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Archiv "Interview mit Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer „Wir müssen das Studium verbessern“" (20.01.2012)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 3

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20. Januar 2012 A 71

„Wir müssen das Studium verbessern“

Das Bundeskabinett hat Ende letzten Jahres die Verordnung zur Änderung

der Ärztlichen Approbationsordnung gebilligt – auch der Präsident der Bundesärztekammer steht uneingeschränkt hinter den geplanten Maßnahmen.

In diesem Jahr soll die Ärztliche Approbationsordnung geändert werden.

Was halten Sie von der Novelle?

Montgomery: Die jetzt vorliegen- de Verordnung sieht die Abschaf- fung des Hammerexamens, die Stärkung der Allgemeinmedizin, er- weiterte Wahlmöglichkeiten der Ausbildungsstätten für das prakti- sche Jahr (PJ), Verlängerung der zu-

lässigen Fehlzeiten im PJ sowie die Möglichkeit, das PJ in Teilzeit durchzuführen, vor. Das sind alle- samt Dinge, die wir als Ärzteschaft uneingeschränkt unterstützen.

Künftig soll der Kreis der Krankenhäu- ser, an denen das PJ absolviert werden kann, auf alle Lehrkrankenhäuser in Deutschland erweitert werden.

Die Fakultäten kritisieren dies.

Wie bewerten Sie diesen Vorschlag?

Montgomery: Ich begrüße ihn und glaube, dass er die Ausbildung ver- bessern wird. Ich selbst habe mein

PJ an einem peripheren Kranken- haus absolviert. Das hat mir un- heimlich gutgetan, obwohl ich hin- terher wieder an einer Universitäts- klinik gearbeitet habe und immer noch arbeite. Aber ich denke, dass man einfach über den Tellerrand der universitären Medizin hinaus schauen sollte. Das nutzt den Stu- dierenden bei der Ausbildung.

Der Medizinische Fakultätentag (MFT) ist da ganz anderer Meinung.

Er befürchtet eine schlechtere Aus - bildungsqualität und höhere Kosten.

Montgomery: Ich kann aufgrund der Finanzierungsnöte der Univer- sitäten nachvollziehen, dass der MFT eine andere Meinung dazu hat. Aber darauf können wir keine Rücksicht nehmen. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir künftig nicht nur universitäre Me- diziner brauchen, sondern Ärztin- nen und Ärzte an kleineren Kran- kenhäusern, Schwerpunktpraxen

und so weiter. Deshalb ist es wich- tig, dass man auch dort sein PJ ab- solvieren kann.

Der MFT weist darauf hin, dass die von der EU geforderte universitäre Aufsicht des Medizinstudiums – und damit dessen Qualität – rein organisatorisch nicht mehr zu sichern sei.

Teilen Sie diese Sorgen?

Montgomery: Nein, überhaupt nicht. Die organisatorischen Sorgen sind nur vorgeschobene Argumente.

Denn früher konnte man ja schon mal das PJ-Krankenhaus frei wäh- len, ohne dass die Universitäten or- ganisatorisch in die Knie gegangen wären. Was die Ausbildungsqualität angeht, sollten die Universitäten ihr Licht mal nicht zu hoch hängen.

Bei allem Respekt: Auch an kleine- ren Krankenhäusern wird sehr gute Medizin gemacht, und das Verhält- nis von Lehrenden und Lernenden ist oftmals viel günstiger für die Studenten. Deshalb betrachte ich die Kritik gelassen.

Das Bundesgesundheitsministerium hofft, dass Studierende an diesen kleineren Krankenhäusern „hängenblei- ben“ und dort ärztlich tätig werden . . . Montgomery: Das deckt sich auch mit unseren Erwartungen. Wir wis- sen, dass eine hohe Affinität erzeugt wird, wenn Studierende eine Regi- on oder ein Krankenhaus näher kennenlernen. Und Angebote, dort auch eine Weiterbildungsstelle an- zunehmen, werden sicher kommen.

Wie ließe sich die Qualität des PJs bundesweit vereinheitlichen?

Montgomery: Ich könnte mir na- türlich ein komplexes administrati-

INTERVIEW

mit Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer

Eine Erhöhung der Medizin - studienplätze hält Montgomery momentan für utopisch.

Stattdessen begrüßt er die Abschaffung des Hammer - examens, eine freie PJ-Wahl sowie Stärkung der Allge-

meinmedizin.

Foto: Lajos Jardai

P O L I T I K

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A 72 Deutsches Ärzteblatt

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20. Januar 2012 ves Verfahren vorstellen, wo erst

mal jedes Krankenhaus genau über- prüft wird. Man könnte aber ein- fach auch nur nach den Weiterbil- dungsermächtigungen schauen und sagen, dass, wenn ein Krankenhaus für ein Fach die volle Weiterbil- dungsermächtigung hat, es auch in der Lage ist, PJler in dem Fach aus- zubilden. Ich kann mir aber vorstel- len, dass man in vier Monaten im- mer noch viel lernen kann, wenn die Kliniken auch nur die halbe Be- fugnis besitzen. Von einem eigenen, schwierigen, bürokratischen Weg rate ich jedenfalls ab.

Was halten Sie von Logbüchern, deren Inhalte die Universität vorgibt?

Montgomery: Logbücher und vor- gegebene Kataloge halte ich prinzi- piell für richtig. Aber man sollte die Kirche im Dorf lassen: Wir bilden im PJ schließlich keine Fachärzte aus. Wir als Bundesärztekammer

wollen, dass Studierende möglichst unkompliziert in eine Abteilung und Klinik ihrer Wahl gehen kön- nen. Denn am besten lernt man frei von Zwang.

Kritische Stimmen meinen, dass künftig die Wahl der Studierenden nicht auf das qualitativ beste Krankenhaus fallen wird, sondern auf die Klinik, die die höchste Aufwandsentschädigung zahlt oder andere Vergünstigungen einräumt. Befürchten Sie auch, dass sich der Wettbewerb in diese Richtung verschiebt?

Montgomery: Das ist keine Be- fürchtung. Wenn die Qualität gesi- chert ist, halte ich das für kluge Werbung. In einer Zeit des Ärzte- mangels ist es wichtig, dass Klini- ken Zusatzargumente haben, um sich attraktiv zu machen. Das ist übrigens auch einer der Gründe, weshalb die Universitäten gegen ei- ne Neuregelung sind: Sie befürch- ten, dass es wettbewerbsfähigere Kliniken gibt, die ihnen gute Leute

wegschnappen. Aber das ist eben Wettbewerb. Dann sollen die Uni- versitäten eben auch eine Auf- wandsentschädigung zahlen.

Vorgesehen ist in der neuen Appro - bationsordnung auch, der Allgemein- medizin ein höheres Gewicht zu geben.

Ist die geplante Erhöhung der Dauer des Blockpraktikums und der PJ-Plätze in der Allgemeinmedizin für zehn und später für 20 Prozent der Studierenden richtig und realisierbar?

Montgomery: Jeder Marathonlauf beginnt mit dem ersten Schritt. Und deshalb ist es richtig. Wir haben uns ja sogar vorstellen können, ein ei- genes Tertial oder Quartal Allge- meinmedizin verpflichtend einzu- führen. Auch das Blockpraktikum könnte nach unserer Ansicht länger sein als zwei Wochen. Natürlich wird ein Kapazitätsproblem am An- fang da sein. Aber ich glaube, das kriegt man in den Griff, vor allem weil die Allgemeinmediziner zu-

nehmend Interesse bekommen, sich an der Aus- und Weiterbildung von Medizinstudierenden zu beteiligen.

Rechnet man es durch, müssen jedes Jahr 1 000 und später 2 000 Studierende während des PJ drei bis vier Monate lang in hausärztlichen Praxen aus - gebildet werden. Dies verursacht auch Kosten. Wer soll sie tragen?

Montgomery: Ich glaube, dass die Allgemeinmediziner nicht mit einer Gewinnerwartung an die Ausbil- dung des Nachwuchses herangehen werden. Die Kosten werden auch immer noch niedriger sein als die für die Schaffung von neuen Studi- enplätzen. Nötig sind zunächst aber valide Rechnungen. Zurzeit kenne ich nur Rechnungen, die als Horror- szenarien gedacht sind. Wir sollten es zunächst versuchen. Wenn sich nicht ausreichend Lehrpraxen fin- den sollten, werden wir die Ersten sein, die darauf hinweisen werden, dass ein Flaschenhals entsteht.

Das Bundesbildungsministerium hält das Angebot an jungen Ärztinnen und Ärzten für ausreichend. 72 000 Ärzten, die in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand gingen, stünden jährlich 10 000 Medizinabsolventen gegenüber.

Stimmt diese Rechnung?

Montgomery: Die Rechnung ist in sich schlüssig. Dabei sind aller- dings zwei Faktoren nicht berück- sichtigt: Das eine sind die Absol- venten des Medizinstudiums, die nachher nicht in die kurative Medi- zin gehen oder die ins Ausland ab- wandern. Das zweite ist der Mehr- bedarf an Ärzten aufgrund des Ar- beitszeitgesetzes und aufgrund neu- er medizinischer Verfahren.

Treten Sie deshalb dafür ein, zehn Pro- zent mehr Studienplätze zu schaffen?

Montgomery: Die Forderung nach mehr Medizinstudienplätzen ist gut und richtig, ihre Realisierung aber im Moment utopisch. Denn der

Bund bietet den Ländern zwar an, für ein paar Jahre die Hälfte der Kosten zu übernehmen, lässt sie da- nach aber allein. Ange- sichts der Finanzlage von Bund und Ländern sehe ich im Moment nieman- den, der bereit wäre, dieses Geld aufzubringen. Deshalb müs- sen wir das tun, was möglich ist:

das Studium verbessern, damit die Absolventen auch kurativ arbeiten wollen und unter den Studienplatz- bewerbern gezielter auswählen.

Letzteres fehlt in der neuen Appro- bationsordnung. Vor allem aber müssen wir die Arbeitsbedingungen verbessern. Der größte Bruch er- folgt an der Schnittstelle zwischen erfolgreichem Studienabschluss und der Aufnahme der Weiterbildung.

Wenn wir den Kulturschock, den viele im PJ erleben, mindern könn- ten, hätten wir schon fast keinen Ärztemangel mehr.

Wird die Verordnung nach Ihrer Ansicht im Februar vom Bundesrat gebilligt werden?

Montgomery: Ich würde dem Bun- desrat empfehlen, die Verordnung anzunehmen. Sie ist vernünftig.

Das Interview führten Dr. med. Eva Richter- Kuhlmann und Heinz Stüwe.

Wenn wir den Kulturschock, den viele im praktischen Jahr erleben, mindern können, hätten wir schon fast keinen Ärztemangel mehr.

Frank Ulrich Montgomery

P O L I T I K

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