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Archiv "Onkologie: Therapie mit schweren Ionen" (06.11.2009)

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T H E M E N D E R Z E I T

E

in großes Projekt geht nach fast 15-jähriger Planungszeit und einer Bau- phase von sechs Jahren an den Start: Das Heidelberger Ionen- strahl-Therapiezentrum (HIT) wurde am 2. November seiner Bestimmung übergeben. In der fußballfeldgroßen Anlage sollen jährlich 1 300 Krebs- patienten mit schweren Ionen und Protonen bestrahlt wer- den, deren Tumoren aufgrund ihrer schwer zugänglichen La- ge oder aggressiver Biologie der konventionellen Radiothe- rapie trotzen. Nach Einschät- zung von Prof. Dr. Dr. med.

Jürgen Debus, dem Ärztlichen Direktor des HIT am Univer- sitätsklinikum in Heidelberg, werden etwa 15 Prozent der Krebspatienten von dieser neuen Therapieoption profitie- ren können.

In dem 119 Millionen Euro teuren Zentrum – zur Hälfte vom Heidelberger Universi- tätsklinikum und zur Hälfte vom Bund finanziert – wird der Schwerpunkt auf der klini- schen und experimentellen Er- forschung der Schwerionen- und Protonentherapie liegen.

Für Debus ist es wichtig zu betonen, „dass der primäre Fokus in der Heidelberger An- lage darauf gerichtet ist, mit interdisziplinärer Kompetenz zu untersuchen, für welche Krebspatienten und welche Tumorarten die schweren Io- nen allein oder in Kombinati- on mit den Protonen den Hei- lungserfolg verbessern kön- nen“. Ziel sei es, diese Evidenz Schritt für Schritt zu erarbeiten.

HIT biete, so Debus, ideale Vor- aussetzungen dafür, denn sie sei eu- ropaweit die erste Anlage, in der die Patienten sowohl mit Schwerionen als auch mit Protonen bestrahlt wer- den könnten. Außerdem habe man hier ein ausgezeichnetes Forschungs- umfeld mit dem Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) und dem Deutschen Krebsforschungs- zentrum (DKFZ) in unmittelbarer Nähe. Alle Patienten sollen in Stu- dienprotokollen behandelt werden.

Die Heidelberger Anlage ist in vielerlei Hinsicht ein Projekt der Superlative. Auf einem Areal von 5 000 Qua- dratmetern umfasst sie drei Stockwerke, davon zwei un- terirdisch. Neben den drei Behandlungsräumen liegt das technische Herz des Zen- trums. Hier befinden sich die Ionenquelle, der Linearbe- schleuniger und der ringför- mige Teilchenbeschleuniger.

Im fünf Meter langen Line- arbeschleuniger würden die Ionen „vorbeschleunigt“, er- klärt der wissenschaftlich- technische Direktor der An- lage, Prof. Dr. Thomas Ha- berer, bei einem Rundgang.

Das heißt, sie werden hier auf ein Zehntel der Lichtge- schwindigkeit gebracht, be- vor sie in einen Kreisverkehr des Teilchenbeschleunigers (Synchrotons) einmünden und hier durch Magnetfelder auf ringförmige Bahnen gelenkt werden.

Strahl wird horizontal und vertikal gelenkt Millionen von Umkreisungen sind nötig, um die Ionen auf 75 Prozent der Lichtge- schwindigkeit zu beschleuni- gen. Pro Sekunde geschieht dies 3,4 Millionen Mal. Paral- lel zur rasant steigenden Ener- gie muss auch die Magnetkraft im Beschleuniger verstärkt werden. Unmittelbar vor ih- rem Eintreten in die Behand- lungsräume werden die Ionen- strahlen durch zwei Scanner geführt. Das sind Magnete, mit de- nen der Strahl horizontal und verti- kal gelenkt werden kann.

Zwei Bestrahlungsräume werden mit der horizontalen Energiequelle beschickt. In einem dritten Raum, der Schwerionen-Gantry, rotiert die Strahlenquelle um den Patienten herum. Dieses drehbare Strahlfüh- rungssystem ist weltweit einzigar- tig. Davon kann ein Drittel der Pa- tienten profitieren, wenn zum Bei- spiel ein Bronchialkarzinom durch den Thorax von mehreren Seiten be- strahlt werden muss.

ONKOLOGIE

Therapie mit schweren Ionen

Das Heidelberger Ionenstrahl- Therapiezentrum (HIT) ist die erste

Anlage, in der Krebspatienten so- wohl mit Schwerionen als auch mit Protonen bestrahlt werden können.

Fotos: DKFZ

Außenansicht des Ionenstrahl-Therapiezentrums (oben). Der Kopf des Pa- tienten wird vor der Behandlung mit einer Kunststoffmaske fixiert (Mitte).

Im Beschleuniger rasen Ionen millionenmal im Kreis und erreichen bis zu 75 Prozent der Lichtgeschwindigkeit (unten).

Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 45

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6. November 2009 A 2233

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A 2234 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 45

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6. November 2009

T H E M E N D E R Z E I T

Der Gantry wird allerdings erst in einem Jahr in Betrieb gehen können.

Der beeindruckende Koloss erstreckt sich über drei Stockwerke, ist 25 Me- ter lang, 670 Tonnen schwer und hat einen Durchmesser von 13 Metern.

330 Tage im Jahr läuft die Anla- ge rund um die Uhr, 300 Tage für die Behandlung, 30 Tage für die Forschung. Von der unterirdischen voluminösen Hochtechnologie be- merkt der Patient im Holz getäfel- ten Bestrahlungsraum nichts. Er wird auf einem robotergesteuerten Tisch von der medizinisch-techni- schen Assistentin auf den Millime- ter genau positioniert. Vor der Be- strahlung wurde der Tumor mittels

bildgebenden Verfahren (CT und MRT) exakt vermessen. Im Be- strahlungsraum fokussieren Physi- ker den Ionenstrahl auf diese Koor- dinaten.

Ein von dem Medizinphysiker Prof. Wolfgang Schlegel am DKFZ entwickeltes Planungsverfahren ist in das System integriert. Die exakte Lage des Patienten wird mit einer Röntgenaufnahme noch einmal kon- trolliert, ehe die Bestrahlung beginnt.

Mittels eines Rasterscanverfahrens, dessen Entwicklung der Physiker Haberer am Zentrum der Gesell- schaft für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt Anfang der 90er- Jahre begonnen hat, wird die Treffsi- cherheit weiter erhöht.

Dabei wird der Tumor digital in Millimeter dünne Scheiben „zer- schnitten“. Jede Scheibe wird mit ei- nem Netz von Bildpunkten überzo- gen und die nötige Bestrahlungsdo- sis für jeden Punkt berechnet und dem Raster folgend bestrahlt. Auch unregelmäßig geformte Tumoren können so exakt bestrahlt werden.

Die Bestrahlungszeit selbst liegt un- ter fünf Minuten, die Vorbereitungs- zeit bei etwa 20 Minuten. Etwa 20 Tage sind für eine Schwerionenbe- strahlung veranschlagt, 30 für die Protonenbestrahlung.

Eine Behandlung kostet 20 000 Euro. Mit zahlreichen Kassen wur-

den Debus zufolge bereits Erstat- tungsverträge abgeschlossen.

Die physikalische und biologische Dimension Schwerionen eröffnen für die Krebs- therapie neue Dimensionen, weil sie eine höhere Dosis und präzisere Ver- teilung in der Gewebetiefe garantie- ren als Röntgenstrahlen. Sie errei- chen ihre Dosisspitze (Bragg Peak) erst in tieferen Körperregionen bis zu einer Eindringtiefe von 30 Zenti- metern. Dort liegende Tumoren kön- nen somit in Millimeterschichten zielgenau bestrahlt und das umlie- gende gesunde Gewebe maximal ge- schont werden, denn auf dem Weg

zum Tumor geben die schweren Teilchen kaum Energie ab. Zudem ist die biologische Wirksamkeit der schweren Ionen drei- bis fünfmal so hoch wie die der Photonen oder Pro- tonen.

Vier Partner – die GSI in Darm- stadt, die Radiologische Universi- tätsklinik und das DKFZ in Heidel- berg sowie das Forschungszentrum Rossendorf bei Dresden – haben die Planung für das Pilotprojekt auf den Weg gebracht. Um die vielverspre- chende Methode vom Grundlagen- institut in die Klinik zu überführen, wurde die Firma Siemens mit ins Boot geholt.

440 Patienten mit Schädelbasis- tumoren wie Chordomen und Chondrosarkomen sowie adenoid- zystischen Karzinomen (Speichel- drüsenkarzinomen) sind seither dort bestrahlt worden. „Wir haben zei- gen können, dass die Technik kon- trollierbar, sicher und klinisch wirk- sam ist“, resümiert Haberer. Debus präzisiert den klinischen Erfolg:

„Bei diesen Tumorentitäten konn- ten wir Heilungsraten von mehr als 80 Prozent erzielen.“ Diese Ergeb- nisse sind bereits publiziert worden.

Eine weitere Indikation für die Schwerionentherapie sieht Debus beim nicht operablen lokal fortge- schrittenen Prostatakarzinom ohne Lymphknotenmetastasen und mit

ungünstigem Grading. Nach japani- schen Daten könne mit der Schwer- ionentherapie bei dieser Hochrisi- kogruppe, zu der jeder zehnte Pa- tient mit einem Prostatakarzinom zählt, ausgezeichnete kurative Er- gebnisse erreicht werden.

In Heidelberg wird nun eine in Darmstadt begonnene Studie mit diesen schwer therapierbaren Patien- ten fortgeführt; 18 wurden schon in Darmstadt bestrahlt, weitere 18 sol- len jetzt in Heidelberg behandelt werden. Andere Problemtumoren wie Weichteilsarkome, inoperable Pankreas- und Lungenkarzinome, Glioblastome, Leberzellkarzinome und kindliche Hirntumoren sind Debus zufolge weitere mögliche Angriffspunkte für die Schwerionen- therapie. Überprüft werden auch Kombinationstherapien aus konven- tioneller Bestrahlung und einem Pro- tonen- oder Schwerionenboost zum Beispiel bei Kopf-Hals-Tumoren oder Hirntumoren.

Zuweisende Ärzte, aber auch die Patienten selbst können sich für eine Behandlung anmelden: entweder über das Nationale Centrum für Tu- morerkrankungen in Heidelberg oder bei der Radiologischen Univer- sitätsklinik unter der Telefonnumer 0 62 21/56 54 45.

Die Welt der

Bestrahlungsanlagen

Weltweit existieren derzeit 30 Be- strahlungsanlagen mit Protonen und Schwerionen. Allein zehn da- von stehen in Japan, wobei drei Schwerionenanlagen sind. In den USA gibt es fünf Protonenanlagen, die bereits klinisch genutzt werden, und fünf sind im Bau. In Deutsch- land ist eine Protonenanlage an ei- ner Privatklinik in München in Be- trieb. In Essen, Kiel und Marburg werden entsprechende Anlagen ge- rade aufgebaut. Sie werden haupt- sächlich zur Patientenversorgung genutzt. In Heidelberg steht die ers- te kombinierte Protonen-Schwerio- nen-Anlage mit dem Schwerpunkt auf der Forschung. Innerhalb Euro- pas existieren Protonenanlagen au- ßerdem in Wien (Österreich), Lyon (Frankreich), Mailand (Italien) und Uppsala (Schweden). ■

Ingeborg Bördlein

Wir haben zeigen können, dass die Technik kontrollierbar, sicher und klinisch wirksam ist.

Prof. Dr. Thomas Haberer

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