chologischen Interesse, aber heute auch von anderen Au- toren als neue Erkenntnis ge- priesen, ist die Frage, ob
„Eve's secrets" auf dem Hö- hepunkt des Geschlechts- aktes nicht nur Gleitflüssig- keit oder gar Urinflüssigkeit, sondern der männlichen Eja- kulation entsprechende (na- türlich nicht spermienhaltige) Absonderungen seien. Wenn dem so ist, wäre das als ein Hinweis dafür zu deuten, daß die Frau auch im Ge- schlechtsakt nicht nur die Empfangende ist . . .?
Adelheid Müser
Amateure, Fachleute, Wissenschaftler
Wolf Lepenies: Autoren und Wissenschaftler im 18.
Jahrhundert, Edition Akzen- te, Carl Hanser Verlag, Mün- chen/Wien, 1988, 168 Seiten, Broschur, 26 DM
Zu den Lieblingsthemen des bekannten Berliner So- ziologen zählt das Zusam- menspiel von Wissenschaft und Literatur. Ausführlich
ff 11
Das Qi Wecken, Pinselzeichnung von Anne Baisch (aus dem hier besprochenen Buch)
Evas „secrets`
der wirklich kleine Unterschied
Josephine Lowndes Seve- ly: Evas Geheimnis. Neue Erkenntnisse zur Sexualität der Frau, Droemer Knaur, 1988, 252 Seiten, 28 DM
Der deutsche Titel ist eher einem Trivialroman ange- messen. Insofern ist er irre- führend, und er trifft auch nur einen Teilaspekt. Mit
„Eve's secrets" meint die Autorin, eine amerikani- sche Sexualwissenschaftlerin, nicht nur neue Erkenntnisse in der Anatomie des weib- lichen Genitalbereichs, son- dern auch wortwörtlich „Se- krete", flüssige Absonderun- gen. Plausibel dargestellt ist die These, daß männlicher und weiblicher Genitalbe- reich sich einander in vielem entsprechen. Wenn etwa die Klitoris nicht ein Mini-Penis ist, sondern ihre Entspre- chung in einem Teil des männlichen Penis findet, dann wäre das für Frauen ein Grund weniger, sich als min- derwertige Ausgabe der menschlichen Art zu fühlen.
Es macht schon einen psy- chologischen Unterschied aus, ob weibliche Ge- schlechtsteile in Relation zu den männlichen gesetzt wer- den, oder ob umgekehrt die männlichen mit den weib- lichen verglichen werden.
Und so ist es nicht ver- wunderlich, daß die Autorin neben anderen historischen Hinweisen auf die beiden bib- lischen Schöpfungsgeschich- ten zu sprechen kommt, die in wenigen Worten eine grundsätzliche Differenz in der Sicht von Mann und Frau offenbaren: Ob Eva aus der Rippe Adams erschaffen wurde, oder ob (die ältere Version) der Mensch von vorneherein als Mann und Frau geschaffen wurde. Kei- ne Frage, welcher Geschichte Frauen heute den Vorzug ge- ben!
Ein zweiter Aspekt, von weniger weitreichendem psy-
Taijiquan
— mehr als eine Modeerscheinung
Christa Proksch: Taiji- quan, Sammlung Luchter- hand, Dezember 1987, 151 Seiten, kartoniert 12,80 DM, Hermann Luchterhand Ver- lag, Darmstadt.
Erst relativ spät und auf Umwegen ist die Autorin zu Taijiquan gekommen Diese Lebenserfahrung macht ihren Versuch, auch den Leser auf diesen Weg zu locken, beson- ders überzeugend. Taijiquan oder Taiji oder Schattenbo- xen ist zur Zeit schick. Wer aber glaubt, es gelte lediglich einige Übungen zu lernen, um Taiji als Selbstverteidi- gung oder Gymnastik prakti- zieren zu können, wird von Christa Proksch eines ande- ren belehrt. Im Taiji steckt eine ganze Philosophie, und der Adept wird gut tun, sich
darin geduldig einzuüben.
Der verbreitete Ausdruck Schattenboxen stimmt im Grunde nicht; Boxen sugge- riert Aggressivität. Die aber ist bei Taiji nicht gefragt. Tai- ji als Kampfsport oder Me- thode der Verteidigung be- ruht vielmehr darauf, den Gegner ins Leere laufen zu lassen. Nimmt man Taiji als Folge natürlicher Bewegun- gen, dann muß man sich aus unserer Vorstellung von Gymnastik lösen. Unsere Gymnastik bedeutet willent- liche Anspannung, Taiji Ge- währenlassen des Körpers.
Das Büchlein — das neben dem Text von Proksch zwei kulturhistorische Einführun- gen enthält — soll auf den Ge- schmack bringen. Es ist kein Lehrbuch, wenn auch ein- zelne Übungen vorgestellt werden. Taiji kann nur durch den erfahrenen Lehrer vermittelt werden, nicht durch Bücher — und letztlich muß jeder selbst den Weg finden NJ
und großartig hat Lepenies das zuletzt in den „Drei Kul- turen" 1985 behandelt. Be- handelte er damals das 19.
Jahrhundert, so hier das 18.
Auch diesmal schreibt Lepe- nies, der sich selbst um einen guten literarischen Stil bei al- ler Wissenschaftlichkeit be- müht, kein trockenes theore- tisches Werk, sondern geht den Verbindungslinien an- hand der kurzweiligen Bio- graphien bedeutender Zeit- genossen nach.
Das 18. Jahrhundert, im- mer noch recht stiefmütter- lich behandelt, ist eine inter- essante Episode der Wissen- schaftsgeschichte, eine Zeit des Umbruchs, in der sich die moderne Wissenschaft — ge- kennzeichnet durch Speziali- sierung, Herausarbeitung an- gepaßter Methoden und Theorienbildung — entwik- kelte.
Mitte bis Ende des 18.
Jahrhunderts wandelten sich die Büchergelehrten zu exak- ten Beobachtern der Um- welt, wurden aus Amateuren Fachleute, die freilich, das unterscheidet sie von späte- ren Profis, den Status des Liebhabers noch nicht verlo- ren, sondern, im Gegenteil, kultivierten. Zum Beobach- ten, das schon fast zu einem Kult entwickelt wurde, trat das Einordnen. Zugleich legte man großen Wert darauf, die Ergebnisse treffend zu be- schreiben. Auch der Stil geriet zum Kult. Nüchterne Beob- achtung war durchaus verein- bar mit Emphase. Winckel- manns Ziel war es beispiels- weise, „ein vollkommenes Werk zu liefern und das Den- ken und die Schönheiten der Gedanken und der Schreibart aufs Höchste zu treiben".
Lepenies stellt fünf sol- cher beobachtender und stil- bewußter Wissenschaftler vor: Linn (dessen Gegen- stand die Natur war), Buffon (Literatur), Winckelmann (Kunst), Georg Forster (Anthropologie) sowie den Großvater des berühmten Darwin, Erasmus Darwin, der Arzt und vieles andere war.
Norbert Jachertz A-1392 (84) Dt. Ärztebl. 85, Heft 19, 12. Mai 1988