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Archiv "Krankenhausärzte: Immer noch Ausbeutung" (22.03.2002)

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D

ass die Verhältnisse zum Himmel schreien, ist ein offenes Geheimnis:

Seit Jahren leisten Krankenhaus- ärzte in erheblichem Maße unbezahlte und zumeist nicht dokumentierte Über- stunden. Ihre Bereitschaftsdienste wer- den vielfach nicht als vollständige Ar- beitszeit gewertet. Mit der Schlagzeile

„Überstunden für Gotteslohn“ hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung im De- zember 2001 die Ergebnisse von zwei hessischen Studien angekündigt, die im Januar veröffentlicht wurden. Mit ihrer Hilfe lässt sich jetzt nicht nur die unzu- mutbare Arbeitsbelastung von Klini- kärzten eindeutig belegen. Sie bieten auch Anhaltspunkte für die Beurteilung der wachsenden Unzufriedenheit unter Ärzten und das nachlassende Interesse am Arztberuf.

Schon früh übernahm die hessische Landesärztekammer eine Vorreiterrolle im Kampf um die Verbesserung der Ar- beitsbedingungen. Vehement setzt sie sich seit Jahren gegen Arbeitszeit-, Ar- beitsschutz- sowie Tarifrechtsverstöße ein und wies immer wieder auf die Not- wendigkeit hin, die tatsächlichen Ver- hältnisse in den Krankenhäusern objek- tiv zu erfassen. Auf Drängen der Lan- desärztekammer und des Marburger Bundes durchleuchtete das Hessische Sozialministerium im Sommer 2001 die zeitliche Belastung der Klinikärzte und Pflegekräfte in 19 hessischen Kranken- häusern, gegen die es bis dahin keinerlei Beschwerden gab. Unabhängig davon befragte die Ärztekammer in einer re- präsentativen Stichprobe Kranken- hausärzte nach ihren Arbeitszeiten, Ar- beitsbedingungen und ihrer Arbeitszu- friedenheit. Die Antworten fielen eben- so ernüchternd wie deprimierend aus:

„In Hessen werden die zulässigen Ar- beitszeiten weit überschritten“, fasste der Präsident der hessischen Landesärzte- kammer, Dr. med. Alfred Möhrle, Or- thopäde aus Frankfurt am Main, die Er- gebnisse zusammen: „Die Stimmung un-

ter den Krankenhausärzten ist misera- bel.“

Rund drei Viertel aller Klinikärzte in Hessen arbeiten wöchentlich im Durch- schnitt 45 oder mehr Stunden, fast die Hälfte mindestens 50 Stunden und ein Viertel sogar mehr als 55 Stunden. Dabei sind Bereitschaftsdienste und Rufbereit- schaften noch gar nicht berücksichtigt.

Eine Analyse nach Fachrichtungen er- gab, dass in der Anästhesie knapp mehr als 50 Prozent, in

der Chirurgie so- gar 90 Prozent der Ärzte regelmäßig 45 Stunden tätig sind. Auch in der Inneren Medizin sehen die Verhält- nisse nur geringfü- gig besser aus:

Hier arbeiten 82 Prozent der Be- fragten länger als 45 Stunden und 28 Prozent minde- stens 55 Stunden in der Woche.

Neurologie,

Psychiatrie und Psychotherapie liegen mit 62 Prozent mehr als 44 Stunden und 16 Prozent mehr als 55 Stunden „im mitt- leren Bereich“. Die Angaben lassen kei- nen Zweifel daran, dass unzumutbar lan- ge Arbeitszeiten nicht auf einzelne Kran- kenhäuser oder Fachgebiete beschränkt sind, sondern ein generelles Strukturpro- blem darstellen.

Lückenhafte Dokumentation

Erschwerend kommt hinzu, dass die tatsächliche Belastung der Kranken- hausärzte kaum feststellbar ist: Ärztliche Mehrarbeit wird häufig schlecht oder gar nicht dokumentiert und deshalb auch nicht vergütet. Nach den Erhebungen der Landesärztekammer verfügen 63

Prozent der Assistenten und 70 Prozent der Oberärzte über keinerlei Nachweis der von ihnen geleisteten zusätzlichen Arbeitszeit. Kammerpräsident Möhrle sieht darin eine Subventionierung der Krankenkassen durch unbezahlte Mehr- arbeit. Davon abgesehen ist die Doku- mentation von Überstunden auch des- halb notwendig, um nach der Einführung der diagnoseorientierten Fallpauschalen (DRGs) eine verlässliche Bemessungs- grundlage zu haben.

Angesichts der möglichen Folgen, die das EuGH-Urteil (vom 3. Oktober 2000) zum ärztlichen Bereitschaftsdienst in Deutschland haben wird, sind die Ant- worten auf die Frage nach dem durch- schnittlichen Arbeitsanteil in Bereit- schaftsdiensten bei Assistenten beson- ders aufschlussreich. Resultat der Aus-

wertung der Fragebögen: Etwa 80 Pro- zent der Befragten leisten mehr als vier Bereitschaftdienste im Monat.

Überlastet, schlecht bezahlt und aus- gebeutet: Wen wundert es da noch, dass der Arztberuf von vielen nicht mehr als attraktiv empfunden wird. 40 Prozent der Ärztinnen und Ärzte im Praktikum und der Assistenzärzte sind mit ihrer Arbeits- situation unzufrieden, drei Viertel aller befragten Krankenhausärzte leiden un- ter dem hohen Anteil an Verwaltung- stätigkeit, die der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit am Patienten verloren geht.

Schätzungsweise 35 Prozent würden sich heute nicht noch einmal für ihren Beruf entscheiden.

Katja Möhrle Dr. med. Roland Kaiser Dr. med. Michael Popovic´

P O L I T I K

A

A758 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 12½½½½22. März 2002

Grafik

lange Arbeitszeit/

Überstunden zu viel Verwaltungsarbeit

Zeitdruck

schlechte Bezahlung

0 % 10% 20 % 30% 40 % 50% 60 % 70% 80%

Untersuchung der Arbeitszufriedenheit

(Besonders unangenehme Dinge nach Dienststellung)

Quelle: Landesärztekammer Hessen, Frankfurt/Main, 2001

Ialle ÄiP Ialle Assistenten Inicht leitende Oberärzte IOberärzte und Chefärzte

Berufsfremde Tätigkeit macht Ärzte unzufrieden. Etwa 70 Prozent aller Krankenhausärzte beklagen das Übermaß an Verwaltungsarbeit.

Krankenhausärzte

Immer noch Ausbeutung

Umfrage der Landesärztekammer Hessen mit Pilotfunktion

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