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Archiv "Krankenhausärzte: Noch immer gilt die „Kuli-Ordnung“" (24.04.1998)

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(1)

er zunehmende Konkur- renzkampf der Kranken- häuser untereinander und die höheren Leistungsanforderun- gen an das Klinikpersonal haben ei- nen Mißstand verschärft, unter dem vor allem die Angestellten des Kran- kenhauses, insbesondere die Klinik- ärztinnen und -ärzte, zu leiden ha- ben: In einer Art „Kuli-Ordnung“

sind dienstlich angeordnete Über- stunden, die weder durch Entgelt noch durch Freizeit abgegolten wer- den, oftmals Klinikalltag. Hinzu kommt: Die Verstöße gegen das be- reits seit fast zwei Jahren gültige Arbeitszeitgesetz sind nicht geringer geworden. Die Appelle der Perso- nalräte und Gewerkschaften an die Klinikträger und die Betriebs- führung haben ebensowenig genutzt wie die Kontrollen der Aufsichts- behörden.

Wie der Streß am Klinikbett gewachsen ist und die Überstun- den überhandnehmen, ermittelte eine reprä- sentative Umfrage des Marburger Bundes, Lan- desverband Nordrhein- Westfalen/Rheinland- Pfalz (von Oktober 1997 bis Januar 1998), über die wöchentlich geleiste- ten Klinikarbeitszeiten und die Einhaltung des Tarifrechts bei Klinikärz- ten. Ergebnis: erschüt- ternd!

Nach der MB-Umfrage leistet jeder Klinikarzt durchschnittlich 8,46 Überstunden pro Woche. Hoch- gerechnet auf alle rund 135 000 Krankenhausärzte, sind dies jährlich 51 Millionen Überstunden mit ei- nem Gesamtvolumen von mehr als zwei Milliarden DM. Von der Mehr- arbeit werden nur knapp 30 Prozent durch Geld oder Freizeit abgegol- ten. Für den Rest erhielten die Klinikärzte nichts. Jährlich werden 35,4 Millionen bezahlte Über- stunden im Wert von fast 1,4 Mil- liarden DM geleistet (in allen Kran- kenhäusern einschließlich der Re- habilitationskliniken). Dieses auf dem Rücken der Klinikärzte er- brachte Mehrleistungsvolumen ent- spricht der tatsächlichen Arbeits- zeit von rund 33 000 Vollstellen, die zusätzlich geschaffen werden könn- ten (an Krankenhäusern und Uni-

versitätskliniken), wenn die bisher abverlangten Überstunden auf an- dere Kräfte verlagert und voll be- zahlt würden.

Bei den meisten Klinikärzten (90,4 Prozent) gilt die 38,5-Stunden- Woche nach Maßgabe des Arbeits- vertrages. Bei 3,4 Prozent sind ar- beitsvertraglich 19,25 Stunden ver- einbart. Bei den übrigen (sechs Pro- zent) gelten andere Arbeitzeiten;

0,23 Prozent der Befragten machten keine Angaben. Bei lediglich 12,9 Prozent der Klinikärzte wird die wöchentliche Arbeitszeit eingehal- ten, bei 96 Prozent dagegen nicht.

68,2 Prozent der Befragten, die eine Halbzeitstelle haben, sind weiblich, 31,2 Prozent männlich. Von den- jenigen, die davon abweichende Arbeitszeiten angaben, arbeiten 2,6 Prozent weniger als 19,25 Stunden je Woche, 43,6 Prozent zwischen 19,25 und 38,5 Stunden je Woche und 34,6 Pro- zent mehr als 38,5 Stun- den je Woche – davon 78 Prozent 40 Stunden je Woche.

Erschreckend: Die Überstundenbelastun- gen an Hochschulklini- ken ist mit 12,7 Stunden je Woche deutlich höher als in den übrigen Akut- krankenhäusern. Die

„Abgeltungsmoral“ ist bei den Unikliniken niedriger als in den übri- gen Häusern: 16,5 Pro- A-997

P O L I T I K LEITARTIKEL

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 17, 24. April 1998 (17) Grafik

Durchschnittlich geleistete Überstunden

Ärzte im Praktikum Assistenzärzte Oberärzte

Mittelwert der geleisteten Überstunden Mittelwert der nicht abgegoltenen Überstunden 11,37

9,34 7,92

6,2

7,93 5,81 12

10 8 6 4 2 0

Krankenhausärzte

Noch immer gilt die

„Kuli-Ordnung“

Eine Folge der anhaltenden Kostendämpfungspolitik und des Wettbewerbs sind eklatante

Verletzungen des Tarifrechts. Ergebnisse einer Umfrage

D

(2)

orin kann bei den schwieri- gen Rahmenbedingungen der Beitrag der Ärzte- schaft bestehen, um einerseits ange- messene Vergütungsregelungen im Privatliquidationsbereich zu erhal- ten, andererseits jedoch die ökono- mischen Engpässe des Staates und Belastungen privatversicherter, je- doch sozial sicherungsbedürftiger Versicherungsgruppen zu berück- sichtigen?

1. Weitere Aktualisierung

Vordringlich ist die Aktualisie- rung des Leistungsverzeichnisses für die noch unbearbeiteten Abschnitte der GOÄ, um eine klare und aktuelle Grundlage für die Abrechnung ärztli- cher Leistungen zu haben. Die Bun- desärztekammer hat Konzepte – ge- meinsam mit den Berufsverbänden und wissenschaftlich-medizinischen

Fachgesellschaften – erarbeitet, die dem Verordnungsgeber zugeleitet wurden. Nachdem nur ein Teil des Gebührenverzeichnisses mit der Novelle vom 1. Januar 1996 an den Stand der medizinischen Wissen- schaft angepaßt worden ist, muß der übrige Teil des Gebührenverzeichnis- ses ebenfalls modernisiert werden, da Leistungsbeschreibungen, Struktu- ren und Bewertungen – insbesondere krankenhausspezifischer Leistungen – auf dem kassenärztlichen Ge- bührenwerk des Jahres 1978 basieren und mit Übertragung in die GOÄ ’82 zum damaligen Zeitpunkt bereits nicht dem Stand der Medizin entspra- chen; dies führt zu Abrechnungs- schwierigkeiten und fördert Fehlent- wicklungen. Die Novellierung des Gebührenverzeichnisses beim zwei- ten Novellierungsteilschritt muß un- ter konstanten Rahmenbedingungen des Paragraphenteils erfolgen, da sonst Disparitäten entstehen würden.

2. Standardtarife

Die Bundesärztekammer sieht in dem der PKV durch § 257 Abs. 2 a SGB V auferlegten Standardtarif ei- ne Möglichkeit, die Beitragsbela- stung älterer Privatversicherter zu vermindern und ihnen dennoch die medizinisch notwendige Versorgung zu sichern. Dieser für sozial siche- rungsbedürftige Personengruppen vorgesehene Tarif ist von der Ärzte- schaft akzeptiert, wenngleich die Art und Weise seiner Einführung zu Tur- bulenzen geführt hat. Mehrfach hat die Bundesärztekammer empfohlen – unter anderem im Deutschen Ärz- teblatt –, die Vergütungsbedingungen des Standardtarifs zu berücksichti- gen. Nicht nachvollziehbar ist daher, warum bislang ein beihilfekonformer Standardtarif für ältere Beamte nicht angeboten wird. Auch Beamte im Ruhestand, denen die Beitragslast zu groß wird, sollten eine derartige Ent- lastungsmöglichkeit wählen können.

Auch ohne die immer wieder von der PKV geforderte Verankerung des Standardtarifs wird die Ärzteschaft einen solchen Tarif für sozial si- cherungsbedürftige Personenkreise berücksichtigen. Bislang ist kein Fall bekanntgeworden, in welchem ein Arzt den Standardtarif nicht beachtet hat.

3. Konsultationsausschuß

Aufgabe der Ärztekammern ist es, im Rahmen der Überwachung der beruflichen Pflichten der Ärzte auch für eine korrekte Abrechnung der Ärzte zu sorgen. Dazu hat jede Lan- desärztekammer eine entsprechende GOÄ-Abteilung, manche Kammern haben auch eigene Gebührenord- nungsausschüsse, die diese Aufgabe wahrnehmen. Um zu einer Harmo- nisierung der Abrechnungsprüfung und der Auslegung der GOÄ zu kommen und damit die Ordnungs- funktion der Kammern noch weiter zu stärken, wurde der „Zentrale Kon- sultationsausschuß für Gebührenord- nungsfragen bei der Bundesärzte- kammer“ gegründet. Dieser setzt sich aus Vertretern der Ärzteschaft, des Bundesgesundheitsministeriums, des Bundesinnenministeriums, des Ver- A-998

P O L I T I K LEITARTIKEL/AKTUELL

(18) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 17, 24. April 1998 zent der hier geleisteten Dienste wer-

den weder finanziell noch durch Frei- zeit entschädigt, in den Krankenhäu- sern anderer Trägerschaft liegt die Quote bei rund sieben Prozent; in den kommunalen Krankenhäusern be- trägt sie rund sechs Prozent.

Zu wenig Ruhezeit

Bei lediglich 50,8 Prozent der Ärzte wird nach Anschluß an den Be- reitschaftsdienst Ruhezeit gewährt, bei 41,5 Prozent dagegen nicht (keine Angaben: 9,4 Prozent). Auch hier

sind die Hochschulkliniken mit einer Quote von 45,9 Prozent diejenigen, die gegen zwingende BAT- und Ar- beitszeitgesetzregelungen verstoßen.

Viele der Betroffenen empfin- den dies als belastend; so wird ihnen der Beruf verleidet. Warum so viele Krankenhausärzte das klaglos mit- machen? „Existenzkampf und Ko- stendruck“ lautet eine – ebenso häufige wie lapidare – Antwort. Es gibt bereits mehr als 12 000 arbeits- lose Ärzte, mit zunehmender Ten- denz. Wenn das so weitergeht, wird die Duldungsstarre bald erreicht

sein. Dr. Harald Clade

Gebührenordnung für Ärzte

Essentials für die Reform

Eine Aktualisierung des Leistungsverzeichnisses ist notwendig.

Die Bundesärztekammer befürwortet eine stufenweise Ablösung der Amtlichen GOÄ als Rechtsverordnung. Der folgende Beitrag ergänzt den Grundsatzaufsatz über die Rahmenbedingungen der GOÄ in Heft 16/1998.

W

(3)

bandes der privaten Krankenversi- cherung sowie mit beratender Stim- me des Verbandes der Privatärztli- chen Verrechnungsstellen zusam- men. Ziel ist es, im Konsens mit den Beteiligten Empfehlungen zu grund- legenden Auslegungsfragen bei der Privatliquidation zu geben. Dieses Konzept soll Fehlentwicklungen auf- greifen und entgegenwirken sowie mehr Transparenz, Rechtsklarheit und damit auch mehr Rechtssicher- heit in diesem Bereich bringen. Der Ausschuß konstituierte sich im No- vember 1997 und befaßt sich zu- nächst mit dem Thema der Privatab- rechnung herzchirurgischer Leistun- gen. Dazu soll eine gemeinsam getra- gene Empfehlung zur Auslegung der GOÄ in dem im Gebührenverzeich- nis veralteten Kapitel beschlossen und eine wegweisende Schlichtungs- funktion erfüllt werden.

4. Qualitätssicherung

Der Ausbau von Qualitätssiche- rungsmaßnahmen der ärztlichen Be- rufsausübung, wie er durch die ge- setzlichen Klarstellungen im § 137 Abs. 1 und 2 SGB V initiiert worden ist, wird zu einer rationaleren Lei- stungserbringung beitragen. Sie um- faßt die Bewertung des Nutzens von Diagnostik und Therapie für den Patienten und nimmt Einfluß auf die Abläufe in den verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens.

Schließlich soll sie die Indikations- stellung zur Durchführung diagnosti- scher und therapeutischer Maßnah- men optimieren und die Ergebnisse ärztlicher Behandlungen verbessern.

Inwieweit ärztliche Vergütungen mit Qualitätssicherungsmaßnahmen, zum Beispiel Leitlinien, zu verknüpfen sind, wird bei der zukünftigen Wei- terentwicklung der GOÄ zu beden- ken sein.

5. Möglichkeiten der PKV

Vorrangig ist auch die Förderung wirksamer versicherungstechnischer Maßnahmen der privaten Kranken- versicherung zur Beitragsstabilisie- rung im Alter, wie sie von der Exper- tenkommission vorgeschlagen wor-

den sind. Durch den Fortschritt in der Medizin stehen zunehmend neue dia- gnostische und therapeutische Ver- fahren – insbesondere bei älteren Pa- tienten – zur Verfügung, die ebenso wie die demographische Entwicklung zwangsläufig die Ausgaben erhöhen.

Daher ist durch eine entsprechende Ausstattung der Alterungsrückstel- lungen hierfür Vorsorge zu treffen.

Eine weitere Möglichkeit der PKV besteht darin, flexible- re, den individuellen Bedürfnis- sen der Versicherten entspre- chende Tarife anzubieten. Der Vollkostenschutz führt zu größeren Ausgabensteigerun- gen als Versicherungstarife mit Selbstbehalten oder aber zur Ausklammerung bestimmter Leistungen, wie zum Beispiel Heilpraktikerleistungen, Au- ßenseitermethoden und so wei- ter. Spezifische Tarifangebote oder Tarifbausteine könnten ge- zielter die Bedürfnisse der Ver- sicherten abbilden und die Ei- genverantwortung in bezug auf den Umfang des Versicherungs- schutzes stärken. Keinen Raum ha- ben dürfen die ominösen „Neugrün- dungen“ von privaten Versicherungs- unternehmen mit dem Ziel, den Um- stieg in günstigere Tarifangebote des Versicherungsunternehmens zu ver- hindern.

6. Stufenweise Ablösung

Ausgangspunkt der Überlegun- gen zur Ablösung der GOÄ als Rechtsverordnung ist die erwähnte Entschließung des Bundesrates vom 3. November 1995. Die Bundesärzte- kammer sieht Vorteile einer Ver- tragslösung in einer zügigeren An- passung des Gebührenverzeichnisses an den medizinischen Fortschritt so- wie an die Kosten- und wirtschaftli- che Entwicklung, der direkteren Ge- staltungsmöglichkeit durch die Ärz- teschaft und einer Flexibilisierung bestimmter Rahmenbedingungen.

Als Nachteile gelten insbesondere die ungleichen Marktpositionen der Vertragspartner, die mögliche Un- ausgewogenheit in der Zusammen- setzung der Gremien, das Konflikt- potential aufgrund des direkteren

Einflusses von Gruppeninteressen und der erhöhte Verwaltungsauf- wand. Aufgrund der auch in der Ärz- teschaft kontroversen Diskussion in dieser Frage wird eine Teillösung be- fürwortet, die eine schrittweise Öff- nung in Richtung „Vertragslösung“

vorsieht, indem zunächst die Weiter- entwicklung des Leistungsverzeich- nisses weitgehend in die Zuständig-

keit der Ärzteschaft gelegt werden soll. Zudem sieht sie eine Möglich- keit, den politischen Druck für weite- re generelle Senkungen dadurch zu nehmen, daß eine einvernehmliche Vereinbarung mit der PKV oder Bei- hilfeträgern über Sondertarife für so- zial sicherungsbedürftige Personen- kreise abgeschlossen werden kann.

c Es bleibt festzuhalten: Die GOÄ als Gebührentaxe ist durch ver- schiedene Einflußfaktoren in ihren derzeitigen Rahmenbedingungen ge- fährdet. Auch im Privatliquidations- bereich sind einem ungebremsten Wachstum Grenzen gesetzt. Wenn man daher die Vollversicherung in der PKV und eine eigenständige GOÄ er- halten will, sind gemeinsame Anstren- gungen aller Beteiligten notwendig, um die Herausforderungen aufgrund der Finanzsituation der öffentlichen Haushalte, der Beitragslast älterer Pri- vatversicherter und Beamter, der pri- vaten Absicherung sozial sicherungs- bedürftiger Personenkreise zu lösen.

Renate Hess

Bundesärztekammer Herbert-Lewin-Straße 1 50931 Köln

A-999

P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 17, 24. April 1998 (19)

Die Bundesärztekammer befürwortet eine stufenweise Umstellung der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte als Rechtsverordnung auf eine Vertrags-GOÄ.

Referenzen

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