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Archiv "PID: Neue Grenzen ausloten" (08.07.2011)

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A 1532 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 27

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8. Juli 2011

Das Leser-Forum

Beiträge im Deutschen Ärzteblatt sollen zur Diskussion anregen. Deshalb freut sich die Redaktion über jeden Leserbrief. Wir müssen aus der Vielzahl der Zuschriften aber auswählen und uns Kürzungen vorbehalten. Leserbriefe geben die Meinung des Autors, nicht die der Redaktion wieder. E-Mails richten Sie bitte an leserbriefe@aerzteblatt.de, Briefe an das Deutsche Ärzteblatt, Ottostraße 12, 50859 Köln.

C H ARITÉ

Der Bund solle die Charité übernehmen, hat Bildungsministe- rin Schavan vorge- schlagen (DÄ 19/

2011: „Schavan plant Bundesuniversität“).

Entsetzt

Über die Pläne von Ministerin Schavan, die Charité in den Stand einer sogenannten Bundesuniversi- tät zu heben, bin ich (zusammen mit vielen Kollegen) entsetzt. Dass die Charité besondere Probleme zu bewältigen hat, ist unbestritten. Als

langjähriger Mitarbeiter dieser Insti - tution habe ich jedoch erlebt, dass 20 Jahre lang viel umstrukturiert wurde, die wirklich notwendigen (und schmerzhaften) Veränderun- gen aber unterblieben. Stattdessen wird an dem Klinikum weiterhin eine in Deutschland beispiellose Mittelverschwendung betrieben.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch erwähnen, dass entgegen den allgemeinen Beteuerungen die Charité schon lange kein Zentrum der Spitzenwissenschaft mehr ist.

Selbstverständlich gibt es herausra- gende Kliniken und Institute an der Charité. Diese gibt es jedoch an- dernorts auch. Vergleicht man die

Aufwendungen für Forschung der Charité mit den Ergebnissen, stellt man rasch fest, dass der Wirkungs- grad an anderen deutschen Univer- sitätskliniken weitaus größer ist. In- sofern wird es sicherlich von ande- ren Universitätskliniken als Schlag ins Gesicht empfunden, wenn die Charité trotz ihrer jahrelangen Misswirtschaft und einem insge- samt sicherlich nicht überdurch- schnittlichen Niveau nun an den bundesrepublikanischen Dauertropf gelegt wird. Damit werden im Zweifel die katastrophalen Zustän- de an diesem Klinikum nur zemen- tiert.

em. Univ.-Prof. Dr. Stefan Gebert, 10551 Berlin

C

D C h r s 2 B

PID

Der Freiburger Erz- bischof Robert Zol- litsch nimmt Stel- lung zur Präimplan- tationsdiagnostik (DÄ 15/2011: „Inter- view mit Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz: ,Mit Prä- implantationsdiagnostik würde eine Grenze überschritten‘“ von Gisela Klink- hammer und Norbert Jachertz).

Neue Grenzen ausloten

Die von Erzbischof Dr. Robert Zol- litsch vorgetragenen Argumente ge- gen die Legalisierung der Präim- plantationsdiagnostik (PID) sind von der ernst zu nehmenden und berechtigten Sorge um das von Gott geschaffene und schützenswerte Le- ben getragen. Über Annahme oder

„Verwerfung“ PID-getesteter mehr- zelliger Embryonen sollte nicht in einer „Mehrheitsentscheidung“ im

Bundestag befunden werden. Bei allem Respekt vor diesen hohen moralischen und ethischen Ansprü- chen der christlichen Kirche darf je- doch nicht übersehen werden, dass sich schon in wenigen Jahren diese Verwerfungskontroverse als irrele- vant erweisen wird. Im Hinblick auf die absehbaren biotechnischen Ent- wicklungen und die kontinuierli- chen Fortschritte der Zellbiologie, Zellgenetik und Molekularbiologie lässt sich voraussagen, dass mit der PID gar keine „Grenze überschrit- ten wird“, sondern dass vielmehr neue Grenzen auszuloten sind und dass sich auch die konsequente Fra- ge stellt, ob ein gendefekter Em- bryo, der nach medizinischer Er- kenntnis eine wesentliche Beein- trächtigung seiner Lebensqualität und der Lebenserwartung zu erwar- ten hat, nicht den im Grundgesetz (GG Art. 2, Abs. 2) abgesicherten Anspruch auf Unversehrtheit, das heißt ein Recht auf eine adäquate Therapie, das heißt Korrektur des

genetischen Defektes durch Präim- plantationstherapie (PIT)) hat.

Eine korrigierende Gentherapie em- bryonaler Zellen nach durch PID gesicherter Diagnose wäre nicht ei- ne somatische, das heißt legale the- rapeutische Maßnahme, sondern hätte den Charakter eines geneti- schen Eingriffs in die Keimbahn, der zwar gesetzlich untersagt, tech- nisch aber als machbar anzusehen ist und an Säugetieren – wenn auch unter anderer Fragestellung – er- folgreich praktiziert wird.

Das theoretische Konzept einer Prä- implantationstherapie sieht die ge- netische Korrektur einer zur PID entnommenen und in vitro vermehr- ten Embryonalzelle (Stammzelle) vor. Nach extrakorporaler, durch In- vitro-Fertilisation gewonnenen Em- bryonen kann nach 48- bis 72-stün- diger Inkubation eine Zelle entnom- men werden, ohne dass es zur Schä- digung oder Beeinträchtigung der Lebenserwartung des Embryos kommt. Die entnommene Zelle D

b l l t ( v Dr Robert Zollitsch V

B R I E F E

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8. Juli 2011 A 1533 wird für die Präimplantationsdia -

gnostik verwendet und verbraucht.

Ergibt sich die Diagnose eines Gen- defektes, kann eine In-vitro-Trans- fektion mit dem intakten Gen erfol- gen. Dabei könnte es im Idealfall zu einer homologen Rekombination, das heißt zu einem Austausch des defekten gegen das intakte (transfi- zierte) Gen kommen. Die für die Präimplantationsdiagnostik erzeug- ten Zellen können unter Kulturbe- dingungen vermehrt, nach dem Ex- vivo-Verfahren mit dem nativen Gen transfiziert, selektiert und in die herangereifte Blastozyste inji- ziert werden. Das ausgetragene Neugeborene verfügt dann über Zellen, die neben dem defekten oder funktionslosen Gen zusätzlich ein natives Gen enthalten, das vor der Erkrankung schützt oder die Symptome mildert. Die Frage einer

„Verwerfung“ von Gendefekt-Em- bryonen stellt sich nicht. Auch der selektive Transfer eines intakten Gens ist möglich. Das Verfahren ist nur auf bestimmte monogene Er- krankungen (bei denen der geneti- sche Defekt chromosomal identifi- ziert wurde) anwendbar, aber gera- de in diese Gruppe fallen Erkran- kungen, die durch früh auftretende schwere Symptomatik und reduzier- te Lebenserwartung der Defektgen- träger gekennzeichnet sind (wie z. B. zystische Pankreasfibrose, progressive Muskeldystrophie, Mu- kopolysaccharidosen, Marfan-Syn- drom). Die Frage, ob Eingriffe der Gentechnik in die Natur mit Ein- griffen in die Schöpfung gleichzu- setzen seien, ist zu beantworten mit dem „Verweis darauf, dass gerade die Erkenntnisse der sich in der be- lebten Natur vollziehenden Evoluti- on die wesentliche Voraussetzung der Gentechnik seien“ (Winnacker et al., 1997; Wunder, M., 1999), das heißt, die biomedizinische Technik arbeitet mit den gleichen Werkzeu- gen wie die nach dem Willen Gottes sich vollziehende Evolution.

Die Präimplantationstherapie ist keine Zukunftsfantasie und hat auch bei strikter Beschränkung auf den therapeutischen Erfolg nichts mit sogenannten Designer-Babys zu tun. Die verantwortlichen Entschei- dungsträger und Gesetzgeber soll-

ten die Entwicklung der Biomedizin aufmerksam verfolgen und recht- zeitig zu einer Stellungnahme kom- men. Denn die Menschheit hat bis- her immer noch nach dem Prinzip gehandelt: „Was machbar ist, wird auch gemacht.“

Literatur bei dem Verfasser

Prof. Dr. med. Eckhart Buddecke, 48149 Münster

Über unseren Tellerrand

Das Interview mit dem Erzbischof von Freiburg und Präsidenten der katholischen Bischofskonferenz war für die Entscheidungsfindung hinsichtlich der ethischen Implika - tion, die die PID aufwirft, wirklich nicht hilfreich. Die Haltung der ka- tholischen Kirche zu derartigen Fra- gen ist hinlänglich bekannt. Eine Institution, die gegen Empfängnis- verhütung ist und Abtreibung für ei- ne Todsünde hält, muss man nicht fragen, wie sie zur PID steht.

Blicken wir über unseren Tellerrand nach Europa, sehen wir, dass das Meinungsbild der katholischen Kir- che nicht unbedingt maßgebend für gesetzgeberische Handlungen ist:

Während in den Ländern mit über- wiegend katholischem Bevölke- rungsanteil in Italien und Irland die PID verboten ist, ist die Diagnostik in Polen und Spanien erlaubt; mehr noch: In dem Land, dessen Königs- haus seit Jahrhunderten den Titel

„allerkatholischste Majestät“ führt, wurde 2009 die Abtreibung ähnlich wie bei uns legalisiert.

Als 1992 im Zuge der Wiederverei- nigung das Abtreibungsrecht (§ 218 StGB – eigentlich ein missverständ- licher Begriff, da es in Deutschland kein einklagbares Recht auf Abtrei- bung gibt, der Schwangerschaftsab- bruch ist Unrecht, bleibt aber für Mutter und Arzt straffrei) im Bun- destag reformiert wurde, trat die ka- tholische Kirche, allen voran Kardi- nal Josef Ratzinger, damals Präfekt der vatikanischen Glaubenskongre- gation, jetzt Papst Benedikt XVI., für ein generelles Verbot des Schwangerschaftsabbruches ein.

Ein paar Jahre später zog sich die katholische Caritas auf Betreiben eben jenes Kardinals aus der Schwangerenkonfliktberatung zu- rück und löste damit Empörung un-

ter den deutschen Katholiken, bis hinauf zum damaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Lehmann, aus, der sich schließlich doch dem Dekret aus Rom beugte (im Jahre 2000).

Der Deutsche Bundestag hatte sich nach langer, öffentlicher und gesell- schaftlicher Debatte damals gegen ein allgemeines Verbot und für die Beibehaltung der Fristenregelung des Schwangerschaftsabbruches ausgesprochen, jedoch unter Ab- schaffung der sogenannten embryo- pathischen Indikation. Dies bedeu- tet, die deutsche Gesellschaft in Ge- stalt ihrer Parteien und Abgeordne- ten hatte sich mehrheitlich einer an- deren, liberaleren Argumentation angeschlossen als die katholische Kirche sie vertrat . . .

Ulrich Krimmer, 55218 Ingelheim

Eine theologische Einstellung

. . . Zitat von Erzbischof Zollitsch aus dem Interview: „Aber jetzt ist die katholische Position sehr gefes- tigt und durchaus in Übereinstim- mung mit der Embryologie: Mit der Verschmelzung von Ei- und Samen- zelle sind alle Anlagen gegeben, die für die menschliche Entwicklung entscheidend sind, und damit ist der Embryo auch als Mensch zu be- trachten und zu achten.“ (Hervorhe- bung durch mich.)

Diese Ansicht entspricht nicht dem Stand der Wissenschaft. Seit den Er- kenntnissen der Entwicklungsbiolo- gen, zum Beispiel von Frau Prof.

Christiane Nüsslein-Volhard, Direk- torin im Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie und Nobel- preisträgerin für Medizin 1995, die beschrieben haben, wie durch Stoff- gradienten in der Eizelle und dem Embryo die Genexpression gesteu- ert wird, ist klar, dass zur Organisa- tion des embryonalen Wachstums die Wachstumssignale von der Mut- ter gehören. Weil die Mutter nicht nur „Realisationsfaktoren“ (Nah- rung, Wasser, Wärme usw.) beisteu- ert, sondern auch formbestimmende

„Determinationsfaktoren“, ist es ei- ne Tatsache, dass beim Säuger die für den Grundbauplan der Organisa- tion wesentliche Anlage der Körper-

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