- doch unter Berücksichtigung der hi- stologischen Befunde, der ophthal- moskopischen Phänomene sowie der internistischen Befunde nur be- grenzt möglich. Eine Beschränkung auf die Einteilung in Fundus hyper- tonicus und Retinopathia hyperten- siva ohne eine weitergehende Sche- matisierung wird vorgeschlagen.

Literatur

Diezel, P. B., Willert, H. G.: Morphologie und Histochemie der harten und weichen Exsudate der Retina bei Diabetes mellitus und essentiel-

ler Hypertonie, Klin. Mbl. Augenheilk. 139 (1961) 475 - Eppinger, H.: Die Permeabilitäts- pathologie. Springer, Wien 1942 - Gunn, M.:

Ophthalmoscopic evidence of arterial changes associated with chronic renal disease of in- creased arterial tension. Transact. Ophthal.

Soc. U. K. 12 (1892) 124 - Jaeger, A.: Zur Lokalisation der Pulsationserscheinungen an den Netzhautarterien. 55. Zsk. DOG Heidelberg 1949, S. 240-242 - Neubauer, H.: Die gegen- wärtigen diagnostischen Möglichkeiten bei Retinopathia hypertensiva. 116. Sitzungsbe- richt des Vereins Rhein.-Westf. Augenärzte 1967 - Peters, G., Seitz, R.: Die perivaskulären Begleitstreifen der Netzhautgefäße. Klin. Mbl.

Augenheilk. 132 (1958) 377 - Rössle, R.: Refe- rat über Entzündung. Verh. Dtsch. Path. Ges.

19 (1923) 18 - Seitz, R.: Klinik und Pathologie der Netzhautgefäße. Enke, Stuttgart 1968 - Thiel, R.: Atlas der Augenkrankheiten. Thieme, Stuttgart 1963 - Volhard, F.: Handbuch der inneren Medizin, 2. Auflage. Band 6, S. 373.

Springer, Berlin 1931 - Waegner, H. P., Keith, N. M.: Diffus arteriolar disease with hyperten- sion. XV Concil. ophthal. Egypte: 1 (1937) 1 - Wolter, J. R.: Diabetic retinopathy. Amer. J.

Ophthal. 51 (1961) 1123

Anschrift der Verfasser:

Dr. med. Ludwig Mewe Professor Dr. med.

Hans Joachim Küchle

Universitätsaugenklinik Münster Westring

15

4400 Münster

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