Der Ablauf einer Gemeinderatssitzung - Fast Food im Viertel oder nicht?

(1)

Fast Food im Viertel oder nicht? – Der Ablauf einer Gemeinderatssitzung

Annkatrin Liebig, Vanessa Dreischer-Scheib

Kommunalpolitik ist zwar medial weniger präsent als Bundespolitik, betrifft uns aber direkt. In dieser Unterrichtseinheit erarbeiten sich die Lernenden anhand eines konkreten Beispiels Prozesse der politischen Entscheidungsfindung auf kommunaler Ebene.

KOMPETENZPROFIL

Klassenstufe: 8

Dauer: 6–7 Unterrichtsstunden

Kompetenzen: kommunale Entscheidungskompetenzen beschreiben; Argu- mentationsstrategien für politischen Diskurs entwickeln Thematische Bereiche: Aufgabenbereiche der Kommunalpolitik: kommunale Selbstver-

waltung; Entscheidungskompetenzen der kommunalpolitischen Akteure: Gemeinderat, Bürgermeister, Jugendgemeinderat; der Entscheidungsfindungsprozess im Gemeinderat

Zusatzmaterialien: Placemat-Vorlage, unterstützendes Material für Rollenspiel (Protokollbögen), Differenzierung

© Digital Vision/Getty Images

VORSC

HAU

(2)

2 von 28 IV.41  Politik  Gemeinderat

Fachliche Hinweise

Welche Angelegenheiten regelt die Gemeinde?

Die kommunale Selbstverantwortung garantiert den Gemeinden das Recht, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Dabei variiert der Spielraum ihrer Entscheidungskompetenz je nach Aufgaben-be- reich. Zusammen mit Bund und Ländern ist die Gemeinde verantwortlich für das Wohl der Bür- gerschaft. Dazu gehören die Bereiche Versorgung, Entsorgung, eine funktionierende Infrastruktur, Gesundheit und Sicherheit. Das Aufgabenfindungsrecht ermöglicht es den Gemeinden beispielswei- se, Kultur- und Sportstätten einzurichten. Die Kommunalpolitik entscheidet somit über die Lebens- qualität unseres Wohnorts.

Welche Entscheidungskompetenzen obliegen dem Gemeinderat?

Die Gemeinderäte sowie Bürgermeisterinnen und Bürgermeister¹ sind die Hauptakteure der Kom- munalpolitik. Die Gemeindeordnungen der jeweiligen Bundesländer legen die Rahmenbedingungen ihres politischen Handelns fest. Ausgestattet mit dem Satzungsrecht, dem Etatrecht, der Personal- hoheit und der Planungshoheit regeln sie Angelegenheiten der Gemeinde. Insbesondere die Pla- nungshoheit steht in dieser Unterrichtseinheit im Fokus: In Bebauungsplänen definiert die Gemein- de die Flächennutzung des Gemeindegebiets. Die Sitzungen im Gemeinderat sind öffentlich, die Abstimmungen offen. In den meisten Bundesländern finden sie unter Vorsitz des Bürgermeisters statt. Beschlüsse werden mit Stimmmehrheit gefasst. Besonders bei jugendspezifischen Themen kann auch dem Jugendgemeinderat ein Rede- und Antragsrecht zukommen. Diese Einrichtung gibt es vor allem in Baden-Württemberg. So können Jugendliche am politischen Entscheidungsprozess parlamentarisch teilnehmen.

Soll die Stadt zulassen, dass Schüler zukünftig mit Fast Food versorgt werden?

Widerspricht ein Bauvorhaben den Bebauungsplänen, so muss bei der Gemeinde ein Antrag zur Flächenumnutzung gestellt werden. Dieser muss vom Gemeinderat beraten werden. In der vor- liegenden Unterrichtsreihe konstruiert das Fallbeispiel „BigBurger“ eine derartige Sachlage: Ein Grundstück soll von einem Wohngebiet in ein Mischgebiet umdefiniert werden, in unmittelbarer Nähe zu Schulen will ein Burger-Schnellrestaurant eröffnen. Antragsteller ist die Unternehmer-Par- tei. Gegenwind bekommt sie von der Eltern-Partei. Auch die heterogenere Nachbarn-Partei sowie der Jugendgemeinderat beziehen Stellung. Die Unternehmer-Partei verfolgt eine wirtschaftlich ori- entierte Argumentationsstrategie. Die Eltern-Partei argumentiert für die Gesundheit der Kinder. Die Nachbarn-Partei spricht für den Erhalt von Lebensqualität, hat aber uneinheitliche Interessen. Auf- gezeigt wird der politische Entscheidungsfindungsprozess: Welche Argumente sind für welche Per- sonengruppen relevant? Welche Kriterien sollen und können von der Stadt berücksichtigt werden?

Weiterführende Medien f

 https://www.machs-ab-16.de/

In einigen Bundesländern haben Jugendliche ab 16 Jahren bei Kommunalwahlen das Wahlrecht, in Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und Brandenburg dürfen sie auch an Landtagswahlen teilnehmen. Diese Seite des Landesjugendrings Brandenburg will die jungen Wahlberechtigten dazu motivieren, ihr Recht wahrzunehmen und sich entsprechend politisch zu informieren und zu engagieren.

1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden nur die männliche Form verwendet. Selbstverständlich sind damit immer Bürgermeisterinnen, Schülerinnen etc. gemeint.

VORSC

HAU

(3)

Auf einen Blick

1./2. Stunde

Thema: Meine Gemeinde: Gestaltbarer Lebensraum oder nur Verwaltungsebene?

Kompetenzen: Die Schüler kennen die Aufgabenbereiche der Gemeinden. Sie begreifen die Bedeutung der Kommunalpolitik für ihre eigene Lebenswelt.

M 1 Was haben wir mit unserer Gemeinde zu tun?

M 2 Kommunalpolitik und ihre Aufgaben

Benötigt: ฀ ggf. OHP bzw. Beamer/Whiteboard für Einstiegsaussagen/Ampelspiel

3./4. Stunde

Thema: Kommunalpolitische Akteure

Kompetenzen: Die Schüler kennen die kommunalpolitischen Akteure und verstehen, dass sich vielfach über Jugendgemeinderäte auch Jugendliche einbringen kön- nen.

M 3 Rechte und Pflichten in der Kommunalpolitik

M 4 Quiz: Wie gut kennst du dich in der Kommunalpolitik aus?

5./6. Stunde

Thema: Rollenspiel mit fiktivem Fallbeispiel: Fast-Food-Restaurant im Stadtviertel Kompetenzen: Die Lernenden wenden das erworbene Wissen auf ein Fallbeispiel an und

entwickeln rollenperspektivisch Argumentationen für ein Streitgespräch.

Damit stärken sie auch die Urteilskompetenz sowie ihre sozialen und perso- nalen Kompetenzen.

M 5 Ein Fast-Food-Restaurant in meinem Viertel?

M 6 Streit im Schulviertel – Rollenspiel Gemeinderatssitzung M 7a Rollenkarte Unternehmer-Partei

M 7b Rollenkarte Eltern-Partei M 7c Rollenkarte Nachbarn-Partei M 7d Rollenkarte Jugendgemeinderat M 7e Rollenkarte Bürgermeisterin

M 8 Sitzungsplan

M 9 Hilfskarte Unternehmer-Partei M 10 Hilfskarte Nachbarn-Partei

M 11 Binnenrollenkarten Bürgermeister-Gruppe M 12 „Joker“-Impulse für die Sitzung

Benötigt: ฀ OHP bzw. Beamer/Whiteboard für M 5 sowie ggf. für ZM 5 (Tafelbild)

VORSC

HAU

(4)

6 von 28 IV.41  Politik  Gemeinderat

Was haben wir mit unserer Gemeinde zu tun?

Wie wir in unserer Gemeinde täglich in Berührung mit Politik kommen, zeigt hier ein Beispiel.

Aufgabe

Der kleine Comic zeigt einen Tag im Leben von Jasmin (14 Jahre). Wo kommt sie mit Kommunal- politik in Berührung? Notiere in Stichwörtern.

M 1

Zeichnung: Annkatrin Liebig

VORSC

HAU

(5)

Quiz: Wie gut kennst du dich in der Kommunalpolitik aus?

Nachdem du einiges über die Aufgabenbereiche und Rechte der Gemeinde gelernt hast, kannst du nun dein Wissen überprüfen.

Aufgaben

1. Setze die Begriffe im Lückentext richtig ein.

2. Kreuze in der Tabelle an: Richtig oder falsch?

Kommunalpolitik und Gemeinderat

a) Die ___________________________________________ bestimmt die Gemeindeordnung.

b) In vielen Bundesländern gelangt der Bürgermeister per ______________________________

in sein Amt.

c) Eine Gemeinderatssitzung zu einem dringenden Beschluss dürfen der

_____________________________________ und ein Teil der Gemeinderäte einberufen.

d) Der Bürgermeister ist Vorsitzender des Gemeinderats und gleichzeitig meist ________________________________________.

e) Im Gemeinderat wird in der Regel mit _________________________________ abgestimmt.

f) Die finanzielle Eigenverantwortung der Gemeinden zeigt sich im ______________________

des Gemeinderats.

g) Der Gemeinderat regelt seine Angelegenheiten durch Erlasse und Rechtsverordnungen. Man spricht vom ____________________________________________.

h) Wenn der Gemeinderat über die Bebauungspläne beschließt, übt er seine ___________________________________________ aus.

i) Der Jugendgemeinderat hat im Gemeinderat ein Anhörungsrecht und ein _______________________________________recht.

j) Wie Gemeinderäte werden auch Mitglieder des Jugendgemeinderats __________________________________ gewählt.

Darf der Gemeinderat … ja nein

a) … über das Format des Personalausweises entscheiden, die seine Passämter ausgeben?

 

b) … entscheiden, ob im Gemeindegebiet freies WLAN eingerichtet werden soll?

 

c) … über die Besetzung der Arbeitsplätze im Meldeamt mitent- scheiden?

 

d) … über eine neue Cafeteria an deiner Schule entscheiden?

 

e) … darüber entscheiden, ob eine Fläche im Gemeindegebiet nur von Wohnhäusern besiedelt werden darf?

 

f) … darüber entscheiden, ob eine Pizzeria oder ein asiatisches

Lokal in einem Gewerbegebiet eröffnet werden soll?

 

M 4

VORSC

HAU

(6)

IV.41  Politik  Gemeinderat 15 von 28

Rollenkarte Nachbarn-Partei

– Ihr vertretet die Anwohner im Schulviertel, aber auch die Besitzer kleiner Ladengeschäfte. Ihr seht Vor- und Nachteile, die mit der Flächenumnutzung und der BigBurger-Filiale verbunden sind.

– Im Gemeinderat bezieht ihr in einem zweiminütigen Vortrag Stellung. Erarbeitet dazu Argumente sowohl für als auch gegen die Flächenumnutzung.

– Überlegt dazu, wer alles im Schulviertel lebt und wel-

che Gründe aus der Sicht dieser Personen für oder gegen eine BigBurger-Filiale sprechen könnten. Denkt an Punkte wie Sauberkeit, Verkehr, Lärm, Attraktivität des Viertels für Kunden, Arbeitsplätze.

– Weil es euch um die Attraktivität eures Viertels geht, ist die Diskussion für euch sehr wichtig. Erarbeitet schon vorab einen Kompromissvorschlag, wie die Gemeinde mit ihren Kompetenzen euren Vorstellungen gerecht werden kann.

Spielhinweise:

1. Ihr nehmt als Gruppe an der Gemeinderatssitzung teil. Jeder für sich ist stimmberechtigt.

2. Bestimmt für die zweiminütige Stellungnahme einen oder zwei Sprecher; in der anschlie- ßenden Diskussion sollt ihr alle mitdiskutieren.

3. Bestimmt eine/n Protokollant/in, die oder der sowohl die Argumente für eure Stellungnah- me  als auch die Argumente eurer Partei im Diskussionsverlauf  protokolliert.

Rollenkarte Jugendgemeinderat

– Unter den Jugendlichen wurde schon viel über die mögliche neue BigBurger-Filiale gesprochen. Viele Schüler sind mit dem Angebot der Schulmensa unzufrieden.

– In der Gemeinderatssitzung zur Flächenumnutzung bringt ihr als Jugendgemeinderat die Meinungen der Jugendlichen ein.

– Ihr bezieht in einem zweiminütigen Vortrag Stellung,

ob ihr für oder gegen die Eröffnung der BigBurger-Filiale sprecht. Einigt euch dazu zuerst auf eine Position und erarbeitet dann Argumente, die diese stützen.

– In der Diskussion könnt ihr leider keine Argumente einbringen. Im Anschluss dürft ihr auch nicht abstimmen – so regelt es die Gemeindeordnung. Dennoch solltet ihr während der Diskussion aufmerksam sein: Euer Vorschlagsrecht erlaubt euch nämlich im An- schluss, wie alle Parteien einen Kompromiss zu formulieren, über den der Gemeinderat abstimmt.

Spielhinweise:

1. Ihr nehmt als Gruppe an der Gemeinderatssitzung teil. Für die zweiminütige Stellungnah- me bestimmt ihr einen oder zwei Sprecher.

2. Bestimmt eine/n Protokollant/in, die oder der während der Vorbereitung eure Argumente für die Stellungnahme  protokolliert.