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Archiv "Ärzte erklären Bereitschaft zu freiwilliger Kostendisziplin" (07.04.1977)

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DEUTSCHE S ÄRZTEBLATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Beim „Hearing"

im Bundestag über Ehrenbergs Sozialpaket bildete sich gegen die Ärzte eine seltsam-unheilige

Interessenkoalition von Gewerkschaften, Arbeitgebern

und RVO-Kassen

Ärzte erklären Bereitschaft zu freiwilliger

Kostendisziplin

Die Abgeordneten des Sozialpolitischen Ausschusses des Deut- schen Bundestages werden es nicht einfach haben, die schier endlo- sen Sachverständigenbeiträge zu den beiden Ehrenberg-Gesetzen auszuwerten, die ihnen an drei langen Tagen — am 23., 24. und 25.

März — vorgetragen wurden. Es war weithin ein Kampf um Details und Detailchen; und das Gesellschaftspolitische an Ehrenbergs Ge- setzen wurde davon schon fast zugeschüttet — durchaus im Sinne des Ausschußvorsitzenden, des SPD-Abgeordneten Hermann Rappe, der zuvor schon mitgeteilt hatte, Grundsatzreden seien nicht gefragt, sondern Antworten auf Sachfragen.

Dennoch — die grundsätzlichen Meinungsunterschiede über das von der Regierung angebotene Konglomerat aus Rentenanpassung und Strukturveränderung im Gesundheitswesen ließen sich nicht verber- gen; die Fronten traten in Bonn bei jeder Detailerörterung in voller Klarheit hervor. Am deutlichsten wohl bei dem Für und Wider um den Vorschlag des Bundesrates, das „Kostendämpfungsgesetz" von dem Rentenanpassungsgesetz abzukoppeln, in einer „Konzertierten Aktion" für Kostendisziplin zu sorgen und während einer zweijähri- gen „Pause zum Denken" ein Konzept für eine dauerhafte Sicherung des sozialen Netzes auszuarbeiten.

Um es kurz zu machen: alle „Anbieter" auf dem Gesundheitsmarkt gelobten Kostendisziplin und plädierten — hierin unterstützt von Ersatzkassen und Deutscher Angestelltengewerkschaft — für die zweijährige Denkpause. Die Zusicherungen auf Kostendisziplin wa- ren freilich unterschiedlich. Am unmißverständlichsten und — dank ihrer bereits bewiesenen und durch die Empfehlungsvereinbarung auch fixierten Disziplin — am glaubhaftesten äußerten sich die Ärzte.

Dr. Hans Wolf Muschallik (unterstützt von Prof. Dr. Hans Joachim Sewering, aber auch von Dr. Horst Bourmer und Dr. Kaspar Roos) versicherte, die mit der Empfehlungsvereinbarung eingeleitete Poli- tik werde auch nach 1978 fortgesetzt — falls sich auch die anderen

„Anbieter" dazu durchringen und die Notwendigkeit dazu gegeben sei. (Näheres dazu auch in dem Interview mit Dr. Muschallik in Heft 13/1977.) Muschallik und mit ihm Dr. Rolf Schlögell mußten diese

Heft 14 vom 7. April 1977 909

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Die Information:

Bericht und Meinung

„Hearing" über Ehrenbergs Sozialpaket

Zusicherung in diesen Bonner Ta- gen mehrfach wiederholen, da von einigen SPD-Sozialpolitikern in schon fast beleidigender Weise Zweifel daran geäußert wurden, ob die Kassenärzte diese Politik auch mitmachen würden. Doch selbst die Ärzteverbände, die sich in den letz- ten Monaten in der Kritik an der

Empfehlungsvereinbarung hervor- getan hatten, sprangen ihm bei: Das Verständnis für Kostendisziplin sei unter der Kollegenschaft spürbar gewachsen.

Gegen Abkoppelung, verbunden mit

„Konzertierter Aktion" stand in Bonn der Block aus RVO-Kassen (die wiederum dem BdO die Mei- nungsführerschaft überließen), DGB und Arbeitgebern. Sie alle wollten ein Gesetz und zweifelten am Erfolg freiwilliger Bemühungen (wiewohl sie an anderer Stelle immer wieder die „Selbstverwaltung" priesen).

Konzertierte Gespräche könne es unabhängig davon auch noch ge- ben, hieß es. Denn miteinander zu sprechen könne ja nie schaden.

Arbeitgeber auf DGB-Linie

Am härtesten gaben sich hier Gerd Muhr und Alfred Schmidt vom DGB sowie Hans Töns vom BdO. Und Rechtsanwalt Dr. Werner Doetsch von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände pflichtete ihnen da — wie bei fast jedem Punkt in diesem Hearing — bei.

Die Verblüffung über die vielfache Verbrüderung von Arbeitgeberver- tretern und DGB-Gewerkschaftlern auf offener Bonner Szene stand vie- len Teilnehmern des Hearings im Gesicht geschrieben, hatte doch mancher geglaubt, Arbeitgeber und freie Unternehmer seien identisch und freie Unternehmer wiederum müßten für freie Berufe (im Gesund- heitswesen) Verständnis haben, da beide doch auf eine freiheitliche Ordnung angewiesen sind. Doch bei der „Kostendämpfung" scheinen die Arbeitgeberbekenntnisse zu frei- heitlicher Gesellschaftsordnung ver- gessen zu sein und die Sorgen um

Beitragsprozente vorzudringen. Hier gehe es nämlich — um Doetsch-Ge- sinnungsbruder Muhr zu zitieren — nicht um Ideologie, sondern um Pragmatik. Und pragmatische Sor- gen um Arbeitgeberanteile an So- zialversicherungsbeiträgen machen dann auch Struktureingriffe von Ge- wicht „ordnungspolitisch vertret- bar" (um hier einen von Doetsch ge- liebten Ausdruck zu gebrauchen).

Das gilt für bindende Honoraremp- fehlungen und für eine institutionel- le vor- und nachstationäre Versor- gung genauso, wie für die Eineb- nung der Ersatzkassen per Finanz- ausgleich und Einheitsgebühren- ordnung. Die Arbeitgeber verspre- chen sich von dem Sozialpaket of- fenbar eine relative Beitragsstabili- tät, zumindest in der Rentenversi- cherung (und Doetsch ist ja Vorsit- zender des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger). Ange- sichts dessen ist man offensichtlich bereit, seine ideologischen, ord- nungspolitischen Grundsätze hint- anzustellen.

Das ist nicht nur prinzipienlos, son- dern auch kurzsichtig. Denn wäh- rend des Hearings wurde überdeut- lich: Der Rentenversicherung droht nach 1980 der Kollaps, und zwar gleichgültig, wie die Krankenversi- cherung der Rentner geregelt wird.

Beitragserhöhungen, wenn nicht ein völlig neues Konzept müssen also her, und zwar bald.

Was also jetzt im Ehrenberg-Paket steckt, wird eh' nicht lange Bestand haben — was die Beiträge angeht.

Denn Beitragserhöhungen sind auch in der Arbeitslosenversiche- rung zu erwarten. Und die Hoffnun- gen auf Beitragsstabilität in der Krankenversicherung sind nicht viel wert; die Kassen und überhaupt nie- mand mochte sich exakt zu den fi- nanziellen Auswirkungen der Ko- stendämpfungsmaßnahmen äußern, eher kamen Befürchtungen über Be- lastungen hoch: Angefangen von dem Investitionskostenanteil der Krankenhäuser (gegen dessen Über- nahme durch die Kassen sich Hans Töns zwar energisch wehrte, aber wie soll er gezahlt werden, wenn nicht über die Preise = Pflegesätze)

bis zu dem Arzneimittelhöchstbe- trag, der dazu führen könnte,

„teuere" Patienten flugs ins Kran- kenhaus zu schicken. Angesichts solch dubioser Folgen setzte sich KBV-Vorsitzender Dr. Muschallik für die Alternative: „Transparenz durch mehr Information" ein. Er forderte deshalb die Kassen auf, die Rezepte zügig auszuwerten und die Ärzte quartalsweise über die Ergebnisse zu informieren. Dr. Rolf Schlögell, Hauptgeschäftsführer der KBV, ver- wies zudem darauf, daß von seiten der Ärzte in Sachen Transparenz schon einiges getan wird.

Über die Kostenwirksamkeit der im Gesetzentwurf vorgesehenen Struk- turmaßnahmen am Krankenhaus wurden die unterschiedlichsten Mei- nungen gehandelt. Während von seiten der Ärzte zum Beispiel dem Belegarzt zumindest Kostenneutrali- tät zugeschrieben wurde, wandten sich Kassen und Krankenhäuser ve- hement gegen eine Ausdehnung des Belegarztwesens, weil es eher ver- teuernd wirke. Ein gleiches gelte für die geplante Ausweitung der Beteili- gung und Ermächtigung von Kran- kenhausfachärzten, für die sich vor allem der Marburger Bund (Dr. Kar- sten Vilmar) stark machte. Dieselben Kassen (und Krankenhausträger), die in einer zusätzlichen Beteiligung der Krankenhausfachärzte keine verbilligende „Verzahnung" von ambulantem und stationärem Be- reich zu sehen vermochten, ver- wandten sich dann aber für die vor- und nachstationäre Betreuung durch das Krankenhaus als Institu- tion.

Installierung

einer neuen Machtebene

Womit einmal mehr zutage trat, nach welchem Muster Gewerkschaf- ten und (RVO-)Kassen das Netz des Gesundheitswesens gehäkelt sehen möchten. Sie bevorzugen im Zweifel die institutionelle Lösung — sei es im Krankenhaus, sei es bei den me- dizinisch-technischen Leistungen (durch Zentren, wie auch im Gesetz- entwurf vorgesehen) oder sei es bei der „Selbstverwaltung".

910 Heft 14 vom 7. April 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Während der Sachverständigen-Anhörung durch den Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung. Bildmitte: Ausschuß-Vorsitzender Hermann Rappe (un-

ter dem Foto von Kurt Schumacher) Foto: Gelsner

Die Information:

Bericht und Meinung

Mit dem Lockruf „Selbstverwaltung vor Staat" versuchte vornehmlich Alfred Schmidt während des Hear- ings die Ärzte (und die übrigen „An- bieter") zu locken. Der DGB verfolgt hier im Gegensatz zu den mit ihm verbündeten Arbeitgebern eine sehr konsequente, keineswegs „pragma- tische" Strategie. Die DGB-Reprä- sentanten in diesem Hearing haben freilich geschickt überspielt, was sie wirklich wollen. Wenn Alfred Schmidt die Schönheiten der künfti- gen Selbstverwaltung, die mit Eh- renbergs Gesetzen kommen soll, in verführerischen Tönen beschwor, dann mußte schon sehr genau hin- gehört werden, um zu bemerken, daß er mit Selbstverwaltung etwas ganz anderes meinte als diejenigen, die er umwarb. Während nämlich Ärzte, Krankenhäuser, Ersatzkassen ihre eigene auf ihre eigenen Mitglie- der bezogene, ihre eigenen Dinge regelnde Selbstverwaltung, mein- ten, geht es dem DGB sowie dem Bundesverband der Ortskranken- kassen um mehr. Im Eifer des Argu- mentierens verriet es Hans Töns: Es komme darauf an, wie man Selbst- verwaltung verstehe. Ob man Selbstverwaltung „partikularistisch"

auf die einzelne Kasse bezogen ver- stehe oder im Hinblick auf das „Ge- samtschicksal" der gesetzlichen Krankenversicherung. Und Alfred Schmidt gab zu später Abendstunde sein Verständnis von Selbstverwal- tung zum besten: erst die gemeinsa-

me Selbstverwaltung aller sei die Er- füllung der traditionellen Selbstver- waltung.

Um dieses Zieles willen dürften DGB und BdO auch die Überwälzung von sechs Milliarden pro Jahr aus der Rentenversicherung auf die Kran- kenkassen schlucken; sie wandten sich zwar dagegen, doch der Wider- stand schien nicht übermäßig groß zu sein angesichts des Zieles, dem man dank Ehrenberg und der Koali- tion ein Stück näher zu kommen hofft: dem Syndikalismus, denn nichts anderes ist mit Alfred Schmidts Erfüllung der Selbstver- waltung gemeint. Eine neue Ebene zwischen der alten „partikularisti- schen" Selbstverwaltung und dem Staat.

Auf dieser neuen Ebene sollen dann die bundeseinheitlichen Honorar- empfehlungen ausgehandelt wer- den. Denn auch die Honorare sollen ja im Rahmen neu zu strukturieren- der Einrichtungen „selbstverwaltet"

werden. Doch das ist etwas ganz an- deres als die freien Verhandlungen gleichgewichtiger Partner (von den

„gleich langen Spießen" war in Bonn oft die Rede), die es heute gibt und deren Gleichgewichtigkeit für den ambulanten Bereich im Grunde auch von der Kassenseite in Bonn nicht bestritten wurde.

Gerade zu diesem Punkt gab es bei dem Bonner Hearing eine auf- schlußreiche Diskussion. Als Mu- schallik und Schlögell im Hinblick auf die „Konzertierte Aktion" mehr- fach auf die erwiesene Kostendiszi- plin dank freier Selbstverwaltung verwiesen, wurde das zwar von Töns und Alfred Schmidt sowie natürlich Rechtsanwalt Doetsch anerkannt.

Aber daraus wurde keineswegs auf die Funktionsfähigkeit der bisheri- gen Selbstverwaltung geschlossen, sondern paradoxerweise auf die Notwendigkeit, eine derartige Politik gesetzlich abzusichern. Und das zeigt, daß es eben nicht um freiheit- liche Selbstverwaltung, sondern um die Etablierung einer neuen Macht- ebene geht. Geradezu verräterisch war eine Bemerkung von Gerd Muhr, der eine „Konzertierte Ak- tion" für das Gesundheitswesen als zu unverbindlich ablehnte, im sel- ben Satz aber den Vergleich mit der konzertierten Aktion beim Bundes-

wirtschaftsminister zurückwies, weil die „von ihrer Unverbindlichkeit lebt".

Alfred Schmidt sah sich später ge- nötigt, ausführlich zu begründen, weshalb sich die Gewerkschaften nicht durch konzertierte Empfehlun- gen binden lassen wollen, es aber den Partnern im Gesundheitswesen zumuten. Bei Honorarempfehlungen gehe es im Unterschied zu Tarifver- handlungen um Preise, und außer- dem handele es sich um einen öf- fentlich-rechtlichen Bereich. Außer- dem hätten die Kassenärzte prak- tisch eine Einkommens- und Ar- beitsplatzgarantie. All das rechtfer- tigt nach Schmidt die Festsetzung einer Preisspanne durch eine über- geordnete Selbstverwaltung.

Der Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung hat nun die kei- neswegs dankbare Aufgabe, aus dem Wust an Vorschlägen und Ab- lehnungen konkrete Ergebnisse her- auszufiltern und nicht zuletzt ord- nungspolitisch die Zeichen zu festi- gen, die einige Interessenten-Orga- nisationen auszureißen beginnen.

Angesichts des Frontenverlaufs, der sich im Bonner Hearing abzeichnete und bei dem diejenigen, die die Frei- beruflichkeit noch hochhalten, oft zwischen den Interessenten-Fronten standen, können die Ärzte ihre Hoff- nungen jetzt nur auf ein einsichtiges Parlament setzen. Ihre Bereitschaft zu wirkungsvollen und ordnungspo- litisch wirklich vertretbaren Lösun- gen haben sie in Bonn klar zu erken- nen gegeben. NJ

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 14 vom 7. April 1977 911

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