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Archiv "Therapie der juvenilen chronischen Arthritis" (24.10.1991)

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DIE ÜBERSICHT

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Therapie der

juvenilen chronischen Arthritis

Renate Häfner, Hans Truckenbrodt, Hartmut Michels

und Carola von Altenbockum

ie juvenile chronische Arthritis (JCA) glie- dert sich in mehrere Subgruppen*), deren unterschiedlicher Ver- lauf zusammen mit der jeweiligen Krankheitsaktivität im Therapieplan berücksichtigt werden muß. Als Ziel der Behandlung muß zum einen der Entzündungsprozeß zur Ruhe ge- bracht werden, zum andern gilt es, Gelenkfunktionen zu erhalten oder wiederherzustellen. Die Therapie muß von Anfang an darauf ausge- richtet sein, bleibende Schäden an Gelenken, Augen oder inneren Or- ganen zu vermeiden; daneben soll dem Kind eine altersgemäße körper- liche, geistige und psychosoziale Ent- wicklung ermöglicht werden.

Um all diesen Forderungen ge- recht zu werden, müssen für die Be- handlung verschiedene Therapiebe- reiche eng zusammenarbeiten und sich in gegenseitiger Absprache er- gänzen. Neben der medikamentösen Therapie kommt der regelmäßigen und gezielten Krankengymnastik ei- ne wichtige Bedeutung zu. Diese wird ergänzt durch ergotherapeu- tische Maßnahmen, individuelle Schienenversorgung sowie tägliche lokale Kälte- oder auch Wärmean-

*) siehe hierzu Häfner, R.; Truckenbrodt, H.:

Juvenile chronische Arthritis - Die unterschied- lichen Verlaufsformen. Dt. Ärztebl. 88, Heft 36 (1991)

Die Therapie der juvenilen chroni- schen Arthritis gliedert sich in mehrere Aufgabenbereiche. Für jedes Kind muß ein individueller Behandlungsplan in Zusammen- arbeit und Absprache mit den ein- zelnen Therapeuten und Betreu- ern aufgestellt werden. Neben der ärztlich-medizinischen Behand- lung sind insbesondere die Fach- bereiche der Krankengymnastik, Ergotherapie und des Sozialdien- stes wichtig. Immer sollten auch die Eltern in die Behandlung ein- bezogen und als Co-Therapeuten angeleitet werden. Die besten Er- gebnisse werden durch Nutzung der Möglichkeiten von stationärer und ambulanter Behandlung er- reicht. Dabei müssen Hausarzt, Klinik am Wohnort und Spezialkli- nik eng zusammenarbeiten, Kind und Eltern über lange Zeit führen und ermutigen.

wendungen. Gelegentlich können chirurgische Eingriffe notwendig werden. Zur Behandlung gehören auch die Hilfe bei sozialen Fragen und eine konsequente Langzeitfüh- rung der ganzen Familie. Der jewei- lige Therapieplan muß für jedes Kind individuell aufgestellt und dem weiteren Verlauf angepaßt werden.

Die Eltern sollten zur Behandlung ihres Kindes angeleitet und als Co- Therapeuten gewonnen werden.

Medikamentöse Therapie

Die medikamentöse Therapie stützt sich überwiegend auf drei Gruppen von Medikamenten: die nichtsteroidalen Antirheumatika, die sogenannten Basismedikamente, das sind langsam wirkende Antirheu- matika einschließlich Immunsup- pressiva, und die Glukokortikoide.

Die Behandlung beginnt norma- lerweise mit der Verabreichung ei- nes nichtsteroidalen Antiphlogisti- kums. Bei akuten Arthritiden und vielen oligoarthritischen Verlaufs- formen reicht diese Therapie aus, um den Entzündungsprozeß zur Ru- he zu bringen. Hochaktive und hart- näckige Oligoarthritiden sowie die meisten Polyarthritiden und systemi- schen Formen erfordern zusätzlich den Einsatz von Basistherapeutika (3, 17). Glukokortikoide werden überwiegend lokal angewandt: für intraartikuläre Injektionen oder am Auge bei Iridozyklitis. Die systemi- sche Verabreichung bleibt schweren Verläufen, insbesondere bei gleich- zeitiger Perimyokarditis, vorbehal- ten.

Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR):

Sie wirken schmerzlindernd, fie- bersenkend und entzündungshem- mend. Sie sind somit für die Behand- lung der Arthritis, aber auch der Fie- berphasen bei systemischen Formen indiziert. Während die analgetische und antipyretische Wirkung sofort Rheuma-Kinderklinik Garmisch-Parten- kirchen (Chefarzt:

Prof. Dr. med. Hans Truckenbrodt)

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chemische Kurzbezeichnung

Handelsnamen Dosierung

mg/kg/Tag Azetylsalicylsäure Aspirin®, Colfarit® 60-100

Diclofenac Voltaren® 2— 3

Brufen®, Dolgit® 15— 20 Ibuprofen

Indometacin Amuno® 2— 3

Naprosyn®, Proxen® 10— 15 Naproxen

Tolmetin Tolectin® 15— 25

Tabelle: Nichtsteroidale Antiphlogistika eintritt, müssen für die Entzün-

dungshemmung oft mehrere Wo- chen abgewartet werden.

In der Tabelle 1 sind die für das Kindesalter erprobten nichtsteroida- len Antiphlogistika in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Unter ihnen hat die Azetylsalicylsäure an Bedeu- tung verloren. Zur Erreichung einer antiphlogistischen Wirkung sind Do- sen von 60 bis 100 mg/kg KG notwen- dig, die dann oft zu erheblichen Ne- benwirkungen führen. Neben gastro- intestinalen Beschwerden, vermehr- ter Blutungsneigung und Verstär- kung allergischer Reaktionen muß insbesondere auf zentralnervöse Er- scheinungen wie Schwindel, Ohren- sausen, Hörverlust, Konzentrati- onsschwäche, Verwirrtheitszustände und Wesensveränderungen geachtet werden. Diese Nachteile der Azetyl- salicylsäure wiegen die Vorzüge der Therapiekontrolle durch Plasma- spiegelbestimmung nach unseren Er- fahrungen nicht auf.

Bei den weiter aufgeführten Me- dikamenten werden beim Kind Sub- stanzen mit kurzer Halbwertzeit wie Diclofenac und Indometacin bevor- zugt. Sie sind gut steuerbar und kön- nen den tageszeitlich abhängigen Be- schwerden angepaßt werden. Es empfiehlt sich eine Aufteilung auf drei bis vier Einzelgaben pro Tag.

Dabei erweist es sich oft als günstig, eine höhere Dosis abends vor dem Einschlafen zu verabreichen, um die Morgensteifigkeit zu vermindern.

Ibuprofen und Tolmetin haben kaum antipyretische und relativ ge- ringe antiphlogistische und analgeti- sche Wirkung. Sie bleiben somit leichteren Verlaufsformen vorbehal- ten (12).

Naproxen weist eine deutlich längere Halbwertzeit auf. Dem Nachteil einer geringeren Steuerbar- keit steht der Vorteil gegenüber, daß durch nur zweimalige Verabreichung am Tag die Compliance verbessert wird. Dies erweist sich vor allem für ältere Schulkinder und Jugendliche als nützlich.

Nebenwirkungen der nichtste- roidalen Antiphlogistika betreffen vor allem den Magen-Darmtrakt mit Übelkeit, Bauchschmerzen, Appetit- losigkeit und Obstipation. Auch auf Reaktionen von seiten des ZNS wie

Kopfschmerzen, Schwindel, ver- mehrte Müdigkeit und Konzentrati- onsstörungen mit Schulschwierigkei- ten sowie Hörstörungen muß geach- tet werden. Mögliche Auswirkungen auf die Nieren und ableitenden Harnwege äußern sich als Mikrohä- maturie oder seltener Proteinurie.

Regelmäßige Kontrollen von Blut- bild, Thrombozyten, Serumkreatinin und Transaminasen sind unter Lang- zeittherapie erforderlich. Aplasti- sche Krisen durch Indometacin ha- ben wir bei Kindern bisher nicht be- obachtet. In der Literatur wird über aseptische Meningitis unter Ibupro- fen berichtet.

Im Hinblick auf eine bessere Verträglichkeit sollten die Medika- mente immer zusammen mit Nah- rung eingenommen werden. Zur Be- handlung von Kleinkindern stehen Amuno® (Indometacin) und Pro- xen® (Naproxen) als Suspensionen zur Verfügung. Die Dauer der An- wendung nichtsteroidaler Antiphlo- gistika richtet sich nach dem Ver- lauf. Sie werden erst nach Abklingen der Entzündungsaktivität langsam über Wochen bis Monate abgesetzt.

Sogenannte Basismedikamente

= langsam wirkende Antirheu- matika (Slow-acting antirheu- matic drugs, SAARDs):

Dazu gehören die Goldsalze, D- Penicillamin, Chloroquin und wohl auch Sulfasalacin. Auch die Immun- suppressiva können aufgrund ihrer Wirkungsweise dazu gerechnet wer- den. Die Basismedikamente zeigen einen verzögerten Wirkungseintritt von Wochen bis Monaten. Entspre-

chend hält ihre Wirkung meist noch einige Zeit über das Absetzen hinaus an. Ihre Anwendung ist indiziert bei anhaltend aktiven Oligoarthritiden, die unter symptomatischer Therapie allein nicht zur Ruhe kommen sowie bei den meisten Polyarthritiden. Ins- besondere bei den rasch destrukti- ven seropositiven Verläufen wird man frühzeitig damit beginnen müs- sen. Indikation und Einleitung einer Basistherapie erfordern viel Erfah- rung und sollten dem Spezialisten vorbehalten bleiben.

Goldsalze: Intramuskulär verab- reicht, werden sie seit über 60 Jahren in der Rheumatologie eingesetzt. Sie haben sich auch bei der Behandlung der JCA bewährt (3, 4, 7). Es gibt al- lerdings bei Kindern keine Doppel- blindstudien. Zur Verfügung stehen Natrium-Aurothiomalat (Taure- don®) und Aurothioglukose (Au- reotan®). Die Dosis wird schrittweise gesteigert und über mehrere Monate aufgesättigt. Danach erfolgt eine Er- haltungstherapie mit 1 mg/kg KG al- le zwei Wochen (7, 17).

Hinsichtlich Nebenwirkungen muß vor allem auf Haut- und Schleimhautveränderungen sowie Nephropathie geachtet werden. Re- gelmäßig müssen Blutbild, Urin, Nie- ren- und Leberwerte kontrolliert werden. Außerdem kann es unter Gold zum Anstieg der antinukleären Antikörper kommen (lupoide Reak- tion)

eventuell mit klinischer Lupus-

Symptomatik.

Die orale Goldtherapie mit Au- ranofin (Ridaura®) ist bisher für Kinder vom BGA nicht zugelassen.

Dt. Ärztebl. 88, Heft 43, 24. Oktober 1991 (43) A-3625

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ohne Komplikationen

A mit Komplikationen Blind

100

50

0 1952 bis 1975 1976 bis 1986 Literatur >1975

(n=99) (n=209) (n=277)

a) b) c)

In Studien hat sich gezeigt, daß Au- ranofin zwar besser verträglich aber auch weniger wirksam ist als intra- muskuläres Gold (6).

D-Penicillamin: Die Wirksam- keit dieser Substanz ist vergleich- bar mit den Goldsalzen (11). Auch die Nebenwirkungsrate ist entspre- chend. Zur oralen Anwendung kom- men Metalcaptase® oder Trolovol®.

Die Dosis wird schrittweise gestei- gert bis auf 10 mg/kg KG. Neben Exanthemen, Geschmacksstörungen, Thrombo- und Leukopenien, muß vor allem auf eine Proteinurie geach- tet werden. Sie ist meist reversibel.

Selten kann jedoch eine Glomerulo- nephritis mit nephrotischem Syn- drom und anhaltender Proteinurie induziert werden. Aus diesem Grund wenden wir D-Penicillamin nurmehr selten an. Ähnlich wie unter Gold sind lupoide Reaktionen möglich.

Antimalariamittel: Chloroquin (Resochin®) und Hydroxychloroquin (Quensyl®) in einer Dosierung von drei bis vier mg/kg KG zeigen eben- falls günstige Wirkung bei der JCA.

Vor allem die frühkindliche ANA- positive Oligoarthritis spricht nach unserer Erfahrung gut darauf an. Al- lerdings vergehen bis zum Wirkungs- eintritt oft mehrere Monate.

Antimalariamittel sind insge- samt schwächer wirksam als die an- deren Basismedikamente, werden aber auch deutlich besser vertragen.

Vorsicht ist geboten bei Kindern mit Neigung zu zerebralen Anfällen (Fieberkrämpfe!), da das Medika- ment bei entsprechender Disposition Anfälle auslösen kann.

Einlagerungen der Substanz in die Cornea sind reversibel und meist unbedeutend. Dagegen muß unter Langzeittherapie auf eine mögliche Retinopathie geachtet werden, die zu bleibenden Augenschäden führen kann.

Vorsorglich sollte bereits zu Be- ginn einer Therapie mit Antimala- riamitteln eine ausführliche Untersu- chung durch den Augenarzt erfol- gen. Wegen der ophthalmologischen Probleme wird die Gabe im allge- meinen auf zwei bis drei Jahre be- grenzt. Als weitere Nebenwirkungen kann es unter Antimalariamitteln zu

Abbildung 1: Verbes- serung der Indozykli- tisprognose durch Stufenplanbehand- lung mit Immunsup- pressiva: a) Behand- lungsergebnisse aus der Rheuma-Kinder- klinik Garmisch-Par- tenkirchen von 1952 bis 1975 (keine Stu- fenplanbehandlung);

b) Behandlungser- gebnisse aus der Rheuma-Kinderklinik Garmisch-Partenkir- chen von 1976 bis

1986 (Stufenplanbe- handlung); c) zu- sammengefaßte Er- gebnisse aus der Literatur nach 1975

einer Aufhellung der Haare oder sel- ten zu Haarausfall kommen. Auch Hautveränderungen werden beob- achtet. Die Frage, ob es zur Aktivie- rung einer Psoriasis kommen kann, wird zwar kontrovers diskutiert. Bei Vorliegen einer Schuppenflechte wird man Chloroquin nur mit großer Zurückhaltung einsetzen.

Sulfasalazin: Als Azulfidine®

zur Behandlung chronisch entzündli- cher Darmerkrankungen bekannt, wurde es erst in den letzten Jahren für die Therapie der chronischen Arthritis auch beim Kind und Ju- gendlichen eingesetzt (10, 15), nach- dem entsprechende Erfahrungen beim Erwachsenen vorlagen. In ei- ner Dosierung von 30 bis 50 mg/kg KG tritt eine Wirkung bereits nach Wochen ein. Es wird diskutiert, daß besonders die HLA-B27-assoziierte Arthritis damit günstig zu beeinflus- sen ist.

Nebenwirkungen betreffen vor allem den Gastrointestinaltrakt und die Haut. Ferner muß durch regel- mäßige Kontrollen auf Blutbildver- änderungen, Anstieg der Transami- nasen, Proteinurie beziehungsweise Hämaturie geachtet werden. Auch zerebrale Erscheinungen sind mög- lich.

Immunsuppressiva: Zur Anwen- dung kommen Azathioprin (Imu- rek®) und Methotrexat. Immunsup- pressiva sind vor allem bei systemi- schen Verlaufsformen, bei der chro-

nischen Iridozyklitis sowie bei de- struierenden Polyarthritiden indi- ziert (14, 16). Bei der rasch progre- dienten seropositiven Polyarthritis wird neben dem intramuskulär ver- abreichten Gold in den letzten Jah- ren zunehmend häufiger Methotre- xat mit gutem Erfolg eingesetzt.

Bei beiden Medikamenten wird die Dosis schrittweise gesteigert:

Azathioprin bis zu einer Menge von zwei bis drei mg/kg KG täglich; Me- thotrexat wird bevorzugt nur einmal pro Woche an ein bis zwei aufeinan- derfolgenden Tagen, jeweils mit 12 Stunden Abstand, in einer Dosis von 7,5 bis maximal 15 mg/m 2 Körpero- berfläche pro Woche verabreicht, wobei wir 15 mg/Woche kaum über- schreiten.

Akute Nebenwirkungen betref- fen sowohl bei Azathioprin als auch bei Methotrexat in erster Linie den Gastrointestinaltrakt mit Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen.

Bei regelmäßigen Laborkontrollen muß auf einen eventuellen Abfall der Leukozyten beziehungsweise Thrombozyten sowie auf einen An- stieg der Transaminasen geachtet werden. Unter Langzeitbehandlung mit Methotrexat kann es zu einer to- xischen Hepatopathie mit Fibrose und zirrhotischem Umbau kommen.

Da diese Veränderungen durch kei- ne Laborparameter verläßlich ange- zeigt werden, sollte versucht werden, die Gesamtmenge auf 1500 mg/m 2 Körperoberfläche zu begrenzen oder vor Fortsetzung der Therapie gege-

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benenfalls eine Biopsie durchgeführt werden. Eltern und Patienten müs- sen wissen, daß auch schon kleine Mengen Alkohol die Gefahr einer Leberschädigung drastisch erhöhen können. Zu vermeiden ist auch die gleichzeitige Gabe von alkoholischen Extrakten, wie sie in der Homöopa- thie verwendet werden. Jugendliche müssen darauf hingewiesen werden, unter der immunsuppressiven The- rapie auf sicheren Empfängnisschutz zu achten.

Alkylierende Substanzen wie Chlorambucil (Leukeran®) und Cyc- lophosphamid (Endoxan®) bleiben wegen ihrer potentiell onkogenen Wirkung im wesentlichen auf die Be- handlung schwerer Komplikationen, wie zum Beispiel der Amyloidose (13) beschränkt.

Glukokortikoide: Sie sollten bei der JCA nur mit größter Zurückhal- tung eingesetzt werden. Einmal be- gonnen, werden die Kinder rasch kortikoidpflichtig. Auf lange Sicht überwiegen die Nebenwirkungen.

Eine Indikation besteht bei schwe- ren systemischen Verlaufsformen, die mit Indometacin und Immun- suppressiva allein nicht zu beherr- schen sind, insbesondere bei Auftre- ten einer Myokarditis. Die Initialdo- sis von ein bis zwei mg Prednisolonä- quivalent/kg Körpergewicht, nach Möglichkeit als Einzeldosis morgens vor 8.00 Uhr, sollte so rasch wie mög- lich reduziert werden mit dem Ziel, unter eine Menge von 0,2 mg/kg zu kommen.

Nebenwirkungen der Kortison- langzeittherapie äußern sich neben der Wachstumshemmung vor allem in einer ausgeprägten Osteoporose und der Gefahr von Nekrolysen, be- sonders des Femurkopfes. In hoher Dosierung verschlechtern sie auf weite Sicht die Prognose der chroni- schen Arthritis.

Bei schwer kranken Kindern kann parallel zur Einleitung einer Basisbehandlung eine Kortison- Pulstherapie versucht werden.

Durch drei Infusionen mit je 20 bis 30 mg Prednisolon/kg KG mit jeweils einem Tag Pause wird eine meist mehrere Wochen andauernde Besse- rung erreicht, bis im günstigen Fall die Wirkung des SAARD einsetzt.

Abbildung 2: Gangschulung bei Kleinkind mit juveniler chronischer Arthritis

Lokal angewandt, bedeuten die Glukokortikoide eine wichtige Er- gänzung bei der Behandlung der JCA. Ihr entzündungshemmender Effekt wird am Auge bei der Iridozy- klitis-Therapie genutzt. Durch in- traartikuläre Injektionen können einzelne Gelenke zur Ruhe gebracht werden. Sie sind vor allem bei der Oligoarthritis indiziert, wenn ein oder wenige Gelenke im Vorder- grund stehen (1, 5, 9).

Iridozyklitis-Behandlung Die chronische Iridozyklitis stellt eine schwerwiegende Kompli- kation der frühkindlichen Oligoar- thritis dar. Bei nicht ausreichender Behandlung drohen bleibende Au- genschäden bis zur Erblindung. Ent- sprechend intensiv gestaltet sich die Therapie. Sie beginnt zunächst mit der lokalen Anwendung von Korti- koiden, worunter bei den meisten Kindern die Entzündung innerhalb weniger Wochen abklingt. Die gleichzeitige lokale Gabe von Mydri- atica beugt der Entwicklung von hin- teren Synechien vor. Wird eine län- gere örtliche Behandlung mit Stero- iden erforderlich, muß auf eine even- tuelle Steigerung des intraokularen Druckes sowie auf eine hintere Lin- senpoltrübung geachtet werden.

Kommt die Iridozyklitis unter Lokalbehandlung innerhalb von sechs bis acht Wochen nicht zur Ru- he, setzen wir Azathioprin mit ein- schleichender Dosierung bis zwei bis drei mg/kg KG täglich ein. Damit können weitere Schübe zwar nicht verhindert werden, aber sie erschei- nen seltener und verlaufen leichter.

Bei einigen wenigen Kindern reicht die Behandlung mit Azathioprin nicht aus, so daß vorübergehend Me- thotrexat eingesetzt werden muß.

Mit diesem Stufenplan haben wir in den letzten Jahren die Prognose der Iridozyklitis deutlich verbessern kön- nen (Abbildung 1). Besonders günstig sind die Ergebnisse bei Patienten, die bei Diagnosestellung noch keine bleibenden Veränderungen aufwie- sen. Unter unserer Therapie haben sich bei diesen Kindern in den letz- ten Jahren nurmehr in fünf Prozent hintere Synechien entwickelt, schwe- rere Augenschäden oder gar Erblin- dungen sind nicht mehr aufgetreten (8 ).

Krankengymnastische und physikalische Behandlung

Bei der Behandlung der JCA ha- ben krankengymnastische Übungen eine ebenso große Bedeutung wie die medikamentöse Therapie. Im Rahmen dieser Übersicht kann nur auf einige wichtige Prinzipien hinge- wiesen werden. Schmerz und Ent- zündung führen an den einzelnen Gelenken zu typischen Schonhaltun- gen mit einer Störung des Muskel- gleichgewichtes. Unbehandelt ent- wickeln sich daraus gelenkspezifi- sche Fehlstellungen und Kontraktu- ren (18). Bereits die Tendenz zur Fehlstellung muß erkannt und ernst genommen werden. Die kranken- gymnastische Behandlung muß von Anfang an darauf ausgerichtet sein, die Gelenkfunktion zu erhalten und Fehlstellungen zu vermeiden (2, 17).

Damit kann die Prognose der JCA deutlich verbessert werden.

Eine erfolgreiche Therapie ist

nur durch eine gezielte Einzelbe- handlung zu erreichen, welche be- reits beim Kleinkind möglich ist. Sie muß entsprechend spielerisch aufge- Dt. Ärztebl. 88, Heft 43, 24. Oktober 1991 (47) A-3629

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Abbildung 3: Stabilisierende Handschiene zum Ausgleich von Achsenfehlstellungen baut werden und erfordert viel Zeit,

Geduld und Einfühlungsvermögen.

Voraussetzung ist ein Vertrauens- verhältnis zwischen Kind und Kran- kengymnast. Nur wenn das Kind sich völlig entspannt, ist eine Behandlung überhaupt möglich. Die Kranken- gymnastik beginnt bereits beim akut entzündeten Gelenk mit passiv assi- stiertem Bewegen unter leichtem Zug. Bei eingeschränkter Beweglich- keit erfolgt im nächsten Schritt die Bewegungserweiterung. Dabei wer- den verkürzte Strukturen langsam und gleichmäßig ohne Hebelwirkung auf die Gelenkanteile über längere Zeit gedehnt. Es folgt eine gezielte Aktivierung einzelner Muskelgrup- pen sowie das Üben der Muskelreak- tion und -koordination. Freie Funk- tion und physiologische Bewegungs- abläufe sind Voraussetzung für die Wiederherstellung der Muskelkraft.

Die Therapie muß immer aus ge- lenkentlastender Ausgangsstellung unter Berücksichtigung des Gelenk- schutzes erfolgen.

Bei Befall der unteren Extre- mität entwickelt sich durch die schmerzbedingte Schonhaltung rasch ein unphysiologisches Gang- bild. Das automatisierte falsche Be- wegungsmuster muß in einer geziel- ten Gangschulung überwunden, das richtige Gehen in den einzelnen Phasen wieder bewußt gemacht und neu erlernt werden (Abbildung 2).

Wo immer möglich, sollten die El- tern für die krankengymnastische Behandlung angeleitet werden, um einen Teil der Übungen selbst zu übernehmen.

Ergotherapie und Hilfsmittel:

Ergotherapeutische Maßnah- men und die Versorgung mit Hilfs- mitteln ergänzen und erweitern die Krankengymnastik mit dem Ziel, bleibende Gelenkstörungen so weit wie möglich zu vermeiden und bei bestehenden Einschränkungen die Selbständigkeit im Alltag zu erhal- ten. Dazu gehört eine sensomotori- sche Schulung mit Koordinations- und Muskeltraining ebenso wie das Eintrainieren des Gelenkschutzes.

Alltagsarbeiten bei Schulkindern, insbesondere das Schreiben, müssen gelenkschonend unter Vermeidung von Fehlhaltungen erlernt werden.

Zur Erhaltung oder Wiederher- stellung der Gelenkachsen an den bändergeführten Gelenken (beson- ders Hand-, Finger-, Kniegelenke) müssen individuelle Schienen ange- paßt werden. Bei der ergotherapeu- tischen Behandlung lernen die Kin- der das Schreiben mit Handschienen (Abbildung 3).

Bei Befall der unteren Extremi- tät wird in den meisten Fällen eine vorübergehende Entlastung notwen- dig. Dazu eignen sich beim Klein- kind Dreirad oder Münsterpferd- chen, bei größeren Kindern Sitzrol- ler, Fahrrad oder auch Gehstützen.

Eine Entlastung im Rollstuhl muß wegen der Inaktivität und ungünsti- gen Lagerung von Knie und Hüften in Flexionsstellung so weit wie mög- lich vermieden werden.

Ein rheumatisch veränderter Fuß erfordert eine gezielte Versor- gung mit Einlagen. Sie dienen so- wohl zur Schmerzentlastung als auch zur Vorbeugung oder Korrektur von Fehlhaltungen und Deformitäten.

Ergänzend muß auf gutes Schuh- werk mit weicher Sohle, oft auch sta- biler Fersenführung geachtet wer- den.

Lokale Kälte- und Wärmebe- handlung:

Die Entzündung in einem Ge- lenk kann durch lokale Kälteapplika- tion gebessert werden. Geeignet da-

für sind Eis- und Kryogelpackungen.

Sie sind therapeutisch wirksam und helfen Medikamente sparen. An Hand und Fuß sind manchmal Alko- holumschläge besser verträglich.

Wärmeanwendung wirkt mus- kelentspannend und durchblutungs- fördernd. Sie ist bei eingeschränkter Gelenkfunktion nach Abklingen der Entzündung indiziert. Zur Verfü- gung stehen Fango- oder Gelpackun- gen, die auch im täglichen Gebrauch zu Hause praktikabel sind.

Operative Maßnahmen

Operative Maßnahmen können in der Behandlung der chronischen Arthritis beim Kind indiziert sein, wenn konservative Behandlungen al- lein nicht zum Erfolg führen. Vor al- lem bei hartnäckigen Mono- oder Oligoarthritiden leistet die Synovek- tomie gute Dienste. Dabei wird in den letzten Jahren besonders am Kniegelenk das schonendere Vorge- hen unter arthroskopischer Sicht bevorzugt. Das Operationsergebnis hängt entscheidend von der anschlie- ßenden krankengymnastischen Nach- behandlung ab. Da hierfür die Mitar- beit des Kindes unerläßlich ist, sollten Synovektomien beim Kleinkind ver- mieden werden. Es kann sich rasch ei- ne ausgeprägte Beugekontraktur ent- wickeln.

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Als weitere operative Maßnahmen kommen bei schweren Weichteilkon- trakturen Myo- oder Tendotomien in Frage. Umstellungsosteotomien kön- nen bei arthrogenen Kontrakturen oder Achsenfehlstellungen indiziert sein. Bei schwer destruierenden, meist polyarthritischen Gelenkver- änderungen kann in Einzelfällen in- folge der Immobilität ein Gelenker- satz ratsam sein, obwohl die zeitliche Haltbarkeit einer derartigen Tota- lendoprothese begrenzt ist. Unsere Erfahrungen beschränken sich bis- her auf den Hüftgelenkersatz bei Ju- gendlichen.

Sozialmedizinische

Betreuung

Die sozialmedizinische Betreu- ung stellt einen festen Bestandteil der Therapie dar. In ausführlichen

Informations- und Beratungsgesprä- chen müssen betroffene Familien auf finanzielle Hilfen und Erleichterun- gen im Schulalltag aufmerksam ge- macht werden. Dazu gehören unter anderem die Möglichkeit zur Bean- tragung eines Schwerbehinderten- ausweises, Hinweise auf steuerliche Vergünstigungen und im schulischen Bereich die Beschaffung von Bü- chern in doppelter Ausführung, um das Tragen auf dem Schulweg zu er- leichtern. Auch Nachhilfe- oder Hausunterricht können vorüberge- hend erforderlich werden. Die Auf- gabe des Sozialdienstes umfaßt auch die schulische Förderung der Kinder und die Beratung Jugendlicher hin- sichtlich ihrer beruflichen Möglich- keiten. Dazu gehört auch die Hilfe- stellung bei der Beschaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen einschließlich der Arbeitsplatzge- staltung.

Das Beratungsangebot des Sozi- almedizinischen Dienstes muß auch die Möglichkeit einer Gesprächsthe- rapie für Kind und Familie mit ein- beziehen. Dabei werden eventuelle psychische Probleme, die im Zusam- menhang mit der Erkrankung auftre- ten können, angesprochen und Hil- fen zur Bewältigung angeboten. Na- türlich müssen auch sonstige fami- liäre Probleme und Krisensituatio- nen berücksichtigt und in die Be- handlung mit einbezogen werden.

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonder- druck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Renate Häfner

Prof. Dr. med. Hans Truckenbrodt Rheuma-Kinderklinik

Gehfeldstraße 24

W-8100 Garmisch-Partenkirchen

Bakterielle Infektionen bei Neugeborenen

In den 80er Jahren hat die Mor- talität auch hochgradig unreifer Frühgeborener deutlich abgenom- men. Die Morbidität durch bakteri- elle Infektionen hat jedoch eher zu- genommen. Die Ursachen sind weit- gehend geklärt, wichtigster Schwach- punkt ist die schlechte Chemotaxis der Granulozyten.

Ein gravierendes Problem dieser Infektionen ist der ständige Erreger- wechsel. Zunächst überwogen gram- positive Kokken (A-Streptokokken), dann folgten in den 60er und 70er Jahren gram-negative Enterobakte- rien. Dies waren hauptsächlich noso- komiale Infektionen als Folge einer zu großzügigen Antibiotikaanwen- dung. Heute gelten Klebsiellen und Serratia marcescens als typische In- dexkeime nosokomialer Infektionen nach ungezielter Antibiotikathe- rapie.

Wichtigster Keim der nosokomi- al erworbenen Spätform (nach dem dritten Lebenstag) sind heute plas- makoagulase-negative Staphylokok- ken. Im Vordergrund stehen aber

bei Frühgeborenen vertikal von der Mutter übertragene Infektionen (be- sonders als Frühform vor dem drit- ten Lebenstag), wobei B-Streptokok- ken-Infektionen am meisten ge- fürchtet werden. Darauf muß bei ge- nauer Kenntnis der Situation inner- halb einer Klinik die antibiotische Therapie am ersten Lebenstag unbe- dingt abgestellt werden. mle

Stockhausen v., H. B.: Ursachen und Wan- del bakterieller Infektionen bei Neugebo- renen. Z. Geburtsh. u. Perinat. 195 (1991) 131-136

Prof. Dr. H. B. v. Stockhausen, Universi- täts-Kinderklinik, Josef-Schneiderstr. 2, W-8700 Würzburg

Hyperbare

Sauerstofftherapie bei Strahlenproktitis

Die Blutung aus einer Strahlen- proktitis ist eine gefürchtete Kompli- kation nach einer Strahlentherapie mit einer Häufigkeit von 2 bis 5 Pro- zent. Die Inzidenz ist dosisabhängig und erreicht 30 Prozent bei Dosen zwischen 5000 und 7000 rad. Die Therapieergebnisse sind enttäu-

schend: ballaststoffarme Diät- und Steroideinläufe führen häufig nicht zum Ziel, so daß eine Ausschaltungs- operation diskutiert werden muß.

Auch der operative Eingriff ist mit einer Morbidität von 10 bis 80 Pro- zent belastet. Bei lebensbedrohli- chen Blutungen wird eine mucosale Protektomie mit koloanaler Anasto- mose empfohlen.

In zwei Mitteilungen wird über den erfolgreichen Einsatz des Ne- odym:YAG-Lasers bzw. des Argon- Lasers berichtet. Die Autoren konn- ten eine schwere hämorrhagische Strahlenproktitis durch eine Sauer- stoffüberdruckbehandlung in Remis- sion bringen und empfehlen einen solchen Versuch vor möglichen ope- rativen Interventionen.

Charneau, J., Bouachour, G., Person, B., Burtin, P., Ronceray, J., Boyer, J.: Severe Hemorrhagic Radiation Proctitis Advanc- ing to Gradual Cessation with Hyperbaric Oxygen. Die. Dis. Sci. 36: 373-375, 1991 Hepato-gastro-enterologie; Reanimation M6dicale and Clinique Chirurgicale B, Centre Hospitalier Universitaire, Angers, 49033 Cedex, Frankreich.

A-3632 (50) Dt. Ärztebl. 88, Heft 43, 24. Oktober 1991

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