A 1624 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 106|
Heft 33|
14. August 2009N
obelpreisträger Harold Var- mus hat in einer viel beachte- ten und häufig zitierten Publikation Änderungen in der „culture“ der Onko logie gefordert (Science 2006;312: 1162–67) und eine wesentlich engere Zusammenarbeit zwischen Grund lagenwissenschaftlern, kli- nisch tätigen Onkologen, Industrie sowie regulatorischen Behörden an- geregt. Auch die Herausgeber des Buches, Michael Gnant und Peter M. Schlag, betonen zu Recht den Stellenwert der interdisziplinären Abstimmung onkologischer Partner- fächer bei der Diagnose- und Be- handlungsplanung. Sie sehen dabei im chirurgischen Onkologen den ge- eigneten Mediator eines multidiszip- linären Teams und umfassenden Be- gleiter des Patienten. Konsequenter- weise versuchen sie deshalb, in dem Buch operative Eingriffe in ein mo- dernes interdisziplinäres Gesamt- konzept einzugliedern und beteili- gen dabei Autoren aus verschiede- nen Fachdisziplinen (zum Beispiel internistische Onkologie, Strahlen- therapie, Dermatologie, Orthopädie, Gynäkologie und Urologie).
Das Buch ist in einen allgemei- nen Teil mit neun Kapiteln und ei- nen speziellen Teil mit 23 Kapiteln zu mehr als 30 Tumorentitäten un- tergliedert. Von 83 Autoren wird ei- ne umfassende Darstellung der operativ behandelbaren soliden Tu- moren, mit Ausnahme von Tumo- ren im Kopf-Hals-Bereich, vorge- legt. Der allgemeine Teil umfasst neben den Gedanken der Herausge- ber zur Rolle der Chirurgie in der Krebsbehandlung aktuelle und für die Betreuung onkologischer Patienten zweifelsfrei wichtige Themen, wie zum Beispiel chi- rurgisches Tumorstaging, Kom- munikation mit Tumorpatienten, Tumorschmerztherapie, Behand- lungskonzepte der komplementä- ren alternativen Medizin und pe- rioperative Ernährung.
wegs den medizinischen Standard korrekt wiedergeben (zum Beispiel
„adjuvante“ Chemotherapie bei me- tastasierten Nichtseminomen; ku - rative oder palliative Therapie 131I-speichernder Metastasen beim Schilddrüsenkarzinom; Kurzzeitbe- strahlung mit 5 × 5 Gy-Standard der neoadjuvanten Therapie beim Rek- tumkarzinom). Das ohne Zweifel sehr ambitionierte Ziel der Heraus- geber, evidenzbasierte Handlungs- und Therapieempfehlungen zu erar- beiten und dabei alle wesentlichen Aspekte der onkologischen Partner- fächer zu berücksichtigen, gelingt deshalb leider nur in wenigen Kapi-
teln. Auch die für den Le- ser wichtige Formulierung offener Fragen zur Dia - gnostik beziehungsweise Therapie, vorgesehen je- weils am Ende der Kapi- tel im Ausblick, erfolgt nicht in allen Kapiteln.
Die an vielen Stellen äu- ßerst positive Bewertung des „gene profiling“ für die Planung in di vidualisierter Therapiestrategien bezie- hungsweise des potenziel- len Nutzens neuer „zielge- richteter Wirkstoffe“ (zum Beispiel Tyrosinkinase- und Angiogenese-Inhibi- toren) im multimodalen Therapiekonzept ist über- raschend und entspricht nicht den bisher eher enttäuschen- den Ergebnissen in kontrollierten klinischen Studien.
Zusammenfassend ist dieses um- fangreiche, durch Abbildungen und Tabellen gut illustrierte Buch zur chirurgischen Onkologie in erster Li- nie als praktisch orientiertes Nach- schlagewerk geeignet für onkolo- gisch nicht spezialisierte Chirurgen beziehungsweise Berufsanfänger in anderen medizinischen Fachdiszipli- nen, die Tumorpatienten mitbetreu- en. Die Lektüre evidenzbasierter Leitlinien beziehungsweise klini- scher Handlungsempfehlungen (in- ter)nationaler Fachgesellschaften sowie das Studium detaillierter Kompendien, zum Beispiel zur in- ternistischen Onkologie und Strah- lentherapie, kann dieses Buch je- doch nicht ersetzen. Wolf-Dieter Ludwig Michael Gnant, Peter M. Schlag (Hrsg.):
Chirurgische Onkologie. Springer, Wien 2008, 516 Seiten, gebunden, 199,95 Euro Mi h l G t P t M S hl (H ) Die in der Mehrzahl der Kapitel
des speziellen Teils vorhandene einheitliche Gliederung (das heißt Einleitung, Diagnostik, präoperati- ve Vorbereitung und operative Stra- tegie, Komplikationsmanagement, Rehabilitation und Nachsorge, wei- tere Therapiemodalitäten, Quali- täts- und Prognosekriterien sowie Ausblick) verschafft dem Leser eine gute Übersicht, häufig aller- dings um den Preis einer Verkürzung des komple- xen Sachverhalts. An- schauliche Abbildungen und informative Tabellen zu histologischen, endo- skopischen und bildge- benden Befunden, der TNM-Klassifikation und Stadieneinteilung der Tumoren, dem intra- be- ziehungsweise postope- rativen Situs sowie Algo- rithmen zur Diagnostik und den Therapieoptio- nen illustrieren die meis- ten Kapitel und vermit- teln dem am praktischen
Vorgehen interessierten Arzt einen raschen Überblick. In den Literatur- hinweisen, die allerdings von sehr unterschiedlichem Umfang und Qualität sind, wurden Publikatio- nen bis 2007 sowie Links, zum Bei- spiel zur Homepage (inter)nationa- ler onkologischer Fachgesellschaf- ten, berücksichtigt.
Insgesamt weisen die Kapitel im speziellen Teil eine erhebliche Hete- rogenität hinsichtlich Umfang und Qualität der Darstellung auf, insbe- sondere der in Betracht kommenden strahlen- und chemotherapeutischen Therapiestrategien. Neben sehr de- taillierten Darstellungen (zum Bei- spiel Kapitel 9 Brustdrüsenkarzi- nom) finden sich auch einige Kapi- tel, in denen strahlentherapeutische, nuklearmedizinische und chemothe- rapeutische Empfehlungen keines- CHIRURGISCHE ONKOLOGIE