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Archiv "PID: Motivsuche" (13.04.2001)

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A958 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 15½½13. April 2001

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ach der Äußerung der Enquete- Kommission des Deutschen Bun- destags scheint festzustehen, dass ohne eine Gesetzesänderung Präimplan- tationsdiagnostik (PID) in Deutschland nicht möglich sein wird. Damit ist der Weg frei für eine tief greifende Debat- te, die Zeit der Taktiererei ist vorbei.

In der nun anstehenden Debatte werden auch die Motive der Akteure von Interesse sein. Gerade bei Men- schen, die in ethischen Debatten eher unerfahren sind – was niemandem vor- zuwerfen ist –, bestimmen oftmals das Ziel, der Wunsch, das Wollen auch die Argumente. Doch ethische Grund- prinzipien bestimmen das Gewicht der Argumente, nicht umgekehrt.

In der Diskussion mit Gesund- heitspolitikerinnen – vor allem der SPD – ist mir ein Argument immer wieder vorgehalten worden, mit dem man sich intensiv auseinander setzen muss: PID sei eine Form des Selbstbestimmungsrechts der Frau.

(„Mein Bauch gehört mir.“) Hinter der PID-Debatte stehe die Fortsetzung des Befreiungskampfes der Frau in un- serer Gesellschaft.

Verkürzt gesagt, Politikerinnen, die noch geprägt sind von der Abtreibungs- debatte der 70er- und 80er-Jahre, vermu- ten einen Rückschritt hinter die Positio- nen, die sie mühsam erkämpft haben.

Wieder einmal sehen wir, wie viele Zu- sammenhänge es zwischen der §-218-De- batte und der PID gibt. Aus der Sicht der reinen Ethik war und ist der § 218 ein Sündenfall. Und doch: Mit diesem Bruch müssen wir alle leben, denn die Neurege- lung des § 218 hat zugleich Millionen Frauen aus Abhängigkeit, Zweifel und Not befreit. Das muss gesellschaftlich anerkannt und akzeptiert werden.

Bei der PID hingegen geht es nicht um Millionen Frauen, sondern höch- stens um 50 bis 100 Paare. Ihnen soll auch nicht das Recht auf Schwanger- schaftsabbruch genommen werden – alle Methoden der pränatalen Diagnostik und die daraus abzuleitenden Indikatio- nen zum straffreien Schwangerschafts- abbruch stehen ihnen nach wie vor offen.

Und schließlich, Regine Kollek; die Hamburger Medizinethikerin wird nicht müde, darauf hinzuweisen, dass gerade

die Anwendung der PID Frauen noch mehr belasten kann als der Verzicht.

Schließlich muss eine IVF mit all ihren technischen und hormonellen Manipu- lationen, ihren Imponderabilien und Ri- siken an Frauen vorgenommen werden, die in der Lage sind, ihre Kinder auf nor- malem Wege zu konzipieren. Insofern hat also der Verzicht auf PID nichts mit einer Einschränkung der Rechte von Frauen zu tun, schon gar nichts mit ei- nem Zurückdrehen der aus dem § 218 abgeleiteten Frauenrechte.

Unser Bundeskanzler, Gerhard Schröder, hat sich nun auch in letzter Zeit intensiv um das Thema geküm- mert. Was treibt ihn auf dieses ethisch schwierige Feld? Hier gibt es nur Ver-

mutungen, die sich aus seinen sonsti- gen Aktivitäten ableiten lassen. Schrö- der ist ein Politiker, der immer dann aktiv wird, wenn

❃ große Populationen betroffen sind,

❃ das Thema weite Bevölkerungs- bereiche anspricht,

❃ wissenschaftliche Möglichkeiten und Freiheitsräume eingeschränkt wer- den oder

❃ wirtschaftliche Interessen tan- giert sind.

Nimmt man die Ankündigungen ernst, dass die PID auf wenige schwer- wiegende Indikationen beschränkt bleiben soll, dann werden weder große Populationen betroffen sein, noch wird die PID, ausgeführt an 50 bis 100 Paa- ren jährlich, ein wirtschaftlich nen- nenswertes Feld werden. Diese Argu- mente scheiden also aus.

Auch ist die Bevölkerung, das bele- gen alle Umfragen, mehrheitlich gegen alle Manipulationen am Embryo, auch gegen PID. Durch die Erklärung zur

„Chefsache“ ist hier also auch kein

„politischer Blumentopf“ zu gewinnen.

Wissenschaftlich ist die PID ein seit rund zwanzig Jahren bekanntes Verfah- ren. In der Biologie, an Tieren schon

viel verwendet, selbst am Menschen (im Ausland) längst erprobt. Wissenschaft- lich also auch nichts Neues!

Bleibt die Frage nach übergeordne- ten wirtschaftlichen Motiven. Wir wis- sen, dass der Kanzler auch eine intensi- ve Debatte um die Verwendung von embryonalen Stammzellen und „thera- peutisches Klonen“ angestoßen hat.

Der Kanzler selber scheint diesen Me- thoden offener gegenüberzustehen als weite Teile der Bevölkerung. Er hat großes Interesse an biotechnologischen Verfahren und will diese befördern.

Ihn treiben dabei vorrangig wirtschafts- politische Motive.

Er ist sich der Tatsache bewusst, dass die Verwendung embryonaler Stamm- zellen heute noch vom Embryonen- schutzgesetz verboten ist. Für eine Änderung dieser Bestimmung be- stehen zurzeit weder Mehrheiten im Parlament noch in der Bevölkerung.

Würde man aber die PID – am unauffälligsten, und deshalb von politischen Befürwortern der PID am liebsten gesehen, durch unterge- setzliche Regelung über eine Richtlinie der Bundesärztekammer – zulassen, würde ein offener logischer Bruch ent- stehen, dass Embryonenmanipulatio- nen und Verbrauch von Embryonen zum Nutzen einzelner Paare zwar zulässig, Forschung zur Heilung ganzer Volkskrankheiten (so zumindest die eu- phorischen Heilsversprechungen man- cher Wissenschaftler) aber verboten bliebe. In die Debatte um die ethischen Probleme an Anfang und Ende des Le- bens wäre eine weitere Irrationalität eingeführt, die uns weg von der reinen Ethik hin zu einer pragmatischen Mo- ral führt.

Im Klartext: Ich befürchte, dass das Engagement des Kanzlers vor allem ein dialektischer Trick ist, da ihm längst be- wusst geworden ist, dass mit der Zulas- sung der PID auch die Vorbehalte gegen embryonale Stammzellforschung und therapeutisches Klonen fallen werden.

Damit aber wäre die Tür geöffnet für ein wissenschaftliches und wirtschaftliches

„Eldorado“ – dann gäbe es kein Halten mehr. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery Der Verfasser ist Präsident der Ärztekammer Hamburg und 1. Vorsitzender des Marburger Bundes.

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