DEUTSCHER HAUSÄRZTEVERBAND
AG für raue Zeiten
Die Vertragskündigung in Bayern hat den Verband auch finanziell getroffen. Nun baut er vor.
N
achdem der Deutsche Haus- ärzteverband (HÄV) auf den zurückliegenden Delegiertenver- sammlungen stolz Erfolge im Kampf um Tarifautonomie und Hausarzt- verträge feierte, herrschte Anfang März in Berlin fast Katerstimmung.Das Treffen finde „in einer sehr schwierigen Zeit“ statt, erklärte der HÄV-Bundesvorsitzende, Ulrich Weigeldt.
Die Krankenkassen weigerten sich zum großen Teil beharrlich, geltendes Recht umzusetzen und Verträge nach § 73 b Sozialgesetz- buch V abzuschließen. Dies lasse sich auch an einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten ablesen, in de- nen man die Mandatierung des Ver- bands anzweifle, Schiedspersonen nicht anerkenne oder gegen Verträ- ge klage. Weigeldt warf den Auf- sichtsbehörden zudem vor, dieser Verweigerung tatenlos zuzusehen.
Dies und die Kündigung des Hausarztvertrags in Bayern durch die AOK belasten den Verband nicht nur berufspolitisch, sondern auch finanziell. So beschlossen die Delegierten, die bisher genossen- schaftlich geführte Hausärztliche Vertragsgemeinschaft (HÄVG) in eine Aktiengesellschaft (AG) um- zuwandeln. Die HÄVG verwaltet die Hausarztverträge des Verbands und wickelt Abrechnung und Aus- zahlung der Arzthonorare ab. „Es hat viele Vorteile, eine AG zu grün- den“, erklärte Weigeldt. „Vor allem werden wir keine Liquiditätseng- pässe mehr haben.“
Mit der AG-Gründung erhöhen die Landesverbände das Eigenkapi- tal der Gesellschaft auf eine Million Euro. Hatte die HÄVG vor der Kündigung der bayerischen AOK- Verträge Ende 2010 ein Honorar - volumen von mehr als 1,1 Milliarden Euro pro Jahr zu verwalten, waren es danach nur noch 380 Millionen
Euro. Deswegen habe man ein Drit- tel der Mitarbeiter entlassen müs- sen, sagte Eberhard Mehl, HÄV- Hauptgeschäftsführer. Weigeldt warb für die AG und stellte klar, dass die Aktien in den Händen der Landes- verbände verblieben.
Auf eigene Hausarztverträge setzt der Verband nach wie vor. In einem Entwurf zur Neustrukturie- rung der ambulanten Versorgung schlägt er vor, Selektivverträge als zweite, gleichwertige Säule neben dem Kollektivvertrag zu etablieren.
Ärzte sollten die freie Wahl zwi- schen beiden Vertragsarten haben.
Beschränke sich ein Arzt auf die Behandlung von Patienten, die in Se- lektivverträgen eingeschrieben seien, solle dies keine Auswirkungen auf seine Zulassung als Vertragsarzt ha- ben, lautet der Vorschlag des HÄV.
PKV: Interesse an Verträgen Mittlerweile interessiere sich auch die private Krankenversicherung (PKV) für Hausarztverträge mit dem Verband. Nach Darstellung von Mehl wollen drei Versicherer in Kürze erste Angebote unterbreiten.
Was die Honorierung anbelangt, so solle es ein „GOÄ-ergänzendes Vo- lumen“ geben.
Mehl kündigte zugleich an, dass der Hausärzteverband die anstehen- de Reform der Gebührenordnung für Ärzte genau verfolge. Denn wenn man die Honorare für haus- ärztliche Tätigkeiten betrachte, „dann sind wir in der gesetzlichen Kran- kenversicherung exzellent bedient“, sagte Mehl ironisch. Öffnungsklau- seln, wie sie die PKV fordert, sieht der HÄV kritisch. Doch einzelne Delegierte wittern auch Chancen:
Über Öffnungsklauseln könne man gute Hausarztverträge der Kassen übertragen und zudem pauschalier- te Vergütungen aushandeln. ■ Dr. Marc Meißner, Sabine Rieser
A 508 Deutsches Ärzteblatt