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Archiv "Disease-Management-Programme: Komorbiditäten berücksichtigen und Dokumentation vereinfachen" (18.01.2008)

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eit der flächendeckenden Einführung von Disease- Management-Programmen (DMP) in die gesetzliche Krankenversiche- rung vor sechs Jahren wird über Sinn und Zweck dieser im Sozialgesetz- buch verankerten strukturierten Be- handlungsprogramme für chronisch Kranke gestritten. Mittlerweile gibt es erste Evaluationsergebnisse, auch wenn es sich bei dieser gesetzlich vorgeschriebenen Regelevaluation nicht um den aus wissenschaftlicher Sicht zu fordernden Kontrollgrup- penvergleich handelt, sondern ledig- lich um eine formale Programm- evaluation, die der Reakkreditierung der Programme durch das Bundes- versicherungsamt (BVA) voraus- geht. Gerade dies war und ist bis heu- te – neben der Verknüpfung mit dem Risikostrukturausgleich – ein Haupt- kritikpunkt an den Programmen. Es gibt Bestrebungen, sich aus der methodologischen Zwickmühle zu befreien, die die bundesweite Ein- führung der DMP etwa im Hinblick auf die Bildung einer Kontrollgruppe

mit sich gebracht hat, sodass für die Zukunft vielleicht doch noch wissen- schaftlich tragfähige Erkenntnisse über den Nutzen von DMP aus exter- nen Evaluationen zu erwarten sind, die zur Versachlichung der Diskussi- on beitragen könnten (1). Auch der Sachverständigenrat zur Begutach- tung der Entwicklung im Gesund- heitswesen hat sich in seinem aktuel- len Gutachten 2007 mit den DMP be- fasst. Deren grundsätzliche Berechti- gung als Modell einer integrierten Versorgung wird nicht infrage ge- stellt, wohl aber die Anbindung an den Risikostrukturausgleich.

Defizite bei der Chronikerversorgung

Mit der Gesundheitsreform 2000 hatte der Gesetzgeber die Rechts- grundlage für die Tätigkeit des Sach- verständigenrats für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen ge- schaffen und den Rat beauftragt, Gutachten zur Entwicklung der Ver- sorgung in der gesetzlichen Kran- kenversicherung zu erstellen. Der

Sachverständigenrat kam diesem Auftrag mit einem Gutachten zur Be- darfsgerechtigkeit und Wirtschaft- lichkeit nach und widmete sich im dritten Band des Gutachtens dem Themenkomplex Über-, Unter- und Fehlversorgung (2). Das im August 2001 vorgelegte Gutachten stellt eine Bestandsaufnahme zur Situation chronisch Kranker im deutschen Ge- sundheitssystem dar, aus der Anfor- derungen an eine bedarfsgerechte Versorgung abgeleitet werden. Er gelangt zu dem Fazit, dass sich für

„unterschiedliche chronische Krank- heiten konvergente, krankheitsar- tenübergreifende Muster von Über-, Unter- und Fehlversorgung“ ergeben, die mit der Dominanz der akutmedi- zinischen Versorgung, der Vernach- lässigung von Prävention und Reha- bilitation, mit unzureichender Infor- mation, Schulung und Partizipation der Betroffenen, einem Mangel an interdisziplinären Versorgungskon- zepten und vielfach mit einem Ab- weichen von den Grundsätzen einer evidenzbasierten Versorgung zusam-

DISEASE-MANAGEMENT-PROGRAMME

Komorbiditäten berücksichtigen und Dokumentation vereinfachen

Die DMP werden anscheinend von den Patienten zunehmend positiv beurteilt. Der Gesetzgeber hält an die- ser Versorgungsform fest.

Unsicher ist, wie sich der künftige morbiditäts- orientierte Risikostruktur- ausgleich und die

Finanzierung durch den Gesundheitsfonds auf deren Entwicklung auswirken werden.

Andreas Willeke

Fotos:Klaus Rose

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T H E M E N D E R Z E I T

menhängen. Der Sachverständigen- rat empfahl dem Gesetzgeber unter anderem, „leitliniengestützte Versor- gungsansätze, unter Umständen über geeignete Disease-Management-Pro- gramme“, zu etablieren.

Überhaupt waren die Jahre 2000/

2001 eine Zeit reger Gutachtertätig- keit, denn parallel zur Begutachtung durch den Sachverständigenrat gab das Bundesgesundheitsministerium eine Untersuchung über die Wirkung des Risikostrukturausgleichs (RSA) in Auftrag, den man auf der Grund- lage des Gesundheitsstrukturgesetzes von 1992 im Jahr 1994 in die gesetz- liche Krankenversicherung einge- führt hatte (3). Mit dem RSA war ein umfassendes finanzielles Ausgleichs- system zwischen den Kassen und Kassenarten geschaffen worden, in dem durchschnittliche standardisier- te Leistungsausgaben ermittelt und kompensiert werden. Ein im Auftrag der Krankenkassen erstelltes Gutach- ten befasste sich zur gleichen Zeit mit der Frage, wie der RSA weiterzuent- wickeln sei (4).

Die Gutachter kamen 2001 zu dem Ergebnis, dass der RSA prinzi- piell seinen Zweck erfüllt, allerdings das Morbiditätsrisiko nicht adäquat berücksichtigt werde und insofern trotz Kontrahierungszwang der Kas- sen ein Anreiz zur Risikoselektion bestehe. Das Problem der Risiko- selektion wurde auch bereits im Gut- achten des Sachverständigenrats für die Konzertierte Aktion im Gesund-

heitswesen mit Blick auf die Situati- on chronisch Kranker aufgegriffen.

So lag es für den Gesetzgeber nahe, die Empfehlungen zur Versorgung chronisch Kranker mit der Berück- sichtigung einer Morbiditätskompo- nente im RSA zu verknüpfen und als kurzfristige Lösung strukturierte Be- handlungsprogramme für bestimmte chronische Krankheiten in die Ver- sorgung einzuführen. Diese sollten über den RSA finanziell gefördert werden, sodass kein Anreiz zur Risi- koselektion gegeben war. Mit dem Gesetz zur Reform des Risikostruk- turausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung wurde dies zum 1. Januar 2002 umgesetzt. Der Gedankengang ist durchaus logisch, wenngleich ein wesentliches Ele- ment, nämlich die primäre Präventi- on, hier keine Berücksichtigung fin- det und sicherlich auch andere Mo- delle zur Verhinderung der Risikose- lektion vorstellbar sind. Langfristig hat der Gesetzgeber die Bildung ei- nes morbiditätsorientierten RSA vor- gesehen, der ursprünglich bis 2007 entwickelt werden sollte und nun mit der aktuellen Gesundheitsreform durch die Entwicklung eines entspre- chenden Klassifikationsmodells er- neut in Angriff genommen wird. Ab 2009 werden DMP nicht mehr bei den durchschnittlichen Leistungs- ausgaben im RSA berücksichtigt.

Stattdessen erfolgt ein Ausgleich nach Morbiditätsgruppen, und die Programmkosten für medizinisch

notwendige Aufwendungen wie Do- kumentations- oder Koordinierungs- leistungen werden durch Zuweisun- gen aus dem Gesundheitsfonds ge- fördert. Die Höhe der Zuweisungen soll der bis zum Juli 2008 zu er- richtende Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmen, ersatz- weise das BVA, wenn keine Eini- gung zustande kommt.

Entwicklungsstufen im Überblick

Die inhaltlichen Anforderungen an die strukturierten Behandlungspro- gramme entwickelt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Gemäß

§ 137 f SGB V empfiehlt der G-BA dem Gesundheitsministerium zum einen, für welche chronischen Krankheiten DMP entwickelt wer- den sollen, zum anderen formuliert er die Programminhalte. Dabei sind die Anforderungen an die Behand- lung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzba- sierten Leitlinien zu definieren, Qua- litätssicherungsmaßnahmen festzu- legen und Voraussetzungen für die Teilnahme an den Programmen, die Anforderungen an Schulungen von Patienten und Leistungserbringern sowie an die Dokumentation und Evaluation der Programme zu for- mulieren. Darüber hinaus sind die Empfehlungen zu den Programmin- halten regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls den aktuellen medi- zinischen Erkenntnissen anzupassen.

Bereits in den Gutachten zum RSA sowie im Gutachten des Sach- verständigenrats wurden bestimmte chronische Krankheiten im Hinblick auf die Verbesserung der Versor- gungsqualität genannt, und der da- malige Koordinierungsausschuss als Vorläufer des G-BA hatte im Januar 2002 den Auftrag, dem Gesetzgeber innerhalb einer Frist von vier Wo- chen bis zu sieben, mindestens je- doch vier für DMP geeignete Krank- heiten vorzuschlagen. Mit dem Stichtag konnte man sich auf die ge- forderte Mindestzahl von vier Indi- kationen einigen: Diabetes mellitus, Brustkrebs, chronische obstruktive Atemwegserkrankungen (Asthma bronchiale und COPD) und koronare Herzkrankheit (KHK).

*1Bundesversiche- rungsamt. Kurzbericht über den Jahresaus- gleich 2005 im Risiko- strukturausgleich.

www.bva.de/Fach informationen/Risiko strukturausgleich/

Jahresausgleiche/

JA_2005.pdf

*2Sudhoff-Greger M.

Jahresausgleich 2005 – Risikostrukturaus- gleich und Risikopool.

Die Krankenversiche- rung 2006; 12:

348–50

TABELLE

Finanztransfer im Risikostrukturausgleich 2005*1

Berücksichtigungsfähige Leistungsausgaben

im Jahresausgleich 2005 129,2 Mrd. Euro

Umverteilungsvolumen zwischen den Kassen im RSA 15,6 Mrd. Euro Durchschnittliche berücksichtigungsfähige

Leistungsausgaben je Versicherten 1 769 Euro/Jahr Berücksichtigungsfähige Leistungsausgaben für Versicherte in DMP:

Diabetes mellitus 4 427 Euro/Jahr

Koronare Herzkrankheit 4 462 Euro/Jahr

Brustkrebs 6 652 Euro/Jahr

Zuweisungen für in DMP Versicherte gesamt in 2005*2 ca. 7,6 Mrd. Euro bzw. ca. 6 % der berücksichtigungs- fähigen Leistungs- ausgaben

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Asthma bronchiale und COPD wur- den erst 2004 vom G-BA beschlos- sen. In der Zwischenzeit wurden die Programme für Diabetes mellitus Typ II und Brustkrebs durch den G-BA aktualisiert, weitere Aktuali- sierungen stehen an.

Der Entwicklungs- und Aktuali- sierungsprozess von DMP wird durch den im G-BA zuständigen Unteraus- schuss DMP und seine Arbeitsgrup- pen getragen. Die Arbeitsgruppen sind mit medizinischen Fachexperten aus dem gesamten Bundesgebiet, mit klinischen und wissenschaftlichen Experten aus Hochschulkliniken, Krankenhäusern und niedergelasse- nen Ärzten sowie Ausschussmitglie- dern der gemeinsamen Selbstverwal- tung besetzt, darüber hinaus sind Pa- tientenvertreter in den Arbeitsgrup- pen, im Unterausschuss und in den Beschlussgremien beteiligt.

Die Entwicklung der Empfehlun- gen erfolgt auf den Grundlagen der evidenzbasierten Medizin mit Un- terstützung von Methodikern und zum Teil auch unter Einbeziehung des Instituts für Qualität und Wirt- schaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Darüber hinaus werden Stellungnahmen der Fachöffentlich- keit in die Beratungen einbezogen und gesetzlich geforderte Stellung- nahmeverfahren durchgeführt, an denen auch die Bundesärztekammer und die Bundespsychotherapeuten- kammer regelhaft beteiligt sind.

Künftig wird außerdem der Austausch mit den medizinischen Fachgesell- schaften im Lauf des systematischen Stellungnahmeprozesses intensiviert.

Die inhaltlichen Vorgaben der DMP sind selbst keine Leitlinien, sie stützen sich jedoch auf evidenzba- sierte Leitlinien. Dabei werden Leit- linienempfehlungen nicht notwendig eins zu eins übernommen. Vielmehr werden die Empfehlungen aus unter- schiedlichen methodisch hochwerti- gen Leitlinien im jeweiligen Versor- gungskontext verglichen und auch die den Leitlinienempfehlungen zu- grunde liegende Evidenz analysiert.

Gerade die Empfehlungen zur medikamentösen Therapie werden

Empfehlungen beinhalten und be- stimmten Interventionen aufgrund der Datenlage Vorrang einräumen, es sei jedoch betont, dass keine Maß- nahmen per se ausgeschlossen wer- den, die im Rahmen einer individuel- len Therapieplanung vom Arzt für erforderlich gehalten werden. Eine Forderung, die allerdings erhoben wird, ist, dass die Datenlage dann auch durch den Arzt zu prüfen ist und die Optionen auf dieser Grundlage mit dem Patienten besprochen wer- den sollen. Dies ist nicht gleichbe- deutend mit der Einschränkung der ärztlichen Therapiefreiheit, sondern mit der Besinnung auf die Frage, wie kann ich im Individualfall einen tatsächlichen Nutzen stiften?

Nach Beschluss im G-BA werden die Empfehlungen zu den strukturier- ten Behandlungsprogrammen dem Bundesgesundheitsministerium mit einer Begründung zugeleitet. In der Begründung werden die Grundlagen für die Empfehlungen dargestellt und erläutert. Die Empfehlungen werden mit der Begründung auf der Internet- seite des G-BA veröffentlicht.

Aufwendiges Prüf- und Genehmigungsverfahren

Da die Programme mit dem RSA verknüpft sind, müssen diese nun auf dem Weg einer Rechtsverordnung zum Risikostrukturausgleich vom Gesetzgeber implementiert werden und unterliegen aufgrund des an die DMP gekoppelten Finanztransfers zwischen den Krankenkassen einem relativ aufwendigen Prüf- und Ge- nehmigungsverfahren. Nach Erlass der Rechtsverordnung können Kran- kenkassen oder Kassenverbände mit Ärzten oder Kassenärztlichen Verei- nigungen Verträge über die Durch- führung von Disease-Management- Programmen schließen, in die gege- benenfalls weitere Leistungserbrin- ger einzubeziehen sind, und entspre- chende Programme nach dem in der Rechtsverordnung vorgegebenen Muster entwickeln. Die Krankenkas- sen beantragen dann die Zulassung der Programme beim BVA. Wenn die Programme vom BVA zugelassen

sind, können sich Patienten, die an einer entsprechenden chronischen Krankheit leiden, in die von ihrer Krankenkasse angebotenen Pro- gramme einschreiben.

Die zentralen Programmvorgaben sind zwar auf Basis der Empfehlun- gen des G-BA einheitlich, die Durch- führung der Programme kann aller- dings, je nach vertraglicher Aus- gestaltung und Umsetzung, unter- schiedlich sein. Insofern wird der re- lative Erfolg der Programme der ein- zelnen Krankenkassen evaluiert. Zu diesem Zweck werden mit Einwilli- gung der Versicherten Daten zum Programmablauf und zur Qualitätssi- cherung in festgelegten Intervallen erhoben, die im Rahmen der Doku- mentation an eine Datenannahme- stelle übermittelt werden. Die Da- tensätze werden Prüf- und Validie- rungsprozessen unterzogen und nach bestimmten Kriterien in pseudonymi- sierter Form an die jeweiligen Kas- senärztlichen Vereinigungen, Kran- kenkassen und an die von den Ver- tragspartnern zu bildenden „Gemein- samen Einrichtungen“ weitergeleitet und für arzt- und versichertenbe- zogene Qualitätssicherungsmaßnah- men genutzt. So erhalten Ärzte Feed- backberichte, die dem Benchmar- king der beteiligten Praxen dienen, Reminder-Systeme für Ärzte und Patienten werden gepflegt und Qualitätssicherungsberichte erstellt.

Überdies erfolgt eine Auswertung

Die DMP-Doku- mentation wurde mittlerweile vereinfacht. Sie soll ab diesem Jahr ausnahmslos elek- tronisch erfolgen.

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T H E M E N D E R Z E I T

der Datensätze durch ein Evalua- tionsinstitut beziehungsweise ein Konsortium wissenschaftlicher Insti- tute, die mit der externen Evaluation beauftragt sind.

Die Evaluation erstreckt sich auf die Struktur-, Prozess- und Ergebnis- qualität und soll auch die ökonomi- sche Effizienz der Programme beur- teilen. Das BVA legt, unterstützt von einem wissenschaftlichen Beirat, die Evaluationskriterien für die Program- me fest, wobei nach den derzeit vor- liegenden Kriterien für Brustkrebs und Diabetes mellitus auch eine Eva- luation der subjektiven Lebensquali- tät der Patienten erfolgt. Auf Basis der Evaluation wird die Bewertung und Reakkreditierung der Program- me vorgenommen, die bisher für die Dauer von drei, künftig für fünf Jahre zugelassen sind.

Allein für das DMP Diabetes mel- litus Typ II waren bis Januar 2006 circa 1,76 Millionen Versicherte in Deutschland eingeschrieben, und etwa 75 Prozent der Hausärzte sind bundesweit an einem DMP für Dia- betes mellitus Typ II beteiligt (5).

Geht man von circa 5,4 Millionen Typ-II-Diabetikern in Deutschland aus, von denen circa fünf Millionen in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind, bedeutet dies, dass sich circa 35 Prozent der gesetzlich versicherten Diabetiker für eine Versorgung in einem DMP entschie- den haben.

Ein Blick in die Qualitätssiche- rungsberichte zeigt, dass die in den DMP formulierten Qualitätsziele überwiegend erreicht werden, wenn- gleich damit keine Aussage über den längerfristigen Nutzen und insbeson- dere den tatsächlichen Nutzen im Vergleich zur Regelversorgung ge- troffen werden kann. Im Qualitätssi- cherungsbericht 2005 der KV Nord- rhein wird ausgeführt, dass bei den an einem DMP Diabetes mellitus Typ II in Nordrhein teilnehmenden Patienten insgesamt eine gute bis be- friedigende Stoffwechseleinstellung vorlag, die über den Auswertungs- zeitraum von anderthalb Jahren sta- bil blieb (6). Bei den Patienten, die sich bis zurück in das Jahr 2003 be- obachten ließen, nahm der Anteil der Hypertoniker von 53 auf 46 Prozent ab. Lipidsenker und Thrombozyten-

aggregationshemmer wurden ten- denziell häufiger verordnet als in Vergleichsstudien. Der Anteil der ge- schulten Patienten konnte von 57 auf 76 Prozent gesteigert werden, der Anteil der jährlich augenärztlich un- tersuchten Patienten lag mit 85 Pro- zent über der Quote vergleichbarer Modellprojekte und stieg bei den ab 2004 eingeschriebenen Patienten auf 98 Prozent. Demgegenüber wurden die Ziele im Hinblick auf die Mitbe- handlung von Patienten durch eine Fußambulanz bei auffälligem Fuß- status verfehlt. Die Ziele in den DMP KHK und Brustkrebs wurden in ver- gleichbarem Umfang erreicht, wie die Ziele im DMP Diabetes mellitus.

Verwaltungsaufwand soll verringert werden

Dem stehen zunächst einmal zusätzli- che Kosten gegenüber. Zur Deckung von Mehrkosten, die sich aus der Be- handlung im Rahmen eines DMP er- geben, stehen den Krankenkassen Mittel aus dem Risikostrukturaus- gleich zur Verfügung. Hinzu kom- men Verwaltungskosten, Kosten für Qualitätssicherung und Evaluation, für Schulungen und Informationsma- terialien sowie für zusätzliche Vergü- tungen, die die teilnehmenden Ärzte für die zusätzlich anfallende Koordi- nations- und Dokumentationsarbeit erhalten. Die Evaluation der Kosten- effizienz steht noch aus.

Aus Sicht aller Beteiligten ist es notwendig, den Verwaltungsauf- wand von Disease-Management- Programmen zu reduzieren. Darüber hinaus sollte das Problem der Ko- beziehungsweise Multimorbidität gerade bei der Versorgung chronisch Kranker stärker berücksichtigt wer- den. Der G-BA hat diesbezüglich ei- nen ersten Vorstoß im Rahmen seiner Empfehlungskompetenz gemacht:

Auf Grundlage des nach wie vor bestehenden gesetzlichen Auftrags, weitere Indikationen für strukturierte Behandlungsprogramme zu empfeh- len, hat der G-BA keine Indikationen für neue eigenständige DMP, son- dern stattdessen zunächst die Ent- wicklung von DMP-Modulen für be- stimmte Indikationen empfohlen, die mit den bestehenden DMP bei Ko- morbidität verzahnt werden können.

Nach einer systematischen Prüfung

von Vorschlägen, die von der Fachöf- fentlichkeit nach einer entsprechen- den Bekanntmachung eingereicht worden waren, hat der G-BA mit Be- schluss vom 16. Mai 2006 Module für „Chronische Herzinsuffizienz“

und „Adipositas“ empfohlen (7). Das Bundesgesundheitsministerium ist dieser Empfehlung gefolgt und hat den G-BA nun beauftragt, die Module zu entwickeln. Darüber hinaus hat der Unterausschuss DMP die DMP- Dokumentation indikationsübergrei- fend vereinfacht. Die Inhalte der überarbeiteten DMP-Dokumentati- on wurden im September 2007 vom Gemeinsamen Bundesausschuss be- schlossen (8). Die Dokumentation soll ab 2008 ausnahmslos elektro- nisch erfolgen. In diesem Zusam- menhang sollen auch die für die Einschreibung der Versicherten er- forderliche Dokumentation und der Datenfluss vereinfacht werden. Un- sicher ist, wie sich die künftige Finanzierung der DMP durch den Gesundheitsfonds auf deren Weiter- entwicklung auswirken wird.

Patientenbefragungen zufolge, die die Krankenkassen unter ihren Versi- cherten durchführen, erfreuen sich DMP einer wachsenden Akzeptanz.

Patienten äußern sich vielfach zufrie- den mit der Betreuung innerhalb der Programme. Erste Qualitätssiche- rungsberichte der Kassenärztlichen Vereinigungen liegen vor, weitere Evaluationsergebnisse werden im Lauf dieses Jahres erwartet. Der Ge- setzgeber hält an dieser Versorgungs- form fest. Nun gilt es, die Disease- Management-Programme unter Be- rücksichtigung bisheriger Erfahrun- gen sorgfältig weiterzuentwickeln, bürokratische Hemmnisse abzubau- en und das gleichzeitige Vorliegen mehrerer chronischer Krankheiten in den Versorgungskonzepten zu berücksichtigen.

❚Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2008; 105(3): A 83–6

Anschrift des Verfassers Dr. med. Andreas Willeke Gemeinsamer Bundesausschuss Auf dem Seidenberg 3 a 53721 Siegburg

E-Mail: andreas.willeke@g-ba.de

Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit0308

@

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LITERATUR

1. Joos S, Rosemann T, Heiderhoff M, Wensing M et al.: ELSID-Diabetes study-evaluation of a large scale implementation of disease ma- nagement programmes for patients with ty- pe 2 diabetes. Rationale, desing and con- duct – a study protocol. BMC Public Health 2005; 5: 99. (www.biomedcentral.com/

1471-2458/5/99).

2. Sachverständigenrat für die Konzertierte Ak- tion im Gesundheitswesen. Bedarfsgerech- tigkeit und Wirtschaftlichkeit, Band III: Über-, Unter- und Fehlversorgung. Gutachten 2000/2001. Bundestags-Drucksache 14/6871.

3. IGES, Cassel D, Wasem J: Zur Wirkung des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums für Ge- sundheit. Berlin 2001.

4. Lauterbach K, Wille E: Modelle eines fairen Wettbewerbs durch den Risikostrukturaus- gleich. Gutachten im Auftrag des VdAK/AEV, AOK.BV und IKK-BV. Köln, Mannheim 2001.

5. Nagel H, Baehring T, Scherbaum W: Imple- menting Disease Management Programs for Type 2 Diabetes in Germany. Managed Care 2006; 50–3.

6. Nordrheinische Gemeinsame Einrichtung Disease-Management-Programme GbR.

Qualitätssicherungsbericht 2005 Disease- Management-Programme in Nordrhein.

Düsseldorf 2006.

7. Gemeinsamer Bundesausschuss.

http://www.g-ba.de/downloads/40-268- 60/2006-05-16-dmp-Module_Gruende.

pdf.

8. Gemeinsamer Bundesausschuss.

http://www.g-ba.de/downloads/39-261- 477/2007-09-13-DMP-Doku-Anl1-5.pdf

LITERATURVERZEICHNIS HEFT 3/2008, ZU:

DISEASE-MANAGEMENT-PROGRAMME

Komorbiditäten berücksichtigen und Dokumentation vereinfachen

Die DMP werden anscheinend von den Patienten zunehmend positiv beurteilt. Der Gesetzgeber hält an dieser Versorgungsform fest. Unsicher ist, wie sich der zukünftige morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich und die Finanzierung durch den Gesundheitsfonds auf deren Entwicklung auswirken wird.

Andreas Willeke

Referenzen

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