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Archiv "Gesundheits- und Sozialpolitik: Beifall für Seehofer, große Zustimmung zu Anträgen" (05.06.1998)

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r kam zum sechsten Mal zur Eröffnung eines Deutschen Ärztetages – und seine Rede ge- fiel: Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU). Bei der Vorstellung seiner „Leitsätze zur Gesundheitspoli- tik“ im Kölner Gürzenich sprach und versprach er manches, was im Interesse von weiten Teilen der Ärzeschaft liegt.

So betonte er, daß ein stabiler Beitrags- satz in der Gesetzlichen Krankenversi- cherung (GKV) zwar ein wichtiges und ehrgeiziges Ziel bleibe. Der strikt ein- nahmenorientierten Ausgabenpolitik erteilte Seehofer dieses Mal aber eine Absage: „Man kann auf Dauer den me- dizinischen Bedarf eines Volkes nicht an die Einnahmen der GKV koppeln.“

Der Minister schrieb in seine

„Leitsätze“, gesetzliche Budgetierun- gen seien auf Dauer ungeeignet. Beifall fand die Aussage, globale Einspar- reserven seien in der GKV inzwischen ausgeschöpft. In Zukunft müßten zu- sätzliche finanzielle Ressourcen er- schlossen oder Qualität und Leistungs- umfang der Versorgung durch offene Rationierung zurückgeführt werden.

Mehrheit für Leitantrag

Diese Einschätzung wird im Kern sowohl von der Bundesärztekammer als auch der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung (KBV) seit längerem ver- treten. Sie findet sich im Grundsatz im Leitantrag „Sozialpolitik am Scheide- weg“ des BÄK-Vorstandes wieder, den die Delegierten im Verlauf ihrer Ar- beitssitzung mit großer Mehrheit an- nahmen. Darin heißt es unter anderem:

„Die vor allem aus politischen Grün- den festgelegte Einnahmenbegrenzung der GKV gefährdet zunehmend Lei-

stungsfähigkeit, Qualität und soziale Si- cherheit und bedroht die Arbeitsplätze im Gesundheitswesen.“

Gegensätzliche Auffassungen zur Weiterentwicklung des Gesundheits- wesens vertrat dagegen Dr. jur. Hans Sendler, der den angekündigten Sozial- minister Dr. Axel Horstmann (SPD) vertrat. Sendler ist Abteilungsleiter für Gesundheit im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. Er sah die Er- schließung von Rationalisierungspo- tentialen keineswegs als beendet an, sondern als Daueraufgabe im Gesund- heitswesen. Von zentraler Bedeutung sei beispielsweise, die Steuerung des Krankenhaussektors in den Griff zu be- kommen, Planungssysteme für den am- bulanten und stationären Bereich stär- ker zu vernetzen sowie in der ambulan- ten Versorgung patientenorientierte hausärztliche Strukturen zu stärken.

Seehofer hingegen betonte in Ma- nuskript wie Rede (bei Veranstaltun- gen wie dem Ärztetag öfters zweierlei), man wolle an der „Freiheitlichkeit“ des Gesundheitssystems festhalten. Des- halb prüfe man, „ob für bestimmte Arztgruppen und Behandlungsfelder die Kostenerstattung ausgeweitet wer- den kann“. Als weitere Ausprägung der Freiheitlichkeit beschrieb er,

1 daß es Zulassungssperren von 1999 an nicht geben werde,

1 daß es keine generelle Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung sowie

1 keine Einkaufsmodelle der Krankenkassen geben solle. „Die Macht der Krankenkassen ist groß ge- nug in Deutschland“, rief er unter lau- tem Beifall der Gäste im Gürzenich.

Seehofer ging auch auf die Ein- nahmeseite der GKV ein. „Wir halten

an der einkommensabhängigen und nicht am Krankheitsrisiko orientierten Finanzierung der sozialen Krankenver- sicherung fest“, heißt es in seinen „Leit- sätzen“. Der Bundesgesundheitsmini- ster will auch an der Versicherungs- pflicht- und Beitragsbemessungsgrenze in der GKV nicht rütteln. Am beitrags- freien Versicherungsschutz für Kinder halte man fest – woraus man umge- kehrt schließen darf, daß die beitrags- freie Mitversicherung von Ehefrauen wohl demnächst der Vergangenheit an- gehören wird.

Lob für den IGEL-Katalog

Seehofer begrüßte schließlich den Katalog individueller Gesundheitslei- stungen (IGEL) der KBV. Er verdeutli- che, welche medizinischen Leistungen nicht unter die Leistungspflicht der Ge- setzlichen Krankenversicherung fallen.

Der Präsident der Bundesärztekam- mer, Dr. med. Karsten Vilmar, vertei- digte in seiner Rede (siehe auch Doku- mentation des Referats in diesem Heft) den IGEL-Katalog: „Es ergibt sich we- der aus dem Gesetz, noch dürften es beitragszahlende Rentner oder Ar- beitslose einsehen, daß sie mit ihrem Geld zum Beispiel für – tropenmedizi- nisch gewiß sinnvolle – Impfungen bei Menschen aufkommen sollen, die zur Großwildjagd nach Afrika reisen, oder daß sie auch das Entfernen von Täto- wierungen bezahlen sollen.“

Trotz vereinzelter Delegiertenvor- behalte befürwortete indirekt auch der Deutsche Ärztetag das Konzept: Kriti- sche Anträge zum IGEL-Katalog fan- den keine Mehrheit. Die meisten Dele- gierten beurteilten die Liste offenbar so wie Dr. Rainer M. Holzborn, Ärzte- A-1424 (20) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 23, 5. Juni 1998

P O L I T I K 101. DEUTSCHER ÄRZTETAG

Gesundheits- und Sozialpolitik

Beifall für Seehofer, große Zustimmung zu Anträgen

Der Vorstand der Bundesärztekammer kann zufrieden sein: Seine vier Vorlagen, darunter das Konsenspapier zur Integration von ambulanter und stationärer Versorgung und das Initiativprogramm Allgemeinmedizin, wurden angenommen.

E

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A-1425

P O L I T I K 101. DEUTSCHER ÄRZTETAG

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 23, 5. Juni 1998 (21) Repräsentativ und fleißig –

der Ärztetag. Oben: Eröffnung mit Ehrenpräsident Dr. Wilhelm Baldus (2. v. l., eingerahmt von Dr. Hans Hege

und Prof. Heinz Diettrich) und politischen Ehrengästen (Minister Horst

Seehofer, Dr. Dieter Thomae und Wolfgang Lohmann, im Vordergrund

Prof. Jörg-D. Hoppe). Darunter:

Träger der Paracelsusmedaille, v. l. n. r. Prof. Fritz Hubertus Kemper,

Prof. Kurt-Alphons Jochheim und Dr. Hans Engelhard; rechts: Dr. Karsten

Vilmar. Unten: Arbeitstagung in der Kölner Messe, technisch

vorzüglich organisiert.

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kammer Nordrhein: Kranke solle man versorgen wie bisher. Wenn aber Ge- sunde mit Extrawünschen kämen, soll- ten sie deren Erfüllung auch bezahlen.

Aufs Bezahlen war konkret auch Minister Seehofer eingegangen. Er ver- sprach den Ärzten, die privatärztliche Vergütung in den neuen Ländern zum 1. Januar 1999 auf 90 Prozent des West- niveaus anzuheben. Seehofer versi- cherte, er trete für eine vollständige Angleichung vom Jahr 2000 an ein, falls dies die wirtschaftliche Entwicklung er- laube. Das Anliegen der niedergelasse- nen Ärzte in den neuen Ländern, ihre GKV-Honorarsituation zu verbessern, nannte der Minister berechtigt und ver- ständlich. Zunächst müsse das Geld, das nach Inkrafttreten des Finanzstär- kungsgesetzes fließe, jedoch zum Defi- zitausgleich der ostdeutschen Kran- kenkassen verwendet werden.

Der Bundesgesundheitsminister, reichlich mit Beifall bedacht, dankte am Schluß seiner Rede sowohl Dr. Kar- sten Vilmar als auch Dr. Winfried Schorre, dem Vorsitzenden der KBV, außerdem einigen wenigen weiteren Verhandlungsführern der Ärzteschaft, so dem früheren KBV-Vorsitzenden Dr. Ulrich Oesingmann. Im Laufe der Jahre habe man es zwar nicht immer leicht miteinander gehabt, aber doch manches „aufs Gleis“ gebracht. Wer dies für Abschiedsworte hielt, irrte:

„Der nächste Deutsche Ärztetag findet in Cottbus statt, und ob Sie es wollen oder nicht: Sie werden mich wieder er- leben“, erklärte Seehofer fröhlich.

Weniger fröhlich kommentierten am darauffolgenden Tag einige Dele- gierte die Eröffnung (siehe auch Seite eins in DÄ 22). Mit Blick auf den vie- len Beifall für den Gesundheitsmi- nister der Regierungskoalition fragte Dr. Erwin Hirschmann, Ärztekammer Bayern: „Wer hat denn 18 Jahre lang die Gesundheitspolitik gemacht?“

Seehofer habe eine „heile Welt in fünf Punkten“ dargestellt, kritisierte Dr.

Volker Pickerodt, Ärztekammer Ber- lin, dessen Leitsätze. Dr. Siegmund Drexler, Ärztekammer Hessen, ver- glich ihn gar mit dem Wolf im Märchen vom Wolf und den sieben Geißlein:

„Er hat Kreide gefressen.“ Moderat fing Dr. Wolf-Rüdiger Rudat, Ärzte- kammer Thüringen, das Thema auf:

Politik sei die Kunst des Möglichen.

Seehofer für alles verantwortlich zu

machen sei unredlich. An den Ent- wicklungen habe die Ärzteschaft ihren Anteil. Man habe sich zu wenig in die Politik eingemischt und einige sich zu selten untereinander.

Rasch einig waren sich die Dele- gierten beim sogenannten Konsenspa- pier der Ärzteschaft zur Verzahnung von ambulanter und stationärer Ver- sorgung. Es war nach zweijährigen Verhandlungen zwischen BÄK und KBV von den Vorständen „abgeseg- net“ worden und wurde zunächst von

der Vertreterversammlung der KBV angenommen (siehe DÄ 22), dann auch vom Deutschen Ärztetag.

Falls noch Zweifel bestanden, so hatte manchen vielleicht der Appell Dr.

Frank Ulrich Montgomerys überzeugt.

Montgomery, der auch Vorsitzender des Marburger Bundes ist, rief dazu auf, dem Vorschlag zuzustimmen. Er zi- tierte Arbeitsminister Norbert Blüm, der einmal gesagt habe: „Ein echter Kompromiß ist einer, dem alle zustim- men können und der keinem gefällt.“

Im Konsenspapier heißt es: „Die notwendige kostenaufwendige Infra-

struktur eines Krankenhauses und die in der Bundesrepublik bewährte Struk- tur einer wohnortnahen fachärztlichen Versorgung durch in freier Praxis als Kassenärzte zugelassene Fachärzte steht einer Öffnung der Krankenhäu- ser für die fachärztliche ambulante Ver- sorgung entgegen.“

Außerdem enthält das Konsens- papier zahlreiche Vorschläge für eine bessere Verzahnung vor allem an der Schnittstelle zur Hochleistungsmedizin und im Bedarfsfall. Bekannt und zum Teil umgesetzt sind Vorschläge wie die gemeinsame Nutzung von Großgerä- ten oder Spezialeinrichtungen, die Ein- bindung von Vertragsärzten in Form ei- ner Zweigpraxis in den Räumen des Krankenhauses oder die Ermächtigung von Krankenhausfachärzten.

Erstmals wurde nun aber ein Kata- log spezialisierter Leistungen vorge- legt, die in der Regel zur Vermeidung unnötiger gesundheitlicher Risiken von Krankenhausärzten erbracht wer- den sollen. Schließlich soll die Koope- ration und Kommunikation zwischen ambulant und stationär tätigen Ärztin- nen und Ärzten mit Hilfe moderner Technologie verbessert werden. BÄK und KBV schlagen unter anderem vor, ein elektronisch gestütztes Kommuni- kationssystem einzuführen, um eine Online-Kommunikation zu ermögli- chen, gleichzeitig aber Sicherheitsstan- dards zur Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht einzuhalten. Ein wei- terer Vorschlag zielt darauf ab, eine Te- lematikplattform auszubauen.

Mehr Raum für Diskussion bean- spruchte der Antrag zum Initiativpro- gramm Allgemeinmedizin (siehe eige- nen Bericht im Heft). Ohne lange De- batten wurde hingegen die Vorlage des Vorstandes der Bundesärztekammer zum Thema „Die Zukunft der gesund- heitlichen Versorgung im vereinten Eu- ropa“ angenommen. Darin wird die Möglichkeit bejaht, ärztliche Leistun- gen auf freiwillliger Basis grenz- überschreitend zu erbringen und zu be- anspruchen. Gefordert werden aber klare Regelungen der technischen An- passung und Zusammenarbeit der Sy- steme, eine Nivellierung nach der Devi- se „Harmonisierung“ lehne man ab.

Verlangt wird außerdem, den Aufbau eines ausländischen Versorgungsnetzes durch deutsche Krankenkassen zu ver-

bieten. Sabine Rieser

A-1426

P O L I T I K 101. DEUTSCHER ÄRZTETAG

(22) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 23, 5. Juni 1998

Hintergründiges zum Violinensolo

Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Ärztekammer Nordrhein und Vizepräsident der Bundes- ärztekammer, begann seine Begrüßung zur Eröffnung des 101. Deutschen Ärz- tetages in Köln sozusagen mit „den an- deren“: Die Eröffnung des diesjähri- gen Kongresses der Deutschen Gesell- schaft für Chirurgie sei von einem elfköpfigen Blechbläserensemble um- rahmt worden, die der Deutschen Ge- sellschaft für Innere Medizin von einem holzbläserdominierten Ensemble. Bei- de Gesellschaften hätten damit den für sie richtigen Ton getroffen.

In Köln nun spielte die Violinistin Ursula Schoch die Chaconne aus der II.

Partita d-Moll für Violine solo von Jo- hann Sebastian Bach. Hoppe gab der Hoffnung Ausdruck, daß man damit den für den Ärztetag richtigen Ton ge- troffen habe – „etwa in dem Sinne, daß die deutsche Ärzteschaft mit einer Stimme spricht, wobei wir sicherheits- halber jedoch ein Musikstück gewählt haben, welches gespickt ist mit Doppel- griffen auf der Geige“. Rie

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