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Archiv "Hochschulmedizin: Balanceakt Indikationsstellung" (03.05.2013)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 18

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3. Mai 2013 A 857 HOCHSCHULMEDIZIN

Balanceakt Indikationsstellung

Während die Politik das richtige Maß an medizinischer Versorgung anmahnt, diskutierte die Hochschulmedizin über die Gründe für unnötige Behandlungen.

W

enn über Mengenentwick- lung im Krankenhaus disku- tiert wird, steht automatisch auch das Stellen von Indikationen zur Debatte. Doch wie objektiv und eindeutig lassen sich Behandlungs- entscheidungen tatsächlich fällen?

Dieser Frage ging die Deutsche Hochschulmedizin, vertreten durch den Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) und den Me- dizinischen Fakultätentag, während ihres Frühjahrsforums „Wie viel Medizin braucht der Patient?“ am 18. April in Berlin nach.

Zuvor hatte Bundesgesundheits- minister Daniel Bahr (FDP) bei der Konferenz von Bundesgesundheits- ministerium, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der Gesellschaft für Versicherungswis- senschaft und -gestaltung „Men- genentwicklung im Krankenhaus - bereich“ die steigende Zahl von Operationen in Krankenhäusern kritisiert. Bahr kündigte dabei an, noch in diesem Jahr die Mengen- steuerung bei Krankenhausleistun- gen auf eine neue wissenschaftliche Grundlage zu stellen.

Eine fundierte wissenschaftliche Grundlage forderte auch Prof. Dr.

med. Klaus-Peter Günther vom Uni- versitätsklinikum Dresden beim Frühjahrsforum. Seine These:

„Deutschland hat kein Mengenpro- blem, sondern vielleicht ein Quali- tätsproblem.“ Die Wechselhäufig- keit von Knie- und Hüftgelenksen- doprothesen sei in Deutschland hö- her als in anderen europäischen Ländern. „Wir haben aber weniger primäre Endoprothesen als vermu- tet“, sagte er mit Verweis auf Daten des Versorgungsatlasses orthopädi- scher Eingriffe (AOK/WIdO). Die Zahlen der OECD, denen zufolge Deutschland im internationalen Ver- gleich einen Spitzenplatz beim Ge-

lenkersatz einnimmt, hält Günther nicht für hinreichend aussagekräf- tig: „Die Kodiersysteme und die Einschlusskriterien sind internatio- nal extrem uneinheitlich“, erläuterte er. Revisionen, von denen in Deutschland sehr viele durch- geführt würden, wären vieler- orts gar nicht miteinbezogen.

Einen tatsächlichen Anstieg in Deutschland hätte es bei den Eingriffen im Bereich der Wir- belsäule gegeben.

Gleichzeitig verwies Gün - ther auf die Grenzen einer leit- liniengestützten Indikations- stellung beim Gelenkersatz im klinischen Alltag. So finde man in einer S3-Leitlinie le- diglich die Aussage, dass die Indikation für eine Totalendo- prothese der Hüfte „abhängig von Dauer und Intensität des Hüftschmerzes“ zu stellen sei.

„Es gibt also gar keine ,harte‘

Indikation“, betonte er. Eine Möglichkeit, Endoprothetik vergleichbarer zu gestalten, sieht er jedoch in dem seit En- de letzten Jahres etablierten Zertifizierungssystem „Endo- Cert“. Es sei neben dem Deutschen Endoprothesenregister ein wichti- ger Teil der Qualitätsoffensive für die Versorgung mit Hüft- und Knie- gelenken.

Als einen weiteren Grund für ei- ne unpräzise Indikationsstellung be- nannte Prof. Dr. med. Dirk Jäger vom Nationalen Centrum für Tu- morerkrankungen, Heidelberg, eine Lücke zwischen Forschungsergeb- nissen und klinischer Versorgungs- realität. „Wir brauchen Zentren, die über eine große Expertise in Grund- lagenforschung, klinischer For- schung und klinischer Versorgung verfügen“, forderte er. Jäger geht davon aus, dass künftig beim Stel- len einer Indikation mehr patienten -

individuelle Informationen berück- sichtigt werden und damit die Indi- kationen präziser würden. Derzeit erhielten in der adjuvanten Therapie des Mamma- oder Kolonkarzinoms noch mehr als 80 Prozent der Pa-

tienten eine Chemotherapie, die nicht optimal anschlage.

„Wir müssen mehr in Dia - gnostik investieren, um die Ressourcen zu erhalten, die wir heute für unnötige Thera- pien verbrauchen“, betonte er.

Auf ein besonderes Pro- blem der Hochschulmedizin bei der Indikationsstellung wies Prof. Dr. med. Annette Grüters-Kieslich von der Cha- rité – Hochschulmedizin Ber- lin hin: „Wenn diagnostische oder therapeutische Maßnah- men erfolgen, die nichts nut- zen, ist dies kein Interesse an Gewinnmaximierung, sondern häufig einfach Unkenntnis der Pathomechanismen“, erklärte sie. Gerade an Unikliniken gebe es überdurchschnittlich viele Patienten mit seltenen Erkrankungen, für deren The- rapie man eine ausreichende Finanzierung benötige. „Wenn sich die Hochschulmedizin nicht um diese Patienten kümmert, macht es niemand“, sagte die Pädiaterin und warnte vor einer Innovationsbrem- se aus Kostengründen.

Von dem jüngst im Bundeskabi- nett beschlossenen Gesetzentwurf der Koalition zur Krankenhausfi- nanzierung ist der VUD indes ent- täuscht. Aus seiner Sicht werden die Universitätsklinika benachtei- ligt, da die vorgesehenen zusätzli- chen Mittel nicht nach dem Auf- wand der Klinika für die Behand- lung, sondern pauschal pro Kran- kenhausfall zugewiesen werden

sollen.

Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann Als wenig konkret

und einheitlich gelten die Indikati- onskriterien für eine Totalendoprothese der Hüfte.

Foto: picture alliance

P O L I T I K

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