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Archiv "Die Lyme-Arthritis: Klinik, Diagnose und Therapie" (30.01.1998)

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(1)

in gehäuftes Vorkommen von Arthritiden bei Kindern wurde 1975 im Bezirk Lyme, im US- Bundesstaat Connecticut, beschrie- ben und als Lyme-Arthritis bezeichnet (51). Wenig später stellte sich heraus, daß die Lyme-Arthritis nur eine Mani- festation dieser komplexen Erkran- kung darstellt, die auch dermatologi- sche, neurologische, kardiologische und ophthalmologische Symptome verursachen kann (52). Borrelia burg- doferi, eine von Zecken übertragene Spirochäte, wurde als Erreger identifi- ziert (5). Die vorliegende Übersicht wird ausschließlich die Lyme-Arthritis behandeln. Bezüglich anderer klini- scher Manifestationen der Lyme-Bor- reliose wird auf andere Übersichten verwiesen (16, 17, 36, 44).

Mikrobiologie, Übertragung und Epidemiologie

B. burgdorferi sensu lato, der Er- reger der Lyme-Borreliose, wird heute in verschiedene Spezies eingeteilt, von denen B. burgdorferi sensu stricto, B.

garinii und B. afzelii eine Lyme-Borre- liose beim Menschen verursachen können (3, 4, 57). Es bestehen An- haltspunkte dafür, daß verschiedene Spezies bevorzugt verschiedene Mani-

festationen der Lyme-Borreliose her- vorrufen (2, 8, 55). B. burgdorferi wird von Schildzecken (in Europa Ixodes ricinus) übertragen. Die meisten Pati- enten werden von Ende Mai bis Ende Juli von Ixodes-Nymphen infiziert.

Seltener erfolgen Infektionen im Herbst oder sogar an warmen Winter- tagen, wenn adulte Zecken ihre Blut- mahlzeiten nehmen. In Europa und Nordamerika ist die Lyme-Borreliose die häufigste durch Arthopoden über- tragene Infektionskrankheit. In Deutschland wird die Inzidenz des Erythema migrans auf 2 bis 32 pro 100 000 und die Prävalenz aller Stadi- en auf etwa 50 bis 100 pro 100 000 Ein- wohner geschätzt (19), neuere Studien gehen sogar von einer Inzidenz von über 100/100 000 aus (24a).

Klinik

Zur Beschreibung des klinischen Verlaufes wird häufig eine Klassifika- tion der Lyme-Borreliose in drei Sta- dien verwandt (Textkasten: Klinische

Stadien) (46). Eine solche Einteilung ist notwendigerweise künstlich: Bei einzelnen Patienten können sich er- hebliche Überschneidungen zwischen den einzelnen Stadien ergeben.

Außerdem kann ein Patient eines oder mehrere dieser Stadien sym- ptomlos durchlaufen, so daß sich die Erkrankung erst im fortgeschrittenen Stadium erstmals klinisch manifestiert.

So erinnern sich nur etwa ein Drittel aller Patienten mit Lyme-Arthritis an einen Zeckenstich oder ein vorange- gangenes Erythema migrans.

1Die lokale Infektion (Stadium I) zeigt sich in Form des Erythema mi- grans (EM), ein sich zentrifugal aus- breitendes, ringförmiges Erythem mit zentraler Abblassung, das meist etwa eine bis vier Wochen nach dem Zeckenstich auftritt. Unter antibioti- scher Therapie verschwindet das EM innerhalb weniger Tage, aber auch unbehandelt bildet es sich im Verlaufe einiger Tage bis Wochen zurück. Aus- gehend von dieser Hautläsion kommt es zur meist hämatogenen Dissemina- tion der Erreger mit konsekutivem Befall verschiedener Organe.

1Die rheumatologischen Früh- symptome (Stadium II) von seiten des Bewegungsapparates sind in dieser Phase typischerweise flüchtig und äußern sich durch „wandernde“, zum Teil heftige Arthralgien und Myalgi-

Die Lyme-Arthritis

Klinik, Diagnose und Therapie

Thomas Kamradt

1,2

Andreas Krause

1

Susanne Priem

1

Gerd-Rüdiger Burmester

1

Stichwörter: Lyme-Borreliose, Borrelia burgdorferi, Arthritis, Multi-Systemerkrankung, Antibiotika-Therapie Die Lyme-Borreliose wird durch eine Infektion mit der von Zecken übertragenen Spirochäte Borrelia burgdorferi verur- sacht. Es handelt sich um eine Multi-Systemerkrankung, die vor allem an Haut, Nervensystem, Muskeln und Gelenken Symptome verursacht. Die Lyme-Arthritis ist eine häufige Ma- nifestation der Lyme-Borreliose. Durch adäquate antibiotische Therapie werden etwa 90 Prozent der Patienten geheilt. Dia-

gnostische Probleme ergeben sich aus der teilweise unspezifischen klinischen

Symptomatik und der oftmals schwierigen Interpretation sero- logischer Befunde. Dies hat zu einer erheblichen Verunsiche- rung bezüglich der Häufigkeit chronischer Verläufe der Lyme- Borreliose geführt. In der vorliegenden Übersicht werden die gesicherten Erkenntnisse zur Diagnose, Klinik und Therapie der Lyme-Arthritis dargestellt und Richtlinien für eine ratio- nelle Diagnostik und Therapie gegeben.

ZUSAMMENFASSUNG

Key words: Lyme disease, Borrelia burgdorferi, arthritis, multisystemic disease, antibiotic therapy

Lyme disease is a multisystem disorder caused by the tick-borne spirochetes Borrelia burgdorferi, B. garinii and B. afzelli. The disease affects primarily the skin, nervous system, heart, and joints and is the most common vector transmitted disease in the Northern hemisphere. Most patients with Lyme disease are

cured by antibiotic therapy. However, the clinical spectrum of Lyme arthritis ranges from self-limiting

disease to antibiotic-resistant chronic arthritis. Diagnosis can be difficult due to the sometimes non-specific clinical symptoms and the complicated interpretation of serological test-results.

Here we review the current knowledge and make recommen- dations for the diagnosis and treatment of Lyme arthritis.

SUMMARY

E

1 Universitätsklinikum Charité, Medizinische Universitätsklinik und Poliklinik III, Rheumatolo- gie und Klinische Immunologie (Direktor: Prof.

Dr. med. Gerd-Rüdiger Burmester), Berlin

2 Deutsches Rheumaforschungszentrum (Direk- tor: Prof. Dr. rer. nat. A. Radbruch), Berlin

(2)

en, die jeweils wenige Stunden bis ei- nige Tage lang anhalten. Gelenk- schwellungen werden in diesem Stadi- um nur selten beobachtet.

1Lyme-Arthritis (Stadium III):

Etwa 60 Prozent der unbehandelten Patienten mit Erythema migrans er- kranken im weiteren Verlauf an einer Arthritis, wie Beobachtungen des Spontanverlaufes der Lyme-Borrelio- se vor Entdeckung des Erre- gers zeigten (53). Die Arthri- tis trat bei diesen Patienten im Mittel sechs Monate nach der Infektion auf (Extremwerte:

vier Tage, zwei Jahre). Typi- scherweise handelte es sich bei der Lyme-Arthritis um ei- ne rezidivierende Mono- oder Oligoarthritis, hauptsächlich der großen Gelenke im Be- reich der unteren Extremitä- ten. Bei fast allen Patienten wird im Verlaufe der Erkran- kung ein Kniegelenk befallen.

Ähnlich dem Stadium II kön- nen aber auch nur heftige Ar- thralgien ohne erkennbare Sy- novitiden bestehen. Ein sym- metrischer Befall kleiner Ge- lenke wie bei der rheumatoi- den Arthritis ist selten. Durch adäquate antibiotische Thera- pie werden etwa 90 Prozent der Patienten geheilt. Bei et- wa 10 Prozent der Patienten dauert die Arthritis trotz Be- handlung jedoch ein Jahr oder länger. Dieses Krankheitsbild wird als chronische Lyme-Ar- thritis bezeichnet. Aber auch die chronische Lyme-Arthritis heilt meist im Laufe mehre- rer Jahre spontan aus. Bei ei- nigen dieser Patienten kön- nen jedoch Erosionen ra- diologisch nachweisbar wer- den, die in seltenen Fällen zu dauerhaften Gelenkschäden führen (53).

1 Sonstige rheumatologische Manifestationen der Lyme-Borrelio- se: B. burgdorferi kann gelegentlich eine Daktylitis, Bursitis oder Myositis verursachen (32, 35, 41). Darüber hin- aus gibt es Fallbeschreibungen über Tenosynovitis (20), Fasziitis (25), dermatomyositisartige Verläufe (22, 23), Osteomyelitis (26, 38) und Panni- culitis (31).

Diagnose

Zur Diagnose der Lyme-Arthri- tis gehören eine Expositionsanamne- se sowie das oben beschriebene klini- sche Bild und der Nachweis von IgG- Antikörpern gegen B. burgdorferi.

Auffällig ist, daß die humoralen Ent- zündungsparameter wie Blutsen- kungsgeschwindigkeit und C-reakti-

ves Protein oft nur gering oder über- haupt nicht erhöht sind.

Keine der im folgenden disku- tierten Labormethoden hat sich bis- lang als Goldstandard etablieren können; alle Labormethoden sind mit erheblichen Unsicherheiten be- haftet und daher starken Schwankun- gen in der Qualität ihrer Durch- führung von Labor zu Labor unter-

worfen (42). Ein positiver serologi- scher Befund allein kann die Diagno- se einer Lyme-Borreliose nicht si- chern.

Serologie

Etwa zwei bis vier Wochen nach dem EM können IgM-Antikörper und nach etwa vier bis acht Wochen auch IgG-Antikörper gegen B. burgdorferi nachgewie- sen werden. Die IgM-Ant- wort wird normalerweise im Verlauf einiger Monate schwächer; bei manchen Pati- enten bleibt sie jedoch beste- hen oder erscheint, nach vorübergehender Rückbil- dung, erneut. Bei Patienten mit chronischer Lyme-Borre- liose, insbesondere Patienten mit Lyme-Arthritis, finden sich normalerweise hochtitrig IgG-Antikörper gegen zahl- reiche B.-burgdorferi-Anti- gene (10). Ein negativer sero- logischer Befund bei einem Patienten mit einer Arthritis hat somit eine ganz an- dere Aussagekraft als bei ei- nem Patienten mit einem Erythem. Nach erfolgreicher Therapie fallen die IgG-Titer sehr langsam, über Monate und Jahre, ab, um dann nied- rigtitrig zu persistieren. Ab- weichungen von diesem typi- schen Verlauf werden jedoch beobachtet, so daß eine kriti- sche Beurteilung aller erho- benen Befunde bei jedem Pa- tienten notwendig ist. Zum Antikörpernachweis werden heute im allgemeinen sensiti- ve ELISA als Suchtest einge- setzt und die positiven Befun- de mit dem Immunoblot überprüft (Grafik)(9).

1ELISA: ELISA sind die am häufigsten eingesetzten sero- logischen Tests zur Diagnose der Ly- me-Borreliose. Leider gibt es bislang noch keine allgemeinverbindlichen Standards. Die Sensitivität und Spezi- fität der ELISA schwanken erheblich, abhängig unter anderem von dem Sta- dium der Erkrankung, dem eingesetz- ten Testverfahren, dem Labor, in dem die Untersuchung durchgeführt wird Klinische Stadien

der Lyme-Borreliose Stadium I: frühe lokalisierte Infektion

Erythema migrans (EM) Konstitutionelle Symptome („Sommergrippe“)

Stadium II: frühe disseminierte Infektion Hautmanifestationen

l sekundäre EM Läsionen (selten) l Lymphadenosis cutis benigna

(Lymphozytom)

Neurologische Manifestationen l Meningitis

l Enzephalitis

l Hirnnervenlähmung (vor allem Nervus VII) l Radikuloneuropathie Kardiale Manifestationen l Karditis mit AV-Block

Rheumatologische Manifestationen l Myalgien

l Arthralgien l Arthritis

Stadium III: persistierende Infektion

Rheumatologische Manifestationen l Arthritis

l Myositis

Neurologische Spätmanifestationen l periphere Neuropathie

l subakute Enzephalopathie l progressive Enzephalomyelitis Dermatologische Spätmanifestation l Acrodermatitis chronica atrophicans

(3)

und der seroepidemiologischen Situa- tion. Testergebnisse verschiedener Labors sind somit meist nicht ver- gleichbar. Im Stadium II der Lyme- Borreliose sollten sowohl die Spezi- fität als auch die Sensitivität der IgG- ELISA bei über 90 Prozent liegen.

1 Western Blot: Der Immuno- blot wird meist zur Bestätigung positi- ver ELISA-Befunde durchgeführt.

Mit Immunoblots können Spezifitä- ten von 95 bis 100 Prozent erreicht werden. Ebenso wie beim ELISA be- steht jedoch das große Problem der

fehlenden Standardisierung. In einer erst kürzlich publizierten Studie wur- den Sera europäischer Patienten mit Lyme-Borreliose unter Verwendung von Immunoblots mit verschiedenen Stämmen von B. burgdorferi unter- sucht und neue Interpretationskriteri- en für die europäische Situation vor- geschlagen (Tabelle 1)(21). Inwieweit sich diese Kriterien in der Serodia- gnostik der Lyme-Arthritis bewähren werden, bleibt abzuwarten. Ähnliches gilt auch für den Western Blot mit re-

kombinanten Antigenen von B. burg- dorferi, der in einigen Labors verwen- det wird und dessen Stellenwert im Vergleich zum Vollantigen-ELISA noch ermittelt werden muß.

1Seronegative Lyme-Arthritis:

Nur in sehr seltenen Fällen, meist wenn Patienten unmittelbar nach der Infektion mit B. burgdorferi antibio- tisch oder immunsuppressiv behan- delt werden, sind keine Antikörper gegen B. burgdorferi nachweisbar (33, 48). Die klinischen Beschwerden dieser Patienten sind häufig untypisch

und geringer ausgeprägt als bei Pati- enten mit klassischer Lyme-Arthritis.

Eine seronegative (chronische) Lyme-Arthritis ist somit eine äußerst selten zu stellende Ausschlußdiagno- se, die letztlich nur in Zusammenar- beit mit einem spezialisierten Zen- trum gestellt werden sollte (10, 12).

1Kritische Beurteilung serolo- gischer Befunde: Ein Problem serolo- gischer Untersuchungen ist, daß sie nicht zwischen aktiver Infektion und

„Seronarbe“ unterscheiden. Sero-

logische Untersuchungen sollten nur bei begründetem klinisch/anamnesti- schen Verdacht auf Lyme-Borreliose und nicht im Rahmen eines Scree- ning-Programms ungezielt durchge- führt werden. In der Praxis ergeben sich häufig Probleme, wenn Patien- ten, die überzeugt davon sind, an Lyme-Borreliose zu leiden, sich wie- der und wieder in verschiedenen La- bors testen lassen. Wenn genügend viele Tests durchgeführt werden, ist es wahrscheinlich, daß irgendwann ein meist niedrigtitriger positiver Befund erhoben wird. Besondere Vorsicht ist daher bei der Beurteilung eines ein- zelnen positiven Testes in einer lan- gen Reihe negativer Testresultate ge- boten. Eine Interpretation der serolo- gischen Befunde ist nur in Zusam- menhang mit dem klinischen Bild möglich.

Polymerase-Kettenreaktion Der Nachweis von Antikörpern gegen B. burgdorferi ist nicht mit dem Nachweis einer aktiven Infektion gleichzusetzen. Durch die Möglich- keit des direkten, sensitiven Nachwei- ses von B. burgdorferi hat sich die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) in den letzten Jahren als sensitives und spezifisches diagnostisches Instru- ment erwiesen (39). Diese Methode ist jedoch aufwendig und durch die hohe Sensitivität äußerst anfällig für falsch-positive Resultate. Die PCR kann in Nukleinsäure-Präparationen von Synovialflüssigkeit, Urin, Liquor oder Gewebeproben durchgeführt werden. Sofern die Proben sach- gemäß gewonnen und transportiert werden und die Analyse in einem er- fahrenen Labor durchgeführt wird, kann ein positives PCR-Ergebnis als sehr gute Evidenz für das Vorliegen einer Lyme-Borreliose angesehen werden. Obwohl die Methode nur die DNA und nicht vitale Erreger nach- weist, wird ein positiver Befund der- zeit bei entsprechender klinischer Symptomatik als Behandlungsindika- tion gewertet. Einschränkend muß je- doch gesagt werden, daß auch ein po- sitiver PCR-Befund allein eine Lyme- Borreliose nicht nachweist. Auch bei seropositiven Gesunden kann die Borrelien-PCR positiv als Hinweis auf eine asymptomatische Infektion

negativ positiv

Stufenschema zur Durchführung der Lyme-Borreliose-Serologie

Bei Frage nach dem Frühstadium einer Lyme-Borreliose

Bei Frage nach dem Spätstadium einer Lyme-Borreliose

Bestätigungstest (Immunoblot) eventuell Lues-Serologie

Kontrolle in 4 Wochen bei anhaltendem klinischen Verdacht

Keine Lyme-Borreliose*

Diagnose in Zusammenschau mit klinischer Symptomatik Suchtest

ELISA (hohe Sensitivität)

* bezüglich seltener Ausnahmen siehe Text Grafik

(4)

ausfallen (29). Andererseits erreicht die Sensitivität je nach Material etwa 60 bis 85 Prozent, so daß eine negative PCR eine B. burgdorferi-Infektion nicht ausschließen kann (37).

Andere diagnostische Methoden

Weitere Verfahren wie direkter kultureller Erregernachweis, Anti- gennachweis im Urin oder T-Lympho- zytenproliferationsassay mit Zellen aus Blut oder Synovialflüssigkeit sind für die Routine-Diagnostik der Lyme- Borreliose derzeit nicht zu empfeh- len.

Differentialdiagnose

Patienten mit unspezifischen Myalgien oder Arthralgien werden häufig einem Rheumatologen mit der Frage nach dem Vorliegen einer Lyme-Arthritis vorgestellt. Hier ist das ganze Spektrum der möglichen Differentialdiagnosen zu beachten.

Die Diagnose Lyme-Arthritis wird oftmals bei Vorliegen unspezifischer Symptome, die auch durch eine Bor- relien-Infektion verursacht sein könnten, fehlerhaft gestellt. Verschie- dene Zentren haben festgestellt, daß nur etwa ein Drittel der Patienten, die ihnen mit der Diagnose Lyme-Borre- liose zugewiesen worden waren, tatsächlich an dieser Krankheit litten (40, 43, 54). Besonders häufige Ursa- chen einer Fehldiagnose sind das Fibromyalgie-Syndrom und das chro- nische Müdigkeitssyndrom (11, 24).

Therapie

Die gegenwärtigen Therapie- empfehlungen für EM und für Lyme- Arthritis sind in Tabelle 2 zusammen- gefaßt. Zur Therapie neurologischer, dermatologischer oder kardiologi- scher Manifestationen der Lyme-Bor- reliose sei auf andere Übersichten verwiesen (16, 36, 44).

Während das EM gut oral mit Doxyzyklin oder Amoxicillin thera- pierbar ist, gibt es keine vergleichen- den Studien oder einheitlichen Richt- linien zur Frage der oralen oder par- enteralen antibiotischen Therapie der Lyme-Arthritis. Die Mehrzahl der Pa-

tienten spricht auf eine vierwöchige orale Therapie mit 200 mg Doxyzy- klin/die an. Ob parenteral zu applizie- rende Cephalosporine der dritten Generation den oralen Antibioti- ka primär überlegen sind, ist nicht belegt. Es konnte aber gezeigt wer- den, daß Lyme-Arthritiden, die trotz Doxyzyklin-Therapie persistieren, er- folgreich mit Cephalosporinen be- handelt werden können, obwohl Stu- dien belegen, daß der Anteil an Be- handlungserfolgen mit zunehmender Erkrankungsdauer abnimmt. Zudem

gibt es Hinweise darauf, daß die oral behandelten Patienten im Verlauf häufiger eine chronische Neuroborre- liose entwickeln (50). Unseres Erach- tens ist daher ein oraler Therapiever- such nur bei Arthritis im Stadium II, bei blandem Verlauf oder reinen Ar- thralgien und zudem fehlenden Hin- weisen auf eine Neuroborreliose ge- rechtfertigt (Tabelle 2)(50). Patienten mit sehr floriden, möglicherweise schon länger bestehenden Arthriti-

den oder mit weiteren Organmanife- stationen und Patienten, die zuvor mit Steroiden, Immunsuppressiva oder erfolglos antibiotisch behandelt wur- den, sollten mit Ceftriaxon oder Cefo- taxim therapiert werden (6).

Der Therapieerfolg ist klinisch häufig erst zwei bis drei Monate nach Therapiebeginn beurteilbar. Wie schon erwähnt, sinken die Antikör- pertiter auch nach erfolgreicher Be- handlung nur langsam ab, so daß sie zur Verlaufskontrolle ungeeignet sind.

Falls drei Monate nach Beginn der an-

tibiotischen Therapie weiterhin Be- schwerden bestehen, sollte eine (zwei- te) parenterale Antibiotikabehand- lung mit Chephalosporinen erfolgen.

Dabei kann wieder auf das gleiche Präparat zurückgegriffen werden, da der zunächst mangelnde Therapieer- folg nicht auf einer Resistenzentwick- lung, sondern einer Persistenz der Er- reger in antibiotisch schwer zugängli- chen Regionen beruht. Nur selten ist ein dritter Therapiezyklus erforder- Tabelle 1

Definitionskriterien für positiven Western Blot (modifiziert nach Hauser et al. 1997)1

Spezies IgM-Antikörper IgG-Antikörper

B. burgdorferi >1 der folgenden Banden: >1 der folgenden Banden:

sensu stricto (Stamm PKa2)1

p412, p393, OspC2, p934, 58 kDa, 56 kDa, 18 kDa2, 17,3 kDa OspC, 21 kDa5, 18 kDa,

17,3 kDa

B. garinii >1 der folgenden Banden: >1 der folgenden Banden:

(Stamm PBi)1

p413, p39, OspC p934, p39, OspC, 21 kDa5, 17 kDa

B. afzelii >1 der folgenden Banden: >2 der folgenden Banden:

(Stamm Pko)1

p413, p39, OspC, p17 p934, 58 kDa, 43 kDa, p39, p30, OspC, 21 kDa5, 17 kDa, 14 kDa

1 Die hier dargestellten Kriterien sind unter Verwendung der genannten Stämme erarbeitet worden. Derzeit ist nicht sicher, daß diese Daten auch auf andere Stämme der jeweiligen Spe- zies übertragen werden können, da die Expression der genannten Proteine in verschiedenen Stämmen unterschiedlich sein kann.

2 Proteine, deren kodierende Gensequenz bekannt ist, werden mit der allgemein üblichen Bezeichnung (z. B. OspC) oder dem Präfix „p“ vor dem Molekulargewicht in Kilodalton (kDa) (z. B. p41) bezeichnet. Für Proteine, die noch nicht charakterisiert sind, wird nur das Molekulargewicht (z. B. 18 kDa) angegeben.

3 Für das p41 (Flagellin) werden häufig Kreuzreaktionen beobachtet. Daher zählt eine 41 kDa Bande nur dann als positiv, wenn sie mindestens so stark ausgeprägt ist, wie die 41 kDa Bande mit einem stark positiven Kontrollserum.

4 Auch als p83/100 bezeichnet.

5 Nicht zu verwechseln mit dem etwa in gleicher Höhe laufenden OspC!

(5)

lich beziehungsweise erfolgsverspre- chend. Der Nachweis von B.-burgdor- feri-DNA mittels PCR ist in solchen Fällen bei der Indikationsstellung hilf- reich. Zudem ist die Synovektomie zu erwägen, die, begleitet von einer Anti-

biose, zur Ausheilung der Erkrankung führen kann. Bei einer Allergie gegen Penicilline und Chephalosporine kön- nen auch Carbapeneme wie Imipe- nem oder Meropenem (Cave: selten Kreuzallergie mit anderen b-Lactam- Antibiotika) erfolgreich eingesetzt werden. Gyrasehemmer hingegen sind nicht wirksam.

Parallel werden die Patienten physiotherapeutisch und symptoma- tisch mit nichtsteroidalen Antirheu- matika behandelt. Kortikosteroide, auch lokal in betroffene Gelenke inji- ziert, sind zwar momentan wirksam, verzögern jedoch nach unserer Erfah- rung die Ausheilung und sind daher bei der Lyme-Arthritis nicht indiziert.

Gesicherte Richtlinien für die Be- handlung von Patienten mit Lyme- Borreliose, die auf die konventionelle antibiotische Therapie nicht ange- sprochen haben, können zur Zeit nicht gegeben werden. Es gibt einzel- ne Beschreibungen über die Wirk-

samkeit verschiedener, teilweise lang- fristig durchgeführter antibiotischer Therapien (15, 18, 56), aber keine kontrollierten Studien über die Wirk- samkeit wiederholter oder langfris- tiger Therapien mit Antibiotika bei

Patienten mit persistierender Lyme- Arthritis.

Es darf nicht vernachlässigt wer- den, daß die antibiotische Langzeit- therapie, insbesondere mit Cephalo- sporinen, erhebliche Risiken birgt. So wurden in einem amerikanischen Krankenhaus innerhalb von drei Jah-

ren 14 Cholezystektomien, 12 davon an Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren, durchgeführt, weil die Pati- enten nach monatelanger intrave-

nöser Ceftriaxon-Therapie aufgrund vermeintlicher chronischer Lyme- Borreliosen Cholezystitiden oder ei- ne Cholezystolithiasis entwickelt hat- ten (13). Vor der prolongierten anti- biotischen Behandlung von Patienten mit positiver Borrelien-Serologie und unspezifischen Symptomen, die auch beispielsweise mit einer Fibromyalgie vereinbar wären, ist daher dringend zu warnen. Bei Unwirksamkeit der antibiotischen Therapie ist zunächst die initiale Diagnose „Lyme-Arthri- tis“ kritisch zu überprüfen.

Therapieresistente Lyme-Arthritis oder

„Post-Lyme-Syndrom“?

Bis zu 50 Prozent der Patienten klagen nach abgeschlossener Thera- pie über unspezifische Symptome wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Myalgi- en und Arthralgien. Diese Beschwer- den sprechen auf weitere antibioti- sche Therapie nicht an, sind jedoch in der Regel selbstlimitierend (1, 49). In- fektionsbedingte Gewebszerstörung, die auch nach antibiotischer Therapie der verursachenden Borrelien nicht zurückgeht, ist auch bei Lyme-Arthri- tis beschrieben worden (47). Arthral- gien bei Zustand nach Lyme-Arthritis sind keine aktive Lyme-Arthritis. Bei einer Minderheit der Patienten persi- stiert eine objektivierbare Arthritis (nicht bloß Arthralgien) auch nach zwei- oder dreifacher Behandlung mit Antibotika. Es stellt sich die Frage, ob diese therapieresistenten Verläufe durch Persistenz des Erregers, Auto- immunphänomene oder beides be- dingt sind. Neuere Befunde deuten

darauf hin, daß die antibiotikaresi- stente Lyme-Arthritis bei einigen Pa- tienten durch immunpathologische Vorgänge hervorgerufen sein könn- Tabelle 2

Therapieempfehlungen bei Erythema migrans und Lyme-Arthritis

Symptom Therapieempfehlung

Medikament Dosis Dauer

Erythema migrans

Doxyzyklin 2 (oder 3) x 100 mg/ 14 (-21) Tage1 Tag p.o.

oder Amoxicillin 3 x 500 mg/Tag p.o. 14 (-21) Tage1 oder Erythromycin2 3 x 250 mg/Tag p.o. 14 (-21) Tage1 Arthritis3

Doxyzyklin 2 x 100 mg/Tag p.o. 30 Tage

oder Ceftriaxon 1 x 2 g/Tag i.v. 14 Tage

oder Cefotaxim 3 x 2 g/Tag i.v. 14 Tage

1 Therapiedauer wird nach klinischem Erfolg bestimmt.

2 Reservemedikament bei Penicillinallergie und Kontraindikationen gegen Doxyzyklin.

3 Zur Differentialindikation siehe Text.

Mögliche Gründe für persistierende Beschwerden bei Lyme-Arthritis

! Langsame Rückbildung der Beschwerden über viele Monate

! Insuffiziente Primärtherapie

! Andere Ursache der Beschwerden (beispielsweise Fibromyalgie)

! Immunpathologie

! Infektionsbedingte permanente Gewebeschädigung, die auf Antibiotika nicht reagiert

(6)

ten (7, 27, 34). Der Textkasten: Be- schwerden bei Lyme-Arthritis faßt die möglichen Gründe persistieren- der Beschwerden nach antibiotischer Therapie bei Lyme-Arthritis zusam- men.

Prophylaxe

Die wirksamste Prophylaxe ist die Expositionsprophylaxe. Ein Impf- stoff gegen die Lyme-Borreliose ist für Europa derzeit noch nicht in Sicht.

Tierexperimentelle Untersuchungen haben zwar gezeigt, daß Antikörper gegen OspA, ein Oberflächenprotein von B. burgdorferi, vor experimentel- len Infektionen mit B. burgdorferi schützen (14, 45), und derzeit wird re- kombinantes OspA in zwei großen Phase-II-Studien in den USA als Impfstoff gegen die Lyme-Borreliose getestet (30). Mit der baldigen Erpro- bung eines solchen Impfstoffes in Eu- ropa ist jedoch nicht zu rechnen, auf- grund der erheblichen antigenen Va- riationen zwischen den drei in Europa vorkommenden B. burgdorferi sensu lato Spezies. Das als Impfstoff er- probte Antigen stammt von B. burg- dorferi sensu stricto, der einzigen bis- lang in Nordamerika nachgewiesenen Spezies von B. burgdorferi sensu lato.

Es ist daher sehr fraglich, ob ein re- kombinantes Antigen, das von einer Spezies stammt, gegen die anderen Spezies Schutz gewähren kann. Dar- über hinaus gibt es Hinweise, daß die T-Zell-Erkennung von OspA mögli- cherweise zur Immunpathologie der chronischen Lyme-Arthritis beiträgt (7, 27, 28, 34).

Resümee

Die Lyme-Borreliose ist eine komplexe Systemerkankung. Erreger ist die durch Zecken übertragbare Spirochäte B. burgdorferi sensu lato.

Etwa 60 Prozent der unbehandelten Patienten entwickeln als Folge der Infektion mit B. burgdorferi sensu la- to eine Lyme-Arthritis. Die Diagnose erfolgt primär anhand klinischer Kri- terien, charakteristisch ist eine Mo- noarthritis oder eine asymmetrische Oligoarthritis großer Gelenke bei anamnestischen Hinweisen auf einen Zeckenstich oder ein Erythema mi- grans.

Die serologischen Untersu- chungen sollten nur in erfahrenen Labors durchgeführt werden, ihre Interpretation darf nur im Zusam- menhang mit dem klinischen Befund erfolgen. Positive ELISA-Ergebnis- se bedürfen immer der Bestätigung im Western Blot. Zur Beurteilung der Positivität sollten standardisier- te Regeln angewandt werden. Eine seronegative Lyme-Arthritis ist ein extrem seltenes Krankheitsbild. Die PCR-Diagnostik ist eine sinnvolle Ergänzung, wenn sie in besonders qualifizierten Labors durchgeführt und von erfahrenen Untersuchern beurteilt wird.

Die Therapie der Lyme-Arthritis erfolgt stadien- und symptomabhän- gig mit oralen oder parenteralen An- tibiotika. Eine klinische Beurteilung des Therapieerfolges ist oft erst nach zirka drei Monaten möglich, da sich die Symptome nur langsam zurück- bilden. Serologische Parameter sind zur Beurteilung des Therapieerfolges

nicht geeignet. Etwa 90 Prozent der Patienten mit Lyme-Arthritis werden innerhalb von drei Monaten nach Therapiebeginn geheilt. Bei Persi- stenz der Beschwerden ist zunächst die Diagnose zu überdenken. Für die Therapie der antibiotikaresistenten Lyme-Arthritis gibt es derzeit keine gesicherten Richtlinien. Nichtstero- idale Antirheumatika und chirurgi- sche Synovektomie haben sich als nützlich erwiesen.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1998; 95: A-214–219 [Heft 5]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Son- derdruck beim Verfasser und über die Inter- netseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med.

Gerd-Rüdiger Burmester Medizinische Universitätsklinik und Poliklinik III

Universitätsklinikum Charité 10098 Berlin

Die Autoren danken dem Bundesministe- rium für Gesundheit (BMG), Modellpro- gramm zur besseren Versorgung chro- nisch Kranker („LADET-Studie“, Gz. FB2- 43346-8/47) und dem Bundesministeri- um für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF), Verbundprojekt Lyme-Borreliose, Fkz. 01 KI 9503, für die freundliche Unterstützung ihrer Arbeit.

70 Prozent der Refluxkranken sind übergewichtig. Zu den Allge- meinmaßnahmen gehört deshalb ne- ben der Hochlagerung des Oberkör- pers die Empfehlung, einige Kilo- gramm abzuspecken.

Die schwedischen Autoren un- tersuchten die Hypothese, ob eine Gewichtsreduktion die subjektiven und objektiven Auswirkungen eines gastroösophagealen Refluxes zu ver- bessern vermag. Dabei wurden zwei

Patientengruppen in sechsmonatigem Abstand pH-metrisch untersucht. In der einen Gruppe nahmen die Patien- ten 10,8 61,4 kg ab, in der zweiten Gruppe primär adipöser Patienten kam es zu einer Gewichtszunahme von 0,6 60,7 kg während der Beob- achtungszeit.

Überraschenderweise ließ sich pH-metrisch und bezüglich der ge- klagten Symptome keine Änderung des Beschwerdebildes nachweisen,

gleichgültig, ob das Gewicht konstant geblieben war oder ob eine nachhalti- ge Gewichtsreduktion durch einge- schränkte Kalorienzufuhr zu erzielen war. Alle Patienten waren weiterhin auf eine Antirefluxmedikation ange-

wiesen. w

Kjellin A, Ramel, S, Rössner S, Thor K:

Gastroesophageal Reflux in Obese Pati- ents Is Not Reduced by Weight Reduc- tion. Scan J Gastroenterol 1996; 31:

1047–1051.

Dept. of Surgery, Ersta Hospital and Obesity Unit, Karolinska Hospital, 11691 Stockholm, Schweden.

Refluxösophagitis und Gewichtsreduktion

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