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Archiv "Integrative Therapie: Zur psychosomatischen Behandlung von Morbus-Crohn-Patienten" (31.01.1991)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Integrative Therapie

Zur psychosomatischen Behandlung von

Morbus-Crohn-Patienten

Joachim Küchenhoff, Waltraud Kruschitz, Bruno Küppers und Helmut Karl Seitz

I

n den letzten Jahren wurden im „Deut- schen Ärzteblatt" mehrere Kontroversen über die Bedeutung der Psychotherapie bei Patienten mit Morbus Crohn ausge- tragen (1-3). Sie wurden zunächst mit der Stellungnahme von Demling abgeschlossen, der in der Psychotherapie einen „nicht verzieht- baren Bestandteil der Krankenführung, vor al- lem in Zeiten der nicht physischen Behandlung"

sieht (3).

Dennoch wiederholte sich die Diskussion im folgenden Jahr (4, 5). Offenbar scheinen thera- peutische Omnipotenzwünsche am Werk zu sein, wenn somatische und psychotherapeutische Be- handlungsformen bei der multifaktoriell beding- ten Erkrankung als einander ausschließend ge- genübergestellt werden. Wenn sie von gastroen- terologischer und psychotherapeutischer Seite unreflektiert bleiben, können sie dem Patienten schaden.

Zusammenhang zwischen Psyche und Morbus Crohn

Liest man in gastroenterologischen Lehrbü- chern nach, so herrscht die Meinung vor, daß psychische Faktoren einen Morbus Crohn nicht verursachen können, daß sie aber „unspezifi- sche" Symptome bewirken oder die Krankheit verschlimmern können (6). Dennoch gibt es gute Hinweise über psychosomatische Zusammen- hänge beim Morbus Crohn. In jahrzehntelanger

psychosomatischer Forschung scheint sich erwie- sen zu haben, daß als Auslösesituation für eine Neuerkrankung oder einen Schub des Morbus Crohn Trennungssituationen, Verluste oder Loyalitätskonflikte eine Rolle spielen (7, 8).

Bestimmte Persönlichkeitscharakteristika wie Zwanghaftigkeit und Pseudounabhängigkeit wurden bei Morbus-Crohn-Patienten immer wie- der beschrieben (9). Es soll an dieser Stelle ein- geräumt werden, daß die Spezifitätsdiskussion in der psychosomatischen Medizin zu dem Ergeb- nis geführt hat, daß die genannten Persönlich- keitsmerkmale und Belastungssituationen zwar häufig zu beobachten sind, daß sie aber nicht spezifisch sind. Weiterhin werden neben Fragen der Krankheitsverursachung in der aktuellen Diskussion solche nach der Krankheitsverarbei- tung bedeutend. Eine strikte Trennung psychi- scher und somatischer Faktoren kann dann nicht mehr befriedigen.

Ansätze interdisziplinärer Kooperation in Heidelberg

Das Heidelberger-Projekt „Persönlichkeit und Krankheitsverarbeitung bei Morbus-Crohn- Patienten" wird von der Deutschen Forschungs- gemeinschaft gefördert. Es wird von der Heidel- berger Psychosomatischen Klinik in Zusammen- hang mit internistisch tätigen Arzten in Praxis und Klinik durchgeführt. In den Forschungsin- terviews oder in Psychotherapien mit Morbus-

Dt. Ärztebl. 88, Heft 5, 31. Januar 1991 (61) A-313

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Crohn-Patienten wird immer wieder der Ab- wehrmechanismus der Spaltung bei diesen Pa- tienten beobachtet: Spaltung körperlicher und seelischer Selbstbilder, die bis zur Spaltung the- rapeutischer Intervention reichen kann, wobei der Psychotherapeut und der behandelnde Inter- nist (wie auch somatisch tätige Kollegen unter- einander) in eine unfruchtbare Konkurrenz ge- raten können. Ärztliche Kooperation hat des- halb eine synthetische Funktion, um der Spal- tung von Körper und Seele entgegenzuwirken.

Nur die enge Zusammenarbeit von ärztlichen Kollegen verschiedener Disziplinen (Hausärzte, Internisten, klinisch tätige Gastroenterologen, Chirurgen und Psychotherapeuten) verhindert, daß körperliche und seelische Erlebensbereiche des Patienten voneinander abgekoppelt werden.

Durch die Kooperation kann es gelingen, diese Spaltung, die der Patient als Abwehr vollzieht, zu überwinden. Zunächst braucht der Patient diese Abwehr, um sich vor zu starken Krank- heitsbedrohungen zu schützen; langfristig haben diese Abwehrmaßnahmen aber eine schlechte Krankheitsbewältigung und eine emotionale Einengung des Patienten zur Folge. Die ärztliche Kooperation wiederum kann dem Patienten gleichsam als Modell einer gelingenden Integra- tion dienen, zu der der Patient allein psychisch noch nicht in der Lage ist.

Es ist davon auszugehen, daß Psychothe- rapie nicht nur in „Zeiten der nicht-physischen Belastung" sinnvoll ist. Gerade auch in der Akut- phase der Erkrankung ist die seelisch stützende Funktion des (Psycho-)Therapeuten gefordert, um neben der körperlichen auch der seelischen Desintegration entgegenzuwirken (10), wobei letztere durch Verlustängste aktiviert werden kann, die ja gerade bei diesen Patienten von be- sonderer pathogener Brisanz sind. In Zeiten der Krankheitsremission dient die Psychotherapie als Unterstützung der Trauerarbeit, indem sie dem Patienten hilft, die durch die Krankheit erzwungenen Lebensveränderungen affektiv durchzuarbeiten. Bei einigen Patienten kann sich auch eine psychoanalytische Langzeitthe- rapie empfehlen.

Schlußfolgerung

Um der Komplexität des Morbus Crohn ge- recht zu werden, ist eine enge Zusammenarbeit aller beteiligten Kollegen erforderlich, um Ein- heit und Kontinuität der Behandlung zu gewähr- leisten. Häufig ist es immer noch so, daß der Pa- tient die Last der Integration selber tragen muß.

Er fühlt sich jedoch hinsichtlich dieser Integrati- onsleistung in aller Regel überfordert, da seine

unbewußte Psychodynamik eher eine Desinte- gration provoziert. Es hat sich in der klinischen Versorgung von Morbus-Crohn-Patienten ge- zeigt, daß eine enge Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Internisten und praktisch täti- gen Ärzten, in der Klinik tätigen Gastroenterolo- gen und Chirurgen sowie den Psychosomatikern eine gute Voraussetzung für den Langzeiterfolg bei Patienten mit Morbus Crohn darstellt.

Literatur

1. Demling, L.: Oft zu spät: Colitis ulcerosa und Morbus Crohn.

Dtsch Ärzteblatt 84, Heft 38 (1987)

2. Sandweg, R.: Diskussionsbeitrag zu (1). Dtsch Ärzteblatt 85, Heft 16 (1988)

3. Demling, L.: (1988) Stellungnahme zu (2). Dtsch Ärzteblatt 85, Heft 16 (1988)

4. Martini, GA.: (1988) Morbus Crohn: Deutliche Zunahme in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts. Dtsch Ärzteblatt 85, Heft 38 (1988)

5. Horn, J. et al.: (1989) Erwiderungen und Stellungnahmen.

Dtsch Ärzteblatt 86, Heft 23 (1989)

6. Drossmann, DA.: Psychosocial aspects of ulcerative colitis and Crohn's disease. In: Kirshner JB, Shorter RG (eds) Inflamma- tory Bowel Disease. Lea and Febier: Philadelphia (1988) 209-226

7. Paar, GH.: Psychosomatische Aspekte beim Patienten mit Morbus Crohn — Versuch einer Standortbestimmung. Psycho- ther. Med. Psychol. 38 (1988) 376-389

8. Paar, GH.: Psychosomatischer Hintergrund beim Morbus Crohn? Psycho 13 (1987) 240-250

9. Whybrow, PC.: Regional ileitis and psychiatric disorder. Psy- chosom. Med. 30 (1968) 209-221

10. Küppers, B.: Frag-Würdiges im Allgemeinkrankenhaus. Psy- che 44 (1990) 343-355

Anschrift für die Verfassen

Dr. med. Joachim Küchenhoff Psychosomatische Klinik der Universität

Thibautstraße 2 W-6900 Heidelberg 1 A-314 (62) Dt. Ärztebl. 88, Heft 5, 31. Januar 1991

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