Bundesärztekammer präsentiert
Novellierungs-Vorschläge
Die Bundesärztekammer hat die Vorarbeiten zur Weiterent- wicklung des Leistungsverzeichnisses der Amtlichen Gebüh- renordnung für Ärzte (GOÄ vom 1. Januar 1983) inzwischen abgeschlossen. Vorschläge für jene Abschnitte der GOÄ, die in einem ersten Überarbeitungsschritt neu gefaßt werden sol- len, sind dem Bundesarbeitsministerium zugeleitet worden.
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Weiterentwicklung der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte
I
m Jahr 1989 sind in einer Viel- zahl (mehr als 60!) von Sachver- ständigenanhörungen und Bera- tungen in den Gebührenord- nungsgremien der Bundesärztekam- mer detaillierte Konzepte für die Abschnitte B — Grundleistungen und Allgemeine Leistungen, C IV — Kon- trastmitteleinbringungen, H — Ge- burtshilfe und Gynäkologie, I — Au- genheilkunde, J — Hals-, Nasen-, Oh- renheilkunde, K — Urologie, L — Chir- urgie/Orthopädie, M — Laboratori- umsuntersuchungen, 0 — Strahlen- diagnostik, Anwendung radioaktiver Stoffe (Radionuklide) und Strahlen- therapie, Q — Magnetfeld-Resonanz- Tomographie erarbeitet worden. An- laß war die Aufforderung des Bundes- arbeitsministeriums an die Bundes- ärztekammer (vom 17. November 1988), die ärztlichen Berufsverbände, die medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften, die Private Kran- kenversicherung, den Verband der Privatärztlichen Verrechnungsstellen und andere, Vorschläge zur Weiter- entwicklung des Leistungsverzeichnis- ses der GOA vorzulegen.Die GOÄ war zwar zuletzt zum 1. Juli 1988 geändert worden: Ge- genstand dieser Dritten Änderungs- verordnung waren eine Punktwert- anhebung von 0,10 DM auf 0,11 DM, Änderungen im Allgemeinen Teil, die Neufassung der Allgemeinen Be- stimmungen zu Abschnitt M und die Aufnahme einiger neuer Leistungen.
Das Gebührenverzeichnis blieb je- doch weitgehend unberührt. Das
Leistungsverzeichnis soll an den Stand der medizinischen Wissen- schaft und Technik noch in dieser (11.) Legislaturperiode im Zuge ei- ner 4. Novelle angepaßt werden.
Die Bundesärztekammer ist bei der Erarbeitung der Konzepte von einigen grundsätzlichen Überlegun- gen ausgegangen:
1. Keine Änderung der Allgemeinen
Bestimmungen zur GOÄ
Die Entwürfe sind auf der Basis der geltenden Allgemeinen Bestim- mungen zur GOA entstanden. Dies betrifft insbesondere den Gebühren- rahmen nach § 5 GOÄ, die Abgren- zung von berechenbaren Auslagen und ärztlichen Leistungen nach § 10 GOÄ und die Grundlagen der per- sönlichen Leistungserbringung in § 4 GOÄ. Zwar hat die Bundesärzte- kammer bei den vorangegangenen Änderungen der Gebührenordnung in einigen Bereichen erheblichen Novellierungsbedarf angemeldet; für die jetzt vorgesehene Teilnovellie- rung einzelner Kapitel des Lei- stungsverzeichnisses muß jedoch von einer festen unveränderlichen Basis im Allgemeinen Teil der Amtlichen Gebührenordnung ausgegangen wer- den, da alle vorgeschlagenen Bewer- tungen bei einer Änderung des All- gemeinen Teils hinfällig würden.In den vergangenen Monaten kamen Gerüchte auf, der Bundesar-
beitsminister betreibe eine weitere Einengung des Gebührenrahmens.
Bundesarbeitsminister Dr. Norbert Blüm höchstpersönlich hat diese Mutmaßungen inzwischen wieder- holt zurückgewiesen; ebenso taten dies die Staatssekretäre Bernhard Jagoda und Horst Seehofer.
2. Aktualisierung des Leistungsverzeichnisses
Sämtliche in Frage kommenden Abschnitte sind aktualisiert worden;sie entsprechen dem heutigen Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik. Neu aufgenommen wurden etwa die mikrochirurgische und arthroskopische Operationstechnik, Laserchirurgie, In-vitro-Fertilisa- tion, Transplantationsleistungen, Netzhautoperationen, die verschie- denen Formen der Bestrahlungspla- nung, moderne Kombinationsbe- handlungen der Strahlentherapie wie zum Beispiel Hyperthermie, Ganzkörper-Strahlenbehandlung, die Radioimmun-Tumorszintigra- phie, Spect und PET. Obsolete Lei- stungen sind gestrichen worden.
3. Eigenständigkeit der GOÄ
Der Ansatz der Bundesärzte- kammer unterstreicht die Eigenstän- digkeit der Amtlichen Gebührenord- nung für Ärzte. Er löst sich weitge- hend von den kassen-/vertragsärzt- lichen Gebührenwerken. Für den Bereich der krankenhausspezifi- schen Leistungen, die im Einheit- lichen Bewertungsmaßstab (EBM) nur noch in Form der Sammelposi- tionen aufgeführt sind, besitzt die GOÄ ohnehin eine originäre Funk- tion zur Bewertung ärztlicher Lei- stungen. Darüber hinaus muß die Struktur eines Leistungsverzeichnis- ses einer Amtlichen Gebührenord- nung, die einen Gebührenrahmen kennt, anderen Gesetzmäßigkeiten folgen als ein Leistungsverzeichnis für kassen-/vertragsärztliche Lei- stungen, in das jede Modifikation Dt. Ärztebl. 87, Heft 3, 18. Januar 1990 (17) A-101
und jede Erschwernis einer Leistung in einer eigenständigen Gebühren- position beschrieben werden muß, um sie vergüten zu können. Die dazu notwendige tiefe Untergliederung würde, in eine Amtliche Gebühren- ordnung übernommen, den Gebüh- renrahmen reduzieren, wenn nicht gar vollständig beseitigen. Diese ne- gativen Auswirkungen einer erneu- ten Gleichschaltung der Gebühren- werke EBM/GOÄ haben die Bun- desärztekammer zu einer weitge- hend eigenständigen Ausrichtung ih- rer Vorschläge zur Weiterentwick- lung der GOA veranlaßt, wenngleich ein identisches Leistungsverzeichnis, insbesondere für die niedergelasse- nen Ärzte, eine Verwaltungsverein- fachung darstellen würde. Seit In- krafttreten des Einheitlichen Bewer- tungsmaßstabes am 1. Oktober 1987 haben sich die Gebührenverzeichnis- se von GOÄ und EBM ohnehin er- neut auseinanderentwickelt.
4. Keine Kostenneutralität
Immer wieder wird eine kosten- neutrale Novellierung der GOÄ an- gepeilt, insbesondere vom Verord- nungsgeber selbst. Nach Auffassung der Bundesärztekammer kann eine grundlegende Überarbeitung des Gebührenverzeichnisses mit Einbe- ziehung des medizinischen und tech- nischen Fortschrittes nicht kosten- neutral durchgeführt werden; dies gilt auch dann, wenn durch neue Techniken entstehende Rationalisie- rungsmöglichkeiten in den Bewer- tungen der Leistungen zum Aus- druck kommen. Die Bundesärzte- kammer hat eine fällige Punktwert- anhebung zunächst zurückgestellt, um einen Honorarspielraum für die Modernisierung des Gebührenver- zeichnisses zu schaffen.5. Höherbewertung der ärztlichen Grundleistungen
Auf der Basis ihrer bisher ver- fochtenen Honorarpolitik fordert die Bundesärztekammer eine wirksame Höherbewertung der ärztlichen
Grundleistungen. Die Honorarver- besserungen sollen über eine Punkt- zahlanhebung und durch strukturelle Änderungen erreicht werden. Dies soll zum Beispiel durch einen Weg- fall der Allgemeinen Bestimmung geschehen, wonach eine Beratung nach Nr. 1 GOÄ nur einmal im Be- handlungsfall neben Sonderleistun- gen der Abschnitte C bis M berech- nungsfähig ist; diese Regelung soll begrenzt werden auf „Serienbehand- lungen", wie etwa Reizstrom-, Injek- tionsbehandlungen.
• Die eingehende Beratung (jetzt Nr. 1 b GOA) soll auch zusam- men mit Sonderleistungen berechnet werden können.
• Beratungs- und Untersu- chungsleistungen sollen nebeneinan- der berechnungsfähig sein können.
Deshalb enthalten Beratungen kei- nen Untersuchungsanteil und Unter- suchungen keinen Beratungsanteil mehr.
• Es sollen neue Unterab- schnitte in das Grundleistungskapi- tel als „Ergänzende Leistungen" ein- geführt werden, die bislang nur im Abschnitt G (Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie) berechnungsfä- hig sind. Die in diesem Abschnitt ge- nannten Zusatzleistungen des Arztes sollen zumindest einmal im Krank- heitsfall berechnungsfähig sein.
• Als weiterer neuer Abschnitt soll ein Unterabschnitt „Kostener- satz" aufgenommen werden, in dem Zuschläge für ambulante Operatio- nen und ambulante Anästhesien so- wie weitere Kostenersatzpositionen zusammengefaßt werden.
6. Neustrukturierung der chirurgischen Leistungen
Die chirurgischen Leistungen sind neu strukturiert worden.
Bedingt durch die Unterbewer- tung eines Teils der chirurgischen Leistungen ist eine Liquidationspra- xis entstanden, wonach neben der operativen Hauptleistung weitere operative Leistungen abgerechnet werden, die Bestandteil der Haupt- leistung sind. Dies führt zunehmend zu Beanstandungen von Versiche-
rungen und Beihilfestellen, aber auch zu vermehrten Rechtsstreiten.
Ziel der Neustrukturierung ist es da- her, einerseits die Hauptleistung so angemessen zu bewerten, daß alle Teilschritte damit vergütet sind; an- dererseits durch Präambeln in den einzelnen Kapiteln den Grundsatz des § 4 Abs. 2 Satz 3 GOÄ zu ver- deutlichen, wonach Teilleistungen, die notwendiger Bestandteil eines operativen Eingriffes sind, nicht ne- ben der Gebühr für diesen Eingriff abgerechnet werden können.
7. Beispiele für weitere Neuerungen
> Die in den Allgemeinen Be- stimmungen zu Abschnitt M veran- kerte Minderungspflicht bei automa- tisierter Erbringung von Laborlei- stungen ist nicht aufgenommen wor- den. Vielmehr wurde im Abschnitt M die weitgehend rationalisierte Er- bringung von Laborleistungen in der Bewertung der jeweiligen Laborlei- stung berücksichtigt.
> Zur Berücksichtigung der spezifischen homöopathischen Erst- anamnese und Repertorisation ist ei- ne eigenständige Position vorge- schlagen worden.
> Der Abschnitt 0 II „Anwen- dung radioaktiver Stoffe" ist neu in Grundleistungen und Zusatzleistun- gen strukturiert worden. Die mög- liche Kombination führt zu einer Straffung des Verzeichnisses.
> Der Abschnitt 0 I stellt weit- gehend auf die Standarduntersuchung in zwei Ebenen ab (Röntgendiagno- stik) beziehungsweise bei Röntgen- kontrastuntersuchungen auf die Doppelkontrastdarstellung. Die an- giographischen Untersuchungen sind für die verschiedenen Regionen und Untersuchungsarten zu Standardun- tersuchungen mit weiterführenden Filmserien zusammengefaßt worden.
> Die kernspintomographi- schen Untersuchungen sind in meh- rere Positionen aufgeteilt worden.
> Der Abschnitt „Strahlen- therapie" ist vollständig neu gestaltet worden.
Dipl.-Kfm. Renate Hess, Bundesärztekammer, Köln A-102 (18) Dt. Ärztebl. 87, Heft 3, 18. Januar 1990