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Archiv "Interview mit Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Vizepräsident der Bundesärztekammer und Präsident der Ärztekammer Hamburg „Wahrscheinlich wird die PID in engen Grenzen kommen“" (10.12.2010)

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Nach dem Urteil des Bundesgerichts- hofs vom Juli dieses Jahres ist die De- batte über die Präimplantationsdia - gnostik entbrannt, auch innerhalb der Ärzteschaft. Kommen wir noch um eine Neuregelung herum?

Montgomery: Nein. Der Bundes- gerichtshof hat ja auch in seinem Urteil formuliert, dass er es für wünschenswert erachtet, dass die Position der Gesellschaft zur Präim- plantationsdiagnostik rechtlich klar festgelegt wird. Der Deutsche Ärz- tetag hat sich 2002 gegen die Zulas- sung der PID ausgesprochen, den- noch erkennen wir natürlich die ge- sellschaftlichen Veränderungen.

Heißt das, dass es noch vor dem nächsten Deutschen Ärztetag 2011 ein Bundesärztekammer-Votum zur PID geben wird?

Montgomery: Wir haben für An- fang des Jahres eine Vorstandssit- zung vorgesehen, in der wir mit Wissenschaftlern und Ethikern das Thema diskutieren wollen. So kön- nen wir gegebenenfalls parallel zu den Beratungen im Bundestag eine Stellungnahme abgeben. Wichtig ist mir, dass der Deutsche Ärztetag intensiv über die PID diskutiert und ein abschließendes Votum abgibt.

Im Bundestag bereitet man bereits jetzt Varianten von Gesetzentwürfen vor, mit denen die PID in unterschiedlicher Art und Weise geregelt werden könnte.

Für welche Variante würde die Bundes- ärztekammer plädieren?

Montgomery: Wie gesagt, die Bera- tungen stehen noch aus. Ich persön- lich halte die PID für eine nicht wirk- lich notwendige medizinische Maß- nahme. Das liegt daran, dass es drei Irrtümer in Verbindung mit der PID gibt. Der erste Irrtum

ist: „Die PID liefert immer eine ganz klare Diagnose.“ Das tut sie aber in sehr vielen Fällen nicht. Ganz oft be- steht eine Grauzone, ein Interpretati- onsspielraum, in dem meist gegen den Embryo entschieden wird. Der zweite Irrtum: „Die PID ist eine ein- fache und leicht durchzuführende Methode.“ Auch das ist sie nicht. Die PID setzt eine In-vitro-Fertilisation (IVF) voraus und ersetzt im Grunde genommen nur die „Tragik der Schwangerschaft auf Probe“ mit der Pränataldiagnostik und der Abtrei- bung. Und der dritte Irr-

tum: „Die Baby-take- home-Rate ist hoch.“

In Wirklichkeit aber ist die Erfolgsrate der PID sogar noch etwas niedriger als die bei der norma- len IVF. In Deutsch- land liegt sie bei 18 bis 25 Prozent. Bei der PID beträgt sie

INTERVIEW

mit Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Vizepräsident der Bundesärztekammer und Präsident der Ärztekammer Hamburg

„Wahrscheinlich wird die PID

Der Bundestag will im kommenden Jahr die Anwendung der Präimplantationsdiagnostik (PID) neu regeln. Der Vizepräsident der Bundesärztekammer im Gespräch über drei Irrtümer be - züglich der PID und mögliche künftige Einzelfallkommissionen

„Ungewollt wird der genetischen Selektion die Tür geöffnet“, warnte Frank Ulrich Mont- gomery bereits 2000 im Deutschen Ärzteblatt vor den Folgen der PID (DÄ, Heft 18/2000).

nur zwischen 12,5 und 18 Prozent.

Wenn man den Paaren also sagt, dass sie für eine Chance von ledig- lich 1 : 5 den ganzen Aufwand der IVF in Kauf nehmen müssen, glaube ich, dass dem einen oder anderen Paar schon Bedenken kommen.

Möglicherweise sind Alternativen zum eigenen Kind denkbar, zum Beispiel eine Adoption.

Das klingt so, als würden Sie ein ge- setzliches Verbot der PID präferieren.

Montgomery: Wir müssen uns die Frage stellen: Brauchen wir die PID überhaupt? Sie kommt jährlich nur bei 100 bis 120 Paaren in Betracht.

Und: Muss denn der Kinderwunsch eines Paares um jeden Preis erfüllt werden? Ich vermute jedoch, dass sich der Bundestag nicht auf ein komplettes Verbot der PID einlas- sen wird. Wahrscheinlich werden wir eine Zulassung der PID in en- gen Grenzen bekommen. Ich sehe es als ethische Pflicht der Ärzte- kammern an, für die Einhaltung dieser Grenzen zu sorgen.

A 2422 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 49

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10. Dezember 2010

P O L I T I K

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 49

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10. Dezember 2010 A 2423 schritten haben. Das ist übrigens genau das Risiko eines Katalogs:

Sie müssten ihn eigentlich jedes Jahr wissenschaftlich überprüfen.

Eine kompetent und verantwor- tungsvoll zusammengesetzte Kom- mission halte ich nicht nur für pragmatischer, ich halte sie auch für besser. Denn wenn wir davon überzeugt sind, dass die PID ei- gentlich eine verzichtbare Metho- de ist und sie trotzdem gesetzlich zulässig ist, dann ist es unsere Auf- gabe, in diesen Kommissionen da- für zu sorgen, dass die Grenzen eng gestellt werden.

Sollte diese Kommission auch beratend tätig werden?

Montgomery: Ja, das ist genau der Punkt. Die Kommission soll sich wirklich den Einzelfall anschauen.

Und auch die Beratung des Paares gewährleisten. Wir werden auch nicht Kommissionen bei allen Ärz- tekammern brauchen. Man muss sich immer wieder klarmachen: Wir reden hier nicht von routinemäßi- gen Untersuchungen, sondern von ausgewiesenen Einzelfällen.

Lässt sich durch eine begrenzte Zu- lassung der PID gewährleisten, dass behinderte Menschen mit einer ähnli- chen Erkrankung nicht diskriminiert werden? Kann man verhindern, dass genetisch vorbelastete Eltern, die die PID nicht in Anspruch nehmen wollen, als „unverantwortlich“ hingestellt werden?

Montgomery: Diese Gefahr be- steht. Sie besteht aber umso mehr, wenn es einen festgelegten Katalog gibt. Deshalb bin ich auch nicht überzeugt davon, dass die Zulas- sung der PID der richtige Weg ist.

Aber ich glaube auch, dass die Ge- sellschaft und die Politik weniger Angst vor diesem Stigma haben als vor der Möglichkeit, die PID weiter zu verbieten. Die perfekte Lösung gibt es in dieser Frage nicht. ■

Das Gespräch führten Dr. Marc Meißner und Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann.

in engen Grenzen kommen“

Ich bin nicht überzeugt davon, dass die Zulassung der PID der richtige Weg ist.

Fotos: Georg J. Lopata

Wie sollen die Kammern das tun?

Montgomery: Da gibt es die bei- den Alternativen: entweder ein fest- gelegter Indikationskatalog oder aber Kommissionen, die die Einzelfälle prüfen und darüber entscheiden, ähnlich den Lebendspendenkom- missionen. Diese sind meine per- sönliche Präferenz.

Aber hätte eine solche Kommission nicht auch einen Indikationskatalog, zumindest im Hinterkopf?

Montgomery: Ja natürlich. In Eng- land haben wir ja längst einen In dikationskatalog. Er beginnt bei wirklich schweren monogeneti- schen, nicht mit dem Leben verein- baren Krankheiten und hört inzwi- schen bei den Brustkrebsgenen auf.

Ein solcher Katalog wird vor dem Hintergrund des wissenschaftlichen Fortschritts aber immer hinterfragt werden müssen. Deswegen halte ich Kommissionen bei der Ärzte- kammer, besetzt mit Ärzten, Psy- chologen, Theologen, Ethikern und Juristen, für besser.

Das könnte man aber auch anders- herum sehen: Wenn kein Katalog festgeschrieben ist, kann die Kom- mission die Indikationen über die Jahre hinweg allmählich ausweiten.

Vielleicht befindet sie ja mal – hypo- thetisch – die Selektion eines Kin- des nach blauäugig und blond für richtig.

Montgomery: Ich habe immer da- vor gewarnt, dass PID einen selek- tionistischen Ansatz enthält. Des- halb ist es wichtig, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Kom- mission genau festzulegen und Grenzen zu setzen. Wir müssen die Kommission verantwortungs- voll zusammensetzen. Dann ist das ein Weg, den wir gehen können.

Wo würden Sie denn diese Grenzen ansetzen?

Montgomery: Entscheidend ist für mich zunächst, dass ein Reproduk- tionsmediziner eine klare Anamne- se zusammen mit einem Humange- netiker vorgenommen hat. Wenn es sich um eine Erkrankung handelt,

die mit einem hohen Risiko verbun- den ist, ein Kind zu bekommen, dessen Zustand mit dem Leben nicht vereinbar ist, dann stellt sich die Grenzfrage.

Kinder mit dem Down-Syndrom würden also nicht darunterfallen?

Montgomery: Nein, und auch Kinder mit Mukoviszidose sehe ich da nicht unbedingt. Es gibt Menschen, die heute mit dieser Er- krankung leben, und die Lebenser- wartung, die ihnen bei der Geburt prophezeit worden ist, weit über-

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