A 280 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 6|
11. Februar 2011 Selbsthilfeangebote im In-ternet sind für bestimmte Personengruppen beson- ders geeignet und können die Arbeit der Selbsthilfe- gruppen vor Ort sinnvoll ergänzen und unterstüt- zen. Hierzu zählen zum Beispiel Personen, die nur eingeschränkt mobil sind oder pflegende Angehöri- ge, die kaum Zeit für den Besuch einer Selbsthilfe- gruppe haben. Auch für das Spektrum seltener Erkrankungen sowie bei
psychosozialen Problemen und Anlässen ist die virtuelle Selbsthil- fe wegen ihres niedrigschwelligen Zugangs und der Anonymität ge- eignet, die in der gegenseitigen Unterstützung liegenden positiven Effekte auf jeden Einzelnen zu ent- wickeln.
Dies ist ein Ergebnis der Fachta- gung „Neue Medien – neue Selbst- hilfe?!“, bei der Aktive aus der Selbsthilfe sowie Wissenschaftler und Fachleute auf Einladung unter anderem der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anre- gung und Unterstützung von Selbst- hilfegruppen (NAKOS) über Be- deutung und Qualität der neuen Me- dien für die Selbsthilfe diskutierten.
Das Web 2.0 bietet Menschen mit chronischen Erkrankungen, ge- SELBSTHILFE
Angebote im Web als sinnvolle Ergänzung
sundheitlichen Problemen, bei an- dauernden seelischen oder sozialen Belastungen und in besonderen Le- bensphasen vielfältige Kommuni- kationsmöglichkeiten. Im Internet können sich Betroffene über Er- krankungen und Behandlungen, Therapien und Unterstützungsange- bote informieren. Neben Gesund- heitsportalen von professionellen Akteuren und Angeboten mit kom- merziellem Hintergrund finden Be- troffene dort auch zunehmend fachliche Hilfen und emotionale Unterstützung durch andere Gleichbetroffene. Eine besondere Rolle spielen dabei Online-Foren, in denen sich die Betroffenen un- tereinander austauschen.
Fast die Hälfte der bundesweiten Selbsthilfevereinigungen betreiben
mittlerweile Foren, Chats oder Blogs, um den Aus- tausch von Betroffenen im Internet zu ermöglichen.
Darüber hinaus findet man im Internet auch zahlrei- che Angebote, die von Be- troffenen ohne Anbindung an die organisierte Selbst- hilfe verantwortet werden.
Virtuelle Austauschmög- lichkeiten gibt es etwa zu Themen wie Schuppen- flechte, Essstörungen, De- pressionen oder Schlagan- fall.
Das Fazit der Experten: Die orga- nisierte Selbsthilfe und die Selbst- hilfeunterstützung sollten Brücken schlagen zu den virtuellen Selbst- hilfeformen. Die Herausforderung sei, sich virtuellen und auch realen Formen des Austausches zu öff- nen, bei denen die Aktiven sich selbst gar nicht „der Selbsthilfe“
zuordneten. Die internetgestützte Selbsthilfe sollte als Ergänzung, Bereicherung und Erneuerung der gemeinschaftlichen Selbsthilfe be- trachtet werden – nicht als Be - drohung der traditionellen Selbst- hilfe. Notwendig seien allerdings Qualitätskriterien für die Selbst- hilfe im Internet vor allem in Be- zug auf Datenschutz und Transpa- renz der Angebote. Informationen:
www.nakos.de. EB
Mit dem Ziel, die gesellschaftliche Debatte zum Thema Intersexuali - tät zu enttabuisieren, vorherrschen- de, gesellschaftlich festgelegte Ge- schlechtsnormen zu hinterfragen und die Diskussion über die gesell- schaftliche Akzeptanz intersexuel- ler Menschen anzustoßen, hat der Deutsche Ethikrat Mitte Juni 2010 sein „Forum Bioethik“ dem Thema
„Intersexualität – Leben zwischen den Geschlechtern“ gewidmet.
Mit dem Begriff Intersexualität oder Zwischengeschlechtlichkeit ETHIKRAT
Diskussionsforum zur Intersex-Problematik
werden viele unterschiedliche Phä- nomene nicht eindeutiger Ge- schlechtszugehörigkeit mit jeweils verschiedenen – etwa chromoso- malen oder zellulären – Ursachen beschrieben. Die Wissenschaft be- trachtet die Intersexualität meist als eine Störung der Geschlechtsent- wicklung, die Betroffenen selbst sehen sich als eine Variante der möglichen Geschlechter. Der Um- gang mit der Intersexualität berührt eine Reihe medizin-, rechts- und sozialethischer Fragen, insbeson-
dere das Recht auf körperliche Un- versehrtheit.
Der Ethikrat will im Rahmen der Diskussion über das künftige Arbeitsprogramm darüber ent- scheiden, ob und in welchem Um- fang das Thema weiter bearbeitet werden soll. Informationen zum Forum sowie Audiomitschnitt, Fo- tos und die Simultanmitschrift sind unter www.ethikrat.org/veranstal tungen/forum-bioethik/intersexuali taet-leben-zwischen-den-geschlech
tern abrufbar. EB
Stotterer-Selbst- hilfegruppe im Café. Neben dem organisierten Kon- takt in der Gruppe werden virtuelle Sebsthilfeformen per Internet immer wichtiger.
Foto: epd