• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Interview mit Dr. med. Frank Ulrich Montgomery: „Die Arbeit muss heute auf mehr Köpfe verteilt werden“" (09.05.2008)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Interview mit Dr. med. Frank Ulrich Montgomery: „Die Arbeit muss heute auf mehr Köpfe verteilt werden“" (09.05.2008)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A988 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 199. Mai 2008

P O L I T I K

Die Zahl der Ärztinnen und Ärzte ist weiter gestiegen. Dennoch können viele ärztliche Stellen nicht besetzt werden.

Wie passt das zusammen?

Montgomery: Eine gute Frage. Das Paradoxon muss etwas mit dem ver- änderten Arbeitszeitangebot der ein- zelnen Ärztin, des einzelnen Arztes zu tun haben. Es muss etwas mit der Arbeitszeitverdichtung und dem Ar- beitszeitgesetz zu tun haben, und es muss etwas mit einer anderen Er- wartung der Ärzte an ihre Tätigkeit im Krankenhaus zu tun haben.

Inwiefern haben die Ärzte eine andere Erwartung an ihre Tätigkeit im Krankenhaus als früher?

Montgomery: Ein wichtiges Krite- rium ist, dass immer mehr Frauen in der Medizin Arbeitsstellen suchen.

Die Herausforderung dabei ist, dass Frauen in der Regel immer noch mehr in familiäre Pflichten einge- bunden sind als Männer und deswe- gen – über ein ganzes Leben be- trachtet – weniger Arbeitsleistung für eine Bezahltätigkeit im Kran- kenhaus aufbringen können. Wir müssen deshalb die Arbeit auf im- mer mehr Köpfe verteilen.

Dass die Arbeit auf mehr Köpfe verteilt werden muss, ist auch eine Folge des zum 1. Januar 2007 verschärften Ar- beitszeitgesetzes . . .

Montgomery: Ja, das novellierte Arbeitszeitgesetz schlägt langsam – mit Betonung auf langsam – durch.

Die einzelnen Regelungen stehen in den meisten Krankenhäusern zum Glück nicht mehr zur Disposition.

In Verbindung mit den inzwischen abgeschlossenen arztspezifischen Ta-

rifverträgen sinkt dadurch die durchschnittliche Arbeitszeit des Einzelnen. Als logische Folge steigt damit – da ja die Arbeit nicht weni- ger wird – der Stellenbedarf der Krankenhäuser.

Zurück zur veränderten Erwartungs- haltung der Ärzte an die Tätigkeit im Krankenhaus. Ist es wirklich nur der Feminisierung des Arztberufs geschul- det, dass sich hier die Prioritäten ver- schieben?

Montgomery: Nein. Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass die jetzt nachrückende Ärztegeneration – trotz unveränderter Begeisterung für den Beruf – in der Masse ein- fach nicht mehr bereit ist, wider- spruchslos 80- und 100-Stunden-

Wochen im Krankenhaus zu res- pektieren.

Warum ist das so?

Montgomery: Vor allem haben sich die Perspektiven geändert.

Früher haben viele Ärztinnen und Ärzte in den ersten Jahren im Kran- kenhaus die Zähne zusammenge- bissen, weil sie davon ausgingen:

Es ist nur für eine kurze Zeit. Die Weiterbildung im Krankenhaus war für viele Ärzte nur die Durchgangs- station zur Niederlassung als Fach- arzt. Diese Leute haben sehr viel mehr an zeitlicher Arbeitsbelas- tung und schlechten Arbeitsbedin- gungen akzeptiert – nach dem Mot- to: Augen zu und durch. Dies ist heute nicht mehr so.

Wie ist es denn heute?

Montgomery: Für viele Ärzte ist das Krankenhaus inzwischen ein Lebensarbeitsplatz. Diese Menschen sind durchaus bestrebt, mit ihren Kräften hauszuhalten. Die Ärzte sagen sich: Wenn ich jetzt in eine solche 80-Stunden-Woche-Maloche reingehe, dann halte ich das nicht ein Leben lang durch. Letztlich ver- halten sie sich wie ein guter Mara- thonläufer und sind schon zu Be- ginn ihres Berufslebens vorsichtig bei der Startgeschwindigkeit.

Wie geht es weiter?

Montgomery: Die Arbeit für die Ärzte in den Krankenhäusern wird – allein schon wegen der alternden Gesellschaft – nicht weniger werden.

Das heißt, wir werden immer mehr Menschen brauchen, die diese Arbeit leisten. Diese werden aber individu- ell immer weniger Zeit zur Verfü- gung stellen wollen, sodass wir noch mehr Menschen brauchen, die diese Arbeit leisten. Trotz eigentlich aus- reichender Studierendenzahlen wird sich die Ärzteknappheit deshalb wei- ter verschärfen, wenn wir nicht eini- ge Dinge wesentlich verbessern.

Welche?

Montgomery: Wir müssen den Ärzten einfach die Arbeitsplätze bieten, die sie haben wollen, und nicht von ihnen verlangen, ihr Le- ben nach unseren Arbeitsbedingun-

gen auszurichten. I

Die Fragen stellte Jens Flintrop.

Die nachrückende Ärztegeneration ist nicht mehr bereit, widerspruchslos 80-Stunden-Wochen zu respektieren.

„Die Arbeit muss heute auf mehr Köpfe verteilt werden“

Der Vizepräsident der Bundesärztekammer zu den steigenden Arztzahlen bei gleichzeitig zunehmendem Ärztemangel

Foto:Eberhard Hahne

INTERVIEW

mit Dr. med. Frank Ulrich Montgomery

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Aber das trauen sie sich nicht, weil sie wissen, dass IGeL eine Reaktion auf eingeschränkte Leistungen der Kassen sind.. Die Forderung, einen Entschädigungs- fonds

Man könnte aber ein- fach auch nur nach den Weiterbil- dungsermächtigungen schauen und sagen, dass, wenn ein Krankenhaus für ein Fach die volle Weiterbil- dungsermächtigung hat,

Oder wenn eine Kommune nicht nur Praxisräume für den Arzt zur Verfügung stellt, sondern auch Als der junge Assistenzarzt seine erste Stelle antrat, be-.. kam er noch in der

Die Medi- ziner andererseits sind verpflichtet, medizinische Hilfe zu leisten, sind aber verunsichert, ob sie sich damit strafbar machen.. Unsicherheit bleibt bestehen Die

In der Kombination mit Bereit- schaftsdienst niedriger Belastungsstu- fen (ehemals A–C) kann die tägliche Arbeitszeit über acht Stunden hinaus auf bis zu 24 Stunden verlängert

Montgomery, täuscht der Eindruck, dass Sie persönlich noch sehr lange dafür gekämpft haben, dass der Marburger Bund (mb) den Tarifvertrag für den öf- fentlichen Dienst (TVöD) bis

Diese Kritik richtet sich auch gegen das Bundesgesundheitsministerium, das sich trotz weniger Zuständigkeiten zu- sätzliches Spitzenpersonal leistet.So wird der ehemalige

Genauso müssen „die Fragen des Transports (zu Fuß, mit dem Auto, Schulbus, Fahrrad oder Kombinationen daraus) wie auch Lösungen für die ver- kehrstechnisch sichere Ge- staltung