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Archiv "Interview mit Dr. med. Ulrich Clever, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg: „Keine Kritikerrunde des KV-Systems“" (29.03.2013)

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A 596 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 13

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29. März 2013

„Keine Kritikerrunde des KV-Systems“

Der Vorsitzende des Ausschusses Ambulante Versorgung der Bundesärztekammer über ausbildungswillige Vertragsärzte, ausreichendes Honorar und eigene Meinungsänderungen

Herr Dr. Clever, Sie haben vor kurzem den Vorsitz des Ausschusses Ambulan- te Versorgung der Bundesärztekammer (BÄK) übernommen. Wozu braucht man diesen?

Clever: Der Ausschuss soll mit seiner Arbeit in erster Linie den Vorstand der Bundesärztekammer beraten und die Verbindung zur Kassenärztlichen Bundesvereini- gung (KBV) herstellen. Wir wollen aber keine KV-Politik innerhalb der Bundesärztekammer machen oder gar Kritikerrunde des KV- System sein.

Derzeit wird viel und kontrovers über die Möglichkeit diskutiert, Teile der Weiterbildung in die ambulante Versor- gung zu legen. Auch im Ausschuss?

Clever: Ja, den Vorstand hierzu zu beraten, ist derzeit eine unserer wichtigsten Aufgaben. Das Thema hat viele Facetten. Eine davon be- trifft die Probleme der Finanzie- rung. Im Krankenhaus wird die Ar- beitskraft der Assistenten benötigt, die Weiterbildung wird aber nicht gesondert finanziert. Schon lange wird diskutiert, ob das so bleiben kann.

Für die Weiterbildung in Allgemein - medizin gibt es bereits ein Förder - programm, auch um die ambulanten Anteile zu finanzieren. Ein Vorbild für andere Fächer?

Clever: Bei dieser Förderung der Weiterbildung erkennt man auch die Probleme, die es mit einer se- paraten Finanzierung gibt. Die Krankenkassen tragen die Förde- rung finanziell mit und wollen nun natürlich auch die Ergebnisse der Evaluation sehen. Das darf aber auf keinen Fall dazu führen,

dass die Kassen Einfluss auf die ärztliche Weiterbildung nehmen.

Das lehnen wir strikt ab. Und dass die KVen die Förderung der Allge- meinmedizin aus dem Gesamtho- norar finanzieren, hat zu Unwillen bei manchen Fachärzten geführt.

Wie könnte es dann gelingen, die Weiterbildung im gesamten ambulan- ten Bereich zu fördern?

Clever: Ich zum Beispiel hätte Spaß daran, mehr weiterzubilden.

Aber da man auch seinen Umsatz nur sehr begrenzt steigern kann, wenn man einen Weiterbildungs - assistenten anstellt, läuft es zurzeit darauf hinaus, dass dann Einkom- men und Freizeit reduziert werden.

Wir müssen also unbedingt die Fi- nanzierungsfrage lösen.

Und wie?

Clever: Dazu gibt es im Ausschuss die verschiedensten Überlegungen:

Ist die ärztliche Weiterbildung nur eine innerärztliche Aufgabe? Oder ist sie ein Stück weit im Interes- se der Gesellschaft und verdient

sie deshalb Steuerzuschüsse? Eine Möglichkeit, die der Sachverstän- digenrat für das Gesundheitswe- sen vor Jahren bereits formuliert hat, ist, Gelder für die Weiterbil- dung aus dem Gesundheitsfonds zu nehmen.

Viele Facharztgruppen argumentieren, dass es Probleme gibt, wenn der Nach- wuchs weiterhin nur im stationären Bereich weitergebildet wird.

Clever: Der Druck, daran etwas zu ändern, wächst. In vielen Fachge- bieten können die Kliniken nicht mehr die gesamte Breite des Fachs abbilden, weil viele Eingriffe und Behandlungen nur noch ambulant vorgenommen werden. Deshalb wird diskutiert, Teile der Weiter- bildung verpflichtend in den am- bulanten Bereich zu legen. Und dann gibt es, quasi auch als Reak - tion darauf, den Vorschlag, die Krankenhäuser für diesen Bereich zu öffnen. Das wäre natürlich äu- ßerst problematisch . . .

. . . weil das die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte nicht akzeptieren würden.

Clever: Ja. Deshalb ist unser Aus- schuss wichtig, deshalb muss er ge- meinsam mit den Krankenhaus- und den Weiterbildungsgremien der Bundesärztekammer akzepta- ble Lösungen finden. Unsere Ideen gehen in die Richtung, die Ver- bundweiterbildung zu forcieren.

Sie ermöglicht durch Kooperation von Kliniken und niedergelassenen Ärzten eine kontinuierliche Weiter- bildung. Für viele Ärzte wäre es auch weniger aufwendig, wenn sie künftig nur einen Arbeitgeber hät- ten statt mehrerer.

INTERVIEW

mit Dr. med. Ulrich Clever, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg

Dr. med. Ulrich Clever (59) hat sich umgesehen – in der Welt und in der Berufspolitik. Studiert hat der gebürtige Kölner Medizin in Freiburg, London und Pittsburgh, zu- sätzlich kurz Geschichte.

Wenige Jahre nach seiner Niederlassung 1991 als gesprächsorientierter Gynäkologe in Freiburg begann er sein berufspolitisches Engagement als Delegierter der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Südbaden. Kurze Zeit später stieg er zusätzlich in die ehrenamtliche Arbeit für die Bezirksärztekammer Süd - baden ein. Seit Februar 2011 ist Clever Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg.

ZUR PERSON

P O L I T I K

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 13

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29. März 2013 A 597

Für Verbundlösungen in der Weiterbildung brauchen wir Modelle, wie wir das finanzieren können.

Sie schlagen also vor, dass man in Zu- kunft im Idealfall einen Arbeitsvertrag mit einem Krankenhausträger schließt, aber einen Teil seiner Weiterbildung in kooperierenden Praxen absolviert?

Clever: Genau. Für solche Ver- bundlösungen brauchen wir aber Modelle, wie wir das finanzieren und wie der Geldfluss zwischen beteiligten Krankenhäusern, Arzt- praxen oder auch Medizinischen Versorgungszentren funktionieren kann. Erst dann können wir damit anfangen. Der Deutsche Ärztetag hat deshalb im letzten Jahr be- schlossen, dass die Möglichkeiten der ambulanten Weiterbildung zum Beispiel durch eine angemessene Vergütung verbessert werden sollen.

Es soll aber auch künftig keinen verpflichtenden Weiterbildungsab- schnitt im ambulanten Bereich ge- ben. Diesen Beschluss halte ich für richtig.

Ist noch Zeit, solche Weiterbildungs - verbünde zu entwickeln? Oder wer - den sich ambulanter und stationä- rer Sektor bald Konkurrenz um den Nachwuchs machen und nur ungern in der Weiterbildung kooperieren?

Clever: Wissen Sie, das Patientenrechtegesetz setzt aus meiner Sicht die Klini- ken noch stärker als bisher unter Druck zu beden-

ken, wie groß der Zeitaufwand für den einzelnen Patienten sein muss, zum Beispiel in Sachen Aufklä- rung. Viele Kliniken schreiben rote Zahlen. Ob also Universitätsklini- ken jungen Ärzten auf Dauer mehr bieten können als Kliniken an der Peripherie und diese wiederum mehr als Praxen, wird man sehen.

Hinzu kommt: Die Ärztekammern haben künftig noch mehr Möglich- keiten und auch die Verpflichtung, stärker als bisher zu prüfen, ob die Testate über Leistungen in der Weiterbildung zutreffend sind.

Auch das setzt Kliniken, aber auch alle anderen Weiterbilder unter Druck.

Welche Themen sind dem Ausschuss noch wichtig?

Clever: Wir verfolgen die Refor- men des ambulanten ärztlichen Be- reitschaftsdienstes mit Interesse. Die alten Dienstordnungen schrecken

viele jungen Ärzte ab. Das KV- System hat das verstanden

und Änderungen auf den Weg gebracht, was nicht

immer leicht ist.

Was halten Sie von Be- reitschaftsdienstpraxen an Kliniken?

Clever: Ehrlich gesagt:

Früher, als ich noch

KV-Politik gemacht habe, hätte ich sie eher abgelehnt. Aber ich habe meine Meinung geändert. Solche Kooperationen sind sicher ein Er- folgsmodell, vor allem für die nächtliche Versorgung.

Wenn wir nun bei der sektorübergrei- fenden Versorgung sind: Sehen Sie in der geplanten ambulanten spezialfach- ärztlichen Versorgung Chancen, die gemeinsame Sache zu befördern?

Clever: Man wird sehen. Dass es keine Mengenbeschränkungen ge- ben soll, hört sich ja erst einmal gut an. Ich bin allerdings besorgt, dass es Rosinenpickerei geben könnte. Und das ausufernde Regel- werk ist auch ein Problem, ebenso die Honorierungsfragen. Als Gy- näkologe verfolge ich vor allem die Entwicklung für den Bereich der onkologischen Erkrankungen.

Ich fände es falsch, wenn eines Ta- ges große Teile der Onkologie der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung zugeordnet würden.

Ich bin überzeugt, dass das der Versorgung in der Fläche nicht ge- recht würde.

Ihr Ausschuss muss sich mit vielen Themen befassen, die konfliktreich sind, weil sie die Probleme zwischen Haus- und Fachärzten oder ambulanter und stationärer Versorgung berühren.

Wie gehen Sie damit um?

Clever: Wir versuchen zu vermit- teln. Wir analysieren Sachzwänge und suchen nach kollegialen Lösun- gen. Ich bemühe mich, noch mehr für die Anliegen der Niedergelasse- nen zu sensibilisieren.

Sie haben früher KV-Politik gemacht, heute sind Sie Kammerpräsident. Was hat die Erfahrung in beiden Institutio- nen bewirkt?

Clever: Ich poltere nicht mehr ge- gen eine Seite. Manche KV-Vertre- terversammlungen gehen die Kran- kenhäuser an. Nur: Vieles dort be- stimmen ja gar nicht die ärztli- chen Kolleginnen und Kollegen.

Und deshalb brauchen sie unsere Unterstützung, die der niedergelas- senen Kollegen und die unserer

Gremien.

Das Interview führten Heike Korzilius und Sabine Rieser.

Foto: Georg J. Lopata

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