• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Augenbefunde bei AIDS" (23.04.1986)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Augenbefunde bei AIDS" (23.04.1986)"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

ÜBERSICHTSAUFSATZ

AIDS ist erst um 1982 bekannt ge- worden, erregt aber weltweit gro- ßes öffentliches Interesse. Neben den vielfach diskutierten allgemei- nen Symptomen wird oft verges- sen, daß auch die Augen betroffen sind. Viele an AIDS erkrankte Pa- tienten erblinden. Im folgenden werden die Symptome und Befun- de der AIDS-Erkrankung der Au- gen beschrieben.

Lidveränderungen

Wie an der Haut gibt es auch an den Augenlidern Kaposi-Sarkome.

In Abbildung 1 ist ein Kaposi-Sar- konn des Oberlides dargestellt.

Über der Oberlidkante sieht man einen bläulich gefärbten Tumor, der die Lidkante verformt.

Bindehautveränderungen An der Bindehaut kommt das Ka- posi-Sarkom bei neun Prozent der Patienten vor. In der Abbildung 1 ist ein Kaposi-Sarkom der Binde- haut im äußeren Lidwinkel gele- gen. Hornhautentzündungen mit Hornhautbeschlägen wurden bei drei Prozent der AIDS-Patienten beschrieben.

Augenhintergrund- veränderungen

Am schwersten ist bei AIDS der Augenhintergrund, das heißt die Netzhaut, betroffen. Man unter- scheidet ischämische und ent- zündliche Veränderungen.

Die ischämischen Veränderungen der Netzhaut bestehen aus Infark- ten, die als Cotton-Wool-Spots be-

zeichnet werden. Es sind weiße bis cremefarbene, flauschige Berei- che, die meistens kleiner als ein Papillendurchmesser sind. Viele dicht beieinanderliegende Cotton- Wool-Spots können zu großen weißen Netzhautherden zusam- menfließen. In Abbildung 2 sind solche Cotton-Wool-Spots zusam- men mit einzelnen Blutungen im Bereich einer Venengabel zu se- hen. In Abbildung 3 liegen die Cot- ton-Wool-Spots ober- und unter- halb der Makula.

Die Cotton-Wool-Spots treten häu- fig an beiden Augen gleichzeitig auf, offenbar als Antwort auf eine gleichzeitig einwirkende Noxe. Sie können sich zurückbilden, sich aber auch bei weiterer Ver- schlechterung des Allgemeinzu- standes zur Netzhautnekrose, wie in Abbildung 4 zu sehen, weiter- entwickeln. Dabei zerfallen große Teile der Netzhaut und gehen schließlich in flächige Narben über. Die Netzhautischämien — die Cotton-Wool-Spots — sind Folge

Viele an AIDS erkrankte Patienten erblinden. An den Augen gibt es Lid- und Bindehauttumoren, ins- besondere jedoch Augenhinter- grundveränderungen. Da die Seh- störungen oft erst spät im Verlauf der Erkrankung bemerkt werden, darf man nicht auf subjektive Symptome des Patienten warten.

von kleinen Gefäßverschlüssen.

Angiographisch wurden derartige Verschlüsse von Pepose (1985) beschrieben. Den Gefäßverschlüs- sen scheint eine Mikrovaskulitis zugrunde zu liegen, hervorgerufen durch zirkulierende Immunkom- plexe. Die Ablagerung von Immun- komplexen in der Gefäßwand schädigt diese und führt zu Stase und lschämie. Eine polyklonale B- Zell-Aktivierung soll für die erhöh- ten Immunkomplex-Spiegel ver- antwortlich sein.

Abbildung 1:

Kaposi-Sarkom (Pfeile) im Oberlid und in der tempo- ralen Bindehaut (die Abbildung wurde freundli- cherweise von Prof. H. Pohle zur Verfügung ge- stellt)

Die häufige spontane Rückbil- dung der Cotton-Wool-Spots macht eine entzündliche Genese durch Bakterien oder Viren un- wahrscheinlich. So konnten Pepo- se und Mitarbeiter (1984 und 1985) im Immunfluoreszenztest keine Zytomegalie-Virusantigene in Cot- ton-Wool-Spots von Patienten nachweisen, die an AIDS erkrankt waren, obwohl die Zytomegalie- Erkrankung eigentlich eine häufi- ge Komplikation der Immun- schwäche ist.

Augenbefunde bei AIDS

Barbara Schmidt

Aus der Abteilung für Augenheilkunde

(Direktor: Professor Dr. med. Heinrich Witschel) der Freien Universität Berlin

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 17 vom 23. April 1986 (67) 1213

(2)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Augenbefunde bei AIDS

Cotton-Wool-Spots kommen bei 71 Prozent, Netzhauthämorrha- gien bei 40 Prozent der AIDS-Pa- tienten vor. Liegt ein Cotton-Wool- Spot in der Makula, tritt eine akute Sehverschlechterung ein, liegt er jedoch in der Netzhautperipherie, so wird das vom Patienten kaum bemerkt. Die bilaterale, akute Reti- nanekrose als extreme Form der Netzhautinfarzierung führt im Ver- lauf von einem Monat zur völligen Erblindung. Tiefer in der Netzhaut liegen die sogenannten Roth- Spots, die bei 32 Prozent der Pa- tienten mit AIDS vorkommen. Sie sehen dunkel, fast rötlich aus. Sie können bis auf unscheinbare Re- ste abheilen und sind wohl eben- falls nicht infektiöser Natur.

Veränderungen am Nervus opticus

Erkrankungen des Nervus opticus (14 Prozent) äußern sich zunächst als Schwellung der Sehnerven- scheibe (Abbildung 4). Vor allem der nasale Teil der Papille ist un- scharf und prominent. In der tem- poral oberen und unteren Gefäß- straße liegen außerdem Cotton- Wool-Spots. Im weiteren Verlauf kann der Sehnerv sehr stark ge- staut erscheinen (Abbildung 5).

Die Papille ist prominent, ihre Grenzen sind nicht mehr auszu- machen, die Venen sind gestaut, besonders nach unten zu. Am En- de steht eine Optikusatrophie (Ab- bildung 6). Die Sehnervenscheibe wird wieder flach und scharf be- grenzt. Temporal ist sie blaß.

Entsprechend den Nekrosen im Sehnerven ist das Sehvermögen herabgesetzt; Gesichtsfeldausfäl- le sind stets nachzuweisen.

Entzündliche

Netzhautveränderungen

Retinitisherde finden sich bei AIDS-Patienten in etwa 34 Pro- zent. Neben dem ischämischen Schaden durch vaskulitische Ge- fäßverschlüsse kommt es zu Ent- zündungen der Netzhaut selbst.

Die Retinitisherde haben ein kör- niges Aussehen und bilden sich

Abbildung 2: Sogenannte Cotton-Wool- Herde mit einzelnen Hämorrhagien ober- halb der Makula

Abbildung 3: Kleine Cotton-Wool-Herde in der Umgebung der Makula

Abbildung 4: Großflächige ischämische Netzhautnekrosen

langsamer als die Cotton-Wool- Spots. Falls sie abheilen, entste- hen ebenfalls Netzhautnarben.

Der häufigste Erreger der Retinitis bei AIDS ist wahrscheinlich das Zytomegalievirus. Es konnte ver- schiedentlich in der Netzhaut

nachgewiesen werden. Die mei- sten anderen Untersuchungen auf Viren und Bakterien, die sonst bei AIDS als opportunistische Keime eine Rolle spielen, sowie auf Pilze, sind bisher in der Netzhaut negativ verlaufen. Die Zytomegalie-Retini- tis wird offenbar nur im Finalstadi- um angetroffen, so daß ihr Auftre- ten als ein schlechtes prognosti- sches Zeichen gilt.

Der Retinitis gehen meistens ischämische Infarkte (Cotton- Wool-Spots) voraus, so daß ange- nommen werden muß, daß bei AIDS-Patienten das Virus durch

Abbildung 5: Cotton-Wool-Herde in tem- poral unterer und oberer Gefäßstraße Schäden in der Blut-Gewebe- Schranke in die Netzhaut ein- dringt und nicht über eine aktive Infektion des Endothels. Dieser Mechanismus könnte die Beob- achtungen erklären, daß sich die Zytomegalie-Retinitis bei AIDS-Pa- tienten meist im Bereich der Cot- ton-Wool-Spots entwickelt. Sie kommt entweder am hinteren Au- genpol oder als periphere Form vor. Im Bereich der Entzündungs- areale finden sich auch Hämorrha- gien. Bei etwa der Hälfte dieser Patienten entsteht eine exsudative Netzhautablösung. Auch Toxo- plasma Gondii kann bei AIDS-Pa- tienten zu einer nekrotisierenden Retinitis führen. Oft bleibt aber de- ren Ursache unbekannt.

In der Netzhaut von AIDS-Patienten mit Retinitis ist histochemisch eine T-Helfer- und T-Suppressor-Zellre- lation zu finden, wie sie auch sonst 1214 (68) Heft 17 vom 23. April 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

(3)

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Informiert:

Carnivora® VF zur oralen Gabe aus dem

Verkehr genommen!

Der Hersteller von Carnivora®, dessen parenterale Form auf Anordnung des Bundesge- sundheitsamtes vom 14. Ja- nuar 1986 bereits einem vor- läufigen Vertriebsstopp (bis Ende 1986) unterliegt, teilte uns mit:

„Die von uns durchgeführten üblichen Standard-Prüfme- thoden zur Sicherstellung der Arzneimittelqualität dokumen- tieren, daß unsere Carnivora- Produkte den geforderten Qualitätsnormen entsprechen.

Eine neu entwickelte Prüfme- thode gibt jedoch Anlaß zu dem Verdacht, daß unsere Präparate trotz sorgfältiger Qualitätskontrolle Endotoxine enthalten, die über ein vertret- bares Maß hinausgehen. Die- se würden die wesentlichen Nebenwirkungen unserer Car- nivora-Präparate, wie schwe- rer Schüttelfrost, Kreislauf- komplikationen und Erbre- chen, erklären.

Aus Gründen der Arzneimittel- sicherheit, insbesondere im Interesse der Sicherheit des Patienten, sehen wir uns ge- zwungen bis zur Abklärung dieser Verdachtsmomente un- ser Präparat Carnivora® VF verdünnter Preßsaft aus dem Verkehr zu nehmen und nicht mehr zur Anwendung bringen zu lassen.

Wir hoffen auf Ihr Verständnis für diese notwendige Ent- scheidung und bitten Sie, Ihre Patienten zu veranlassen, die Therapie umgehend zu unter- brechen, um zusätzliche ge- sundheitliche Risiken zu ver- meiden.

Gerade im Hinblick auf die vorangegangene Diskussion um Carnivora bedauern wir es außerordentlich, diese Maß- nahme ergreifen zu müssen.

Leider sind wir heute nicht in der Lage, Ihnen Alternativen anzubieten. Wir bemühen uns um eine rasche Klärung der aufgetretenen Fragen."

1

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Augenbefunde bei AIDS

Abbildung 6: Stark geschwollener Seh- nerv mit Cotton-Wool-Herden und Hä- morrhagien in umgebender Netzhaut

Abbildung 7: Dieselbe Papille nach vier Monaten: ausgeprägte Optikusatrophie

Abbildung 8: Zytomegalie-Virus-Retini- tis, leicht körniges Aussehen des Herdes bei AIDS-Kranken beschrieben wird. Entsprechende Untersuchun- gen an Retinitis-Patienten ohne AIDS ergeben ein normales T-Zell- Verhältnis (Pepose, 1985). Interes- sant ist, daßAIDS und Lupuserythe- matodes zu ähnlichen Fundusver- änderungen führen (Newsome,

1984). Beide Erkrankungen sind durch veränderte T-Zell-Funktio- nen und erhöhte Gamma-Globulin- Spiegel charakterisiert.

Weiterhin konnten Pepose und Mitarbeiter (1983) dokumentieren, daß Mikrogefäßschäden, Mikro- aneurysmen und ischämische Ma- kulopathien bei AIDS sehr den dia- betischen Mikroangiopathien äh- neln. Die Fundusveränderungen bei AIDS korrelieren nicht streng mit dem Allgemeinzustand der Pa- tienten, allerdings sind sie im Fi- nalstadium häufiger als zu Beginn der Erkrankung zu finden. Eine Netzhauterkrankung ist selten ein Frühsymptom bei AIDS.

Über die Häufigkeit der Augenbe- teiligung liegen noch keine genau- en Zahlen vor, weil die Augen bisher nicht regelmäßig untersucht wur- den. Die relative Häufigkeit von Au- genveränderungen bei AIDS-Kran- ken, ihre diagnostische und pro- gnostische Bedeutung und die Ge- fahr für das Sehvermögen der Pa- tienten sollten Anlaß dazu geben, in jedem Fall von AIDS-Verdacht eine augenärztliche Untersuchung zu veranlassen. Dabei darf man nicht auf subjektive Symptome des Pa- tienten warten, da Sehstörungen oft erst spät im Verlauf der Erkran- kung bemerkt werden.

Literatur

Newsome, D. A.; Green, W. R.; Miller, E. D.;

Kiesling, L. A.; Morgan, B.; Jabs, D. A., und Polk, B. F.: Microvascular aspects of acquired immune deficiency syndrome retinopathy.

J. Ophthalmol. 98 (1984) 590-601 — Pepose, J.

S.; Nestor, M. S.; Holland, G. N.; Cochran, A. J., und Foos, R. Y.: An analysis of retinal cotton- wool spots and cytomegalovirus retinitis in the acquired immune deficiency syndrome. Am. J.

Ophthalmol. 95 (1983) 118-119— Pepose, J. S.;

Hilborne, L. H.; Cancilla, P. A., und Foos, R. Y.:

Concurrent herpes simplex and cytomegalovi- rus retinitis and encephalitis in acquired im- mune deficiency syndrome (AIDS). Ophthal- mology 91 (1984) 1669-1677 — Pepose, J. S.;

Holland, G. N.; Nestor, M. S.; Cochran, A. J., und Foos, R. Y.: AIDS, pathogenic mecha- nisms of ocular disease. Ophthalmology 92 (1985) 472-484

Anschrift der Verfasserin:

Professor Dr. med.

Barbara Schmidt

Abteilung für Augenheilkunde der Freien Universität Berlin Hindenburgdamm 30 1000 Berlin 45

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 17 vom 23. April 1986 (69) 1215

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Am ehesten bedient man sich ihrer bei zeitlich be- grenzten Epidemien oder für Spe- zialfragen mit Verbindung zur Lei- stungsstatistik, zum Beispiel alle

Eine Kontrollstudie für 1973 ergab ein ansteigendes relatives Risiko für akute myeloische Leukämie für al- le elektrischen Berufe, am häufig- sten für Fernmeldeingenieure..

Beim Lesen der Diskussio- nen über PID fällt mir auf, dass niemals die Frage ge- stellt wird, ob der Embryo überhaupt unter allen Um- ständen geschützt werden will, oder, anders

„Concerto in F" für Klavier, bei dessen Weltpremiere in der Carnegie Hall Gershwin selbst am Klavier saß.. „Por- gy and Bess" errang interna- tionalen Ruhm

Nach der doppelten Thermobe- handlung wurden das lymphozyten- haltige Patientenplasma und damit die modifizierten RNS- und DNS- Moleküle nach der Entfernung der Zellmembran

Die Wahrscheinlichkeit, daß sie drei Monate nach der Diagnose noch le- ben, ist auch größer, wenn AIDS auf- grund einer Candidainfektion im Ga- strointestinaltrakt oder eines

Im Getöse der Auseinanderset- zung um das Gesetzeswerk wird ja leicht verkannt, daß Beitragssatzstabilität nicht mit unveränderbaren Ausga- ben gleichzusetzen ist — ganz

2) Der vollständige Text der Voten kann beim Koordinierungsstab AIDS des Bundesmi- nisteriums für Jugend, Familie, Frauen und Ge- sundheit, Kennedyallee 105-107, 5300 Bonn 2,