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undeskanzler Gerhard Schröder hat in der ersten Maiwoche einen Na- tionalen Ethikrat über einen Kabi- nettsbeschluss eingesetzt, der bei der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften angesiedelt werden soll und mit einem Jahresetat von 4,2 Millionen DM ausgestattet ist. In dersel- ben Woche sind zwei Ereignisse zu ver- zeichnen, die eine mögliche Liberalisie- rung des Embryonenschutzes signalisie- ren: Die Deutsche Forschungsgemein- schaft (DFG) hat eine Stellungnahme verabschiedet, die eine Abkehr von der bisherigen strikten Ablehnung der Em- bryonenforschung bedeutet (dazu DÄ, Heft 19/2001). Der Bundeskanzler hat in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in einem ausführlichen Interview seine Position zur Forschung an menschlichen Embryonen dargelegt. Darin tritt er dafür ein, die Präimplantationsdiagno- stik, die bisher nach dem Embryonen- schutzgesetz verboten ist, nicht katego- risch auszuschließen.Das sei auch einer der Gründe für die Einrichtung des Nationalen Ethikrates gewesen, der das Urteil
schärfen sollte. Doch ob dieser neue Ethikrat tatsächlich ein Gremi- um ist, das vor bedenk- lichen Entwicklungen warnt, muss sich noch erweisen. Auf Kritik stieß jedenfalls die per- sonelle Besetzung, zum Beispiel mit Prof. Dr.
rer. nat. Ernst-Ludwig Winnacker, dem Präsi- denten der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Seine Berufung gibt dem CDU-Bundestags- abgeordneten Hubert Hüppe Anlass zu Be- fürchtungen: „Bundes-
forschungsministerin Edelgard Bul- mahn will zur Forschung an menschli- chen Stammzellen das Votum des Ethik- rats – ausgerechnet eines Gremiums, dem der DFG-Präsident angehört. Soll wirklich der DFG-Präsident darüber entscheiden, ob die Position der Deut- schen Forschungsgemeinschaft in ethi- scher Hinsicht einwandfrei ist?“ Ande- rerseits sind auch Vertreter der beiden großen christlichen Kirchen sowie von Behindertenorganisationen Mitglieder des Ethikrates. Die Ärzteschaft als ge- sellschaftliche Gruppe ist nicht vertre- ten – es wurden aber einige medizini- sche Experten benannt (dazu das Inter- view mit dem Präsidenten der Bundes- ärztekammer, Prof. Dr. med. Jörg-Diet- rich Hoppe, in diesem Heft).
Doch warum musste überhaupt ein weiteres, beim Bundeskanzleramt an- gesiedeltes Gremium eingesetzt wer- den? Schließlich gibt es bereits die En- quete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“, die ihrem Selbstverständnis nach „grundlegende Arbeit für notwendige Entscheidun-
gen des Deutschen Bundestages lei- sten“ soll. Sie setzt sich aus Bundes- tagsabgeordneten und der gleichen Anzahl von Wissenschaftlern zusam- men. Doch die Richtung der Enquete- Kommission scheine nicht in Schrö- ders bioethisches Konzept zu passen, kritisiert Hüppe, stellvertretender Vor- sitzender der Kommission. Auch die FDP-Bundestagsabgeordnete Ulrike Flach fordert Schröder zu einer Klar- stellung des Verhältnisses zwischen Ethikrat und Enquetekommission auf:
„Der Ethikrat darf nicht politisiert werden – in diesem Gremium sind sachliche Diskussionen jenseits von parteipolitischer Gemengelage not- wendig. Schon allein die Ansiedlung des Rates beim Kanzleramt ist nicht die beste Entscheidung gewesen.“
Diskurs zu Fragen
der Lebenswissenschaften
Und dann gibt es auch noch den Ethikbeirat beim Bundesgesund- heitsministerium. Er war von der da- maligen Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer einberufen worden, die für einen strengen Embryonen- schutz eintrat. Jetzt führt der Ethik- beirat jedoch offenbar nur noch ein Schattendasein. Er werde seine Arbeit in den Nationalen Ethikrat einbrin- gen, erklärte Bundesgesundheitsmini- sterin Ulla Schmidt. Die Vorsitzende des Ethikbeirates beim Bundesge- sundheitsministerium, die Hamburger Molekularbiologin Prof. Dr. rer. nat.
Regine Kollek, ist jetzt Mitglied im Nationalen Ethikrat.
Die Bundesregierung verteidigt die Einrichtung. In einer Antwort auf eine kleine Anfrage der CDU/CSU- Bundestagsfraktion schrieb sie: „Der Deutsche Ethikrat soll den wissen- schaftlichen und gesellschaftlichen Dis- kurs zu Fragen der Lebenswissen- schaften vernetzen und Bürgerinnen und Bürger zum Dialog einladen.“ Der Kanzler bezeichnet ihn als „Gremium, das im nationalen wie internationa- len Maßstab wichtige Beiträge liefern wird“.
Die Mitglieder des Nationalen Ethik- rates sind unter „Personalien“ in die- sem Heft aufgeführt. Gisela Klinkhammer P O L I T I K
Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 20½½18. Mai 2001 AA1297
Nationaler Ethikrat
Guter Rat zum Dritten
Bundeskanzler Schröder will offenbar ein Gegengewicht zur Enquete- Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“schaffen.
Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn will zur Forschung an embryonalen Stammzellen das Votum der Deutschen For- schungsgemeinschaft. Deren Vorsitzender, Ernst-Ludwig Win- nacker, ist auch Mitglied des Nationalen Ethikrates. Foto: dpa