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Archiv "Chlamydien-Infektionen: Sicherung der Diagnose über Augenbefunde" (11.01.1988)

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Chlamydien-Infektionen

Sicherung der Diagnose

über Augenbefunde

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

UR FORTBILDUNG

Keratokonjunktivitiden bei oku- logenitalen Chlamydieninfek- tionen sind häufig. Etwa sieben Prozent aller bakteriell be- dingten Keratokonjunktivitiden im Raum Erlangen/Nürnberg waren im Zeitraum von Januar

1982 bis Dezember 1984 chla- mydienbedingt. Hornhautnar- benbildung mit der Notwen- digkeit einer operativen Kor- rektur kann die Folge einer Chlamydieninfektion sein. Eine interdisziplinäre Zusammenar- beit mit Dermatologen, Urolo- gen, Gynäkologen, Mikrobiolo- gen und Virologen ist notwen- dig, um eine vollständige Dia- gnose, eine wirksame Thera- pie und eine effektive Präven- tion durchzuführen.

Alexander A. Bialasiewicz und Gerhard J. Jahn

D

er Augenarzt spielt

seit langer Zeit eine zentrale Rolle bei der Diagnose von Chlamydieninfektio- nen. Darunter sind das klassische

„endemische Trachom", die oku- logenitialen Infektionen mit Chla- mydia trachomatis, die Lympho- granuloma-venereum-Infektionen und die Chlamydia-psittaci-Infek- tionen mit Augenbeteiligung zu verstehen.

Während die klinische Diagnose des klassischen, hauptsächlich in den Tropen auftretenden endemischen

Augenklinik mit Poliklinik (Direktor:

Professor Dr. med. G. 0. H. Naumann), Institut für Klinische Virologie

(Direktor: Professor Dr. med. Bernhard Fleckenstein) der Friedrich-Alexander- Universität Erlangen-Nürnberg

Trachoms schon seit Jahrtausenden bekannt ist, wurde durch die mikro- biologischen Erkenntnisse des 19.

Jahrhunderts die Aufmerksamkeit der europäischen Ophthalmologen zunehmend auf Augenerkrankun- gen gelenkt, die ebenfalls in den Formenkreis des Trachoms zu gehö- ren schienen (1-5). Als klinische Schrittmacher für die labordiagno-

stische Entwicklung auf diesem wichtigen ophthalmologischen Ge- biet müssen die in der „Grauzone"

des geburtshilflich-augenärztlichen Problems gelegenen nicht-gonor- rhoischen Neugeborenenblennor- rhoen und die Abklärungsversuche der trachomähnlichen Augener- krankungen bei Erwachsenen gese- hen werden.

A-34 (42) Dt. Ärztebl. 85, Heft 1/2, 11. Januar 1988

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Abbildung 1: Massive follikuläre Konjunktivitis. Patient aus Äthiopien mit endemischem Trachom, Stadium „TF"

(trachomatous inflammation follicular) der WHO-Klassifikation

Einige historische Daten

Die entscheidende labordiagno- stische Weichenstellung für den Nachweis von Einschlußkörperchen bei Chlamydieninfektionen erfolgte 1907 durch Stanislaus v. Prowazek und Ludwig Halberstaedter mit der Giemsafärbung (6-9). Zwei Koch- sehe Postulate und die Epidemiolo- gie bei Neugeboreneninfektionen konnten 1909 mit der Übertragung von Zervikalschleim der Mutter ei- nes infizierten Kindes auf Affenkon- junktiva und der Produktion einer Einschlußkörperchenkonjunktivitis nachgewiesen werden (14). Diese Experimente wurden 1910 von Fritsch und Lindner erfolgreich nachvollzogen; auch der Übertra- gungsversuch von Sekreten aus der infizierten männlichen Urethra auf Paviankonjunktiva gelang (15).

Weitere klinische Beispiele bestätig- ten den Fallbericht von v. Prowazek und Halberstaedter (16, 17).

In der Folgezeit wurden ver- schiedene epidemiologische Daten zum Trachom, „Paratrachom" und

zu sogenannten „Schwimmbad- konjunktivitiden" veröffentlicht (18-34). Die ursprüngliche Idee des genitalen Übertragungsmodus für Chlamydieninfektionen - von v. Prowazek und Halberstaedter 1909 richtig erkannt und von mehre- ren Autoren in der Folgezeit bestä- tigt (35-37) - verfolgte man in der Mitte dieses Jahrhunderts für Er- wachsene nur sporadisch (38, 39).

Verbesserte Färbetechniken (8) und Hypothesen zur infektiösen Form („Initialform" [40]) und den Ent- wicklungsstadien von Chlamydien wurden bereits 1910 von Augenärz- ten veröffentlicht. Klinisch begrün- dete differentialdiagnostische Uber- legungen zu anderen pathogenen Erregern bei Keratokonjunktiviti- den wurden angestellt (27, 41-45);

jedoch waren damals die Nachweis- möglichkeiten für zahlreiche virale und bakterielle Infektionen nicht ge- geben.

Trotz einiger Versuche zur An- züchtung von Chlamydien auf Ge- webekulturen seit 1933 (46-49) wa- ren bis zum Ende der 50er Jahre systematische Untersuchungen we- gen der fehlenden etablierten Nach- weistechniken erschwert (50). Da- nach konnten große Fortschritte bei der labordiagnostischen Differenzie- rung verschiedener nichtbakterieller Augeninfektionen (wie Adenvi- rus [51-54], Herpes-simplex-Virus [55-58], Newcastle disease Virus [59] oder durch Mykoplasmen [60]

bedingte Keratokonjunktivitiden) von trachomähnlichen Augener- krankungen erzielt werden (61).

Mitte der 60er Jahre fiel das Augen- merk auch in den entwickelten Län- dern wieder vermehrt auf Chlamy- dieninfektionen (62-64).

Die Verbreitung von Chlamydieninfektionen Heutzutage stellen Chlamydien- infektionen die häufigsten sexuell übertragbaren Erkrankungen dar (65-76). In den USA werden für se- xuell übertragbare Krankheiten eine Prävalenz von 25 000 Fällen pro Jahr für Syphilis, eine Million Fällen pro Jahr für Gonorrhoe, 1 bis 1,5 Millionen Fällen pro Jahr für Her- Abbildung 2: Beginnende papilläre Konjunktivitis, okulogenitale Chlamydieninfektion

Dt. Ärztebl. 85, Heft 1/2, 11. Januar 1988 (43) A-35

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Abbildung 4: Umschriebener Epitheldefekt bei 12 Uhr mit Infiltration der Bowmanschen Schicht bei okulogenitaler Chlamyclieninfektion

Abbildung 3: Keratopathia superficialis mit epithelialen und subepithelialen Infiltraten bei okulogenitaler Chlamydieninfektion

borene zwischen 25 und 70 Prozent (86-93). Nach angelsächsischen und skandinavischen Untersuchungen haben ca. 3 bis 37 Prozent der unter- suchten Schwangeren eine chlamy- dienbedingte Zervizitis (91-96). In Deutschland liegen ähnliche Daten aus Tübingen, Würzburg und Kiel vor (89, 95, 96). 18 bis 50 Prozent der exponierten Neugeborenen be- kommen eine Blennorrhoe, 15 bis 20 Prozent naso-pharyngeale Infektio- nen und 3 bis 18 Prozent eine Pneu- monie (97-99). Im Raum Erlangen- Nürnberg sind weniger als 6 Prozent aller bakteriell bedingten Infektio- nen des äußeren Auges bei Neuge- borenen durch Chlamydien hervor- gerufen (100). Etwa 30 Prozent der Patienten mit chlamydienbedingter Keratokonjunktivitis geben eine postgonorrhoische Urethritis oder

pes, drei bis vier Millionen Fällen pro Jahr für Chlamydieninfektionen bei insgesamt 15 000 damals regi- strierten Fällen für AIDS festge- stellt. — Bis zu 62 Prozent der an Go- norrhoe erkrankten Patienten sind mit Chlamydia trachomatis misch- infiziert (67, 75, 77). Die Augenbe- teiligung bei Chlamydieninfektionen in nichtendemischen Gebieten er- folgt meist auf dem Wege der geni- to-okulären Schmierinfektion (68);

jedoch sind auch Auge-zu-Auge-In- fektionen beschrieben worden (62).

Fast immer findet die okuloge- nitale Infektion durch Serovar D bis K statt (78). Okulogenitale Chlamy- dieninfektionen mit dem Serovar B sind kürzlich erstmalig in Dänemark beschrieben worden (79). Mehr als 90 Prozent der Patientinnen mit kul- turpositiven Chlamydieninfektionen des Auges zeigen auch genitalen Be- fall (80). Von den Patienten, die we- gen einer Kerotokonjunktivitis eine Augenklinik aufsuchen, können, je nach Durchseuchung im Einzugsge- biet der Klinik, zwischen 5 und 18 Prozent aller bakteriell bedingten Keratokonjunktivitiden als durch Chlamydien verursacht angesehen werden (78, 81-85). Eine wesent- liche Rolle dürften für diese Zahlen Promiskuität (69) und die Selektion nach Alter und Einzugsgebiet (Stadt/Land [85]) spielen.

Unsere eigenen Untersuchun- gen im Raum Erlangen-Nürnberg haben Zahlen um 7 Prozent erge- ben; in der sexuell besonders akti- ven Gruppe der 20- bis 30jährigen sind etwa 12,5 Prozent bakterieller Keratokonjunktivitiden chlamydien- bedingt. Mischinfektionen von Chla- mydien mit konventionellen Bakte- rien finden sich bei etwa einem Drit- tel der chlamydieninfizierten Patien- ten (85). Bei infizierten Müttern er- folgt eine Übertragung auf Neuge-

Zervizitis an (81, 85). Über gesicher- te Chlamydia-psittaci-Infektionen des Auges existieren nur wenige Be- richte (101, 102); sie bleiben wahr- scheinlich wegen unzulänglicher Spezifität der routinemäßig ange- wandten Nachweismethoden unter- diagnostiziert (102).

Lymphogranuloma venereum mit dem Serovar L 1-L3 bedingt im Rahmen des Parinaud-Syndroms follikuläre Konjunktivitiden (103- 108). Im letzten Jahr konnten erst- A-36 (44) Dt. Ärztebl. 85, Heft 1/2, 11. Januar 1988

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Abbildung 5: Hornhautnarben und beginnender Pannus vasculosus nach fünfjährigem Verlauf einer nicht gezielt antiinfektiös therapierten okulogenitalen Chlamydieninfektion

Abbildung 6: Epitheliales und subepitheliales Hornhautinftltrat am Pupillarsaum bei einer akuten Chlamydia-psittaci-Keratokonjunktivitis (40fache Vergrößerung)

Die verschiedenen Befunde am Auge

Das Spektrum der okulären Ma- nifestationen bei Chlamydiener- krankungen, die in Mitteleuropa häufig anzutreffen sind, ist in folgen- den Abbildungen dargestellt: es reicht von Hyperämie und Hypo- sphagma, putrider follikulärer Kon- junktivitis (Abbildung 1), papillärer Konjunktivitis (Abbildung 2), epi- bulbären Follikeln und Keratopathia

superficialis mit epithelialen und subepithelialen Infiltraten (Abbil- dung 3), kleinen und ausgedehnten Epitheldefekten mit Infiltrationen der Bowmanschen Schicht (Abbil- dung 4) bis hin zu diskreten oder stark ausgeprägten Hornhautnarben mit Pannusbildung bei langjährigem Verlauf (Abbildung 5) [122-126].

Manchmal kann eine okulogenitale Chlamydienerkrankung zu derart starker Visusbeeinträchtigung füh- ren, daß eine lamelläre Keratopla- mals schwere doppelseitige Horn-

hautulzera durch C. trachomatis Le2

bei HIV (human immunodeficiency virus) — serokonvertierten Patienten beobachtet werden.

Das Reiter-Syndrom bei Chla- mydieninfektionen ist sehr selten zu- erst in einer Augenklinik anzutref- fen. Die im Vordergrund stehende genitale Symptomatik (bei ca. 30 Prozent urethral isolierter Chlamy- dien) oder Arthralgien lenken meist von der als Nebenbefund aufgefaß- ten follikulären Konjunktivitis ab (109-112); bei Frauen kommen Konjunktivitiden in 52 Prozent und Arthralgien in 72 Prozent vor (113-115). Chlamydien können nur in Ausnahmefällen von der Kon- junktiva isoliert werden (116, 117).

Die okuläre und die Gelenksympto- matik werden allgemein als para- infektiöses Geschehen betrachtet, obwohl einzelne Berichte für Ele- mentarkörperchen in Gelenken sprechen mögen (118, 119).

Anamnese bei Augenbefall

Zur augenärztlichen Untersu- chung kommen Patienten, die über eine akute oder chronische Kerato- konjunktivitis (oft mit Begleitble- pharitis) klagen. Fremdkörpergefühl und Photophobie stehen im Vorder- grund, Juckreiz und Brennen wer- den selten angegeben. Fast immer ist eine beidseitige Symptomatik festzustellen, die jedoch in zeitlich verschiedener Abfolge auf der einen oder anderen Seite mehr ausgeprägt sein kann. Dies wurde bereits 1928 erkannt (120). Obwohl die genitale Symptomatik oft nur diskret ist, soll- te der diagnostizierende Augenarzt bei Verdacht auf eine Chlamydien- infektion auch nach genitaler und Partnersymptomatik fragen. Um ei- ne Chlamydia-psittaci-Infektion aus- zuschließen, sollten zusätzlich auch Erkrankungen von Haustieren mit in die Anamnese aufgenommen wer- den (121). Bei infizierten Neugebo- renen, die eine akute und meist ein- seitige putride Konjunktivitis mit Beteiligung des Ober- und Unterli- des (= Blennorrhoe) zeigen, muß die Anamnese und Diagnostik die Eltern einschließen.

A-38 (46) Dt. Ärztebl. 85, Heft 1/2, 11. Januar 1988

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Abbildung 7: Sogenannte „phlyktänuläre" Reaktion, okulogenitale Chlamydieninfektion stik notwendig wird (122, 127). Ge-

nerell ist die Hornhautbeteiligung aber geringer als beim klassischen Trachom.

Selten werden Keratokonjunkti- vitiden durch Chlamydia psittaci dia- gnostiziert. Hierfür sind in der Lite- ratur und von uns bisher Katzen mit Keratokonjunktivitis und Pneumo- nie als Überträger festgestellt wor- den. Ca. fünf Prozent der Hauskat- zen in Deutschland sind mit Chlamy- dia psittaci durchseucht (121). Die Erkrankung beim Menschen kann

töse Entzündung (intensiv), „TC":

trachomatöse Cicatrisierung (Nar- benbildung), „VT": trachomatöse Trichiasis , „CO": corneale Opazität (Hornhautnarben- und Pannusbil- dung).

Insgesamt kann man von einer Hornhautbeteiligung von 35 bis 80 Prozent bei Erstinfektionen mit Chlamydien bei Erwachsenen ausge- hen (123, 124, 130). Wie aus Experi- menten an freiwilligen Versuchsper- sonen bekannt ist, gehen die meisten Chlamydieninfektionen bei einmali-

ger Inokulation nur mit einer folli- kulären Konjunktivitis einher (124).

Neugeborenenblennorrhoen treten zwischen dem 1. und 20. Le- benstag mit einem Häufigkeitsgipfel in der 2. Lebenswoche auf (Abbil- dung 9). Bei der akuten Neugebore- nenblennorrhoe durch Chlamydien ist keine Hornhautbeteiligung fest- zustellen (131-133). Jedoch kann es nach Wochen zu papillärer Kon- junktivitis und Mikropannus kom- men (134).

Der behandelnde Arzt muß aber grundsätzlich eine Mischinfek- tion mit anderen Keimen ausschlie- ßen, da diese Diagnose für Visus und Integrität des Bulbus und sogar für die Verhütung einer okulogenen Sepsis von entscheidender Bedeu- tung ist (135). Zur eindeutigen Be- urteilung einer Hornhautbeteiligung wird daher von manchen Untersu- chern auch eine Narkoseuntersu- chung gefordert (127).

Labordiagnostik und Therapie

Die üblichen modernen Nach- weisverfahren beinhalten Anzüch- tung auf McCoy-Zellkulturen, mo- noklonale Antikörper-Direkttests, die indirekten Immunfluoreszenz- tests zum Nachweis von Serumanti- körpern und ELISA-Techniken mit beidseitiger follikulärer Kon-

junktivitis und Keratopathia superfi- cialis mit epithelialen und subepithe- lialen Hornhautinfiltraten einherge- hen (Abbildung 6) [102]. Noch selte- ner sind sogenannte „phlyktänulä- re" Reaktionen bei Chlamydienin- fektionen zu beobachten (Abbil- dung 7). Phlyktänen wurden schon Anfang dieses Jahrhunderts histolo- gisch als erregerfreie lympho- und monozytäre Zellansammlungen be- schrieben (128, 129).

Klassische Trachomfälle in Deutschland sind selten und werden bei Patienten beobachtet, die in en- demischen Gebieten gelebt haben (Abbildung 8). Die WHO-Klassifi- kation gilt nur für das „endemi- sche" Trachom und umfaßt fünf Sta- dien: „TF": trachomatöse Entzün- dung (follikulär), „TI": trachoma-

Abbildung 8: Patient aus Äthiopien mit limbusnahen Hornhautinfiltraten bei Trachom, Sta- dium „TI" (trachomatous inflammation intense) der WHO-Klassifikation

Dt. Ärztebl. 85, Heft 1/2, 11. Januar 1988 (47) A-39

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Abbildung 9: Massive Blennorrhoe ohne Hornhautbeteiligung bei Chlamydieninfektion eines sieben Tage alten Neugeborenen

(136-148). Auf die Probleme und Anwendungsweise dieser Testver- fahren ist an anderer Stelle im Deut- schen Ärzteblatt hingewiesen wer- den (149).

Die medikamentöse Therapie erfolgt nach Partnerdiagnostik (so- weit möglich) entsprechend den Richtlinien des Center for Disease Control (Atlanta) mit der syste- mischen Gabe von Doxycyclin 200 mg/d für 7 Tage (150). Bei Schwangeren wird Erythromycin 2 x 1 g/d für 7 Tage und bei Neu- geborenen Erythromycin 50 mg/

kg/d für 14 Tage empfohlen (150, 151). Eine spezifische okuläre Therapie wird von der WHO zur Trachombekämpfung vorgeschla- gen.

Nach erfolgreicher antibioti- scher Therapie klagt etwa ein Drittel der Patienten über eine Symptoma- tik des „trockenen Auges", was mit dem Verlust von Becherzellen und der Muzinkomponente des Tränen- films durch die Infektion erklärt sein kann (152). Tränenersatzmittel sind meist ausreichend.

Bei ausgedehnten Hornhautnar- ben und Pannus kommen chirurgi- sche Techniken wie Keratektomie und lamelläre Keratoplastik zur Be-

reinigung der Optik in Betracht (127); bei Trichiasis und Entropium (fortgeschrittenes Trachom) modifi- zierte Operationen am Tarsus (153).

Schlußbetrachtung

Die Diagnose einer Chlamy- dieninfektion wird oft zuerst durch den Augenarzt in Zusammenarbeit mit einem Bakteriologen bezie- hungsweise Virologen gestellt. Die- se Diagnose ist präventivmedizinisch wichtig; denn als Komplikation ei- ner Chlamydieninfektion bei Er- wachsenen können Salpingitis, er- höhte Schwangerschaftsmorbidität und Sterilität bei Frauen auftreten (154-156), sowie Prostatitis (157) und Epididymitis mit möglicher Infertilitätsfolge bei Männern (158-160). Ein Zusammenhang mit Zervixneoplasien wird diskutiert, wobei chronische Entzündungen und andere Begleitfaktoren eine Rolle spielen (71, 161). Bei Tra- chom und bei Erwachsenen mit oku- logenitalen Chlamydieninfektionen können nach mehrjährigem Verlauf Hornhautnarben und Pannus vascu- losus nur noch operativ behandelt werden (127).

Die Übertragung auf Neugebo- rene kann zu Pneumonie (162, 163) oder Otitis media führen (164), so- wie zu Blennorrhoe und bei protra- hiertem Verlauf ohne Therapie zu Mikropannus (99, 133, 134, 165, 166). Aus der Sicht des Augenarztes wie auch des Infektiologen sollten daher Schwangere mit einer kultu- rell gesicherten Chlamydieninfek- tion therapiert werden (151).

Die Diagnose einer Chlamy- dieninfektion kann eine antibioti- sche oder sonstige therapeutische Polypragmasie verhindern und ist daher von erheblicher volkswirt- schaftlicher Bedeutung: In den USA wurden die Kosten für nicht diagno- stizierte Chlamydienerkrankungen bei ca. drei Millionen Infizierten auf mehr als eine Milliarde US-Dollar für das Jahr 1984 geschätzt (72).

Eine interdisziplinäre Zusam- menarbeit des Augenarztes mit Der- matologen, Urologen, Gynäkolo- gen, Mikrobiologen und Virologen läßt eine bessere Diagnostik und ge- zielte Therapie möglich erscheinen, wie es für die klinische Infektiologie gefordert wird (167). Hierfür haben wir an der Universität Erlangen- Nürnberg eine interdisziplinäre Ar- beitsgruppe für sexuell übertragbare Erkrankungen eingerichtet. Dies er- scheint für ein besseres Screening von Patienten sinnvoll, weil nicht je- der Patient in einer Augenklinik bei Verdacht auf eine Chlamydieninfek- tion einen Genitalabstrich — auch nach entsprechender Aufklärung — über sich ergehen lassen wird. Die Sicherung der Diagnose von Chla- mydieninfektionen stellt ein Modell interdisziplinärer und labordiagno- stischer Zusammenarbeit dar.

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, zu beziehen über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser

Dr. med.

Alexander A. Bialasiewicz Universitäts-Augenklinik mit Poliklinik

Schwabachanlage 6 8520 Erlangen A-40 (48) Dt. Ärztebl. 85, Heft 1/2, 11. Januar 1988

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