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Archiv "Klinik und Diagnose der chronischen Polyarthritis" (12.06.1975)

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KOMPENDIUM:

Klinik und Diagnose der chronischen Polyarthritis

Nebenwirkungen der hormonalen Therapie klimakterischer Beschwerden Therapie des

kardiogenen Schocks

WISSENSCHAFT UND PRAXIS:

Chemotherapie maligner Tumoren

Schmerz und Schmerzensgeld

DIAGNOSTIK IN KÜRZE:

Karzinoide des Magen-Darm-Trakts Pränatale Infektion mit Zytomegarie- und Rötelnvirus

THERAPIE IN KÜRZE:

Polymyalgia rheumatica Kompression der Augenhöhle Verdickungen der Kehlkopftaschenfalten Akuter idiopathischer Hörsturz

Die chronische Polyarthritis kann in jedem Lebensalter auftreten, am häufigsten aber beginnt sie zwi- schen dem 35. und 50. Lebensjahr und befällt Frauen dreimal häufiger als Männer; auch bei Kindern und Jugendlichen kommt sie vor. Auf die entsprechenden Krankheitsbil- der — die juvenile chronische Po- lyarthritis beziehungsweise den Morbus Still — soll hier aber nicht näher eingegangen werden.

Klinik

Die klinische Symptomatik der chronischen Polyarthritis des Er- wachsenen kann besonders im An- fangsstadium außerordentlich viel-

gestaltig sein, so daß eine exakte Diagnose häufig nur durch einge- hende Verlaufsbeobachtungen möglich wird. Im Prinzip sollte man bei jeder unklaren Gelenksaffektion

— sei sie nun mono-, oligo- oder polyartikulär — auch an eine chro- nische Polyarthritis denken. Diese Verdachtsdiagnose ist dann durch gezielte Anamnese und exakte kli- nische sowie Röntgen- und Labor- untersuchungen zu sichern.

Prodromalerscheinungen

Die ersten Symptome der chroni- schen Polyarthritis sind meist All- gemeinerscheinungen mit unbe- stimmtem Krankheitsgefühl, Abge-

Klinik und Diagnose

der chronischen Polyarthritis

Hans-Jürgen Hettenkofer und Wolfgang Müller

Aus der Rheumatologischen Klinik der Universität Basel

(Vorsteher: Professor Dr. med. Wolfgang Müller)

Die chronische Polyarthritis hat infolge ihrer relativ hohen Morbidi- tätsrate von ein bis zwei Prozent und ihres oft langwierigen Krank- heitsverlaufs in der ärztlichen Praxis eine große Bedeutung. Die Diagnose dieser Krankheit ist im fortgeschrittenen Stadium, vor al- lem aufgrund der klassischen Gelenkdeformierungen, in der Regel einfach. Die Frühdiagnose kann dagegen infolge einer nicht sehr charakteristischen Symptomatik oft große Schwierigkeiten bereiten;

auf sie kommt es aber an. Im Frühstadium ist die chronische Poly- arthritis nämlich bei einem Großteil der Patienten gut zu beeinflus- sen, während sich im späteren Verlauf nicht selten eine weitgehen- de Therapieresistenz einstellt und irreversible Veränderungen auf- treten, die möglicherweise zu völliger Invalidität führen.

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Abbildung 1: Schematische Dar- stellung der fortschreitenden Ge- websproliferation am Gelenk (aus H. Lohnes „Das ABC des Rheumatismus", Alma-Mater Ver- lag, Konstanz)

Tabelle 1: Frühsymptome der chronischen Polyarthritis

• Morgensteifigkeit der Ge- lenke

I> Endphasenschmerz (Schmerz bei extremer Ex- tension und Flexion der Ge- lenke)

I> Druckschmerz über den Gelenkspalten

(zum Beispiel positiver Gänsslenscher Handgriff)

> Umschriebene leichte Ge- lenkschwellungen

> Herabgesetzte Kraft (objektivierbar mit Dynamo- meter)

• Palmarerythem

schlagenheit, Appetitlosigkeit, Ge- wichtsverlust und subfebrilen Tem- peraturen. Zusätzlich treten oft die Zeichen einer vegetativen Dysregu- lation mit Hyperhidrose und Akro- zyanose sowie Akroparästhesien, seltener ein ausgeprägtes Ray- naudsches Syndrom auf. Darüber hinaus leiden die Patienten gele- gentlich unter depressiven Verstim- mungszuständen und diffusen My- algien. Alle diese Symptome kann man auch im späteren Verlauf der Krankheit beobachten. Selbstver- ständlich erlauben sie allein noch keine Diagnose, vielmehr ist für sie in der Regel das Hinzutreten eines Gelenkprozesses erforderlich.

Gelenksymptome

Obwohl die chronische Polyarthri- tis eine Systemerkrankung des Bin- degewebes ist, ist sie vorwiegend in den Gelenken lokalisiert. Hier entwickelt sich eine Synovitis, die zu mehr oder weniger ausgepräg- ten klinischen Symptomen einer Entzündung führt und das Gelenk durch eine fortschreitende Binde- gewebsproliferation mit Pannusbil- dung zerstören kann (Abbildung 1).

Klinisch manifestiert sich die Ar- thritis meist erst Wochen und so- gar Monate nach dem Auftreten der Allgemeinsymptome, wobei ein schleichender Beginn mit polyarti- kulär-symmetrischem Befall unter Bevorzugung der kleineren Gelen- ke charakteristisch ist. Die Finger- grund- und -mittelgelenke sind pri- mär vor allem vom Krankheitspro- zeß betroffen, während die Finger- endgelenke im Gegensatz zur Ar- thritis psoriactica und natürlich auch der Polyarthrose zunächst verschont bleiben.

In einem recht hohen Prozentsatz (15 bis 30 Prozent) beginnt die Krankheit aber akut. Dann werden oft die großen Gelenke — vor al- lem die Kniegelenke — asymme- trisch befallen, so daß Verwechs- lungen beispielsweise mit rheuma- tischem Fieber oder Infektarthriti- den vorkommen. Bei fünf bis acht Prozent der Patienten beginnt der Prozeß monartikulär und muß dann

differentialdiagnostisch insbeson- dere gegenüber einer Gicht, einer Chondrokalzinose und einer bakte- riellen Arthritis abgegrenzt werden.

Entsprechend dem schleichenden Beginn sind die Symptome der Ge- lenkentzündung bei den meisten Patienten zunächst sehr diskret.

Anfänglich weisen nicht selten nur subjektive Beschwerden, wie transitorische Arthralgien, eine Morgensteifigkeit sowie ein Schwellungs- und Hitzegefühl der Gelenke auf die Arthritis hin. All- mählich nehmen die Beschwerden zu, die Schmerzen sind jetzt dau- ernd vorhanden, akzentuiert treten sie am Morgen zusammen mit der Morgensteifigkeit auf. Darüber hin- aus entwickelt sich oft eine mehr oder weniger ausgesprochene Kraftlosigkeit, besonders in den Händen.

Nach den klinischen Symptomen der Arthritis muß man im Initialsta- dium sorgfältig suchen. Die Ge- lenkkonturen sind zunächst nur leicht verstrichen — an den Finger- grundgelenken besonders gut in flektierter Stellung sichtbar. Die Haut über den betroffenen Gelen- ken kann leicht gerötet oder livide verfärbt, gelegentlich auch schmut- zig braun-pigmentiert sein. Palpa- torisch findet man verdickte Ge- lenkkapseln und Schwellungen des periartikulären Gewebes. Meist sind die Gelenke und ihre Umge- bung leicht überwärmt und deut- lich druckempfindlich, wobei sich die Druckempfindlichkeit an den Finger- und Zehengrundgelenken mit dem sogenannten Gänsslen- schen Handgriff*) global erfassen läßt. Frühzeitig kommt es auch zum Bewegungsschmerz der befal- lenen Gelenke, der vor allem in der Endphase der Bewegung auftritt.

Bei subtiler Untersuchung können nicht selten auch kleine Gelenk- ergüsse festgestellt werden. Die Kraftlosigkeit in den Händen kann mit einem Dynamometer bezie- hungsweise einem als Dynamome- ter benutzten Blutdruckgerät ob- jektiviert werden. Zu den Früh-

*) Handgriff: Seitliche

Kompression in Höhe der Fingergrund- bzw. Zehengrundgelenke.

1818 Heft 24 vom 12.Juni 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Abbildung 2: Chronische Polyarthritis im Frühstadium mit spindelförmiger Verdickung einzelner Fingermittelgelenke

Abbildung 3: Typische Gelenkdeformierungen der Finger bei chronischer Polyarthritis (Schwanenhalsdeformierung, ulnare Deviation)

symptomen der chronischen Poly- arthritis gehört auch das Palmar- erythmen (Tabelle 1).

Relativ frühzeitig treten schon spindelförmige Verdickungen an den Fingermittelgelenken auf (Ab- bildung 2), später kommt es zu mehr oder weniger ausgeprägten Gelenkfehlstellungen, wie sie an der Hand als ulnare Deviation und an den Fingern als Schwanenhals- und Knopflochdeformierungen be- kannt sind (Abbildung 3). Ähnliche Veränderungen sind oft auch früh- zeitig an den Zehengelenken zu finden, wobei es zu Hammerzehen und zu Luxationen der Zehen- grundgelenke mit konsekutiven Druckschädigungen der Fußsohle kommen kann. Eine Gelenkinstabi- lität durch die Zerstörung des Ge- lenkknorpels und -knochens sowie den Mitbefall des Bandapparates tritt in den verschiedensten Gelen- ken auf und ist besonders an den gewichtsbelasteten Gelenken ge- fürchtet.

Im Spätstadium der chronischen Polyarthritis entwickeln sich dar- über hinaus fibröse und knöcherne Ankylosen sowie Gelenkkontraktu- ren. Eine Stadieneinteilung der chronischen Polyarthritis entspre- chend den klinischen und rönt- genologischen Veränderungen er- laubt das in Tabelle 2 wiedergege- bene Schema.

Neben den Gelenken werden recht früh auch Sehnen, Sehnenscheiden und Bursen in den Krankheitspro- zeß einbezogen. Tendosynovitiden, vor allem an den Handgelenken, können sogar erstes Symptom der Krankheit sein; das gleiche gilt für Bursitiden. An den Sehnen können sich knotige Verdickungen entwickeln, später treten nicht sel- ten Sehnenrupturen auf, die sehr leicht an der plötzlichen Unfähig- keit zur aktiven Durchführung be- stimmter Bewegungen bei erhalte- ner passiver Beweglichkeit zu er- kennen sind. Ursache dieser Rup- turen sind rheumatische Verände- rungen in der Sehne selbst sowie Sehnenschädigungen infolge einer Tendosynovitis oder mechanischer

Läsionen.

Röntgenbefunde

Der Röntgenbefund spiegelt — wenn auch mit zeitlicher Verzöge- rung — die pathologisch-anatomi- schen Veränderungen am Gelenk wider. Als erstes Zeichen des ent-

zündlichen Prozesses sieht man meist eine periostale Weichteil- schwellung mit verwaschener Ge- websstruktur. Dann kommt es in- folge der Entzündung zur gelenk- nahen Osteoporose, später durch den proliferativen Synovialprozeß

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mit der Pannusbildung und der konsekutiven Zerstörung des Ge- lenkknorpels und -knochens zur Gelenspaltverschmälerung und zur Knochenusurierung (Abbildung 4). Die sich im Spätstadium entwik- kelnden Gelenkversteifungen las- sen sich röntgenologisch in fibröse und knöcherne Ankylosen trennen.

Organmanifestationen

Neben den genannten Gewebs- strukturen werden häufig auch an- dere Gewebe beziehungsweise Or- gane und Organsysteme vom Krankheitsprozeß betroffen; aller- dings treten die hierdurch beding- ten Symptome nur selten klinisch in den Vordergrund (Tabelle 3). Als Ursache der Organmanifestation kommen vor allem spezifische Ver- änderungen in Form von Rheuma- knoten und Angiitiden in Frage.

Haut

Häufigste Veränderungen an der Haut sind Atrophien, die sich be- sonders über den befallenen Ge- lenken ausbilden und oft schon im Anfangsstadium vorhanden sind.

Später können sich ausgedehntere Hautatrophien, vor allem an den Akren, entwickeln. Zu den Früh-

symptomen der Krankheit gehört auch das schon erwähnte Palmar- erythem. Im späteren Verlauf ent- wickeln sich gelegentlich als Aus- druck von Angiitiden blande Ulzera oder auch nur kleine Nekrosen, die vor allem an den Fingerkuppen lo- kalisiert sind (Abbildung 5). In der Subkutis treten, besonders bei pro- gredientem Krankheitsverlauf, bei 15 bis 20 Prozent der Patienten lin- sen- bis pflaumengroße Rheuma- knoten auf. Sie sind von derber Konsistenz und meist an den Streckseiten der Ellbogen- und Fin- gergelenke, Ferse und Hinterhaupt lokalisiert (Abbildung 6).

Muskulatur

Sehr früh kommt es auch zu Verän- derungen der Muskulatur, und zwar zu Atrophien besonders der klei- nen Handmuskeln mit den charak- teristischen muschelförmigen Ex- kavationen am Handrücken. Später können auch größere Muskelparti- en atrophieren. Diese Veränderun- gen sind meist durch Inaktivität und trophische Störungen bedingt;

nur selten sind eine begleitende Myositis, arteriitische Prozesse oder neurogene Schädigungen die Ursachen. Differentialdiagnostisch muß bei entsprechender Anamnese auch an eine Kortikosteroid-Myo- pathie gedacht werden.

Nervensystem

Relativ häufig sind auch Neuropa- thien, die entweder durch Arteriiti- den der Vasa nervorum oder durch Kompression peripherer Nerven in- folge entzündlicher Schwellungen zustande kommen. Häufigstes Kompressionssyndrom ist das Car- paltunnelsyndrom mit einer Läsion des Nervus medianus. Arteriitische Neuropathien manifestieren sich vor allem in Form einer Mononeuri- tis multiplex mit sensiblen und/oder motorischen Ausfällen am Nervus ulnaris, radialis, medianus und ti- bialis posterior.

Das zentrale Nervensystem wird von einer chronischen Polyarthritis nur selten betroffen. Kompressi- onsschädigungen der Medulla kön- nen infolge einer Dorsalluxation des Dens epistropheus bei Schädi- gung des Ligamentum transver- sum des Atlas auftreten.

Herz

Veränderungen am Herzen werden vor allem pathologisch-anatomisch häufiger nachgewiesen, klinisch bleiben sie meist stumm, selbst wenn ausgedehntere rheumatische Prozesse vorliegen. Durch Koro- nariitiden und Rheumaknoten im Herzmuskel kann es zu Reizbil-

Tabelle 2: Stadieneinteilung der chronischen Polyarthritis nach Steinbrocker et al.

Stadien

Röntgenbefunde Osteoporose Destruktive

Knorpel- und Knochenver- änderungen

Muskel- atrophie

Extraartikuläre Läsionen (Knoten, Ten- dovaginitiden)

Gelenk- deformitäten

Ankylosen knöchern oder

bindegewebig

0 0 0 0 0

(+) (+) (+)

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III

(+)

IV

(+)

0

1820 Heft 24 vom 12.Juni 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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dungs- und Reizleitungsstörungen, aber auch zu Herzinfarkten kom- men; Vitien, besonders Aortenviti- en, sind sehr selten.

Lunge

Im Bereich der Lunge kommen dif- fuse interstitielle Fibrosen und auch Rheumaknoten vor, wobei letztere röntgenologisch als Rund- herde imponieren. Besonders aus- geprägte knotenförmige Lungen- verdichtungen finden sich bei gleichzeitiger Silikose und anderen Pneumokoniosen (Caplansyndrom), offensichtlich als Ausdruck einer modifizierten Staubreaktion. Am oberen Respirationstrakt treten La- ryngitiden und Bronchitiden, vor al- lem bei einem zusätzlichen Sjö- grensyndrom, infolge verminderter Schleimsekretion auf. Pleuritiden werden häufiger bei Männern be- obachtet und können sogar ein Frühsymptom der chronischen Po- lyarthritis darstellen.

Gastrointestinaltrakt

Im Gastrointestinaltrakt kann es durch Arteriitiden zu lokalen Ne- krosen mit ihren Folgen kommen.

Viel häufiger bilden sich im Magen- Darm-Trakt Ulzerationen und Ent- zündungen, die durch Medikamen- te ausgelöst werden. An Leber und Nieren lassen sich im allgemeinen nur unspezifische Veränderungen nachweisen.

Bei exakter Untersuchung findet man sehr häufig Milz- und Lymph- knotenvergrößerungen als Aus- druck einer Hyperplasie des retiku- loendothelialen Systems. Beim Fel- tysyndrom tritt der Milztumor ne- ben einer Leukopenie besonders deutlich in Erscheinung, während beim Chauffard-Ramond-Syndrom die vergrößerten Lymphknoten im Vordergrund stehen.

Augen

An den Augen kommt es recht häu- fig zu entzündlichen Veränderun- gen der verschiedenen Abschnitte,

Abbildung 4: Typische röntgenologische Gelenksveränderungen bei chroni- scher Polyarthritis im fortgeschrittenen Stadium

[ Tabelle 3: Viszerale Beteiligung bei chronischer Polyarthritis

O Kutis und Subkutis Atrophien, Rheumaknoten, Nekrosen und Ulzerationen

O Gefäße Vaskulitiden, besonders Arteriitiden O Muskulatur Muskelatrophien (durch Inaktivität,

trophisch, neurogen, medikamentös), Myositis

O Nervensystem Neuropathien (durch Vaskulitiden und Kompressionen),

Enzephalitis, Myelitis O Herz Endo-, Myo- und Perikarditis

Valvulitis

O Lunge Interstitielle Fibrosen, Rheumaknoten

O Pleura Pleuritis

• Retikuloendo- Generalisierte Lymphadenopathien, theliales System Splenomegalien

O Augen Uveitis Iridozyklitis,

Chorioiditis) Skleritis, Episkleritis, Scleromalacia perforans

O Magen/Darm Ulzerationen

(Vaskulitiden, Medikamente) 0 Leber Reaktive Hepatitiden

O Nieren Glomerulitis, nephrotische Syndrome In den verschiedensten Organen kann sich eine sekundäre Amyloi- dose manifestieren.

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vor allen Dingen zu Iritiden, Irido- zyklitiden, Skleritiden und Episkle- ritiden. Als fatalste Komplikation ist die Skleromalacia perforans zu nennen. Beim Sjögrensyndrom ent- wickelt sich die bekannte Kerato- conjunctivitis sicca.

Zusätzliche Organveränderungen

Abschließend sei noch die Amyloi- dose erwähnt, die bei zwei bis 20 Prozent der Fälle als Folgeerschei- nung der chronischen Polyarthritis auftritt und zusätzliche Organver- änderungen und Symptome be- dingt, wie etwa ein nephrotisches oder ein Malabsorptionssyndrom.

Diagnostiziert wird die Amyloidose am besten durch die Rektumbiop- sie.

Laboruntersuchungen

Mit den Laboruntersuchungen kann einmal die entzündliche Akti- vität der Krankheit bestimmt und zum anderen der Nachweis der für die chronische Polyarthritis charak- teristischen Immunphänomene ge- führt werden.

Der entzündliche Prozeß im allge- meinen läßt sich am einfachsten

mit der Blutsenkungsgeschwindig- keit erfassen. Sie ist bei der chro- nischen Polyarthritis auch im Früh- stadium meist schon deutlich er- höht und erleichtert damit die Dif- ferenzierung gegenüber degenera- tiven Gelenksaffektionen. Darüber hinaus spiegelt sie die Prozeßakti- vität im Verlauf der Erkrankung wi- der und eignet sich damit auch für die Beurteilung des Therapieeffek- tes.

Neben der Blutsenkung können auch andere Parameter zur Beur- teilung der Aktivität der chroni- schen Polyarthritis herangezogen werden, insbesondere die Elektro- phorese, die meist eine Alphaglo- bulinvermehrung, bei länger dau- ernder Erkrankung auch eine sol- che der Gammaglobuline erkennen läßt. Einen subtileren Einblick in die Aktivität ergibt die isolierte Be- stimmung der sogenannten akuten Phase-Proteine, also unterschiedli- cher al-Globuline (zum Beispiel Antitrypsin) und a2-Globuline, ins- besondere des a2-Haptoglobins und a2-Coeruloplasmins, weiterhin des C-reaktiven Proteins.

Auch die Erniedrigung des Serum- eisens und die Erhöhung des Se- rumkupfers zeigt die Aktivität der

Krankheit sehr gut an. Die meist zu beobachtende hypochrome An- ämie ist ebenfalls für die aktive chronische Polyarthritis charakteri- stisch, spiegelt aber den Wechsel in der Aktivität des Prozesses we- niger deutlich als die genannten Parameter wider. Im weißen Blut- bild beobachtet man nur relativ selten stärkere Leukozytosen, gele- gentlich — insbesondere bei Milz- tumoren — kommen auch Leuko- penien vor.

Für die Diagnose wichtiger, als die genannten Untersuchungen, ist der Nachweis der Rheumafaktoren, die bei chronischer Polyarthritis in etwa 80 Prozent der Fälle vorhan- den sind und mit verschiedensten Methoden, wie der Waaler-Rose- schen Hämagglutinationsreaktion sowie dem Latex-Fixations- bezie- hungsweise dem Latex-Tropfen- Test erfaßt werden. Es darf aber nicht vergessen werden, daß diese Anti-IgG-Faktoren auch bei ande- ren rheumatischen und nichtrheu- matischen Erkrankungen und so- gar bei gesunden Personen, insbe- sondere im höheren Lebensalter, auftreten können; im Anfangssta- dium der chronischen Polyarthritis fehlen sie dagegen häufig. Dies zeigt deutlich, daß Laborbefunde

Tabelle 4: Befunde im Gelenkpunktat bei verschlOdenen Erkrankungen

chronische Polyarthritis

Art der Krankheit

bakteriell Gicht und Reizerguß Chondro- bei Arthrosen kalzinose

Gelenk- blutung Gelenkpunktat

Farbe Viskosität Mucin-Clot-Test Zellzahl (Leukozyten) Lysosomale Enzyme Quotient

Komplement/Eiweiß Immunkomplexe Kristalle

Bakterien

gelb gelb—trüb gelb hellgelb

4,

(+) —

n — n —(t)

0

0

blutig n n n (1`)

n n

0 0 0

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Abbildung 5: Nekrose im Bereich chronischer Polyarthritis

nur unter Berücksichtigung des kli- nischen Bildes beurteilt werden dürfen.

Bei der chronischen Polyarthritis ist der Rheumafaktornachweis nicht nur ein diagnostisches, sondern auch ein prognostisches Kriterium.

Hohe Titer signalisieren im allge- meinen eine progrediente Entwick- lung der Krankheit, während die sogenannten seronegativen Fälle häufiger einen gutartigen Verlauf nehmen.

Auch antinukleäre Faktoren treten bei chronischer Polyarthritis in ei- nem hohen Prozentsatz (20 bis 50 Prozent) auf, meist aber in niedri- gen Titerwerten. Zudem unter- scheiden sich diese antinukleären Antikörper von den beim Lupus erythematosus disseminatus nach- weisbaren durch ihre meist fehlen- de Bindung der dritten Komplement- komponente. Treten Schwierigkei- ten bei der Differenzierung beider Krankheitsbilder auf, sollte man noch eine Bestimmung der DNS- Antiköper vornehmen, die bei chro- nischer Polyarthritis im Gegensatz zum Lupus erythematosus dissemi- natus meist fehlen.

Weitere serologische Untersuchun- gen sind nur in seltenen Fällen für die Differenzierung der chroni- schen Polyarthritis notwendig; ins- besondere ergibt die Bestimmung von Streptokokkenantikörpern (zum Beispiel Antistreptolysin-0-Ti- ter) meist keine zusätzlichen Auf- schlüsse, denn die Unterscheidung zwischen chronischer Polyarthritis und rheumatischem Fieber ist in der Regel schon klinisch möglich.

Wichtige diagnostische Hinweise kann noch die Untersuchung der Gelenkflüssigkeit ergeben (Tabelle 4). Einmal läßt die Synovia bei chronischer Polyarthritis die Zei- chen der Entzündung erkennen, wie sie auch bei anderen entzünd- lichen Gelenkserkrankungen nach- weisbar sind — also Verminderung der Viskosität, positiver Mucintest, erhöhte Zellzahl und erhöhter Spiegel verschiedener, insbeson- dere lysosomaler Enzyme. Zusätz-

lich kann man eine im Verhältnis zum Eiweißgehalt verminderte Komplementaktivität und gegebe- nenfalls auch Rheumafaktoren nachweisen. Weiterhin lassen sich immunfluoreszenzmikroskopisch in den Zellen der Synovia Immunkom- plexe darstellen. Bei unklaren Fäl- len ist auch auf das Vorkommen von Bakterien sowie Urat- und Py- rophosphatkristallen zu achten, um die chronische Polyarthritis von bakteriellen und Kristallarthritiden abzugrenzen.

Zur histologischen Untersuchung kann Synovialgewebe mit entspre- chenden Biopsienadeln — am be- sten während der Arthroskopie — entnommen werden. In diesem Ge- webe sind bei chronischer Polyar- thritis vor allem Proliferationen der synovialen Deckschicht, lympho- plasmazelluläre Infiltrationen, mög- licherweise auch Lymphfollikel und fibrinoide Nekrosen zu erkennen;

letztere sind für chronische Polyar- thritis typisch und auch in den Rheumaknoten nachzuweisen. 1>

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[

Tabelle 5: Diagnostische Kriterien der chronischen Polyarthritis (nach American Rheurnatism-Association)

---,-7,--,

1 Morgensteifigkeit der Gelenke > 30 Minuten.

2 Bewegungs- und Druckschmerz wenigstens eines Gelenks.

3 Durch Weichteilverdickung oder Erguß bedingte Schwellung in wenigstens einem Gelenk.

4 Schwellung wenigstens eines weiteren Gelenks. (Symptomfreies Intervall zwischen den beiden Gelenkaffektionen < 3 Monate).

5 Bilateral-symmetrische Gelenkschwellungen (nicht Fingerendge- lenke; in den Fingergrund- und -mittelgelenken sowie den Zehen- grundgelenken ist keine absolute Symmetrie erforderlich).

— Kriterien 1 bis 5 müssen mindestens über sechs Wochen vor- handen sein

6 Subkutane Knoten über Knochenvorsprüngen und den Strecksei- ten der Gelenke.

7 Für die chronische Polyarthritis typische Röntgenbefunde.

8 Rheumafaktornachweis mit einer Methode, die beim Gesunden in < 5 Prozent positiv ausfällt.

9 Gelenkpunktat: Pathologische Mucinpräzipitation.

10 Charakteristische histologische Veränderungen der Synovialis.

11 Charakteristische histologische Veränderungen in den subkuta- nen Knoten.

— Mindestens 3 Kriterien: „wahrscheinliche" chronische Polyar- thritis

- Mindestens 5 Kriterien: „definitive" chronische Polyarthritis - - Mindestens 7 Kriterien: „klassische" chronische Polyarthritis —

Tabelle 6: Gegenüber der chronischen Polyarthritis abzugrenzende Erkrankungen (in Anlehnung an die Ausschlußkriterien der Ameri can Rheumatism-Association)

1 Lupus erythematosus disseminatus 2 Periarteriitis nodosa

3 Dermatomyositis

4 Progressive Sklerodermie 5 Rheumatisches Fieber 6 Gicht und Pseudogicht

7 Mikrobiell bedingte (infektiöse) Arthritiden

8 Para- und postinfektiöse Arthritiden (Rheumatoide) 9 Allergische Arthritiden

10 Sarkoidose, besonders Löffgren-Syndrom 11 Psoriasisarthritis

12 Morbus Reiter

13 Arthropathien bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn 14 Spondylarthritis ankylopoetica

15 Morbus Behcet

16 Osteoarthropathie hypertrophiante pneumique

17 Leukämien, Plasmozytom und andere maligne Erkrankungen 18 Antikörper-Mangelsyndrome

19 Algodystrophien

20 Neurogene Arthropathien

21 Degenerative Gelenkserkrankungen 22 Periarthritiden

23 Psychogene Arthropathien

Diagnoseschema

Da praktisch alle der hier erwähn- ten Befunde keine Spezifität für die chronische Polyarthritis haben, reicht ein Einzelbefund zur Diagno- se dieser Krankheit in der Regel nicht aus; vielmehr kann eine exak- te Diagnose nur beim Zusammen- treffen mehrerer Kriterien gestellt werden. Von der American Rheu- matisrn-Association wurde deshalb ein Schema ausgearbeitet, das ver- schiedene charakteristische Sym- ptome enthält, die im Einzelfall, je nach vorhandener Zahl, eine mehr oder weniger sichere Diagnose er- lauben. Nach diesem Schema (Ta- belle 5) kann eine „wahrscheinli- che" chronische Polyarthritis dia- gnostiziert werden, wenn minde- stens drei der elf aufgeführten Kri- terien vorhanden sind, während eine „definitive" chronische Poly- arthritis bei fünf und eine „klassi- sche" chronische Polyarthritis bei sieben der aufgezeichneten Krite- rien angenommen werden kann.

Wird das Schema verwendet, müs- sen selbstverständlich verschiede- ne andere Krankheitsbilder ausge- schlossen werden, die zumindest klinisch eine ähnliche Symptomatik hervorrufen und deshalb bei der Differentialdiagnose der chroni- schen Polyarthritis berücksichtigt werden müssen (Tabelle 6).

Wenn auch das Schema den Klini- ker nicht voll befriedigt, kann es doch als Hilfsmittel für die Diagno- stik gelten. Es enthebt aber nicht von der Pflicht, nach weiteren Symptomen zu suchen, um die Dia- gnose der chronischen Polyarthri- tis exakt und möglichst früh zu stellen und eine frühzeitige Thera- pie einzuleiten.

Anschriften der Verfasser:

Professor Dr. med. Wolfgang Müller Rheumatologische

Universitätsklinik CH-4055 Basel Burgfelderstraße 101

Dr. med. Hans-Jürgen Hettenkofer Evangelisches Krankenhaus Medizinische Abteilung 43 Essen-Werden Pattbergstraße 1

1824 Heft 24 vom 12. Juni 1975 DEUTSCHES ÄRZTE BLATT

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