A-1897
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Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 28–29, 14. Juli 1997 (1) ber eine Gesetzesinitiati-
ve der unionsregierten Länder Bayern und Ba- den-Württemberg sowie einen Vorstoß von Abgeordneten von Union und FDP sollen Korrektu- ren beim Sparkurs im Rehabereich durchgesetzt werden. (Die 2. und 3. Lesung erfolgte am 26. Juni.) Statt der eingeforderten 3,2 Milli- arden DM Sparmasse drohen fünf Milliarden DM alleine im Bereich der Rehabilitation (finanziert von der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung) eingesam- melt zu werden. Die Anträge auf begründete Rehamaßnahmen sind bis zu 40 Prozent zurückgegangen.
Obwohl Bundesgesundheits- minister Horst Seehofer beteuert, daß keine großartigen Ergänzun- gen und Nachbesserungen der
dritten Reformstufe anstehen – sonst stünde jede Lobby-Gruppe auf der Matte und forderte eben- falls Milderung –, sollen die Ein- schränkungen ab 1998 wieder gelockert werden, und zwar Anhe- bung des Ausgabendeckels um 450 Millionen DM. Für das Jahr 1999 sollen die Höchstausgaben um 900 Millionen DM über das ursprüng- lich vorgesehene Höchstausgaben- limit erhöht werden. Ab 2000 soll es bei dieser Erhöhung bleiben.
Der Erhöhungsbetrag soll lohndy- namisiert fortgeschrieben werden.
Für die Rentenversicherung bedeutet dies: eine Ausgabener- höhung um 1,4 Milliarden DM auf jährlich 9,17 Milliarden DM. Dies erforderte, falls dies dauerhaft so bliebe, eine Anhebung des Bei- tragssatzes in der Rentenversiche-
rung um zusätzlich knapp 0,1 Pro- zentpunkte, was politisch kaum durchsetzbar sein dürfte. Der Pfer- defuß des Deals: 210 Millionen DM davon sollen jährlich ab 1998 übernommen werden, und zwar für jene Leistungen, die bisher von der Rentenversicherung für die stationäre Behandlung von Kin- dern erbracht werden, wenn diese krankenversichert sind. Sosehr sich die Rehaklinikträger über ei- ne Lockerung erfreut zeigen, so ist allerdings die Verlagerung von der Renten- auf die Krankenversiche- rung für sie kein Ausweg. Quali- tätseinbußen seien dann program- miert, zumal es im Bereich der Krankenversicherung bisher keine der Rentenversicherung vergleich- bare Qualitätssicherungsmaßnah- men gibt. Dr. Harald Clade
Ü
Rehabilitation Korrekturen
Bloß nicht drängeln
er 1. Juli, der Tag, an dem das 2. GKV-Neuord- nungsgesetz in Kraft ge- treten ist, verspricht in vielerlei Hinsicht eine Wende zum Besse- ren. Ein fester Punktwert ist in Sicht, ebenso das Ende der Kollek- tivhaftung für die Arznei- und Heil- mittelbudgets. Und dann gibt es noch eine weitere Neuerung, auf die nicht nur der Hartmannbund seit langem gewartet hat: Kostener- stattung für jedermann!
Bislang hatten nur die freiwil- lig Versicherten die Wahl zwischen Sachleistung und Kostenerstat- tung. Das 2. NOG erlaubt dies nun auch den Pflichtversicherten. Glei- ches Recht für alle – so weit, so gut.
Doch neue Freiheiten bedeuten auch mehr Verantwortung, und hier sind die Kassenärzte gefordert.
Wer jetzt zum Sturmangriff auf die Sachleistung bläst, erweist sich
selbst und der behutsamen System- veränderung einen Bärendienst.
Keine Frage, daß einiges für die Kostenerstattung spricht – auch aus Patientensicht. Nur, bedrängen darf der Arzt seinen Patienten nicht. Es ist das Recht des Versi- cherten zu wählen, so steht es im Gesetz. Der Arzt hat jedoch kei- neswegs das Recht, die Kostener- stattung zu „verordnen“. Nach Jah- ren der gedeckelten Gesamtvergü- tung, rückläufigen Realeinkom- men und Budgetfrust mag die Ver- suchung groß sein, eine angemesse- ne Honorierung über die Kostener- stattung zu erreichen. Doch vor- schnelles und unüberlegtes Han- deln kann zum Bumerang werden.
Derzeit weiß niemand so ge- nau, wie die einzelnen Kassen die Kostenerstattung regeln werden.
Die einen binden ihre Versicherten bei der Entscheidung für die Ko-
stenerstattung auf eine bestimmte Frist, und zwar für alle Leistungs- bereiche. Die anderen lassen ihrer Klientel die Wahl von Fall zu Fall.
Sicher ist nur, daß alle Kranken- kassen ihren Versicherten höch- stens den Betrag erstatten dürfen, den sie für die entsprechende Sach- leistung hätten aufwenden müssen.
Patienten, die im nachhinein draufzahlen müssen, weil ihr Arzt ihnen (ganz allgemein) Kostener- stattung ans Herz gelegt hat, sind im allgemeinen nicht sehr erfreut.
Ihnen bleibt dann noch ein weite- res Recht: das auf freie Arztwahl.
Ob Sachleistung oder Kostener- stattung, der Versicherte hat An- spruch auf alle notwendigen und zweckmäßigen GKV-Leistungen.
Das gilt es zu beachten, wenn das zarte Pflänzlein Kostenerstattung nicht schon im Keim erstickt wer- den soll. Josef Maus