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Archiv "Hochschulmedizin: Gegen den Schmalspurarzt" (09.09.2005)

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ich von einem „Arzt“ behandeln zu lassen, der lediglich eine dreijährige Ausbildung genossen hat, kann sich hierzulande kaum jemand vorstellen.

Dennoch könnte der „Schmalspurarzt“

mittelfristig Realität in Deutschland werden. Denn bis 2010 soll der gesamte europäische Hochschulraum auf Ba- chelor- und Master-Abschlüsse umge- stellt werden. So sieht es zumindest die Bologna-Deklaration von 1999 vor.

Nach einer dreijährigen Studienzeit soll der Bachelor-Abschluss zu einer „für den europäischen Arbeitsmarkt rele- vanten Qualifikation“ führen“.

Bundesärztekammer, Marburger Bund und Deutscher Hochschulver- band sowie die gesamte Arbeitsgemein- schaft Hochschulmedizin befürchten, dass künftig das neue zweistufige Quali- fikationsmodell auch auf die medizini- sche Ausbildung angewendet werden könnte. Ihre Sorge: Dem Arbeitsmarkt würden dann zwar vergleichsweise billi- ge, weil geringer qualifizierte Bachelor- Mediziner zur Verfügung stehen, die Ver- sorgungsqualität würde aber gleichzeitig

„auf ein bedenkliches Maß“ reduziert werden. „Der Bachelor kann kein berufs- qualifizierender Abschluss eines Medi- zinstudiums sein“, betont Bundesärzte- kammerpräsident Prof. Dr. med. Jörg- Dietrich Hoppe.Die angehenden Ärztin- nen und Ärzte seien nach drei Jahren Medizinstudium gerade einmal „ange- brütet“. Es sei unmöglich, in diesem Zeit- raum sowohl eine solide wissenschaftli-

che Grundausbildung als auch eine spezi- fische Berufsbefähigung zu vermitteln.

Ob mangelndes medizinisches Brei- tenwissen ein Grund sein könnte, Schmalspurärzte nicht einzusetzen, wird unterschiedlich beurteilt. Dr. med.

Frank Ulrich Montgomery ist zumin- dest überzeugt: „Die Krankenhausträ- ger werden solche Billigkräfte nur allzu gern einstellen.“ Ein sich verschärfen- der Ärztemangel könnte zusätzlich ein Lockmittel für eine unverantwortliche Politik sein, meint der Vorsitzende des Marburger Bundes.

Widersprüchliche Ankündigungen

Öffentlich propagiert wird der Bache- lor-Arzt derzeit (noch) nicht. Doch weit mehr als nur „nachgedacht“ wird in po- litischen Gremien über diese Möglich- keit schon. Auf Seite 17 des Nationalen Berichts 2004 des Bundesbildungsmini- steriums und der Kultusministerkonfe- renz der Länder zur „Realisierung der Ziele des Bologna-Prozesses“ heißt es:

„Die Umstellung auf das gestufte Sy- stem wird fortgesetzt, das Angebot ak- kreditierter Bachelor- und Masterstudi- engänge ausgebaut. Ziel bleibt es, wei- tere Studiengänge, die mit Staatsex- amensprüfungen (wie zum Beispiel Rechtswissenschaft, Medizin, Pharma- zie) abschließen, in die gestufte Struk- tur zu überführen.“ Auch in ihrem Be-

schluss vom 21.April 2005 sieht die Kul- tusministerkonferenz lediglich „beson- dere Regelungen“ für Bachelor- und Masterstudiengänge im „Bereich der staatlich geregelten Studiengänge“ vor, bei denen die Medizin namentlich ge- nannt wird. Dass es medizinische Ba- chelor-Studiengänge prinzipiell geben soll, bleibt in dem Papier unbestritten.

Trotzdem hält der Wissenschaftsrat, das Beratergremium der Politik zu in- haltlichen und strukturellen Entwicklun- gen der Hochschulen und der Wissen- schaft, die Sorgen der Ärzteorganisatio- nen für unnötig. „Niemand tritt aktiv für die Einbeziehung der Medizin in den Bo- logna-Prozess ein“, sagte der Wissen- schaftsratsvorsitzende Prof. Dr. med.

Karl Max Einhäupl gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt. Diskutiert werde diese Möglichkeit aber tatsächlich, räum- te der Neurologe auf Nachfrage ein – al- lerdings von Nicht-Medizinern. Persön- lich halte er die Etablierung von Bache- lor-Ärzten in Deutschland für „schwie- rig“. Zu befürchten sei eine Absenkung der Qualität durch fehlendes Wissen- schaftsverständnis der Absolventen.

Vor einem „Schnell- und Billigstudi- um“ warnt auch der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Prof.

Dr. Bernhard Kempen. Die Lesart der Bundesregierung stelle den Bologna- Prozess auf den Kopf. Qualität gegen Quantität einzutauschen sei nicht die Intention. „Wir sind rechtlich nicht ver- pflichtet, alle Studiengänge umzustel- len“, erklärt Kempen. Die Deklaration sei kein völkerrechtlicher Vertrag, son- dern lediglich eine politische Absichts- erklärung, die Ausnahmen erlaube. Die Länder forderte der Präsident des Hochschulverbandes auf, nicht „ohne Not“ nachteilige Strukturen einzuzie- hen, sondern klare und dauerhafte Aus- nahmeregelungen für die Medizin zu schaffen. Dass der Bologna-Prozess in Deutschland in vollem Gange ist, zeigt das Beispiel Bayern: So hat die Staats- regierung im Zuge ihrer jüngsten Hoch- schulreform bereits die Bachelor- und Master-Abschlüsse ins Regelangebot aufgenommen. Ein Drittel der Phar- mazie-Studienplätze in München wird zum Sommersemester probeweise für Bachelor-Pharmazeuten bereitgestellt, allerdings ohne Staatsexamen und Ap- probation. Dr. med. Eva A. Richter-Kuhlmann P O L I T I K

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A2368 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 369. September 2005

Hochschulmedizin

Gegen den Schmalspurarzt

Der Bologna-Prozess sieht die Umstellung der Studienfächer auf Bachelor-

und Masterabschlüsse vor.

Ärzteorganisationen und Hochschulverband

warnen vor der Einbeziehung der Medizin.

Foto:AP

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